Zusammenfassung von BGer-Urteil 6B_521/2024 vom 13. November 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:

Bundesgerichtsurteil 6B_521/2024 vom 13. November 2025

1. Einleitung Das Bundesgericht hatte über eine Beschwerde in Strafsachen von A.__ (Beschwerdeführer) gegen ein Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 16. Mai 2024 zu befinden. Gegenstand der Beschwerde war die Strafzumessung, insbesondere die Verweigerung des bedingten Strafvollzugs für eine neu ausgesprochene Freiheitsstrafe und der Widerruf früher gewährter bedingter Strafen. Der Beschwerdeführer rügte Willkür bei der Legalprognose und eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör.

2. Sachverhalt und Vorinstanzliches Urteil Das Obergericht des Kantons Aargau hatte den Beschwerdeführer wegen mehrfacher Nötigung schuldig gesprochen und zu einer unbedingten Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Gleichzeitig widerrief es den bedingten Vollzug einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten und 2 Wochen sowie zweier Geldstrafen von 30 bzw. 120 Tagessätzen, die ihm in früheren Urteilen vom 5. Dezember 2019 und 10. Januar 2018 gewährt worden waren. Für die neu zu beurteilenden Nötigungen erachtete die Vorinstanz eine Freiheitsstrafe von 14 Monaten als angemessen.

3. Standpunkt des Beschwerdeführers Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung des Urteils und die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung mit dem Ziel, eine bedingte Strafe zu erreichen. Er machte geltend, die Vorinstanz habe ihm zu Unrecht den bedingten Strafvollzug verweigert und die früheren bedingten Vollzüge widerrufen, indem sie ihm willkürlich eine Schlechtprognose gestellt und seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt habe.

4. Rechtliche Grundlagen und Begründung des Bundesgerichts

4.1. Zum bedingten Strafvollzug (Art. 42 StGB) Das Bundesgericht zitierte die massgebenden Bestimmungen zum bedingten Vollzug. Gemäss Art. 42 Abs. 1 StGB schiebt das Gericht den Vollzug einer Geld- oder Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von weiteren Delikten abzuhalten. Art. 42 Abs. 2 StGB schränkt dies ein: Wurde der Täter innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat zu einer bedingten oder unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt, ist der Aufschub nur bei "besonders günstigen Umständen" zulässig.

Als "besonders günstig" gelten Umstände, welche die indizielle Befürchtung einer schlechten Prognose aufgrund der Vortat kompensieren oder ausschliessen. Dies kann der Fall sein, wenn die neue Tat keinen Zusammenhang mit früheren Verurteilungen aufweist oder wenn sich die Lebensumstände des Täters besonders positiv verändert haben (BGE 145 IV 137 E. 2.2; 134 IV 1 E. 4.2.3; Urteile 6B_293/2024 vom 15. Mai 2025 E. 3.2.1; 6B_1109/2023 vom 26. März 2025 E. 2.2). Eine Gesamtwürdigung aller massgebenden Faktoren muss trotz der Vortat eine begründete Aussicht auf Bewährung zulassen.

4.2. Zum Widerruf des bedingten Vollzugs (Art. 46 StGB) Das Gericht erläuterte Art. 46 Abs. 1 StGB, wonach der bedingte Vollzug widerrufen wird, wenn der Verurteilte während der Probezeit erneut ein Verbrechen oder Vergehen begeht und deshalb zu erwarten ist, dass er weitere Straftaten verüben wird (sog. "Schlechtprognose"). Ein Widerruf ist nicht zwingend (Art. 46 Abs. 2 Satz 1 StGB), sondern setzt eine eigentliche Schlechtprognose voraus (BGE 134 IV 140 E. 4.3; Urteile 6B_293/2024 vom 15. Mai 2025 E. 3.2.2; 6B_378/2024 vom 15. Januar 2025 E. 4.1). Die Legalprognose ist unter Berücksichtigung der neuen Straftat neu zu formulieren. Eine "Variantenprüfung" ist dabei möglich, bei der geprüft wird, ob der Vollzug der neuen Strafe den Täter abhalten würde, oder ob der Widerruf der alten Strafe dazu führt, dass die neue bedingt ausgesprochen werden kann (BGE 144 IV 277 E. 3.2; 134 IV 140 E. 4.5). Bei der Prognose geniessen die Sachgerichte einen Ermessensspielraum; das Bundesgericht greift nur bei Ermessensüberschreitung, -unterschreitung oder -missbrauch (Willkür) ein.

4.3. Zur Überprüfung des Sachverhalts und der Willkür (Art. 105 und 106 BGG) Das Bundesgericht legte dar, dass es seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde legt (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Sachverhaltsrüge ist nur zulässig, wenn die Feststellung offensichtlich unrichtig (willkürlich) ist oder auf einer Rechtsverletzung beruht und die Behebung des Mangels entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, 105 Abs. 2 BGG). Willkür liegt vor, wenn die Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, d.h., die Behörde von Tatsachen ausgeht, die in klarem Widerspruch zur tatsächlichen Situation stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Eine andere mögliche Lösung genügt nicht. Die Willkür muss nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis vorliegen. Rügen müssen explizit und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG).

5. Anwendung der Grundsätze auf den vorliegenden Fall

Das Bundesgericht wies die Rügen des Beschwerdeführers im Wesentlichen ab und bestätigte die vorinstanzliche Beurteilung:

  • Appellatorische Kritik und eigene Sichtweisen: Das Bundesgericht trat auf die pauschale appellatorische Sachverhaltskritik des Beschwerdeführers nicht ein, da er lediglich seine eigene Sicht darlegte, ohne sich substanziiert mit den Erwägungen der Vorinstanz auseinanderzusetzen.
  • Gewichtung der Vorstrafen: Die Vorinstanz hatte den zahlreichen und einschlägigen Vorstrafen des Beschwerdeführers (beginnend mit der Jugendanwaltschaft 2016, gefolgt von mehreren Strafbefehlen 2017, 2018 und einem Urteil 2019, die teils zu bedingten Strafen führten) zu Recht ein hohes Gewicht beigemessen. Diese "Ausgangslage" rechtfertige die hohe Bedeutung.
  • Auswirkungen des Arbeitsunfalls und der Wohnsituation: Die Rüge, die Vorinstanz habe den Arbeitsunfall (Verlust des Unterschenkels) ausser Acht gelassen, wurde zurückgewiesen. Die Vorinstanz hatte den Unfall, die berufliche Integration durch IV-Massnahmen und eine Integritätsentschädigung (welche die Schuldentilgung ermöglichte) sehr wohl berücksichtigt. Sie relativierte aber, dass die Schuldentilgung nicht Ausdruck eines intrinsischen Wandels sei und dass sich die Fähigkeit, Hilfe in Anspruch zu nehmen, erst noch erweisen müsse. Auch die Wohnsituation bei den Eltern wurde als bereits früher bestehender Umstand gewürdigt, der den Beschwerdeführer nicht von Delikten abgehalten habe. Die Argumente des Beschwerdeführers (Auszug der Schwester, Verhaltensänderung) blieben unsubstanziiert.
  • Reue und erneute Delinquenz: Die Vorinstanz stellte fest, dass der Beschwerdeführer trotz mehrfach laufender Probezeiten erneut delinquiert hatte und die Warnwirkung des bedingten Vollzugs vollständig ausgeblieben sei. Dies habe ihn zu einem eigentlichen Wiederholungstäter gemacht, der Gleichgültigkeit gegenüber Normen zeige und keine echte Reue aufweise (keine Empathie für Opfer, Selbstwahrnehmung in der Opferrolle). Auch hier vermochte der Beschwerdeführer mit seiner bloss eigenen Darstellung der "geänderten Denkweise" und "Mechanismen fürs Leben" die vorinstanzlichen Erwägungen nicht zu widerlegen.
  • Anti-Aggressionstraining: Das freiwillige Anti-Aggressionstraining wurde von der Vorinstanz zwar als positiver Anhaltspunkt gewürdigt, dessen Wirkung aber aufgrund fehlender Belege und der Tatsache, dass ein ähnliches Training bereits 2016 angeordnet wurde, relativiert. Der Beschwerdeführer konnte diese Würdigung mit seinen eigenen Behauptungen über die Wirkung des Coachings nicht als willkürlich ausweisen.
  • Gesamte Legalprognose und Widerruf: Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die Vorinstanz die prognoserelevanten Umstände umfassend gewürdigt und hinreichend sowie nachvollziehbar dargelegt hatte, weshalb dem Beschwerdeführer eine eigentliche Schlechtprognose zu stellen und besonders günstige Umstände zu verneinen seien. Die vorgenommene Legalprognose liege im Rahmen des sachrichterlichen Ermessens, in das das Bundesgericht nicht eingreife. Die Rüge des Beschwerdeführers, die Vorinstanz habe den Widerruf der bedingten Strafen nicht hinreichend begründet und keine detaillierte Variantenprüfung vorgenommen, verfing ebenfalls nicht. Nachdem die Vorinstanz von einer Schlechtprognose ausgehen durfte, war der Widerruf nicht zu beanstanden. Die Vorinstanz hatte explizit auf die fehlende Warnwirkung und die Entwicklung zum Wiederholungstäter hingewiesen. Auch die angebliche Wohlverhaltensperiode seit 2021 wurde berücksichtigt, aber zutreffend als Normalfall und nicht ausreichend zur Entkräftung der Schlechtprognose gewürdigt.

6. Fazit des Bundesgerichts Die Beschwerde wurde abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte. Die Gerichtskosten wurden dem Beschwerdeführer auferlegt.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  • Ablehnung bedingter Vollzug / Widerruf früherer Strafen: Das Bundesgericht bestätigte die unbedingte Freiheitsstrafe und den Widerruf bedingter Vorstrafen.
  • Schlechtprognose: Die Vorinstanz durfte dem Beschwerdeführer eine eigentliche Schlechtprognose stellen, da er trotz zahlreicher Vorstrafen und laufender Probezeiten wiederholt delinquierte.
  • Keine "besonders günstigen Umstände": Trotz gewisser positiver Entwicklungen (Schuldentilgung durch Unfallentschädigung, berufliche Integration, Anti-Aggressionstraining), wurden diese nicht als ausreichend "besonders günstig" im Sinne von Art. 42 Abs. 2 StGB erachtet, um die schlechte Prognose zu kompensieren.
  • Fehlende Reue und Gleichgültigkeit: Die Vorinstanz stellte eine fehlende echte Reue und eine erhebliche Gleichgültigkeit gegenüber bestehenden Normen fest.
  • Ermessensspielraum: Die Prognose der Vorinstanz hielt sich im Rahmen des sachrichterlichen Ermessens und war weder willkürlich noch verletzte sie das rechtliche Gehör.