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Das Bundesgericht hatte im Urteil 6B_518/2024 vom 10. Dezember 2025 über eine Beschwerde gegen die vom Obergericht des Kantons Bern angeordnete Landesverweisung und deren Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS) zu befinden. Der Beschwerdeführer A.__, ein syrischer Staatsangehöriger und anerkannter Flüchtling, war wegen versuchter schwerer Körperverletzung nach Art. 122 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB und weiterer Delikte zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 36 Monaten (davon 18 Monate vollziehbar) verurteilt worden.
I. Sachverhalt und Vorinstanzen
Der Sachverhalt, wie er dem obergerichtlichen Urteil zugrunde liegt, beschreibt eine tätliche Auseinandersetzung in der Nacht vom 5. Mai 2019. Nach einem Streit in einem Club in Bern gerieten A._, E._ und C._ vor dem Club mit dem späteren Opfer B._ aneinander. Später warteten A._ und seine Kollegen am Bahnhof Bern auf B._. Als dieser allein eintraf, schlugen E._ (mit einer Glasflasche auf den Kopf), A._ und C._ mit Fäusten auf ihn ein. A._ zog zudem ein Messer mit einer ca. 7 cm langen Klinge hervor und stach B._ insgesamt dreimal in den Rücken und möglicherweise in den Bauch. Ohne sich um den verletzten B._ zu kümmern, floh A._ mit seinen Kollegen. B._ erlitt ärztlich zu versorgende Stichverletzungen.
Das Regionalgericht Bern-Mittelland verurteilte A.__ zu 32 Monaten teilbedingter Freiheitsstrafe und verhängte eine Landesverweisung von sechs Jahren. Das Obergericht des Kantons Bern bestätigte den Schuldspruch wegen versuchter schwerer Körperverletzung, erhöhte die Freiheitsstrafe auf 36 Monate (18 Monate vollziehbar) und die Landesverweisung auf sieben Jahre.
II. Rechtsbegehren des Beschwerdeführers
A.__ beantragte dem Bundesgericht die Aufhebung der Landesverweisung und den Verzicht auf deren Ausschreibung im SIS. Er machte im Wesentlichen geltend, die Landesverweisung bewirke bei ihm einen schweren persönlichen Härtefall gemäss Art. 66a Abs. 2 StGB und verletze Art. 8 EMRK. Zudem liege ein definitives Vollzugshindernis gemäss Art. 32 ff. der Flüchtlingskonvention (FK) und Art. 5 Abs. 2 Asylgesetz (AsylG) vor, da er anerkannter Flüchtling sei und ihm in Syrien Gefahr drohe.
III. Erwägungen des Bundesgerichts
1. Novenverbot (Art. 99 Abs. 1 BGG) Das Bundesgericht stellte klar, dass neue Tatsachen und Beweismittel (echte Noven), die erst nach dem vorinstanzlichen Entscheid entstanden sind, vor Bundesgericht unzulässig sind. Dies betraf insbesondere vom Beschwerdeführer eingereichte Dokumente zu seiner familiären und beruflichen Situation, die nach dem obergerichtlichen Urteil vom 2. Juni 2023 datierten. Auch andere eingereichte Dokumente blieben unbeachtet, da nicht dargelegt wurde, inwiefern erst der vorinstanzliche Entscheid zu ihrer Einreichung Anlass gab.
2. Obligatorische Landesverweisung und Härtefallprüfung (Art. 66a Abs. 1 und 2 StGB)
2.1. Grundsätzliche Anwendbarkeit der Landesverweisung: Der Beschwerdeführer wurde wegen versuchter schwerer Körperverletzung (Art. 122 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB) verurteilt, was gemäss Art. 66a Abs. 1 lit. b StGB grundsätzlich die obligatorische Landesverweisung für 5 bis 15 Jahre zur Folge hat.
2.2. Schwerer persönlicher Härtefall (Art. 66a Abs. 2 StGB): Das Gericht kann ausnahmsweise von einer Landesverweisung absehen, wenn diese einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen. Die Härtefallklausel ist restriktiv anzuwenden und orientiert sich an Kriterien wie dem Grad der Integration (wirtschaftlich, sozial, sprachlich, familiär), der Aufenthaltsdauer, dem Gesundheitszustand und den Resozialisierungschancen. Ein schwerer Härtefall wird bei einem Eingriff von gewisser Tragweite in das Recht auf Privat- und Familienleben (Art. 13 BV, Art. 8 EMRK) angenommen, wobei intensive soziale und berufliche Verbindungen zur Schweiz, die über eine gewöhnliche Integration hinausgehen, erforderlich sind.
2.3. Anwendung auf den Beschwerdeführer: * Integration: Die Vorinstanz verneinte eine gelungene wirtschaftliche Integration, da der Beschwerdeführer nach acht Jahren Aufenthalt in der Schweiz keine gesicherte und überzeugende Erwerbstätigkeit nachweisen konnte und seine finanzielle Situation volatil blieb. Auch die sprachliche Integration (geringe Deutschkenntnisse) und die sozialen Kontakte (primär zu Landsleuten) wurden als mangelhaft beurteilt. Das Bundesgericht wies entsprechende Rügen des Beschwerdeführers wegen unzulässiger Noven und ungenügender Begründung zurück. * Familiäre Bindungen (Art. 8 EMRK): Die Vorinstanz stellte fest, dass die Beziehung des Beschwerdeführers erst Anfang 2022, also nach dem erstinstanzlichen Urteil und im Wissen um die drohende Landesverweisung, eingegangen wurde. Die Lebenspartnerin war über die Straftat informiert. Ein zum Zeitpunkt der vorinstanzlichen Beurteilung erwartetes Kind war noch nicht geboren (Noven). Angesichts der kurzen Beziehungsdauer und der Kenntnis der Partnerin von der drohenden Landesverweisung sah das Gericht keinen entgegenstehenden Schutz durch Art. 8 EMRK. * Wiedereingliederungschancen im Heimatland: Der Beschwerdeführer ist in Syrien aufgewachsen, kennt die Kultur und verfügt über intakte sprachliche Integrationschancen (Kurdisch, Arabisch). Er ist jung, gesund und arbeitsfähig, und ein Grossteil seiner Familie lebt noch in Syrien. Das Bundesgericht schloss sich der Ansicht an, dass fehlende Arbeitsmöglichkeiten in Syrien, angesichts seiner ebenfalls wenig stabilen wirtschaftlichen Integration in der Schweiz, keinen schweren persönlichen Härtefall begründen.
2.4. Interessenabwägung (Zweijahresregel): Selbst wenn ein schwerer persönlicher Härtefall bejaht worden wäre, hätte die Landesverweisung angeordnet werden müssen. Die Freiheitsstrafe von 36 Monaten übersteigt die Schwelle der "Zweijahresregel", wonach ab einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren oder mehr ausserordentliche Umstände vorliegen müssen, damit das private Interesse des Betroffenen das öffentliche Interesse überwiegt. Solche ausserordentlichen Umstände wurden hier verneint. Das Gericht betonte die hohe Gefährlichkeit, die der Beschwerdeführer mit der Anlasstat manifestiert hat (Messerstiche in Überzahl auf bereits verletztes Opfer), sowie seine wiederholte Delinquenz auch während des laufenden Strafverfahrens und nach Entlassung aus der Untersuchungshaft. Dies zeuge von einer fortbestehenden Rückfallgefahr und einem grossen öffentlichen Interesse an der Landesverweisung, das die privaten Interessen des Beschwerdeführers deutlich überwiegt.
3. Vollzugshindernisse (Art. 66d StGB)
3.1. Flüchtlingsrechtliches Non-Refoulement (Art. 66d Abs. 1 lit. a StGB i.V.m. Art. 5 Abs. 2 AsylG): Als anerkannter Flüchtling konnte sich der Beschwerdeführer nicht auf das flüchtlingsrechtliche Rückschiebungsverbot berufen. Die Vorinstanz und das Bundesgericht beurteilten die versuchte schwere Körperverletzung als besonders schweres Verbrechen und einen schwerwiegenden Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 AsylG i.V.m. Art. 63 Abs. 1 lit. b AIG. Die besondere Verwerflichkeit der Tat (Messerstiche auf ein verwundetes Opfer in Überzahlsituation) und die mehrfache Delinquenz auch nach der Anlasstat begründeten eine erhebliche Gefährdung für die Allgemeinheit des Zufluchtsstaates. Der im Strafrecht gewährte teilbedingte Vollzug der Strafe ist aufgrund des strengeren Beurteilungsmassstabs im Ausländerrecht nicht massgebend.
3.2. Menschenrechtliches Non-Refoulement (Art. 66d Abs. 1 lit. b StGB i.V.m. Art. 3 EMRK und Art. 25 BV): Der Beschwerdeführer konnte kein konkretes und ernsthaftes Risiko einer unmenschlichen Behandlung oder Folter bei einer Rückkehr nach Syrien glaubhaft machen. Seine pauschalen und teilweise widersprüchlichen Aussagen bezüglich seiner angeblichen Zugehörigkeit zur YPG oder der Rache der Konfliktparteien (IS, syrische Regierung, Türken) wurden als nicht stichhaltig erachtet. Die eingereichten allgemeinen Länderberichte zur menschenrechtlichen Lage in Syrien reichten nicht aus, um eine individuelle konkrete Gefährdung zu begründen. Das Bundesgericht verwies zudem auf die seit Ende 2024 massgebend veränderte Situation in Syrien und betonte, dass die schwierige geopolitische Lage kein definitives Vollzugshindernis darstellt.
IV. Fazit
Die Beschwerde wurde abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte. Die vom Obergericht angeordnete Landesverweisung ist bundes- und völkerrechtskonform.
V. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte: