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Das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (BGer) vom 25. November 2025 (Verfahren 2C_170/2025) befasst sich mit dem Widerruf einer Berufskarte für Taxichauffeure und der Verweigerung einer Bewilligung zur erhöhten Beanspruchung des öffentlichen Grundes im Kanton Genf. Im Zentrum steht die Frage der Vereinbarkeit strafrechtlicher Verurteilungen mit der Ausübung des Taxichauffeurberufs und die Verhältnismässigkeit der darauf gestützten administrativen Massnahmen im Lichte der Wirtschaftsfreiheit.
1. Sachverhalt und Verfahrensgeschichte
Die Beschwerdeführerin A.__ ist seit September 2019 im Besitz einer Berufskarte als Taxichauffeurin. Sie war von Oktober 2020 bis Februar 2023 Mieterin einer Bewilligung zur erhöhten Beanspruchung des öffentlichen Grundes.
Am 1. November 2022 trat das neue Genfer Gesetz über Taxis und Mietwagen mit Chauffeur (LTVTC/GE) in Kraft, das die Vermietung solcher Bewilligungen untersagte. Das Übergangsrecht sah jedoch vor, dass Personen, die zu zwei bestimmten Zeitpunkten (Einreichung des Gesetzesentwurfs im Februar 2020 und Annahme des Gesetzes im Januar 2022) effektive Nutzer einer solchen Bewilligung waren, eine persönliche Bewilligung erhalten konnten.
Die erste Anfrage der Beschwerdeführerin im November 2022, gestützt auf das Übergangsrecht, wurde vom kantonalen Dienst für Handels- und Schwarzarbeitspolizei (Service cantonal) im März 2023 abgewiesen, da sie im Februar 2020 nicht die effektive Nutzerin gewesen sei. Dieser Entscheid erwuchs in Rechtskraft.
Ein Wendepunkt ergab sich jedoch durch ein Urteil des Genfer Cour de justice vom 18. Juli 2023 in einem anderen Fall. Darin wurde entgegen dem Wortlaut des Übergangsrechts festgestellt, dass die effektive Nutzung der Bewilligung am Stichtag 26. Februar 2020 nicht entscheidend sei. Daraufhin forderte der Service cantonal die betroffenen Taxichauffeure auf, neue Gesuche einzureichen.
Die Beschwerdeführerin reichte am 30. Oktober 2023 ein neues Gesuch ein. Dabei legte sie einen Strafregisterauszug vor, aus dem zwei Verurteilungen hervorgingen: * 1. Oktober 2021: Verurteilung durch die Staatsanwaltschaft zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 30 CHF wegen "unerlaubter Erlangung von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe". * 11. Juni 2022: Verurteilung zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen à 80 CHF wegen "Missbrauchs von Vertrauen" (abus de confiance).
Aufgrund dieser strafrechtlichen Verurteilungen lehnte der Service cantonal mit Entscheid vom 18. Juni 2024 die Erteilung der Bewilligung ab und widerrief gleichzeitig die Berufskarte der Beschwerdeführerin. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Genfer Cour de justice mit Urteil vom 18. Februar 2025 abgewiesen.
2. Rügen der Beschwerdeführerin vor Bundesgericht
Die Beschwerdeführerin focht das kantonale Urteil mit der Begründung an, es verletze ihre Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) und das Verhältnismässigkeitsprinzip (Art. 36 BV). Sie rügte, der Cour de justice habe keine angemessene Interessenabwägung vorgenommen und insbesondere ihre persönliche und wirtschaftliche Situation (43-jährige Witwe mit drei minderjährigen Kindern, sechs Jahre Berufserfahrung, Verlust des Einkommens) nicht berücksichtigt. Zudem beanstandete sie, dass die Dauer des Berufsverbots nicht präzisiert worden sei.
3. Rechtliche Würdigung durch das Bundesgericht
3.1. Zulässigkeit und Prüfungsraster Das Bundesgericht trat auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ein (Art. 82 lit. a, 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, 90, 89 Abs. 1, 100 Abs. 1 LTF), da es sich um eine Endentscheidung einer oberen kantonalen Instanz in einer öffentlichen Rechtsangelegenheit handelte. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 LTF). Es prüft kantonales Recht jedoch nur auf seine Vereinbarkeit mit Bundesrecht, insbesondere auf Willkür (Art. 9 BV) oder andere Grundrechte (Art. 106 Abs. 2 LTF). Eine Rüge der Verletzung von Grundrechten oder kantonalem Recht muss präzise begründet werden (Art. 106 Abs. 2 LTF). Der Sachverhalt, wie er von der Vorinstanz festgestellt wurde, ist für das Bundesgericht grundsätzlich bindend (Art. 105 Abs. 1 LTF), es sei denn, er wurde willkürlich oder unter Verletzung von Art. 95 LTF festgestellt und eine Korrektur ist entscheidend für den Ausgang des Verfahrens (Art. 97 Abs. 1 LTF).
3.2. Begrenzung des Prüfungsrahmens durch die Beschwerdebegründung Das Bundesgericht stellte fest, dass die Beschwerdeführerin keine willkürliche Anwendung der Bestimmungen des LTVTC/GE zum Widerruf der Berufskarte bei berufsunkompatiblen Verurteilungen rügte. Ebenso wenig beanstandete sie eine willkürliche Anwendung der kantonalen Bestimmungen zur Erteilung einer Bewilligung zur erhöhten Beanspruchung des öffentlichen Grundes. Da die Erteilung dieser Bewilligung an den Besitz einer Berufskarte gekoppelt ist (Art. 13 Abs. 5 lit. a LTVTC/GE), konnte das Bundesgericht diese Punkte aufgrund der unzureichenden Rügen (Art. 106 Abs. 2 LTF) nicht weiter prüfen. Der Fokus der Prüfung lag somit auf der von der Beschwerdeführerin gerügten Verletzung der Wirtschaftsfreiheit und des Verhältnismässigkeitsprinzips.
3.3. Begründung des Cour de justice Der Cour de justice hatte die beiden Verurteilungen der Beschwerdeführerin als Vermögensdelikte eingestuft, die auf Täuschungshandlungen beruhten (unrechtmässiger Bezug von Sozialhilfeleistungen durch Verschweigen beruflicher Tätigkeit; Fälschung eines Fahrzeugkaufvertrags zur künstlichen Preiserhöhung). Diese Taten seien als "gravierend" zu qualifizieren, da sie über einen längeren Zeitraum erfolgt seien und zu erheblichem Schaden sowie unrechtmässiger Bereicherung geführt hätten.
Die Vorinstanz befand, diese Delikte seien mit der Ausübung des Taxichauffeurberufs unvereinbar (im Sinne von Art. 6 Abs. 2 RTVTC/GE). Ein Taxichauffeur müsse in seinen Vermögensbeziehungen zu Kunden, Funkzentralen und Behörden tadellos sein; Vertrauen in Bezug auf Tarifierung, Fahrpreise und Abrechnung sei unerlässlich. Obwohl die Delikte nicht direkt im Berufsalltag oder zum Nachteil von Kunden begangen wurden, liessen sie befürchten, dass die Beschwerdeführerin auch gegenüber ihren Kunden oder Geschäftspartnern das Vertrauen missbrauchen könnte. Insbesondere seien Taxikunden verletzlich bei Routenwahl, Tarifierung, Zahlung und Wechselgeld. Der Cour de justice schloss daraus, dass das Verhalten der Beschwerdeführerin die vom Gesetzgeber angestrebte öffentliche Sicherheit, insbesondere die Vermögenssicherheit der Kundschaft und das Vertrauen in diese, gefährde.
3.4. Wirtschaftsfreiheit und Verhältnismässigkeit (Art. 27 und 36 BV) Die Ausübung des Berufs eines selbstständigen oder angestellten Taxichauffeurs ist durch die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) geschützt. Einschränkungen dieser Freiheit müssen auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein (Art. 36 Abs. 1-3 BV). Das Bundesgericht prüft diese Anforderungen frei.
3.4.1. Gesetzliche Grundlage und öffentliches Interesse Der Widerruf der Berufskarte stützt sich auf Art. 7 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 3 lit. e LTVTC/GE und damit auf eine formelle gesetzliche Grundlage. Das damit verfolgte öffentliche Interesse – namentlich die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, die Lauterkeit im Geschäftsverkehr, die Preistransparenz sowie die Einhaltung sozialer Normen (Art. 1 Abs. 1 und 2 LTVTC/GE) – wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.
3.4.2. Verhältnismässigkeit im engeren Sinne Das Bundesgericht prüfte die Verhältnismässigkeit (Art. 36 Abs. 3 BV), namentlich Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismässigkeit im engeren Sinne (Güterabwägung). * Geeignetheit und Erforderlichkeit: Der Widerruf der Berufskarte ist geeignet, das Ziel des Schutzes der öffentlichen Sicherheit zu erreichen, da er die Beschwerdeführerin vorübergehend daran hindert, ihre Tätigkeit auszuüben und damit die Vermögenssicherheit und das Vertrauen der Kunden zu gefährden. Eine weniger einschneidende Massnahme als der Widerruf gemäss Art. 7 Abs. 5 LTVTC/GE existiert nicht (vgl. BGer 2C_580/2023 vom 17. April 2024, E. 4.5.2).
Güterabwägung (Verhältnismässigkeit im engeren Sinne): Art. 6 Abs. 3 RTVTC/GE, wonach die Behörde bei der Beurteilung der Berufsunkompatibilität einer Verurteilung die Schwere der Taten, deren Wiederholung, die seit der Sanktion verstrichene Zeit sowie das Rückfallrisiko berücksichtigt, stellt eine Konkretisierung des Verhältnismässigkeitsprinzips dar. Das Bundesgericht betonte einen entscheidenden Unterschied zum von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheid BGer 2C_580/2023 vom 17. April 2024. In jenem Fall handelte es sich um eine isolierte, verhältnismässig geringfügige Verkehrsübertretung (Missachtung des Vortritts eines Fussgängers, leichte Verletzung, 30 Tagessätze bedingt). Dort hatte das Bundesgericht die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen, um die privaten Interessen stärker zu gewichten.
Im vorliegenden Fall hingegen sind die Umstände wesentlich gravierender: * Die Beschwerdeführerin wurde zweimal wegen Vermögensdelikten und Täuschungshandlungen verurteilt. * Die verhängten Geldstrafen beliefen sich auf insgesamt 280 Tagessätze. * Ihr Verhalten erstreckte sich über einen längeren Zeitraum. * Diese Art des Handelns lässt die Befürchtung zu, dass sie auch gegenüber Kunden und Geschäftspartnern das Vertrauen missachten könnte, zumal Taxikunden als besonders vulnerabel gelten.
Angesichts der Schwere und Dauer der begangenen Straftaten sei die besondere persönliche Situation der Beschwerdeführerin (43 Jahre alt, Witwe, drei Kinder, sechs Jahre Berufserfahrung) nicht ausschlaggebend für eine Aufhebung des Widerrufs. Das Bundesgericht hielt fest, dass bei ausreichend schweren und die öffentlichen Interessen tangierenden Pflichtverletzungen die persönlichen Verhältnisse für den Entscheid über den Widerruf der Berufskarte nicht massgeblich sind.
Zur Rüge, die Dauer des Berufsverbots sei nicht präzisiert worden, führte das Bundesgericht aus, dass der Widerruf einer Berufskarte, der primär dem Schutz der öffentlichen Sicherheit dient und keine Disziplinarmassnahme ist, grundsätzlich keiner festgelegten Dauer unterliegt. Die Möglichkeit, ein neues Gesuch zu stellen, wenn die Voraussetzungen gemäss Art. 7 Abs. 3 LTVTC/GE wieder erfüllt sind, steht der Beschwerdeführerin offen.
4. Fazit Das Bundesgericht bestätigte, dass der Widerruf der Berufskarte der Beschwerdeführerin und die Verweigerung der Bewilligung zur erhöhten Beanspruchung des öffentlichen Grundes im Einklang mit der Verfassung stehen. Es sah keine Verletzung der Wirtschaftsfreiheit oder des Verhältnismässigkeitsprinzips.
5. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte