Zusammenfassung von BGer-Urteil 2C_378/2025 vom 18. November 2025

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Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichts 2C_378/2025 vom 18. November 2025

1. Einleitung und Parteien

Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (II. öffentlich-rechtliche Abteilung) vom 18. November 2025 mit der Referenz 2C_378/2025 befasst sich mit der Frage der Parteientschädigung für eine Partei, die sich in einem kantonalen Verfahren selbst vertreten hat. Beschwerdeführerin ist die Gesellschaft A.__ SA (nachfolgend: die Gesellschaft), die eine Entschädigung für ihre Prozesskosten im Zusammenhang mit einem erfolgreich abgeschlossenen kantonalen Beschwerdeverfahren begehrte. Die Vorinstanz, die Cour de justice des Kantons Genf (nachfolgend: die Cour de justice), hatte eine solche Entschädigung verweigert.

2. Sachverhalt und Verfahrensgeschichte

  • Ausgangsentscheid: Am 17. März 2025 hatte das Amt für Arbeitsinspektion und Arbeitsbeziehungen des Kantons Genf (nachfolgend: das Kantonsamt) die Gesellschaft A.__ SA für 20 Monate von zukünftigen öffentlichen Ausschreibungen auf kommunaler, kantonaler und eidgenössischer Ebene ausgeschlossen. Dies erfolgte gestützt auf die eidgenössische Gesetzgebung zur Bekämpfung der Schwarzarbeit (Art. 105 Abs. 2 LTN).
  • Kantonale Beschwerde: Gegen diesen Ausschlussentscheid reichte die Gesellschaft am 15. April 2025 Beschwerde bei der Cour de justice ein und beantragte dessen Aufhebung sowie eine Parteientschädigung.
  • Selbstkorrektur des Kantonsamts: Bereits am 24. April 2025, also noch während des laufenden Beschwerdeverfahrens, hob das Kantonsamt seinen eigenen Ausschlussentscheid vom 17. März 2025 auf.
  • Antrag auf Parteientschädigung bei der Cour de justice: Mit Schreiben vom 9. Mai 2025 ersuchte die Gesellschaft die Cour de justice, den formellen "Rückzug" des angefochtenen Entscheids festzustellen und ihr eine pauschale Parteientschädigung von CHF 5'000 zuzusprechen.
  • Entscheid der Cour de justice (12. Mai 2025): Die Cour de justice schrieb die Sache mit der Begründung, es sei "aufgrund des mit Schreiben vom 9. Mai 2025 erfolgten Rückzugs der Beschwerde" vom Geschäftsregister ab. Sie verzichtete auf die Erhebung einer Gerichtsgebühr, lehnte es jedoch ab, der Gesellschaft eine Parteientschädigung zuzusprechen, da diese "in persona" (d.h. ohne anwaltliche Vertretung) gehandelt hatte.
  • Réclamation gegen den Entschädigungsentscheid: Am 20. Mai 2025 reichte die Gesellschaft eine "Réclamation" gegen diesen Entscheid ein, da sie keine Entschädigung für ihre Verfahrenskosten erhalten hatte.
  • Entscheid der Cour de justice (19. Juni 2025): Die Cour de justice wies die "Réclamation" ab und bestätigte ihren Entscheid, keine Parteientschädigung zuzusprechen.
  • Bundesgerichtsbeschwerde: Gegen diesen Entscheid der Cour de justice vom 19. Juni 2025 erhob die Gesellschaft Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht, beantragte dessen Aufhebung und eine Zusprache von CHF 5'000 als Parteientschädigung.

3. Rechtliche Würdigung durch das Bundesgericht

3.1. Zulässigkeit der Beschwerde (Rz. 1) Das Bundesgericht prüfte zunächst seine Zuständigkeit und die Zulässigkeit der Beschwerde. Es stellte fest, dass der angefochtene Entscheid über die Parteientschädigung eine akzessorische Entscheidung ist, deren Natur sich nach dem Hauptstreitgegenstand richtet. Da dieser die Anwendung des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit (LTN) betraf, handelte es sich um eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit gemäss Art. 82 lit. a BGG. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten war somit zulässig.

Eine prozessuale Besonderheit wurde vom Bundesgericht in Rz. 1.2 hervorgehoben: Die Cour de justice hatte die Sache zu Unrecht wegen eines vermeintlichen "Rückzugs der Beschwerde" vom Geschäftsregister abgeschrieben. Das Schreiben der Gesellschaft vom 9. Mai 2025 enthielt keine explizite Rückzugserklärung. Da das Kantonsamt jedoch seinen ursprünglichen Entscheid aufgehoben hatte, war die kantonale Beschwerde der Gesellschaft faktisch gegenstandslos geworden. Die Cour de justice hätte die Sache korrekt aufgrund des fehlenden Rechtsschutzinteresses abschreiben müssen. Dieser prozedurale Fehler hatte jedoch keine Auswirkungen auf die Befugnis der Cour de justice, über die Kosten und Parteientschädigung zu befinden, da die Verfahrensbeendigung, sei es durch Rückzug oder Gegenstandslosigkeit, eine Kostenregelung erforderte.

3.2. Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) (Rz. 3) Die Gesellschaft rügte, ihr Recht auf eine begründete Entscheidung sei verletzt worden, da die Cour de justice nicht ausreichend erklärt habe, warum das Handeln "in persona" eine Parteientschädigung ausschliesse. Das Bundesgericht stellte fest, dass eine Entscheidung als ausreichend begründet gilt, wenn die Partei die Gründe verstehen und sachgerecht anfechten kann, auch wenn die Begründung knapp ist oder inhaltlich fehlerhaft sein sollte. Im vorliegenden Fall hatte die Cour de justice auf ihre "ständige Rechtsprechung" verwiesen und mehrere kantonale Urteile zitiert, wonach Parteientschädigungen nicht an Personen zugesprochen werden, die sich selbst vertreten. Dies ermöglichte der Gesellschaft, die Argumentation der Vorinstanz zu erfassen und zu kritisieren. Die Rüge wurde daher abgewiesen. Das Bundesgericht unterschied hierbei auch die von der Beschwerdeführerin zitierten Bundesgerichtsentscheide, die sich auf die Pflicht zur Begründung bei der Höhe der Entschädigung für anwaltlich vertretene Parteien bezogen, nicht aber auf das Prinzip der Entschädigungszusprache an selbstvertretende Parteien.

3.3. Rüge der willkürlichen Anwendung von Art. 87 LPA/GE (Art. 9 BV) (Rz. 4) Dies war der Kernpunkt des bundesgerichtlichen Verfahrens. Die Gesellschaft machte geltend, die Verweigerung der Parteientschädigung sei willkürlich erfolgt.

  • Massgebende Rechtsgrundlagen und ständige Rechtsprechung (Rz. 4.2):

    • Art. 87 Abs. 2 LPA/GE ermöglicht die Zusprache einer Entschädigung für "unabdingbare Kosten", die durch die Beschwerde verursacht wurden.
    • Art. 6 RFPA/GE präzisiert, dass diese Entschädigung "einschliesslich allfälliger Honorare eines Mandanten" gewährt werden kann.
    • Die kantonale und eidgenössische Rechtsprechung legt übereinstimmend fest, dass die Parteientschädigung grundsätzlich der Deckung von Anwaltshonoraren dient (Art. 64 VwVG, Art. 68 BGG). Der Grundsatz ist, dass die Entschädigung effektive Kosten abdecken soll und nicht die eigene Arbeit oder den Zeitaufwand einer selbstvertretenden Partei entschädigen soll.
    • Ausnahme für selbstvertretende Parteien: Eine Entschädigung für eigene Arbeitsleistung kann nur in Ausnahmefällen zugesprochen werden, wenn kumulative Voraussetzungen erfüllt sind:
      1. Der Fall war komplex.
      2. Der Streitwert oder die Interessen waren erheblich.
      3. Die Partei hat eine umfangreiche Aktivität entfaltet, die ihre normale Erwerbstätigkeit erheblich beeinträchtigt hat.
      4. Die Aktivität steht in Relation zum erzielten Erfolg.
    • Das Bundesgericht verwies hier auf seine ständige Rechtsprechung (u.a. BGE 129 V 113, 127 V 205, 125 II 518) sowie auf einen zur Publikation bestimmten Entscheid (BGer 9C_606/2023). Ausnahmsweise können auch ausserordentliche und begründete Auslagen (z.B. Reisekosten, Kosten für ein privates Gutachten, Übersetzungskosten) entschädigt werden.
  • Anwendung auf den vorliegenden Fall (Rz. 4.3):

    • Die Gesellschaft handelte unbestrittenermassen "in persona".
    • Sie machte keine ausserordentlichen Auslagen geltend.
    • Obwohl sie ihren Zeitaufwand für die Verteidigung ihrer Interessen dokumentierte, legte sie nicht dar, dass dieser Aufwand ihre normale Erwerbstätigkeit erheblich beeinträchtigt hätte. Das Bundesgericht bekräftigte, dass die Parteientschädigung nicht dazu dient, den eigenen Zeitaufwand zu entschädigen.
    • Die Gesellschaft machte auch nicht geltend, dass der Fall besonders komplex gewesen sei, und es gab keine Anhaltspunkte dafür.
    • Die von der Gesellschaft zitierten Präzedenzfälle (BGE 125 II 518, BGer 6B_124/2012, BVGer BB.2019.272) waren für den vorliegenden Fall nicht einschlägig. Diese Entscheidungen betrafen jeweils den Spezialfall eines amtlichen Rechtsanwalts, der seine eigenen Honorarforderungen in einem Streit gegen eine Behörde verteidigt hatte.
    • Auch die von der Gesellschaft angeführten kantonalen Entscheide (ATA/392/204514, ATA/79/2006, ATA/911/2024) waren nicht vergleichbar, da dort entweder eine anwaltliche Beratung in Anspruch genommen wurde oder die Partei anwaltlich vertreten war.
  • Schlussfolgerung zur Willkürrüge (Rz. 4.4): Da die kumulativen Bedingungen für eine ausnahmsweise Zusprechung einer Parteientschädigung an eine selbstvertretende Partei im vorliegenden Fall nicht erfüllt waren und keine ausserordentlichen Auslagen geltend gemacht wurden, war die Verweigerung einer Parteientschädigung durch die Cour de justice nicht willkürlich. Die Rüge wurde abgewiesen.

3.4. Rüge der Verletzung des Rechts auf Zugang zur Justiz (Art. 6 EMRK) (Rz. 5) Die Gesellschaft berief sich auf den EMRK-Entscheid Zustovic c. Croatie, wonach das Risiko von behördlichen Fehlern vom Staat zu tragen sei. Das Bundesgericht wies diesen Einwand zurück, da der zitierte Entscheid lediglich die Kosten für die Rechtsvertretung betreffe und nur unter der Bedingung, dass diese nicht unüberlegt oder ohne triftigen Grund entstanden seien. Er war für den Fall einer selbstvertretenden Partei irrelevant.

3.5. Rüge der Ungleichbehandlung (Art. 8 BV) (Rz. 6) Die Gesellschaft sah eine Ungleichbehandlung darin, dass anwaltlich vertretene Parteien bei Obsiegen eine Parteientschädigung erhalten, sie selbst jedoch nicht. Das Bundesgericht verwies auf seine gefestigte Rechtsprechung (BGer 5A_704/2015, E. 8.2), wonach die unterschiedlichen Bedingungen für die Zusprache von Parteientschädigungen an anwaltlich vertretene bzw. selbstvertretende Parteien das Gleichbehandlungsprinzip nach Art. 8 BV nicht verletzen, da diese Bedingungen auf objektiven Kriterien beruhen. Da die Gesellschaft die objektiven Voraussetzungen für eine Ausnahme nicht erfüllt hatte, wurde auch diese Rüge abgewiesen.

3.6. Rüge der Verletzung des Legalitätsprinzips (Art. 5 Abs. 1 BV) (Rz. 7) Die Gesellschaft rügte schliesslich eine Verletzung des Legalitätsprinzips, da die Cour de justice die Entschädigungsverweigerung auf einer angeblich willkürlichen Auslegung des kantonalen Rechts und der Rechtsprechung bestätigt habe. Diese Rüge wurde als unbegründet abgewiesen, da sie auf der bereits als unbegründet befundenen Annahme einer willkürlichen Anwendung von Art. 87 LPA/GE basierte und der Vorwurf eines willkürlichen Rechtsprechungswechsels auf einem Missverständnis der kantonalen Rechtsprechung beruhte.

4. Fazit und Urteilstenor (Rz. 8)

Gestützt auf die obigen Erwägungen wies das Bundesgericht die Beschwerde ab. Die Gerichtskosten wurden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt, und es wurde keine Parteientschädigung zugesprochen.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht bestätigte die Verweigerung einer Parteientschädigung an eine Gesellschaft, die sich in einem kantonalen Beschwerdeverfahren selbst vertreten hatte. Die Kernargumente sind:

  1. Parteientschädigung für eigene Arbeit nur in Ausnahmefällen: Grundsätzlich deckt die Parteientschädigung Anwaltskosten ab und entschädigt nicht den Zeitaufwand einer selbstvertretenden Partei.
  2. Kumulative Voraussetzungen für Ausnahme: Eine Entschädigung für eigene Arbeit wird nur gewährt, wenn der Fall komplex war, von erheblichem Streitwert, die Partei eine umfangreiche und die normale Erwerbstätigkeit beeinträchtigende Aktivität entfaltet hat und diese Aktivität kausal für den Erfolg war.
  3. Fehlen der Voraussetzungen: Im vorliegenden Fall waren diese kumulativen Voraussetzungen nicht erfüllt (keine ausserordentlichen Auslagen, keine dargelegte erhebliche Beeinträchtigung der Erwerbstätigkeit, keine besondere Komplexität des Falles).
  4. Keine Willkür: Die Verweigerung der Entschädigung war angesichts der konstanten Rechtsprechung nicht willkürlich.
  5. Keine Verletzung des rechtlichen Gehörs: Die Begründung der Vorinstanz war ausreichend, da sie auf die einschlägige Rechtsprechung verwies.
  6. Keine Ungleichbehandlung: Die unterschiedliche Behandlung von anwaltlich vertretenen und selbstvertretenden Parteien bei der Parteientschädigung verletzt das Gleichbehandlungsprinzip nicht, da sie auf objektiven Kriterien beruht.

Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab und auferlegte der Gesellschaft die Gerichtskosten.