Zusammenfassung von BGer-Urteil 7B_255/2023 vom 5. Dezember 2025

Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.

Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:

Bundesgerichtsurteil 7B_255/2023 vom 5. Dezember 2025

Parteien: * Beschwerdeführer: A.__, vertreten durch Me François Gillard, Avocat * Beschwerdegegner: Ministère public central du canton de Vaud

Gegenstand: Verweigerung der Anordnung elektronischer Überwachung (Surveillance électronique).

I. Sachverhalt und Vorinstanzen

Der Beschwerdeführer A.__ wurde durch Urteil des Strafberufungsgerichts des Kantons Waadt vom 27. Januar 2022 zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt, nachdem zuvor die am 9. Mai 2019 gewährte bedingte Entlassung und der am 19. September 2018 gewährte teilbedingte Strafvollzug widerrufen worden waren. Das Urteil betraf Delikte wie Betrug, Urkundenfälschung, Amtsbehinderung, Fahren ohne Berechtigung und diverse Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsrecht.

Das Strafregister des Beschwerdeführers ist umfangreich und weist neun Verurteilungen zwischen 2007 und 2022 aus. Die Delikte reichen von Diebstahl und Betrug über Verstösse gegen das Betäubungsmittel- und Strassenverkehrsgesetz bis hin zu sexuellen Handlungen mit einem Kind. Die Vorinstanz qualifizierte diese Delinquenz als "polymorph". Insbesondere wurden ihm mehrfach bedingte Strafen und eine bedingte Entlassung widerrufen, was auf eine persistierende Schwierigkeit hindeutet, sich an die Rechtsordnung zu halten.

Am 4. Juli 2022 teilte das Amt für den Strafvollzug des Kantons Waadt (OEP) dem Beschwerdeführer mit, dass die elektronische Überwachung (sowie die Halbgefangenschaft) für seine 12-monatige Freiheitsstrafe und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 42 Tagen (wegen Nichtzahlung von Bussen und einer Geldstrafe) grundsätzlich nicht möglich sei, es sei denn, er zahle den ausstehenden Betrag von 1'940 CHF. Nach Zahlung dieses Betrags beantragte der Beschwerdeführer am 5. September 2022 die elektronische Überwachung, unter Hinweis auf seine Erwerbstätigkeit als Logistikverantwortlicher und seine erweiterte Besuchsrechtsregelung für seine Kinder.

Das OEP lehnte den Antrag auf elektronische Überwachung am 15. September 2022 ab, da der Beschwerdeführer ein mit der elektronischen Überwachung unvereinbares Rückfallrisiko aufweise. Dieser Entscheid wurde vom Strafberufungsgericht des Kantons Waadt am 17. Oktober 2022 bestätigt.

Am 23. Januar 2023 reichte der Beschwerdeführer ein erneutes Reconsiderationsgesuch beim OEP ein, wiederum primär mit dem Antrag auf elektronische Überwachung und subsidiär auf Halbgefangenschaft. Er verwies auf ein psychologisches Gutachten und ein ärztliches Attest bezüglich seiner Tochter F.__, deren Entwicklung stark beeinträchtigt würde, wenn sie über Monate von ihm getrennt wäre. Zudem legte er einen neuen Arbeitsvertrag und eine Einstellungsverfügung bezüglich eines anderen Verfahrens vor.

Das OEP gab dem Reconsiderationsgesuch statt, lehnte aber die elektronische Überwachung erneut ab und bewilligte stattdessen die Halbgefangenschaft. Dieser Entscheid wurde vom Strafberufungsgericht am 29. März 2023 bestätigt.

Dagegen legte der Beschwerdeführer Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht ein, mit dem Hauptantrag, die elektronische Überwachung anzuordnen, und subsidiär, den Fall zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ein Gesuch um aufschiebende Wirkung wurde am 11. Juli 2023 vom Bundesgerichtspräsidenten bewilligt.

II. Rechtliche Grundlagen und Argumentation des Bundesgerichts

1. Zulässigkeit der Beschwerde (Consid. 1): Das Bundesgericht trat auf die Beschwerde in Strafsachen ein, da sie sich gegen einen kantonal letztinstanzlichen Entscheid über den Vollzug von Strafen und Massnahmen richtet, fristgerecht eingereicht wurde und die Formvorschriften erfüllt. Der Beschwerdeführer ist als direkt Betroffener zur Beschwerde legitimiert. (Dieser Punkt wird hier nur kurz erwähnt, da er gemäss Aufgabenstellung nicht detailliert behandelt werden soll, ausser wenn er zentral für die Argumentation ist.)

2. Voraussetzungen der elektronischen Überwachung (Consid. 2.1): Das Bundesgericht legte Art. 79b StGB dar, der die Voraussetzungen für die elektronische Überwachung regelt: * Art. 79b Abs. 1 StGB: Elektronische Überwachung ist möglich bei Freiheitsstrafen oder Ersatzfreiheitsstrafen von 20 Tagen bis zu 12 Monaten (lit. a) oder anstelle von gemeinnütziger Arbeit oder Arbeits- und Wohnexternat für 3 bis 12 Monate (lit. b). * Art. 79b Abs. 2 StGB: Die Anordnung durch die Vollzugsbehörde ist nur möglich, wenn die folgenden Bedingungen kumulativ erfüllt sind: * Es besteht keine Flucht- oder weitere Deliktsgefahr (lit. a). * Der Verurteilte verfügt über eine feste Wohnstätte (lit. b). * Der Verurteilte übt eine regelmässige Tätigkeit (Arbeit, Ausbildung, Beschäftigung) von mindestens 20 Stunden pro Woche aus oder kann zugewiesen werden (lit. c). * Die mit dem Verurteilten im gleichen Haushalt lebenden erwachsenen Personen stimmen zu (lit. d). * Der Verurteilte stimmt dem für ihn erarbeiteten Vollzugsplan zu (lit. e). Die Beurteilung des Rückfallrisikos (Art. 79b Abs. 2 lit. a StGB) muss von einer gewissen Bedeutung sein und neue Delikte von einer gewissen Schwere umfassen. Für die Prognose müssen die Gerichts- und Verhaltensgeschichte, die Persönlichkeit, das Verhalten im Allgemeinen und bei der Arbeit sowie die Lebensumstände des Verurteilten berücksichtigt werden. Die Vollzugsbehörden verfügen hierbei über ein weites Ermessen; das Bundesgericht greift nur bei Ermessensmissbrauch oder -überschreitung ein. Das Bundesgericht hält zudem fest, dass die Bedingung der fehlenden Rückfallgefahr gemäss Art. 79b Abs. 2 lit. a StGB identisch mit jener von Art. 77b Abs. 1 lit. a StGB (Halbgefangenschaft) und Art. 79a lit. c StGB ist und daher gleich angewendet werden muss (Querverweis auf BGE 145 IV 10 E. 2.2.1 und ähnliche jüngere Urteile wie 7B_130/2023, 7B_63/2024, 7B_315/2024).

3. Sachverhaltsprüfung durch das Bundesgericht (Consid. 2.2): Das Bundesgericht ist an die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, diese wurden unter Verletzung von Bundesrecht oder in willkürlicher Weise (Art. 97 Abs. 1, 105 Abs. 2 BGG i.V.m. Art. 9 BV) festgestellt. Willkür liegt vor, wenn eine Entscheidung offensichtlich unhaltbar ist, nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis.

4. Würdigung der Vorinstanz durch das Bundesgericht (Consid. 2.3 & 2.4): Die Vorinstanz hatte die elektronische Überwachung aufgrund eines als "sehr hoch" eingestuften Rückfallrisikos abgelehnt und keine ausreichende Einsicht des Beschwerdeführers oder therapeutische Massnahmen festgestellt. Das Bundesgericht bestätigte diese Einschätzung:

  • Hohes Rückfallrisiko (Consid. 2.4.1):

    • Der Beschwerdeführer ist ein mehrfacher Wiederholungstäter mit neun Verurteilungen in einem Zeitraum von 15 Jahren, deren Spektrum erhebliche Verstösse gegen das Strafgesetzbuch, das Betäubungsmittelgesetz und das Strassenverkehrsgesetz umfasst ("polymorphe Delinquenz").
    • Der Widerruf von bedingten Strafen und einer bedingten Entlassung zeugen von "persistierenden Rückfällen" und einer generellen Schwierigkeit, sich an die Rechtsordnung zu halten.
    • Die Gesamtbeurteilung der Vorinstanz, wonach die Rückfallprognose "sehr ungünstig" sei, ist nicht zu beanstanden.
    • Das Argument des Beschwerdeführers, er habe eine Einsicht gewonnen und wolle sich wegen der gesundheitlichen Probleme seiner Tochter F.__ seiner Verantwortung stellen, relativiert das Gesamtbild angesichts seiner deliktischen Vergangenheit nicht entscheidend. Er hatte die schwerwiegendsten Taten in den Jahren 2015 und 2016 begangen, also bereits als Vater, was seine Verantwortung eigentlich hätte stärken sollen.
  • Interesse der Kinder (Consid. 2.4.2):

    • Die Bedingungen des Art. 79b Abs. 2 StGB sind kumulativ zu erfüllen. Selbst wenn die familiären Belange gewichtig wären, berechtigt Art. 79b Abs. 2 StGB die Behörde nicht, die elektronische Überwachung trotz eines hohen Rückfallrisikos anzuordnen.
    • Die Vorinstanz hatte festgestellt, dass der Beschwerdeführer nur ein erweitertes Besuchsrecht ausübt und nicht täglich mit seiner Tochter zusammenlebt. Seine Ex-Frau sorge sehr wahrscheinlich für die konstante Anwesenheit im Haushalt.
    • Die bereits gewährte Halbgefangenschaft ermöglicht es dem Beschwerdeführer, den Kontakt zu seiner Tochter aufrechtzuerhalten und an therapeutischen Sitzungen teilzunehmen (bis zu 13 Stunden täglich ausserhalb des Gefängnisses). Dies entschärft die Auswirkungen auf das Familienleben erheblich, welches durch die bereits bestehenden Sorgerechtsregelungen und seine berufliche Tätigkeit ohnehin eingeschränkt ist.

III. Fazit des Bundesgerichts (Consid. 2.5 und 3)

Das Bundesgericht gelangte zur Auffassung, dass die Vorinstanz mit der Bestätigung der Ablehnung der elektronischen Überwachung kein Bundesrecht verletzt hat. Der Entscheid des Bundesgerichts ist somit nicht zu beanstanden.

Die Beschwerde wurde daher abgewiesen. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wurde ebenfalls abgewiesen, da die Beschwerde von vornherein aussichtslos war. Die Gerichtskosten wurden dem Beschwerdeführer auferlegt, wobei deren Höhe aufgrund seiner finanziellen Situation angepasst wurde.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  1. Hohes Rückfallrisiko: Der Beschwerdeführer ist ein mehrfacher Wiederholungstäter mit einer "polymorphen Delinquenz" (9 Verurteilungen, Widerruf von bedingten Strafen und Entlassungen), was ein sehr hohes Rückfallrisiko begründet.
  2. Kumulative Bedingungen: Die gesetzlichen Voraussetzungen für die elektronische Überwachung (Art. 79b Abs. 2 StGB) sind kumulativ; das Gericht darf die Überwachung nicht anordnen, wenn ein hohes Rückfallrisiko besteht, selbst bei anderen positiven Faktoren.
  3. Familiäre Situation nicht ausschlaggebend: Die familiäre Verantwortung und die gesundheitlichen Bedürfnisse der Tochter können das festgestellte hohe Rückfallrisiko nicht entscheidend relativieren, zumal der Beschwerdeführer bereits als Vater Delikte beging.
  4. Halbgefangenschaft als Alternative: Die bereits gewährte Halbgefangenschaft ermöglicht es dem Beschwerdeführer, seinen familiären Pflichten und Kontakten nachzukommen und die Auswirkungen der Haft auf das Familienleben zu mildern.
  5. Keine Bundesrechtsverletzung: Die Vorinstanz hat ihr Ermessen bei der Ablehnung der elektronischen Überwachung nicht missbraucht und kein Bundesrecht verletzt.