Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:
Urteil des Bundesgerichts 6B_748/2025 vom 25. November 2025
I. Einleitung
Das Bundesgericht hatte über eine Beschwerde in Strafsachen von A.__ (Beschwerdeführer) gegen ein Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 23. Mai 2025 zu entscheiden. Streitig war ausschliesslich die Strafzumessung, insbesondere die Frage der verminderten Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers, die Notwendigkeit eines Obergutachtens sowie die Berücksichtigung des Beschleunigungsgebots und der Vorwurf der Willkür bei der Beweiswürdigung.
II. Hintergrund und Verfahrensgeschichte
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Vorinstanzliches Verfahren:
- Am 28. April 2022 sprach das Kriminalgericht Luzern A.__ wegen zahlreicher Delikte schuldig: Pfändungsbetrug, Verfügung über mit Beschlag belegte Vermögenswerte, Urkundenfälschung, Misswirtschaft, Unterlassung der Buchführung, ungetreue Geschäftsbesorgung mit Bereicherungsabsicht, Gläubigerschädigung durch Vermögensminderung, Zweckentfremdung von Arbeitnehmerbeiträgen, Entziehen von der Beitragspflicht und Nichtabgabe von Ausweisen und Kontrollschildern. Diese Taten wurden mehrfach begangen. Es verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 9 Monaten sowie 40 Tagessätzen à Fr. 140.-- Geldstrafe. Diese Strafe wurde teilweise als Zusatzstrafe zu sechs zwischen 2017 und 2019 ergangenen Strafbefehlen ausgefällt.
- Im Rahmen der Berufung und Anschlussberufung holte das Kantonsgericht Luzern ein forensisch-psychiatrisches Gutachten ein. Mit Urteil vom 23. Mai 2025 stellte es die Rechtskraft im Schuldpunkt fest, konstatierte eine Verletzung des Beschleunigungsgebots, erhöhte aber die Freiheitsstrafe auf 6 Jahre, 5 Monate und 5 Tage (als teilweise Zusatzstrafe zu einem Strafbefehl vom 26. März 2018). Von einer Geldstrafe sah das Kantonsgericht ab.
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Anträge des Beschwerdeführers vor Bundesgericht:
Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung des kantonsgerichtlichen Urteils und die Rückweisung der Sache zur Einholung eines Obergutachtens sowie zur Neubeurteilung. Eventualiter verlangte er eine bedingte Freiheitsstrafe von 24 Monaten unter Anrechnung einer mindestens mittelgradig eingeschränkten Schuldfähigkeit.
III. Massgebende Rechtsgrundsätze
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Strafzumessung (Art. 47 Abs. 1 und 2, Art. 49 Abs. 1 StGB):
Das Gericht misst die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu, unter Berücksichtigung des Vorlebens, der persönlichen Verhältnisse und der Wirkung der Strafe. Das Verschulden richtet sich nach der Schwere der Rechtsgutsverletzung oder -gefährdung, der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen sowie der Fähigkeit des Täters, die Tat zu vermeiden. Bei mehreren Taten wird die Gesamtstrafe nach dem Asperationsprinzip gebildet, wobei von der Strafe für die schwerste Tat ausgegangen und diese für die weiteren Taten angemessen erhöht wird. Das Bundesgericht schreitet in die Strafzumessung nur ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen überschritten, von rechtlich irrelevanten Kriterien ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen bzw. ihr Ermessen missbräuchlich ausgeübt hat (BGE 149 IV 217 E. 1.1).
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Schuldfähigkeit (Art. 19 Abs. 1 und 2 StGB):
Wer zur Tatzeit unfähig war, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäss zu handeln, ist nicht strafbar (Schuldunfähigkeit). War der Täter nur teilweise fähig, ist die Strafe zu mildern (verminderte Schuldfähigkeit). Der Zustand des Täters zur Tatzeit ist eine Tatfrage. Die Feststellungen dazu können vom Bundesgericht nur auf Willkür (Art. 9 BV) oder eine Rechtsverletzung (Art. 95 BGG) hin überprüft werden (BGE 134 IV 132 E. 6.1). Willkür liegt vor, wenn die Sachverhaltsfeststellung offensichtlich unzutreffend ist oder auf einer schlechterdings unhaltbaren Beweiswürdigung beruht. Ein Abweichen von Gutachten ist nur mit triftigen Gründen zulässig; ein Abstellen auf eine nicht schlüssige Expertise kann willkürlich sein (BGE 142 IV 49 E. 2.1.3).
IV. Prüfung der Rügen des Beschwerdeführers durch das Bundesgericht
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Verminderte Schuldfähigkeit und Obergutachten:
- Gutachten vom 9. Februar 2024: Das im Berufungsverfahren eingeholte forensisch-psychiatrische Gutachten diagnostizierte beim Beschwerdeführer eine narzisstische Persönlichkeitsstörung mit dissozialen Zügen sowie schädlichen Gebrauch von Kokain, Alkohol und Testosteron. Das Störungsbild wurde als schwere psychische Störung eingestuft. Ein Zusammenhang zwischen der Persönlichkeitsstörung und den Delikten (Streben nach Bewunderung, Übervorteilung, Empathiedefizite, fehlendes Schuldbewusstsein) wurde bejaht.
- Einsichts- und Steuerungsfähigkeit: Trotz der Störungen stellte das Gutachten und folglich die Vorinstanz keine Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit des Beschwerdeführers in das Unrecht seiner Taten fest. Dies wurde auch durch eigene Aussagen des Beschwerdeführers gestützt, wonach er sich der Unrechtmässigkeit und den Folgen seines Handelns bewusst war. Ebenso wurde keine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit festgestellt; der Beschwerdeführer sei nicht generell unfähig gewesen, sich normkonform zu verhalten, wie sein Verhalten in anderen Kontexten zeigte. Die These einer bipolaren Störung, die der Beschwerdeführer ins Feld führte, wurde im Gutachten überzeugend verneint.
- Würdigung durch das Bundesgericht: Das Bundesgericht erachtete die Würdigung des Gutachtens durch die Vorinstanz als nicht willkürlich. Es führte aus, dass die Dauer der Gutachtenserstellung oder die empfundene Kürze der Exploration keine Schlüssigkeitsprobleme begründen. Auch die blosse Existenz psychiatrischer Diagnosen führe nicht automatisch zu verminderter Schuldfähigkeit. Die Begründung des Experten und der Vorinstanz, wonach der Beschwerdeführer trotz seiner Diagnosen das Unrecht erkennen und entsprechend handeln konnte, sei überzeugend und bundesrechtskonform. Die Kritik des Beschwerdeführers wurde als appellatorisch zurückgewiesen, da sie keine gehörige Willkürrüge darstellt. Der Einwand, eine Kombination narzisstischer und bipolarer Störung habe zu einem falschen Geständnis geführt, wurde als irrelevant betrachtet, da die Vorinstanz dem Geständnis ohnehin keine massgebende Bedeutung beimass, weil der Sachverhalt als erstellt galt und ein Bestreiten sinnlos gewesen wäre.
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Konkrete Strafzumessung der Vorinstanz:
Das Bundesgericht bestätigte die konkrete Strafzumessung der Vorinstanz als bundesrechtskonform. Es stellte fest, dass die Gesamtstrafe innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens liegt und die Vorinstanz ihr Ermessen weder missbraucht noch relevante Kriterien ausser Acht gelassen oder falsch gewichtet hat. Das Bundesgericht befand sogar, die Bewertung des Verschuldens als "grossmehrheitlich leicht" sei "sehr wohlwollend". Die hohe Gesamtstrafe sei eine direkte Folge der zahllosen Straftaten, die der Beschwerdeführer systematisch über Jahre hinweg zum eigenen Vorteil begangen und dadurch Gesellschaften und Gläubiger geschädigt habe.
- Aufschlüsselung der Strafzumessung (exemplarisch die massgebenden Deliktskomplexe und deren Verschuldensgewichtung):
- Pfändungsbetrug (mehrfach): Ein Einsatzdelikt wurde als abstrakt und konkret schwerste Tat mit "nicht mehr leichtem Verschulden" bewertet, was zu einer Einsatzstrafe von 17 Monaten führte. Weitere Pfändungsbetrüge mit Schäden bis zu ca. CHF 136'000.- wurden mit "gerade noch leichtem" oder "noch leichtem Verschulden" beurteilt und die Strafe schrittweise auf 31 Monate erhöht.
- Gläubigerschädigung durch Vermögensminderung (mehrfach): U.a. das Verheimlichen von Freizügigkeitsleistungen von CHF 90'000.- wurde mit "nicht mehr leichtem Verschulden" beurteilt (+5 Monate auf 36 Monate). Weitere Fälle, bei denen Vermögenswerte von insgesamt über CHF 600'000.- beiseitegeschafft wurden, führten zu einer Erhöhung auf 37 Monate.
- Ungetreue Geschäftsbesorgung (mehrfach): Private Wohnungsmieten über CHF 36'000.-, Privatbezüge von CHF 75'000.-, ungesicherte Darlehen und Unterschlagung von Verkaufserlösen (Gesamtschaden über CHF 165'000.-) wurden mit "nicht mehr leichtem Verschulden" geahndet (+4 Monate auf 41 Monate). Das Gewähren eines ungesicherten Darlehens von CHF 620'000.- und mutwillige Vertragsauflösungen mit CHF 70'000.- Schaden erhöhten die Strafe auf 49 Monate.
- Verfügung über mit Beschlag belegte Vermögenswerte (mehrfach): Das Nichtabliefern von pfändbarem Lohn von CHF 98'280.- und CHF 33'318.- führte bei "noch leichtem" bzw. "leichtem Verschulden" zu einer Erhöhung auf 54 Monate.
- Urkundenfälschung (mehrfach): Das Falschverbuchen von Bezügen und Mieten als Geschäftsaufwand, das Verheimlichen von Privatbezügen und das Einreichen eines rückdatierten Vertrages wurde bei "leichtem" bzw. "sehr leichtem Verschulden" schrittweise auf 59 Monate erhöht.
- Misswirtschaft (16 Gesellschaften): Die Vorinstanz bezifferte den Schaden bei 13 Gesellschaften auf über CHF 900'000.-. Bei "durchwegs leichtem" oder "noch/eher leichtem Verschulden" wurde die Strafe auf 72.5 Monate erhöht.
- Unterlassung der Buchführung (15 Gesellschaften): Bei "jeweils leichtem Verschulden" erhöhte sich die Strafe auf 78.5 Monate.
- Zusatzstrafenbildung und weitere Taten: Die resultierenden 78.5 Monate wurden als Zusatzstrafe zu einem früheren Strafbefehl vom 26. März 2018 (20 Tage Freiheitsstrafe für Urkundenfälschung) gebildet, was nach Abzug der Grundstrafe zu 77 Monaten und 5 Tagen führte. Zusätzlich wurden Straftaten, die nach dem Strafbefehl von 2018 begangen wurden (Misswirtschaft, Unterlassung der Buchführung, Nichtabgabe von Kontrollschildern), mit einer selbständigen Freiheitsstrafe von 6 Monaten geahndet, was eine Gesamtstrafe von 83 Monaten und 5 Tagen ergab.
- Strafzumessungskriterien der Täterkomponente: Zahlreiche einschlägige Vorstrafen, hohe kriminelle Energie, Uneinsichtigkeit, Unbelehrbarkeit, mangelnde Reue und fortgesetzte Delinquenz trotz laufender Verfahren wurden stark negativ gewichtet und führten zu einer Erhöhung um 6 Monate auf 89 Monate und 5 Tage.
- Beschleunigungsgebot: Die Vorinstanz reduzierte die Strafe um 12 Monate aufgrund einer Verletzung des Beschleunigungsgebots im erstinstanzlichen Verfahren (ein Jahr zwischen Anklageeingang und Hauptverhandlung). Weitere Verzögerungen wurden hauptsächlich dem Beschwerdeführer selbst angelastet, der durch seine fortgesetzte Delinquenz das Verfahren verlängert hatte. Das Bundesgericht bestätigte diese Reduktion als bundesrechtskonform.
- Endgültige Strafe: Nach Berücksichtigung aller Faktoren resultierte eine Freiheitsstrafe von 77 Monaten und 5 Tagen (6 Jahren, 5 Monaten und 5 Tagen).
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Rechenfehler der Vorinstanz:
Das Bundesgericht stellte fest, dass der Vorinstanz ein Rechenfehler unterlaufen war: Nach den Delikten "Verfügung über mit Beschlag belegte Vermögenswerte" stand die Strafe bei 54 Monaten. Bei der anschliessenden Würdigung der "mehrfachen Urkundenfälschung" erhöhte die Vorinstanz die Strafe auf 57 Monate, obwohl sie für diese Delikte lediglich eine Erhöhung um zwei Monate vornahm (was 56 Monate ergeben hätte). Tatsächlich wurde also um drei Monate erhöht. Das Bundesgericht erachtete diesen Rechenfehler jedoch als nicht entscheidend für die Bundesrechtskonformität des Urteils. Die ausgefällte Gesamtstrafe liege weiterhin innerhalb des Strafrahmens, und die Vorinstanz hatte für die Urkundenfälschungen eine hypothetische Strafe von fünf Monaten für angemessen erachtet, womit eine Erhöhung um drei Monate von ihrem Ermessen gedeckt gewesen wäre.
V. Fazit des Bundesgerichts
Die Beschwerde wurde abgewiesen, soweit darauf einzutreten war. Der Beschwerdeführer konnte weder eine willkürliche Beweiswürdigung bezüglich seiner Schuldfähigkeit noch einen Ermessensmissbrauch bei der konkreten Strafzumessung aufzeigen. Das Bundesgericht betonte, dass die zahlreichen, systematischen und über Jahre andauernden Delikte des Beschwerdeführers die hohe Freiheitsstrafe rechtfertigen, auch wenn die Verschuldensbewertung der Einzeltaten mehrheitlich als leicht eingestuft wurde. Der festgestellte Rechenfehler der Vorinstanz war im Ergebnis nicht bundesrechtswidrig, da er im Rahmen des richterlichen Ermessens lag.
Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
Das Bundesgericht bestätigte die vom Kantonsgericht Luzern gegen A.__ verhängte Freiheitsstrafe von 6 Jahren, 5 Monaten und 5 Tagen. Es wies die Rüge der verminderten Schuldfähigkeit als unbegründet zurück, indem es die schlüssige Beweiswürdigung des forensisch-psychiatrischen Gutachtens durch die Vorinstanz als nicht willkürlich bestätigte. Die Vorinstanz hatte keine Beeinträchtigung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit festgestellt, obwohl der Beschwerdeführer an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung mit dissozialen Zügen litt. Die konkrete Strafzumessung, die sich aus einer Vielzahl von Pfändungsbetrügen, Gläubigerschädigungen, ungetreuer Geschäftsbesorgung, Urkundenfälschungen und Misswirtschaft über Jahre hinweg zusammensetzte, wurde als bundesrechtskonform befunden. Obwohl das Verschulden bei vielen Einzeltaten als "leicht" eingestuft wurde, resultierte die hohe Gesamtstrafe aus der schieren Anzahl und dem systematischen Charakter der Delikte. Eine strafmindernde Berücksichtigung der Täterkomponente wurde aufgrund des negativen Vorlebens, der fehlenden Einsicht und der fortgesetzten Delinquenz des Beschwerdeführers verneint. Die erfolgte Strafreduktion um zwölf Monate wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots in erster Instanz wurde als ausreichend und korrekt erachtet. Ein Rechenfehler der Vorinstanz bei der Addition der Teilstrafen wurde zwar festgestellt, hatte aber im Ergebnis keine bundesrechtswidrige Strafhöhe zur Folge.