Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (1C_590/2024 vom 23. Oktober 2025) befasste sich mit der Bewilligungsfähigkeit eines Bauvorhabens ausserhalb der Bauzone, genauer einem Garagenanbau an ein altrechtliches Wohnhaus in der Landwirtschaftszone der Gemeinde Schiers. Die Beschwerdeführerin, A.A._, wehrte sich gegen die erteilte Baubewilligung für den Garagenanbau der Beschwerdegegnerschaft (B.B._ und C.B.__). Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab und bestätigte die Bewilligung.
Sachverhalt und Prozessgeschichte
Die Beschwerdegegnerschaft ist Eigentümerin der Parzelle Nr. 2640 in der Landwirtschaftszone von Schiers, auf der sich ein viergeschossiges Wohnhaus (Vers.-Nr. 319), ein Stall und eine Remise befinden. Rund 40 Meter nordwestlich davon, auf der ebenfalls in der Landwirtschaftszone gelegenen Parzelle Nr. 2641, befindet sich eine ca. 21 m² grosse Garage (Vers.-Nr. 319-C), die dem Wohnhaus dient. Sowohl das Wohnhaus als auch die Garage wurden vor dem 1. Juli 1972 (Inkrafttreten des aGSchG mit der erstmaligen strikten Trennung zwischen Bau- und Nichtbaugebiet) rechtmässig erstellt und geniessen somit Besitzstandsgarantie als altrechtliche Bauten.
Im Jahr 2015 wurde eine massvolle Erweiterung des Wohnhauses um rund 29 m² Bruttogeschossfläche bewilligt und realisiert. Im November 2021 beantragten die Beschwerdegegner die Bewilligung für einen rund 50 m² grossen Garagenanbau mit Satteldach an der nordöstlichen Ecke ihres Wohnhauses auf Parzelle Nr. 2640. Dieser Anbau sollte als Ersatz für die bestehende Garage auf Parzelle Nr. 2641 dienen, welche aus sicherheitstechnischen Gründen (Nichteinhaltung strassenrechtlicher Abstandsvorschriften und Sichtweiten nach einer Strassenkorrektur) abgebrochen werden sollte.
Das kantonale Amt für Raumentwicklung (ARE/GR) erteilte im November 2022 die BAB-Bewilligung für den Garagenanbau und den Abbruch der bestehenden Garage. Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden wies die Beschwerde der Nachbarn, einschliesslich der Beschwerdeführerin, im August 2024 ab. Dagegen wurde die vorliegende Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht erhoben.
Rechtliche Grundlagen und Argumentation des Bundesgerichts
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Eintreten auf die Beschwerde: Das Bundesgericht trat auf die Beschwerde ein, da es sich um einen letztinstanzlichen kantonalen Endentscheid handelte und die Beschwerdeführerin als direkt betroffene Nachbarin zur Beschwerde legitimiert war.
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Qualifikation des Bauvorhabens: Erweiterung des Wohnhauses vs. Wiederaufbau der Garage:
- Die erste zentrale rechtliche Frage betraf die Qualifikation des Bauvorhabens unter Art. 24c RPG (Raumplanungsgesetz) i.V.m. Art. 42 RPV (Raumplanungsverordnung). Art. 24c Abs. 2 RPG erlaubt bei altrechtlichen Bauten u.a. die massvolle Erweiterung oder den Wiederaufbau.
- Würde das Bauvorhaben als Wiederaufbau der abzubrechenden Garage qualifiziert, wäre es gemäss Art. 42 Abs. 3 lit. b i.V.m. Art. 42 Abs. 4 RPV (maximal 30% Erweiterung) nicht bewilligungsfähig, da der geplante 50 m² grosse Garagenanbau die bestehende 21 m² Garage um 147% erweitern würde.
- Das Bundesgericht schloss sich jedoch den Vorinstanzen an und beurteilte das Vorhaben als massvolle Erweiterung des Wohnhauses. Diese Subsumtion begründete es damit, dass sowohl das Wohnhaus als auch die ursprüngliche Garage altrechtlich sind und Besitzstandsgarantie geniessen. Es sei nicht sachgerecht, einen Ersatzneubau einer Garage schlechter zu stellen als einen Garagenanbau an eine Wohnbaute, bei der keine vorbestehende Garage abgebrochen wird. Die Beschwerdeführerin stellte die Einhaltung der quantitativen Obergrenzen (Art. 42 Abs. 3 lit. a und b RPV) und die Wahrung der Identität des Wohnhauses nicht mehr grundsätzlich in Frage.
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Voraussetzung der "zeitgemässen Wohnnutzung" nach Art. 24c Abs. 4 RPG:
- Abgrenzung von "nötig" und "unumgänglich": Art. 24c Abs. 4 RPG verlangt, dass Veränderungen für eine "zeitgemässe Wohnnutzung nötig" oder darauf ausgerichtet sind, die Einpassung in die Landschaft zu verbessern. Das Bundesgericht präzisierte, dass "nötig" im Sinne von Art. 24c Abs. 4 RPG nicht mit dem strengeren Begriff "unumgänglich" gemäss Art. 42a Abs. 1 RPV (für neurechtliche landwirtschaftliche Wohnbauten) gleichzusetzen ist. Die Revision von Art. 24c RPG zielte darauf ab, die Erweiterungsmöglichkeiten für altrechtliche Bauten auszudehnen. Dennoch sei eine restriktive Anwendung geboten, um dem Trennungsgebot gerecht zu werden. "Nötig" bedeutet, einen zeitgemässen Wohnstandard zu ermöglichen, objektiv zu verstehen und keine grosszügigen oder luxuriösen Lösungen zu erlauben.
- Auseinandersetzung mit Alternativen und Gehörsrüge: Die Beschwerdeführerin hatte geltend gemacht, Alternativen zur Garagierung im bestehenden Stall oder in der Remise seien landschaftsverträglicher. Das Bundesgericht verneinte dies willkürfrei. Es bestätigte, dass die Zufahrt zu diesen Ökonomiegebäuden aufgrund der Steilheit (bis zu 18%) auch mit moderaten Geländeanpassungen nicht gut befahrbar wäre, insbesondere unter winterlichen Bedingungen. Eine behauptete Gehörsverletzung wurde ebenfalls abgewiesen.
- Anwendung auf den konkreten Fall: Das Gericht unterschied den vorliegenden Fall von früheren Urteilen (z.B. 1C_284/2017, 1C_102/2022), in denen Geräteunterstände oder Remisen nicht als für die "zeitgemässe Wohnnutzung nötig" erachtet wurden, da sie lediglich der Vereinfachung dienten und Alternativen bestanden.
- Im aktuellen Fall war die Situation besonders: Die bestehende Garage auf Parzelle Nr. 2641 muss aus sicherheitstechnischen Gründen (Verkehrssicherheit aufgrund Strassenkorrektur) abgebrochen werden. Der neue Garagenanbau dient als Ersatz und nicht bloss zur Bequemlichkeit.
- Die abgelegene Lage des Wohnhauses auf über 950 m.ü.M. mit entsprechenden winterlichen Verhältnissen (Schnee und Eis) begründet einen erhöhten objektiven Bedarf für eine geschlossene Parkierungsmöglichkeit.
- Die Grösse des geplanten Garagenanbaus (Doppelgarage) wurde im Verhältnis zur Wohnhausfläche als angemessen erachtet.
- Der Einwand der Beschwerdeführerin, dass die Bauherrschaft 2015 auf eine Garage im Schopf verzichtet hatte, wurde zurückgewiesen, da die damalige Situation nicht mit der Notwendigkeit des Ersatzes der nunmehr sicherheitsrelevanten Alt-Garage vergleichbar ist.
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Vereinbarkeit mit wichtigen Anliegen der Raumplanung (Art. 24c Abs. 5 RPG):
- Das Bundesgericht bestätigte, dass der geplante Garagenanbau mit wichtigen Anliegen der Raumplanung vereinbar ist. Der Abbruch der freistehenden Garage und der Anbau an das bestehende Wohnhaus führe zu einer raumplanerisch wünschenswerten "Entrümpelung" der Landschaft im Sinne des Konzentrationsprinzips.
- Zudem sei das Anliegen der haushälterischen Bodennutzung gewahrt: Obwohl für die neue Garage 94 m² landwirtschaftliches Land beansprucht werden, wird die (mit der abzubrechenden Garage überbaute) Parzelle Nr. 2641 mit einer Fläche von 154 m² an die Landwirtschaft zurückgegeben. Unter dem Strich geht der Landwirtschaft somit kein Land verloren.
Fazit der wesentlichen Punkte
Das Bundesgericht bestätigte die Bewilligungsfähigkeit des Garagenanbaus an das altrechtliche Wohnhaus in der Landwirtschaftszone. Die massgebenden Punkte waren:
* Qualifikation: Das Vorhaben wurde als massvolle Erweiterung des Wohnhauses gemäss Art. 24c RPG und Art. 42 RPV beurteilt, nicht als Wiederaufbau der abzubrechenden Garage. Dies war entscheidend für die Einhaltung der quantitativen Erweiterungsgrenzen.
* Notwendigkeit für zeitgemässe Wohnnutzung: Der Garagenanbau wurde als "nötig" im Sinne von Art. 24c Abs. 4 RPG erachtet, da er einen sicherheitsbedingten Ersatz für eine abzubrechende Garage darstellt und die speziellen lokalen Gegebenheiten (Höhenlage, winterliche Verhältnisse, fehlende zumutbare Alternativen) einen objektiven Bedarf für eine geschlossene Parkierung begründen. Der Begriff "nötig" wurde dabei als weniger streng als "unumgänglich" definiert, aber weiterhin restriktiv ausgelegt.
* Raumplanerische Vereinbarkeit: Das Projekt wurde als mit den wichtigen Anliegen der Raumplanung vereinbar befunden, insbesondere durch die "Entrümpelung" der Landschaft (Konzentrationsprinzip) und die Tatsache, dass netto kein Landwirtschaftsland verloren geht.
Das Bundesgericht wies die Beschwerde der Nachbarin ab, womit die Baubewilligung für den Garagenanbau und den Abbruch der alten Garage bestätigt wurde.