Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (1C_660/2024 vom 27. November 2025) detailliert zusammen:
Einleitung
Das Bundesgericht hatte über eine Beschwerde gegen ein Urteil des Kantonsgerichts Freiburg betreffend eine Waldfeststellung zu entscheiden. Der Beschwerdeführer, Eigentümer der an die betroffene Parzelle angrenzenden Liegenschaft Nr. 78 in Fräschels, wehrte sich gegen die Neueinzeichnung einer Waldgrenze, die nun direkt an sein Grundstück grenzen würde. Die zentrale Frage war die korrekte Anwendung des Waldbegriffs (dynamisch oder statisch) sowie die Gültigkeit früherer Waldfeststellungen im Kontext von Ortsplanungsrevisionen und Auszonungen.
Sachverhalt (Massgebende Punkte)
Die Parzelle Nr. 78 des Beschwerdeführers liegt in der Wohnzone. Nördlich davon befindet sich die Parzelle Nr. 219 der Gemeinde Fräschels, eine ehemalige Kiesgrube/Deponie mit Bestockung.
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Waldfeststellung 1996: Das damalige Kantonsforstamt (heute WNA) hatte 1996 eine Waldfeststellung vorgenommen und die statische Waldgrenze entlang der nördlichen Grenze der Parzelle Nr. 219 festgesetzt. Die Parzelle Nr. 219 befand sich damals in einer speziellen Bauzone ("Detailbebauungsplan Grube") gemäss dem 1997 genehmigten Zonenplan, wurde aber nie überbaut. Die 1996 festgestellte Waldgrenze wurde jedoch – gemäss übereinstimmender Ansicht der kantonalen Behörden und des Bundesgerichts, obschon vom Beschwerdeführer bestritten – nie in den kommunalen Zonenplan eingetragen.
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Ortsplanungsrevision 2019/2024: Im Rahmen einer Gesamtrevision der Ortsplanung wurde der Grossteil des Grundstücks Nr. 219 neu der Landwirtschaftszone zugewiesen, also aus der Bauzone ausgezont. Ein kleiner Teil wurde Kernzone. Die für das Gebiet "Grube" im Jahr 1996 festgestellten statischen Waldgrenzen wurden auch in diesem Rahmen nicht in den Zonenplan eingetragen. Die Genehmigungsbehörde (RIMU) hielt in ihrem Entscheid vom 17. Juli 2024 fest, dass die Eintragung der Waldgrenzen erst im Rahmen der nächsten Ortsplanungsänderung erfolgen solle. Dieser Genehmigungsentscheid blieb unangefochten.
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Neue Waldfeststellung 2021/2022: Ein potenzieller Käufer der Parzelle Nr. 78 erkundigte sich 2021 beim WNA nach der Qualifikation des Gehölzes auf der Parzelle Nr. 219. Daraufhin führte das WNA eine neue Waldfeststellung durch, bei der die Waldgrenze nun auf einem Teil der südlichen Grenze der Parzelle Nr. 219 verlaufen sollte, welche gleichzeitig die nördliche Grenze des Grundstücks Nr. 78 des Beschwerdeführers bildet.
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Einsprachen und Beschwerden: Der Beschwerdeführer wehrte sich gegen diese neue Waldfeststellung. Die kantonalen Instanzen (ILFD, Kantonsgericht) wiesen seine Beschwerden ab.
Rechtliche Hauptfragen und Argumente des Bundesgerichts
Das Bundesgericht prüfte folgende wesentliche Punkte:
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Anwendung des dynamischen oder statischen Waldbegriffs und Gültigkeit der Waldfeststellung von 1996:
- Argumentation des Gerichts: Das Bundesgericht stellte fest, dass die Bestockung auf Parzelle Nr. 219 unbestritten die Kriterien eines Waldes gemäss Art. 2 WaG erfüllt. Es liess offen, ob die statische Waldgrenze von 1996 entgegen den Feststellungen der Vorinstanz im Zonenplan eingetragen war oder nicht, da dies für den Ausgang des Verfahrens irrelevant sei (E. 2.4.2).
- Kernpunkt – Auszonung und dynamischer Waldbegriff: Selbst wenn die 1996 festgestellte statische Waldgrenze eingetragen gewesen wäre und damit ein statischer Waldbegriff gegolten hätte, wäre diese Grenze nicht unveränderlich. Das Bundesgericht erläutert die Entwicklung von Art. 10 Abs. 2 und Art. 13 des Bundesgesetzes über den Wald (WaG). Es hält fest, dass unter der früheren Fassung von Art. 13 Abs. 3 WaG (vor der Revision vom 1. Juli 2013) die Auszonung eines Grundstücks aus der Bauzone ohne weitere Voraussetzungen zu einer neuen Waldfeststellung führte, bei der der dynamische Waldbegriff wieder zur Anwendung kam. Die statische Waldgrenze galt nur, solange die Parzelle der Bauzone angehörte.
- Die Revision von Art. 13 Abs. 3 WaG im Jahr 2013, welche die Möglichkeit der Überprüfung festgestellter Waldgrenzen an "wesentlich geänderte tatsächliche Verhältnisse" knüpft, hat an diesem Grundsatz für den Fall der Auszonung aus der Bauzone nichts geändert. Diese Bestimmung dient der Überprüfung bestehender, weiterhin gültiger statischer Grenzen, nicht aber der Neufestsetzung von Grenzen für Flächen, die ihren Bauzonenstatus verloren haben.
- Folge für den Fall: Da die Parzelle Nr. 219 durch die Ortsplanungsrevision 2019/2024 grösstenteils aus der Bauzone ausgezont wurde, hat die 1996 festgelegte statische Waldgrenze ihre Gültigkeit verloren. Es gilt wieder der dynamische Waldbegriff. Somit war eine neue Waldfeststellung gemäss Art. 10 Abs. 2 lit. a WaG entlang der neuen Bauzonengrenze erforderlich, und es handelt sich nicht um eine Überprüfung nach Art. 13 Abs. 3 WaG. Die Rüge des Beschwerdeführers, die Voraussetzungen für eine Überprüfung nach Art. 13 Abs. 3 WaG seien nicht erfüllt, geht daher ins Leere.
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Verletzung des Koordinationsgebots (Art. 25a RPG):
- Argumentation des Gerichts: Das Bundesgericht räumt ein, dass die Waldfeststellung im Rahmen der Ortsplanungsrevision hätte vorgenommen werden sollen (Art. 10 Abs. 2 lit. a WaG), um die Koordination zu gewährleisten. Es kritisiert das unkoordinierte Vorgehen der Behörden, das bereits 1996 die Eintragung der Waldgrenze versäumte und bei der jüngsten Revision die Eintragung erneut auf die "nächste Ortsplanungsänderung" verschob (E. 4.3).
- Jedoch: Dieses Versäumnis führt nicht zur Aufhebung der aktuell streitigen Waldfeststellung. Eine Aufhebung würde nicht dazu führen, dass die 1996er Feststellung wieder auflebt, sondern lediglich, dass wiederum der dynamische Waldbegriff zur Anwendung käme und früher oder später eine neue Waldfeststellung erfolgen müsste. Dies wäre ein "formalistischer Leerlauf", der zu weiteren Verfahrensverzögerungen führen und nicht im Interesse der Rechtssicherheit wäre (E. 4.4).
- Charakter des Waldfeststellungsverfahrens: Das Bundesgericht betont, dass eine Waldfeststellung ausschliesslich auf die tatsächlichen Verhältnisse und die gesetzlichen Waldkriterien abstellt (Art. 2 WaG). Eine umfassende Interessenabwägung (z.B. von Umwelt- oder Siedlungsinteressen), wie sie allenfalls in einem Überprüfungsverfahren nach Art. 13 Abs. 3 WaG in Verbindung mit Art. 21 Abs. 2 RPG analog oder einem Rodungsverfahren erforderlich wäre, findet im Waldfeststellungsverfahren nicht statt. Daher besteht keine Gefahr inhaltlich nicht abgestimmter oder widersprüchlicher Entscheide.
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Verletzung des Umweltschutzgesetzes (USG) und der Altlasten-Verordnung (AltV):
- Argumentation des Gerichts: Der Beschwerdeführer rügte, eine Waldfeststellung verhindere eine altlastenrechtliche Sanierung, und der belastete Standort sei für einen gesunden Wald ungeeignet.
- Das Bundesgericht folgte dieser Argumentation nicht. Es stützte sich auf die Vernehmlassung des BAFU, wonach die Parzelle Nr. 219 zwar ein belasteter Ablagerungsstandort sei, aber keine schädlichen oder lästigen Einwirkungen zu erwarten seien und somit keine Sanierung erforderlich ist (Art. 5 Abs. 4 AltV). Die Qualifikation des Bodens und der Gesundheitszustand der Bestockung sind für die Waldfeststellung irrelevant und erst in einem allfälligen Rodungsverfahren (Art. 5 Abs. 2 WaG) zu berücksichtigen.
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Vertrauensschutz und Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 9 BV):
- Argumentation des Gerichts: Das Bundesgericht verneinte das Vorliegen einer schutzwürdigen Vertrauensgrundlage.
- Die ursprüngliche Waldfeststellung von 1996 scheidet als Vertrauensgrundlage aus, da bereits das damalige Gesetz (aArt. 13 Abs. 3 WaG) vorsah, dass bei einer Auszonung ein neues Verfahren durchzuführen war.
- Auch die widersprüchlichen Äusserungen des WNA im Rahmen der Ortsplanungsrevision (zuerst die Forderung nach Eintragung der 1996er Grenze, später die Mitteilung über eine unklare Situation) konnten kein schutzwürdiges Vertrauen begründen. Der Beschwerdeführer hatte Kenntnis von der unklaren Sachlage.
- Ferner hat der Beschwerdeführer keine irreversiblen Dispositionen getroffen. Die Behauptung, die Waldfeststellung beschränke die Bebaubarkeit und den Wert seines Grundstücks, ist im Waldfeststellungsverfahren irrelevant, da diese Fragen in nachfolgenden Bau- oder Rodungsbewilligungsverfahren zu klären sind. Eine Besitzstandsgarantie greift bei einem unüberbauten Grundstück von vornherein nicht.
Schlussfolgerung des Gerichts
Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab. Die neue Waldfeststellung war nach dem Verlust der Gültigkeit der alten statischen Waldgrenze infolge der Auszonung der Parzelle Nr. 219 aus der Bauzone rechtmässig. Die mangelnde Koordination der Behörden führt im vorliegenden Fall nicht zur Aufhebung der Feststellung.
Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte
- Auszonung führt zu dynamischem Waldbegriff: Die Entlassung eines Grundstücks aus der Bauzone bewirkt, dass eine zuvor festgestellte statische Waldgrenze ihre Gültigkeit verliert und der dynamische Waldbegriff wieder greift. Eine neue Waldfeststellung ist dann nach Art. 10 Abs. 2 lit. a WaG erforderlich, keine Überprüfung nach Art. 13 Abs. 3 WaG.
- Keine Interessenabwägung in Waldfeststellung: Das Waldfeststellungsverfahren dient ausschliesslich der Feststellung, ob eine Bestockung die gesetzlichen Waldkriterien erfüllt. Es beinhaltet keine Abwägung anderer öffentlicher oder privater Interessen (Umwelt, Siedlung, Eigentümerinteressen), welche erst in nachfolgenden Rodungs- oder Baubewilligungsverfahren relevant werden.
- Koordinationsmängel führen nicht zur Aufhebung: Obwohl die Waldfeststellung idealerweise mit der Ortsplanung koordiniert werden sollte, führt eine mangelnde Koordination der Behörden nicht zur Aufhebung des Waldfeststellungsentscheids, wenn dieser materiell rechtmässig ist und eine Aufhebung lediglich einen "formalistischen Leerlauf" darstellen würde.
- Kein Vertrauensschutz: Angesichts der gesetzlichen Konsequenzen einer Auszonung und widersprüchlicher behördlicher Äusserungen besteht keine Grundlage für einen Vertrauensschutz. Für die Waldfeststellung relevante Dispositionen des Beschwerdeführers wurden nicht getätigt.