Zusammenfassung von BGer-Urteil 1C_51/2025 vom 24. Oktober 2025

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Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 1C_51/2025 vom 24. Oktober 2025

Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts befasst sich mit einem Fall des Führerausweisentzugs, der aufgrund einer Verkehrsregelverletzung und einer kumulierten Vorstrafenhistorie angeordnet wurde. Der Beschwerdeführer, A.__, wehrte sich gegen den auf unbestimmte Zeit, mindestens jedoch für zwei Jahre, ausgesprochenen Entzug seines Führerausweises.

I. Sachverhalt und Verfahrensgang

1. Ausgangslage: Am 14. November 2023 wurde A._ in Chur mit einem Lieferwagen angehalten. Gemäss Polizeirapport und dem darauf basierenden Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Graubünden vom 30. Januar 2024 führte er diverse Kartonschachteln mit geringem Gewicht auf dem Beifahrersitz mit. Diese waren so gestapelt, dass sie die Sicht des Lenkers nach rechts, durch das Beifahrerfenster und auf den rechten Aussenspiegel beeinträchtigten bzw. verunmöglichten. A._ wurde wegen Verletzung von Verkehrsregeln (Art. 30 Abs. 2 SVG, Art. 31 Abs. 3 SVG, Art. 73 Abs. 6 VRV i.V.m. Art. 90 Abs. 1 SVG) und Nichtbeachtung der vorgeschriebenen freien Sicht gemäss Art. 71a Abs. 1 der Verordnung über die technischen Anforderungen an Strassenfahrzeuge (VTS) mit einer Busse von Fr. 350.-- bestraft. Zusätzlich hatte er es unterlassen, die Ladung zu sichern.

2. Administrativrechtliche Massnahme: Parallel zum Strafverfahren eröffnete das Strassenverkehrsamt des Kantons Graubünden (SVA) ein Administrativverfahren. Es qualifizierte die vorliegende Verkehrsregelverletzung als mittelschwere Widerhandlung im Sinne von Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG. Basierend auf dem Massnahmenregister des Beschwerdeführers stellte das SVA fest, dass dieser in den vorangegangenen zehn Jahren bereits dreimal wegen mindestens mittelschwerer Widerhandlungen den Ausweis entzogen erhalten hatte (konkret: 4 Monate am 04.02.2021 [mittelschwer]; 12 Monate am 09.05.2019 [schwer]; 3 Monate am 23.02.2017 [schwer]). Gemäss Art. 16b Abs. 2 lit. e SVG führt eine vierte derartige Widerhandlung innerhalb von zehn Jahren zu einem Entzug des Führerausweises auf unbestimmte Zeit, mindestens aber für zwei Jahre. Das SVA verfügte am 25. Januar 2024 den Führerausweisentzug auf unbestimmte Zeit mit einer Sperrfrist von zwei Jahren und knüpfte die Wiedererteilung an ein positives verkehrspsychologisches Gutachten.

3. Rechtsmittelweg: Gegen diese Verfügung reichte A._ erfolglos Beschwerde beim Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit des Kantons Graubünden (DJSG) und anschliessend beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden ein. Mit Urteil vom 17. Dezember 2024 bestätigte das Verwaltungsgericht die Massnahme. Daraufhin gelangte A._ mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht.

II. Rügen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer rügte im Wesentlichen eine falsche Anwendung von Art. 16 ff. SVG, insbesondere bestritt er das Vorliegen einer mittelschweren Widerhandlung. Er machte geltend, es habe lediglich eine geringe Gefährdung bestanden, was eine leichte Widerhandlung im Sinne von Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG zur Folge hätte. Des Weiteren monierte er eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung sowie eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV).

III. Erwägungen des Bundesgerichts

Das Bundesgericht trat auf die form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde ein, wies sie jedoch ab.

1. Prüfungsrahmen und Sachverhaltsfeststellung (E. 2, 4): Das Bundesgericht legte seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Rüge der Sachverhaltsfeststellung ist nur zulässig, wenn diese offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung beruht (Art. 97 Abs. 1 BGG) und für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann. Willkür bei der Beweiswürdigung liegt nur vor, wenn diese offensichtlich unhaltbar oder aktenwidrig ist.

Im vorliegenden Fall hielt das Bundesgericht fest, dass die Verwaltungsbehörde grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des Strafgerichts gebunden ist (BGE 139 II 95 E. 3.2). Dies gilt insbesondere, wenn der Betroffene – wie hier – einen Strafbefehl akzeptiert hat und wusste, dass ein Administrativverfahren eröffnet wird, aber im Strafverfahren keine Einwände erhob (BGE 123 II 97 E. 3c/aa). Die Vorinstanz habe korrekt auf den im Strafbefehl festgestellten Sachverhalt abgestellt, wonach die Kartonschachteln die Sicht des Lenkers nach rechts und durch das Beifahrerfenster beeinträchtigten und die Sicht auf den rechten Aussenspiegel verunmöglichten. Wenn die Vorinstanz unter Bezugnahme auf Fotos im Polizeirapport präzisierte, dass die Sicht "grundsätzlich verunmöglicht" gewesen sei und dies die Wahrnehmung von nebenher fahrenden Verkehrsteilnehmenden behindert hätte, stelle dies keine Abweichung vom Sachverhalt des Strafbefehls dar, sondern eine zulässige Konkretisierung. Die Argumente des Beschwerdeführers, wie der Aufnahmewinkel der Fotos oder das Vorhandensein eines Heckfensters, vermochten keine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung zu belegen.

2. Verletzung des rechtlichen Gehörs (E. 3): Das Bundesgericht verneinte eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV). Es stellte fest, dass die Vorinstanz sich sehr wohl mit den rechtlichen Argumenten des Beschwerdeführers auseinandergesetzt habe. Eine Begründung muss es den Betroffenen ermöglichen, den Entscheid sachgerecht anzufechten, nicht aber jedes einzelne Vorbringen explizit widerlegen (BGE 136 I 229 E. 5.2). Eine allenfalls fehlerhafte Begründung stelle zudem keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar (BGE 141 V 557 E. 3.2.1).

3. Qualifikation der Widerhandlung (E. 5): Dies bildete den Kernpunkt der Auseinandersetzung. Das Bundesgericht prüfte die Einordnung der Verkehrsregelverletzung als mittelschwere Widerhandlung gemäss Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG, welche vorliegt, wenn der Lenker durch Verletzung von Verkehrsregeln eine Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt. Eine leichte Widerhandlung (Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG) setzt kumulativ eine geringe Gefahr und ein leichtes Verschulden voraus.

Die Vorinstanz hatte argumentiert, dass die eingeschränkte Sicht einen "toten Winkel" geschaffen habe, wodurch der Beschwerdeführer andere Verkehrsteilnehmende nicht genügend oder zu spät wahrnehmen konnte, insbesondere beim Abbiegen. Dies hätte leicht einen Unfall mit Personen- und Sachschaden herbeiführen können, weshalb die objektive Gefährdungslage nicht mehr als gering eingestuft werden könne.

Das Bundesgericht bestätigte diese Einschätzung. Es verwies auf seine ständige Rechtsprechung zu Fällen mit eingeschränkter Sicht, wie etwa vereisten oder schneebedeckten Scheiben. Es hielt fest, dass für das sichere Führen eines Motorfahrzeugs eine freie Rundumsicht unerlässlich ist. Eine eingeschränkte Sicht zur Seite beeinträchtigt die Sicherheit bei Spurwechseln oder Abbiegemanövern erheblich, da sie einen grossen, nicht einsehbaren Bereich (toten Winkel) schafft, in dem sich insbesondere Velofahrer oder Fussgänger befinden können. Dies führe zu einer nicht zu unterschätzenden abstrakten Gefährdung der Verkehrssicherheit (vgl. Urteile 1C_23/2012 vom 2. Juli 2012 E. 3.2; 1C_6/2015 vom 29. April 2015 E. 3.4). Diese Grundsätze gelten auch, wenn die Sicht, wie hier, aufgrund von Ladung nur in eine Richtung stark eingeschränkt war.

Da die Voraussetzung einer geringen Gefahr nicht erfüllt war, konnte die Widerhandlung nicht als leicht eingestuft werden. Die Prüfung des Verschuldens als "leicht" erübrigte sich somit, wobei das Bundesgericht ohnehin bemerkte, dass es keines grossen Aufwands bedurft hätte, die Kartonschachteln ordnungsgemäss zu verstauen, was das Verschulden nicht als leicht erscheinen liesse.

4. Konsequenz der Qualifikation: Aufgrund der korrekten Qualifikation als mittelschwere Widerhandlung und unter Berücksichtigung der drei einschlägigen Voreinträge im Massnahmenregister innerhalb der letzten zehn Jahre (alle mindestens mittelschwer), resultierte gemäss Art. 16b Abs. 2 lit. e SVG zwingend der Entzug des Führerausweises auf unbestimmte Zeit, mindestens aber für zwei Jahre.

IV. Fazit

Das Bundesgericht wies die Beschwerde von A.__ ab und bestätigte den Entzug des Führerausweises auf unbestimmte Zeit, mindestens für zwei Jahre. Die Rügen betreffend falsche Rechtsanwendung, willkürliche Sachverhaltsfeststellung und Verletzung des rechtlichen Gehörs wurden als unbegründet erachtet.

V. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte
  • Verkehrsregelverletzung: Führen eines Lieferwagens mit auf dem Beifahrersitz gestapelten Kartonschachteln, die die Sicht des Lenkers nach rechts und auf den rechten Aussenspiegel massiv behinderten.
  • Qualifikation: Das Bundesgericht bestätigte die Einordnung als mittelschwere Widerhandlung (Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG).
  • Begründung der Qualifikation: Die stark eingeschränkte Sicht schuf einen "toten Winkel" und damit eine nicht zu unterschätzende abstrakte Gefährdung der Verkehrssicherheit (BGE-Praxis zu eingeschränkter Sicht), was die Annahme einer "geringen Gefahr" für eine leichte Widerhandlung ausschliesst.
  • Sachverhaltsbindung: Das Bundesgericht bestätigte die Bindung der Administrativbehörden an den Strafbefehl, den der Beschwerdeführer akzeptiert hatte. Detailliertere Ausführungen der Vorinstanz zum Sichtfeld stellten keine willkürliche Abweichung dar.
  • Konsequenz: Aufgrund dieser mittelschweren Widerhandlung und der bereits vier einschlägigen Voreinträge im Massnahmenregister innerhalb der letzten zehn Jahre (mindestens mittelschwere Widerhandlungen), war der Führerausweisentzug auf unbestimmte Zeit, mindestens für zwei Jahre, gemäss Art. 16b Abs. 2 lit. e SVG zwingend.
  • Verfahrensfehler: Rügen wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs wurden zurückgewiesen.