Zusammenfassung von BGer-Urteil 6B_638/2023 vom 20. November 2025

Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.

Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (BGE 6B_638/2023 vom 20. November 2025) befasst sich hauptsächlich mit der Strafzumessung, dem Artenvergleich der Strafe sowie der Kostenverteilung und Entschädigungsfragen nach einer Rückweisung durch das Bundesgericht. Der Rekurrent, A.__, wurde ursprünglich wegen verschiedener Delikte, darunter Betrug, Veruntreuung, Geldwäscherei, Urkundenfälschung und versuchte Nötigung, verurteilt.

I. Sachverhalt und Verfahrensgang

Der Rekurrent A._, ein in der Schweiz als Anlageberater tätiger iranisch-britischer Doppelbürger, stand in langjähriger geschäftlicher und freundschaftlicher Beziehung zu B._ (Intimierter 2), einem iranischen Geschäftsmann. Die Streitigkeiten drehten sich um die Gesellschaft D.__ SA, bei der beide als Administratoren mit Kollektivunterschrift zu zweien fungierten.

1. Ursprüngliche Anklage und erstinstanzliches Urteil (2018): Die Anklageschrift vom 21. Dezember 2017 warf A._ vor: * Veruntreuung (eventualiter Treuhandmissbrauch oder ungetreue Geschäftsbesorgung) im Zusammenhang mit der Aneignung von Aktien der D._ SA und der Emission neuer Aktien. * Veruntreuung im Zusammenhang mit Transfers und Abzügen von mindestens CHF 579'805. * Geldwäscherei eines Teils dieser Gelder (insbesondere durch Überweisungen an Gesellschaften in Grossbritannien für Immobilien- und Autokäufe sowie an seine eigene Gesellschaft J.__ Ltd). * Urkundenfälschung (fälschliche Angabe als 50%-Aktionär). * Versuchte Nötigung/Erpressung des Intimierten 2 durch Manöver im Zusammenhang mit dessen Aufenthaltsbewilligung.

Das erstinstanzliche Gericht verurteilte A._ wegen Betrugs, Veruntreuung, Geldwäscherei, Urkundenfälschung und versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren (davon 12 Monate unbedingt, der Rest teilbedingt). Es sprach B._ CHF 389'406 Schadenersatz zu und verhängte eine Ersatzforderung von CHF 579'805 zugunsten des Kantons Genf.

2. Kantonales Berufungsurteil (2020): Die Genfer Cour de justice annullierte das erstinstanzliche Urteil teilweise. Sie sprach A.__ vom Vorwurf des Betrugs und der Urkundenfälschung frei. Für Veruntreuung, Geldwäscherei und versuchte Nötigung wurde er zu 26 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt (12 Monate unbedingt, der Rest teilbedingt). Die Ersatzforderung wurde auf CHF 282'156 reduziert.

3. Erster Rückweisungsentscheid des Bundesgerichts (2022): Das Bundesgericht hiess die Beschwerde von A.__ teilweise gut und hob das kantonale Urteil vom 30. Januar 2020 bezüglich der Verurteilung wegen Veruntreuung und Geldwäscherei sowie der Höhe der Ersatzforderung auf. Die Sache wurde an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückgewiesen. Das Bundesgericht rügte insbesondere: * Die Vorinstanz hatte für die Veruntreuung höhere Beträge berücksichtigt (CHF 637'842) als in der Anklageschrift (CHF 579'805) genannt, was dem Akkusationsprinzip widersprach. * Die Begründung der Geldwäscherei war inkonsistent, da die als gewaschen geltenden Beträge nach Währungsumrechnung höher waren als die als veruntreut angesehenen Beträge. * Die Höhe der Ersatzforderung musste im Lichte dieser Korrekturen neu berechnet werden.

4. Entscheid der Vorinstanz nach Rückweisung (2023): Die kantonale Cour de justice bestätigte die Rechtskraft der Freisprüche wegen Betrugs und Urkundenfälschung sowie der Verurteilung wegen Veruntreuung (bezüglich der Aneignung von Aktien) und versuchter Nötigung. Neubeurteilung: * A.__ wurde von der Geldwäscherei bezüglich der Anklagepunkte II.1 lit. e bis f freigesprochen. * Er wurde der Veruntreuung (I.B.15-16) und der Geldwäscherei (II.1 lit. a bis d) für schuldig befunden. * Die Strafe wurde erneut auf 26 Monate Freiheitsstrafe festgesetzt (abzüglich 131 Tage Untersuchungshaft), davon 20 Monate teilbedingt auf 3 Jahre Probezeit. * Die Ersatzforderung wurde auf CHF 244'799 festgesetzt.

Für die Veruntreuung von Geldern berücksichtigte die Vorinstanz nun CHF 600'935 an Abzügen, von denen CHF 356'136 als Rückzahlungen oder Spesen zugunsten der Gesellschaft angerechnet wurden, was einen Netto-Veruntreuungsbetrag von CHF 244'799 ergab. Für die Geldwäscherei führte die Vorinstanz eine detaillierte chronologische Analyse durch. Sie stellte A._s Einlagen/Zahlungen für D._ den von ihm entnommenen Beträgen gegenüber. Erst wenn die entnommenen Beträge seine Guthaben überstiegen, wurde der Saldo als illegaler Erlös betrachtet. Auf dieser Basis wurde A.__ der Geldwäscherei von CHF 178'306 für schuldig befunden.

II. Rügen des Rekurrenten vor Bundesgericht und deren Würdigung

A.__ gelangte erneut an das Bundesgericht mit den Hauptanträgen, eine Verletzung des Beschleunigungsgebots festzustellen, seine Strafe auf maximal 360 Tagessätze zu reduzieren (vollbedingt), die Kostenverteilung zu seinen Lasten zu korrigieren und ihm eine höhere Entschädigung zuzusprechen.

1. Verletzung des Beschleunigungsgebots (Consid. 2): Der Rekurrent rügte, die Vorinstanz habe sein Recht auf Behandlung der Sache innert angemessener Frist (Art. 5 Abs. 1 StPO, 29 Abs. 1 BV, 6 Abs. 1 EMRK) verletzt, indem sie diesen Punkt nicht materiell geprüft habe. Das Bundesgericht stellte fest, dass die Vorinstanz die Rüge formell behandelt hatte, sodass kein formeller Rechtsverweigerungsanspruch vorliegt. Der Rekurrent hatte diese Rüge in seiner ersten Beschwerde an das Bundesgericht nicht substanziiert vorgebracht, weshalb das Bundesgericht nur die Zeitspanne zwischen dem ersten Rückweisungsentscheid (Januar 2022) und dem nun angefochtenen Urteil (März 2023) prüfen konnte. Angesichts der Komplexität des Falles, der Intervention der Ehefrau des Rekurrenten und eines Revisionsgesuchs des Intimierten 2 sowie der "intransparenten" Erklärungen der Beteiligten, verneinte das Bundesgericht eine Verletzung des Beschleunigungsgebots.

2. Strafzumessung (Consid. 3): Der Rekurrent beanstandete, seine Strafe sei zu Unrecht verschärft worden, da die Vorinstanz auch solche Überweisungen berücksichtigt habe, wegen derer er freigesprochen worden sei. Er kritisierte die Methode der Vorinstanz, einen Pauschalfaktor von 40% auf die Einzelbeträge anzuwenden, und zog Vergleiche mit früheren Entscheidungen. Das Bundesgericht führte aus, dass es das weite Ermessen der Vorinstanz bei der Strafzumessung nur bei Rechtsüberschreitung oder -missbrauch korrigiert. Vergleiche mit anderen Fällen seien aufgrund der Einzelfallumstände selten fruchtbar. * Begründung der Vorinstanz: Die Vorinstanz begründete die relativ schwere Schuld mit der Ausnutzung von Vertrauen, egoistischen Motiven, der Verschleierung von Deliktserlösen, der langen Tatperiode, der wiederholten Begehung, der Einschüchterungstendenz sowie der fehlenden Einsicht und Reue des Rekurrenten. * Behandlung der Konkurrenzdelikte: Die Vorinstanz hatte im Rückweisungsverfahren korrekt die zahlreichen Veruntreuungen als Konkurrenzdelikte (Art. 49 StGB) behandelt (nicht wie zuvor als ein einziges Delikt). Sie legte die schwerwiegendste Einzelveruntreuung (CHF 160'000, nach Abzugsfaktor CHF 64'000) als Basis für 12 Monate Freiheitsstrafe fest und erhöhte diese durch Zuschläge für die weiteren Veruntreuungen auf 23 Monate für diesen Deliktkomplex. * Prüfung durch Bundesgericht: Das Bundesgericht führte eine eigene hypothetische Berechnung basierend auf der vom Rekurrenten vorgeschlagenen chronologischen Methode (nur Berücksichtigung von Veruntreuungen, wenn sein Guthaben bei der Gesellschaft bereits erschöpft war) durch. Es zeigte auf, dass selbst eine solche "günstigere" Methode nicht zu einer Reduktion der Gesamtfreiheitsstrafe führen würde, sondern eher zu einer vergleichbaren oder sogar höheren Strafe. Dies unterstrich die Angemessenheit der von der Vorinstanz festgesetzten Strafe und das Fehlen einer reformatio in pejus.

3. Ignorierung des Rechts auf Entschädigung / Nova (Consid. 4): Der Rekurrent rügte, die Vorinstanz habe sein Recht auf Vergütung und die Berücksichtigung neuer Tatsachen bezüglich seiner Tätigkeit als Administrator (Anspruch auf Entschädigung) ignoriert. Das Bundesgericht bekräftigte, dass der Rückweisungsentscheid die Tatsachengrundlage für die Qualifikation der Straftaten und die Ersatzforderung festlegte. Die vom Rekurrenten vorgebrachten "neuen" Behauptungen waren im Wesentlichen eine andere Interpretation bereits bekannter Sachverhalte und keine echten Nova. Die Strafzumessung müsse auf den festgestellten Deliktsfakten basieren; eine unterschiedliche Tatsachengrundlage für Schuld- und Strafzumessung wäre nicht zulässig.

4. Art der Strafe (Consid. 5): Der Rekurrent beantragte eine Geldstrafe statt einer Freiheitsstrafe und argumentierte, er sei Ersttäter, die Delikte seien weniger schwerwiegend, die Nötigung sei "sittenwidrig, nicht rechtswidrig" gewesen, eine Geldstrafe sei vollstreckbar und die öffentliche Sicherheit erfordere keine Freiheitsstrafe. * Anwendbares Recht: Das Bundesgericht wies darauf hin, dass die Taten vor dem 1. Januar 2018 begangen wurden und somit das alte Recht (Art. 41 Abs. 1 aStGB) anwendbar ist, sofern das neue Recht nicht günstiger ist, was der Rekurrent nicht dargelegt hatte. * Abgrenzung bei Konkurrenz: Bei Konkurrenzdelikten ist die Art der Strafe für jede einzelne Tat zu prüfen, bevor eine Gesamtstrafe gebildet wird. * Begründung der Vorinstanz für Freiheitsstrafe: Schwere Schuld, fehlende Einsicht/Reue, schlechte Zusammenarbeit, fehlende Vollstreckbarkeit oder Abschreckungswirkung einer Geldstrafe (Wohnsitz in Grossbritannien, unbekannte Einkünfte, keine bilateralen Abkommen). * Würdigung durch Bundesgericht: * Nötigung: Das Bundesgericht stellte klar, dass der Zweck der Nötigung (Verschleierung illegaler Finanzgeschäfte) rechtswidrig war und das Mittel (Denunziation wegen Aufenthaltsbewilligung) sittenwidrig, was die Schwere der Tat erhöhte. * Aneignung von Aktien: Es ging nicht nur um die "Abhaltung einer Generalversammlung", sondern um die Kontrolle über ein Kapital von ca. CHF 400'000 und die Entfernung des Intimierten 2 aus dem Verwaltungsrat. * Einsicht/Reue: Die Vorinstanz durfte die mangelnde Einsicht berücksichtigen, da der Rekurrent bis zum ersten Bundesgerichtsentscheid hartnäckig an seiner Unschuld festhielt. Spätere Erklärungen im Rahmen der vorliegenden Beschwerde waren für die Beurteilung der Vorinstanz irrelevant. * Vollstreckbarkeit der Geldstrafe: Das Bundesgericht bestätigte, dass die unbekannten Einkünfte des Rekurrenten und sein Wohnsitz im Ausland ohne bilaterales Vollstreckungsabkommen mit Grossbritannien die Vollstreckung einer Geldstrafe als unwahrscheinlich erscheinen lassen, was die Verhängung einer Freiheitsstrafe rechtfertigte. * Gesamtstrafe und Teilbedingtheit: Die Vorinstanz hatte eine Gesamtstrafe von 32 Monaten als angemessen erachtet, die sie wegen des Zeitablaufs auf 26 Monate reduziert hatte. Angesichts der fehlenden Einsicht und Reue war ein negativer Prognoseentscheid gerechtfertigt, der eine teilbedingte Strafe veranlasste. Eine weitere Reduktion zur Gewährung eines vollbedingten Vollzugs (unter 24 Monate) war somit nicht angezeigt.

5. Kostenverteilung (Vorverfahren und erste Instanz, Consid. 6): Der Rekurrent beanstandete die Auferlegung von 9/10 der Kosten (CHF 18'428) für die Vorverfahren und die erste Instanz. Er argumentierte, die Verteilung respektiere nicht das Prinzip, dass Kosten nur für Delikte auferlegt werden dürfen, für die eine Verurteilung erfolgte. * Rechtliche Grundlagen: Art. 426 StPO (Kosten bei Verurteilung oder Verursachung/Erschwerung des Verfahrens), Art. 427 StPO (Kosten Zivilklage), Art. 429 StPO (Entschädigung für Freigesprochene). Weites Ermessen der Vorinstanz. * Begründung der Vorinstanz: Rekurrent wurde in 4 von 6 Anklagepunkten schuldig befunden; der Hauptteil der Untersuchung betraf die Veruntreuung von Geldern, für die er verurteilt wurde; der Freispruch bei Geldwäscherei war im Verhältnis zum angeklagten Gesamtbetrag gering (CHF 55k von 320k); er hatte die Untersuchung bezüglich der neuen Aktien gemäss Art. 652b OR schuldhaft verursacht, auch wenn er diesbezüglich freigesprochen wurde. * Würdigung durch Bundesgericht: * Schwerpunkt der Untersuchung: Die Vorinstanz durfte den Umfang der Untersuchungstätigkeit, die für die letztlich zur Verurteilung führenden Delikte notwendig war, berücksichtigen. Die Rüge, die Untersuchung habe sich hauptsächlich um seine Rolle als Übersetzer gedreht, sei appellatorisch und durch die Akten widerlegt. * Freisprüche: Auch wenn der Rekurrent in einigen Punkten freigesprochen wurde, hatte er doch die Untersuchungen durch sein Verhalten verursacht oder erschwert (z.B. durch die Aneignung aller neuen Aktien ohne Berücksichtigung der Ansprüche B.s). * Geldwäscherei-Betrag: Die Vorinstanz hatte die Kosten proportional zu den ursprünglich angeklagten Beträgen der Geldwäscherei verteilt, nicht nur nach dem endgültig verurteilten Betrag. Dies war gerechtfertigt, da die Ermittlungsarbeit für die gesamten angeklagten Beträge notwendig war. * Das Bundesgericht befand, dass die Vorinstanz ihr Ermessen nicht missbraucht hatte. Die Rügen wurden abgewiesen.

6. Kostenverteilung (Erstes Berufungsverfahren, Consid. 7): Der Rekurrent beanstandete die Auferlegung von 3/5 der Kosten des ersten Berufungsverfahrens. * Rechtliche Grundlagen: Art. 428 StPO (Kosten nach Obsiegen/Unterliegen). * Begründung der Vorinstanz: Der Rekurrent hatte in einigen Punkten (neue Aktien, Urkundenfälschung, teilweise Geldwäscherei und Verteidigungskosten) obsiegt, in den wesentlichen Punkten (Aneignung von Aktien, Veruntreuung von Geldern, Nötigung) aber unterlegen. Der hohe Gerichtsentscheid (CHF 20'000) sei durch den Umfang des Verfahrens und die späte Produktion von Unterlagen durch den Rekurrenten gerechtfertigt. * Würdigung durch Bundesgericht: * Die Rüge bezüglich der späten Dokumentenproduktion wurde zurückgewiesen, da der Rekurrent nicht nachweisen konnte, dass er diese früher nicht hätte beschaffen können. * Auch wenn der Rekurrent in einigen Punkten obsiegte, unterlag er in den qualitativ wichtigeren und arbeitsintensiveren Hauptpunkten seiner Schuld. * Kein Missbrauch des Ermessens der Vorinstanz.

III. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte

Das Bundesgericht weist die Beschwerde von A.__ im Wesentlichen ab. Es bestätigt die von der Genfer Justiz nach Rückweisung festgesetzte Freiheitsstrafe von 26 Monaten (teilbedingt) und die Ersatzforderung von CHF 244'799 für Veruntreuung und Geldwäscherei. Das Gericht verneint eine Verletzung des Beschleunigungsgebots, da die Rüge nicht rechtzeitig und substanziiert vorgebracht wurde. Die Strafzumessungsmethodik der Vorinstanz, einschliesslich der Berücksichtigung von Konkurrenzdelikten und der Gründe für die Verhängung einer Freiheitsstrafe (schwache Einsicht, Wohnsitz im Ausland, mangelnde Vollstreckbarkeit einer Geldstrafe), wird vom Bundesgericht geschützt. Auch die Kostenverteilung in den verschiedenen Instanzen (9/10 in erster Instanz, 3/5 im Berufungsverfahren), die der Rekurrent beanstandet hatte, wird als rechtmässig erachtet, da die Vorinstanz ihr Ermessen nicht misschritten hat und die Kosten den Untersuchungsaufwand für die zur Verurteilung führenden Delikte widerspiegeln.

IV. Dispositiv

  1. Die Beschwerde wird, soweit zulässig, abgewiesen.
  2. Die Gerichtskosten von CHF 3'000 werden dem Rekurrenten auferlegt.