Zusammenfassung von BGer-Urteil 6B_459/2024 vom 18. November 2025

Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.

Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:

Bundesgericht, Urteil 6B_459/2024 vom 18. November 2025

I. Einleitung Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts, 1. Strafrechtliche Abteilung, befasst sich mit einem Beschwerdeführer (A.__), der wegen gewerbsmässigen Betrugs, Veruntreuung, unrechtmässigen Bezugs von Sozialleistungen und Verletzung einer Unterhaltspflicht verurteilt wurde. Der Beschwerdeführer focht ein Urteil des Kantonsgerichts Freiburg an, welches die erstinstanzliche Verurteilung im Wesentlichen bestätigte. Im Zentrum der bundesgerichtlichen Prüfung standen die Sachverhaltsfeststellung, die rechtliche Würdigung der Betrugsdelikte, insbesondere die Frage der Arglist und Opfermitverantwortung, sowie die Strafzumessung.

II. Sachverhaltliche Grundlagen Die Verurteilung des Beschwerdeführers basiert auf einem umfangreichen und systematischen Vorgehen, das sich über mehrere Jahre und gegenüber verschiedenen Opfern erstreckte:

  1. Gewerbsmässiger Betrug gegenüber B.__ (Geschädigte 1):

    • Der Beschwerdeführer lernte B.__ im August 2018 über eine Dating-Website kennen und begann umgehend eine Liebesbeziehung mit ihr.
    • Bereits bei der ersten telefonischen Kontaktaufnahme täuschte er ihr ein tragisches Leben vor: Kindheit im Internat, sexuelle Ausbeutung, schwerer Autounfall mit dem Tod seiner Schwester, seines Schwagers und seiner zweijährigen Nichte, wodurch er unfähig zu fahren sei.
    • Er sprach von angeblich vorübergehenden, aber dringenden finanziellen Problemen und bat um Geld für Rechnungen.
    • In den folgenden Monaten baute er ein komplexes Lügengebäude auf: Er gestand ihr seine Liebe, schlug eine Heirat vor und bat sie, kleine Kredite aufzunehmen, um seine angeblichen Schulden (Krankenkasse, Kindesunterhalt) zu begleichen. Er versprach Rückzahlung aus angeblich ausstehenden Löhnen seines früheren Arbeitgebers (ca. CHF 16'000), was er mit gefälschten Lohnabrechnungen untermauerte.
    • Er täuschte dringende Reisen vor (z.B. nach Spanien oder Paris wegen sterbender Angehöriger von Freunden oder seiner eigenen Mutter, die einen Schlaganfall erlitten habe), während er in Wirklichkeit Glücksspielen nachging.
    • Er überzeugte B.__, insgesamt mehrere Kredite aufzunehmen und ihm die Gelder zu überweisen, auch für ein angeblich gemeinsam zu eröffnendes Restaurant. Zudem nutzte er ihre Kreditkarte für persönliche Ausgaben.
    • Insgesamt erhielt der Beschwerdeführer von B.__ einen Betrag von CHF 74'157.25, den er nachweislich hauptsächlich im Casino oder für Rennwetten verwendete, nicht für die vorgegebenen Zwecke.
  2. Gewerbsmässiger Betrug gegenüber C.__ (Geschädigte 2):

    • Im Oktober 2017 lernte der Beschwerdeführer C.__ ebenfalls über eine Dating-Website kennen.
    • Bereits am Tag nach dem ersten Treffen, bei dem sie den Wunsch nach einer stabilen Beziehung teilten, bat er sie um ein Darlehen von CHF 1'800 für Transport, Miete und Lebensmittel, unter Vorspiegelung einer baldigen Rückzahlung aus einem angeblichen Gehalt.
    • Er manipulierte sie emotional mit "weinenden Sprachnachrichten" und drängte sie zu weiteren Darlehen, u.a. für Alimente seiner Tochter.
    • Insgesamt erhielt C.__ Darlehen in der Höhe von CHF 2'980, die sie nie zurückerhielt. Eine weitere Forderung über CHF 5'000 für einen angeblichen "persönlichen Konkurs" lehnte sie ab.
  3. Gewerbsmässiger Betrug gegenüber G.__ (Geschädigte 3):

    • Mitte Juli 2018 lernte der Beschwerdeführer G.__ über eine Dating-Website kennen.
    • Er täuschte ihr vor, während eines Spitalaufenthalts (Knieoperation) dringend CHF 3'500 für medizinische Kosten zu benötigen.
    • Er präsentierte sich als wohlhabende Person und nutzte die besondere Verletzlichkeit von G._ aus, die kurz zuvor ihren Ehemann verloren hatte und sich durch seine vorgetäuschte Witwenschaft angesprochen fühlte. G._ sah von einer Zivilklage ab.
  4. Verletzung einer Unterhaltspflicht (Art. 217 StGB):

    • Zwischen November 2016 und März 2021 (53 Monate) leistete der Beschwerdeführer keine Unterhaltszahlungen für seinen Sohn I.I.__, die auf CHF 730 pro Monat festgelegt waren. Der Gesamtschaden betrug CHF 38'690.
    • Er war bereits im Oktober 2016 wegen derselben Tat für den Zeitraum März 2013 bis Oktober 2016 zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden.
    • Trotz erheblicher Einnahmen von über CHF 130'000 in dieser Zeit (aus Glücksspielen und den Betrügereien) kam er seiner Pflicht nicht nach.
  5. Unrechtmässiger Bezug von Sozialleistungen (Art. 14a ATSG i.V.m. Art. 25 ATSG):

    • Zwischen März 2018 und August 2019 bezog der Beschwerdeführer Sozialhilfe in Höhe von CHF 47'430.45.
    • Er verschwieg gegenüber den Sozialbehörden Einnahmen von insgesamt CHF 130'672.68 (Glücksspielgewinne und Darlehen der Geschädigten) sowie die Existenz eines PostFinance-Kontos.
  6. Veruntreuung (Art. 138 StGB) gegenüber F.__:

    • Im Februar 2020 erhielt der Beschwerdeführer CHF 2'050 von F._ (Vertreter K._) für den Einkauf von Lebensmitteln für ein Skilager.
    • Er legte Belege für CHF 1'231.50 vor, konnte den Restbetrag von CHF 818.50 jedoch nicht erklären.
    • Trotz wiederholter Aufforderungen und dem Angebot, die Anzeige zurückzuziehen, zahlte er nur CHF 400 zurück, sodass ein Restschaden von CHF 418.50 verblieb. F.__ verzichtete auf ihre Zivilforderungen.

III. Rechtliche Würdigung und Begründung des Bundesgerichts

Das Bundesgericht prüfte die Rügen des Beschwerdeführers nacheinander und bestätigte im Wesentlichen die vorinstanzliche Beurteilung.

  1. Verletzung des rechtlichen Gehörs und willkürliche Sachverhaltsfeststellung (Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO, Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 9 BV, Art. 10 StPO):

    • Der Beschwerdeführer rügte eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs und eine willkürliche Beweiswürdigung, insbesondere indem das Kantonsgericht seine Aussagen nicht oder unzureichend berücksichtigt habe.
    • Das Bundesgericht hielt fest, dass diese Rügen zum grossen Teil appellatorischer Natur seien und lediglich die eigene Version der Tatsachen der vorinstanzlichen Würdigung entgegenstellten, ohne eine qualifizierte Willkürdarlegung zu erbringen. Das Bundesgericht ist an die Sachverhaltsfeststellung gebunden, es sei denn, diese sei willkürlich erfolgt (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung liegt nur vor, wenn die Behörde ein Beweismittel ohne ernsthaften Grund nicht berücksichtigt, sich in dessen Sinn und Tragweite manifest verkennt oder aus den gesammelten Beweismitteln unhaltbare Schlüsse zieht (ATF 150 IV 360 E. 3.2.1).
    • Im Hinblick auf die Unschuldsvermutung (Art. 32 Abs. 1 BV, Art. 10 StPO), stellte das Bundesgericht klar, dass der Grundsatz "in dubio pro reo" im Rahmen der Beweiswürdigung keine weitergehende Bedeutung als das Willkürverbot habe (ATF 148 IV 409 E. 2.2).
    • Das Gericht wies darauf hin, dass die Vorinstanz die Glaubwürdigkeit der Parteien umfassend geprüft und detailliert begründet habe, warum den Aussagen der Geschädigten gegenüber denen des Beschwerdeführers der Vorzug gegeben wurde.
    • Auch die Rügen bezüglich der Höhe der unrechtmässig bezogenen Sozialleistungen und der nicht bezahlten Unterhaltsleistungen wurden als unbegründet abgewiesen, da der Beschwerdeführer die grundsätzliche Nichterfüllung seiner Meldepflichten bzw. Zahlungspflichten nicht bestritt und die konkreten Berechnungen nicht substanziiert als willkürlich darlegte.
    • Die Behauptung, das Kantonsgericht hätte seine Kompetenz gemäss Art. 398 Abs. 2 StPO eingeschränkt, indem es sich auf den erstinstanzlichen Sachverhalt bezogen habe, wurde ebenfalls zurückgewiesen. Das Kantonsgericht hatte volle Kognition und eine erneute Sachverhaltsprüfung vorgenommen.
  2. Gewerbsmässiger Betrug (Art. 146 StGB):

    • Tatbestandsmerkmale: Das Bundesgericht rekapitulierte die Anforderungen an den Betrugstatbestand: Die Täuschung muss arglistig sein, d.h. der Täter muss ein Lügengebäude, betrügerische Machenschaften oder eine Inszenierung verwenden. Arglist kann auch bei einfachen falschen Angaben vorliegen, wenn deren Überprüfung unmöglich, schwierig oder unzumutbar ist, oder wenn der Täter die Dupe von einer Überprüfung abhält oder ein besonderes Vertrauensverhältnis ausnutzt (ATF 150 IV 169 E. 5.1; 147 IV 73 E. 3.2).
    • Opfermitverantwortung (Co-Responsabilité de la dupe): Arglist ist nicht gegeben, wenn sich das Opfer mit einem Mindestmass an Aufmerksamkeit oder Vorsicht selbst hätte schützen können. Eine Mitverantwortung des Opfers schliesst Arglist jedoch nur in Ausnahmefällen aus (ATF 147 IV 73 E. 3.2).
    • Anwendung im vorliegenden Fall: Das Bundesgericht bestätigte, dass der Beschwerdeführer ein elaboriertes Lügengebäude aufgebaut hatte. Schon beim ersten Kontakt mit den Geschädigten begann er mit einer Reihe von Lügen (traurige Kindheit, tödlicher Unfall, kranke/sterbende Verwandte), um Mitleid zu erregen und ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Er nutzte die emotionale Verletzlichkeit der Opfer aus, passte seine Lügen deren jeweiligen Lebenssituationen an (z.B. Vorspiegelung der Witwenschaft gegenüber einer Witwe) und versprach Liebesbeziehungen oder gemeinsame Zukunftsperspektiven (Heirat, Restaurant). Ziel war es, stets neue Darlehen für seine Spielsucht zu erhalten.
    • Die Überprüfung seiner Angaben sei den Opfern aufgrund der emotionalen Manipulation und des geschaffenen Vertrauensverhältnisses erschwert oder unzumutbar gewesen. Das Gericht verneinte eine relevante Opfermitverantwortung, da das systematische Vorgehen des Beschwerdeführers weit über eine einfache Lüge hinausging.
    • Die Gewerbsmässigkeit wurde bejaht, da der Beschwerdeführer die Taten wiederholt und systematisch beging, um eine Einnahmequelle zu sichern und seine Spielsucht zu finanzieren.
  3. Veruntreuung (Art. 138 StGB), Unrechtmässiger Bezug von Sozialleistungen (Art. 14a ATSG), Verletzung einer Unterhaltspflicht (Art. 217 StGB):

    • Der Beschwerdeführer bestritt seine Verurteilung in diesen Punkten nicht substanziell auf materiellrechtlicher Ebene, sondern verwies lediglich auf seine bereits abgehandelten Rügen betreffend Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung (vgl. vorstehend Ziff. 1). Das Bundesgericht bestätigte die vorinstanzlichen Schuldsprüche.
  4. Strafzumessung (Art. 47 f. StGB):

    • Grundlagen: Das Bundesgericht bekräftigte den weiten Ermessensspielraum des Richters bei der Strafzumessung. Es greift nur ein, wenn die Strafe den gesetzlichen Rahmen sprengt, auf sachfremden Kriterien beruht, wesentliche Gesichtspunkte unberücksichtigt blieben oder die Strafe übermässig hart oder milde ist (ATF 149 IV 217 E. 1.1). Der Richter muss die wesentlichen Täter- und Tatkomponenten explizit oder implizit würdigen (Art. 50 StGB).
    • Anwendung im vorliegenden Fall:
      • Erschwerend wirkte sich das hohe Verschulden des Beschwerdeführers aus: Er handelte skrupellos und ohne moralische Barrieren, nutzte die Gefühle und Verletzlichkeit der Opfer für egoistische Zwecke aus (Befriedigung seiner Spielsucht).
      • Besonders schwer wogen die zahlreichen und einschlägigen Vorstrafen (sechs seit 2012, hauptsächlich Vermögensdelikte, darunter bereits eine Verurteilung wegen Unterhaltspflichtverletzung und Veruntreuung mit ähnlichem Modus Operandi). Diese Vorstrafen zeigten eine mangelnde Einsicht und Warnungswirkung.
      • Die hohe Deliktssumme und die lange Deliktsdauer waren weitere erschwerende Faktoren.
      • Mildernd wurde lediglich das Geständnis berücksichtigt, dessen Wert jedoch durch die fehlende Wiedergutmachung (keine Rückzahlungen an die Opfer) relativiert wurde.
      • Die Rüge des Beschwerdeführers, er habe sich aufgrund einer angeblich unzureichenden Verteidigung bei früheren Einvernahmen eine geringere Strafe erwarten können, wurde abgewiesen. Das Bundesgericht stellte fest, dass die obligatorische Verteidigung später angeordnet wurde und der Beschwerdeführer nicht darlegte, inwiefern dies die Strafzumessung relevant beeinflusst hätte.
    • Strafhöhe: Angesichts der Schwere der Taten setzte das Kantonsgericht eine Grundstrafe von 24 Monaten Freiheitsstrafe für den gewerbsmässigen Betrug fest. Die weiteren Delikte (Veruntreuung, unrechtmässiger Sozialleistungsbezug, Verletzung der Unterhaltspflicht) wurden im Rahmen der Konkurrenzregelung (Art. 49 StGB) durch eine Erhöhung um je 4 Monate (dreimal) berücksichtigt, was zu einer Gesamtstrafe von drei Jahren Freiheitsstrafe führte.
    • Sursis: Aufgrund der Höhe der Strafe (drei Jahre) war ein vollumfänglicher oder teilweiser Sursis (Art. 42 Abs. 1 StGB) von vornherein ausgeschlossen. Das Kantonsgericht hatte zudem eine ungünstige Prognose (Art. 43 Abs. 1 StGB) gestellt, die der Beschwerdeführer nicht substanziell bestritt.
    • Das Bundesgericht befand die festgesetzte Strafe im Rahmen des richterlichen Ermessens und nicht als übermässig streng.

IV. Fazit Das Bundesgericht wies die Beschwerde von A.__, soweit sie überhaupt zulässig war, vollumfänglich ab. Es bestätigte die Verurteilung wegen gewerbsmässigen Betrugs, Veruntreuung, unrechtmässigen Bezugs von Sozialleistungen und Verletzung einer Unterhaltspflicht. Die Begründung des Gerichts hob insbesondere das systematisch und skrupellos aufgebaute Lügengebäude des Beschwerdeführers hervor, das der Befriedigung seiner Spielsucht diente und die Opfer durch gezielte emotionale Manipulation zu erheblichen finanziellen Schäden veranlasste. Die Rügen des Beschwerdeführers hinsichtlich der Sachverhaltsfeststellung und der Strafzumessung wurden als unbegründet oder appellatorisch zurückgewiesen. Die verhängte Freiheitsstrafe von drei Jahren wurde als angemessen erachtet, insbesondere unter Berücksichtigung der zahlreichen einschlägigen Vorstrafen und der fehlenden Einsicht des Beschwerdeführers. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Beschwerdeführer auferlegt, und sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wurde mangels Erfolgsaussichten abgewiesen.