Zusammenfassung von BGer-Urteil 7B_326/2025 vom 24. Oktober 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:

Detaillierte Zusammenfassung des Bundesgerichtsurteils 7B_326/2025 vom 24. Oktober 2025

1. Hintergrund und Verfahrensgeschichte

Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts befasst sich mit einer Beschwerde der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern gegen einen Rückweisungsbeschluss des Kantonsgerichts Luzern in einer umfangreichen Strafsache.

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern erhob am 25. Februar 2021 Anklage gegen A.A._ und B._ (die Beschuldigten, im Folgenden "Beschwerdegegner 1" und "Beschwerdegegner 2"). Ihnen wurde vorgeworfen, zwischen 2007 und 2017 ein "Ponzi-System" betrieben zu haben, indem sie Finanzprodukte im Zusammenhang mit Devisenhandel und Life-Settlement-Policen als das fiktive Anlageprodukt "N4._" bewarben und verkauften. Ab 2013 wurde hierfür auch der "O4._" als Subfonds der F3._ gegründet. Die Investitionen von rund 29 Millionen Franken wurden angeblich abredewidrig für private Zwecke der Beschuldigten verwendet. Aufgrund des Aufwands und der Deliktssumme ging die Staatsanwaltschaft von gewerbsmässigem Betrug aus. Eine Zusatzanklage vom 25. März 2021 erweiterte die Vorwürfe gegen A.A._.

Das Kriminalgericht des Kantons Luzern sprach die Beschuldigten am 16. Januar 2023 des gewerbsmässigen Betrugs sowie weiterer Delikte (mehrfache Urkundenfälschung, Veruntreuung, Pfändungsbetrug, Widerhandlung gegen das Waffengesetz) schuldig. Beschwerdegegner 1 wurde zu 7 Jahren Freiheitsstrafe und einer bedingten Geldstrafe verurteilt, Beschwerdegegner 2 zu 7 Jahren und 6 Monaten Freiheitsstrafe, einer bedingten Geldstrafe und einer Landesverweisung von 7 Jahren. Gegen dieses Urteil wurde Berufung eingelegt, die Staatsanwaltschaft erhob Anschlussberufung.

Mit Beschluss vom 25. Februar 2025 hob das Kantonsgericht Luzern (als Berufungsinstanz) das erstinstanzliche Urteil des Kriminalgerichts auf und wies die Strafsache zur "allfälligen Beweisergänzung und/oder einer allfälligen erneuten Anklageerhebung" an die Staatsanwaltschaft zurück. Die Begründung des Kantonsgerichts lag darin, dass die Anklage ganz wesentlich auf Beweisen fusse, die – mangels Konfrontation des Beschwerdegegners 2 mit den Belastungszeugen – nicht rechtskonform erhoben worden seien. Eine nachträgliche Beweiserhebung im Berufungsverfahren würde den üblichen Rahmen sprengen, die Grenze zwischen ermittelnder und urteilender Behörde verwischen und den Rechtsschutz der Beschuldigten erheblich verkürzen.

Gegen diesen Rückweisungsbeschluss des Kantonsgerichts gelangte die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Sie beantragte die Aufhebung des Beschlusses und die Anweisung an das Kantonsgericht, das Berufungsverfahren durchzuführen.

2. Entscheid des Bundesgerichts und Begründung

Das Bundesgericht trat auf die Beschwerde ein und wies diese in der Sache ab, soweit darauf eingetreten werden konnte.

2.1. Zulässigkeit der Beschwerde (Eintretensvoraussetzungen)

Obwohl Rückweisungsentscheide letztinstanzlicher kantonaler Gerichte in der Regel keine nicht wieder gutzumachenden Nachteile im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken und daher nicht selbstständig anfechtbar sind (BGE 148 IV 155 E. 1.1), bejahte das Bundesgericht hier die ausnahmsweise Zulässigkeit. Die Beschwerdeführerin hatte substantiiert dargelegt, dass durch die Rückweisung der Strafsache an die Staatsanwaltschaft eine ernsthafte Gefahr der Verletzung des Beschleunigungsgebots (Art. 5 Abs. 1 StPO) besteht. Angesichts der bereits mehr als 8,5 Jahre dauernden Verfahrensdauer und der potenziellen Verzögerung von weiteren vier Jahren durch eine vollständige Neuaufrollung des Vor- und erstinstanzlichen Verfahrens (insbesondere durch aufwendige neue Einvernahmen und Rechtshilfeverfahren) drohte der Staatsanwaltschaft als Vertreterin des staatlichen Strafanspruchs ein nicht wieder gutzumachender Rechtsnachteil (z.B. durch eine allfällige Strafreduktion aufgrund überlanger Verfahrensdauer, vgl. BGE 143 IV 373 E. 1.4.1). Die Legitimation der Oberstaatsanwaltschaft als Vertreterin des öffentlichen Interesses wurde gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 BGG bejaht.

2.2. Konfrontationsrecht und Verwertbarkeit von Beweisen

Die Beschwerdeführerin argumentierte, die Einvernahmen von H._ und R4._ seien verwertbar, da gegen Beschwerdegegner 2 zum Zeitpunkt ihrer Befragung kein hinreichender Tatverdacht vorgelegen habe und er somit kein Teilnahmerecht nach Art. 147 Abs. 1 StPO gehabt habe. Folglich sei auch kein Beweisverwertungsverbot nach Art. 147 Abs. 4 StPO verletzt worden. Eine spätere Einräumung des Konfrontationsrechts nach Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK genüge zur Heilung.

Das Bundesgericht widersprach dieser Argumentation. Es stellte klar, dass das Teilnahmerecht gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO zwar nur in dem Verfahren besteht, in welchem die Person Partei ist (BGE 141 IV 220 E. 4.5). Beschwerdegegner 2 hatte daher zum Zeitpunkt der ursprünglichen Einvernahmen kein Teilnahmerecht. Indessen wurde festgestellt, dass Beschwerdegegner 2 im gesamten Verfahren bisher keine Gelegenheit erhalten hatte, den Beweiswert der ihn belastenden Aussagen dieser Zeugen kontradiktorisch infrage zu stellen. Dies stellt jedoch einen Verstoss gegen das Konfrontationsrecht gemäss Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK dar, welches als Teil des Rechts auf ein faires Verfahren die Möglichkeit zur Stellung von Fragen an Belastungszeugen verlangt (BGE 150 IV 345 E. 1.6.3.2). Eine direkte Konfrontation kann nur unter besonderen Umständen entfallen, wenn sie nicht möglich oder dringend notwendig ist, und auch dann nur, wenn der Schuldspruch nicht ausschliesslich auf der belastenden Aussage beruht. Solche Ausnahmefälle wurden hier nicht festgestellt. Da Beschwerdegegner 2 die Konfrontation mit den Belastungszeugen beantragt hatte, lag auch kein Verzicht auf seine Rechte vor. Das Bundesgericht bestätigte, dass die erneute Einvernahme dieser Zeugen mit erstmaliger Einräumung des Konfrontationsrechts erforderlich ist, um ihre Aussagen verwertbar zu machen.

2.3. Verwendung schriftlicher Berichte und "Massendelikte"

Die Beschwerdeführerin rügte zudem, das Kantonsgericht habe zu Unrecht das Vorliegen eines Massendelikts im Sinne von Art. 145 StPO verneint. Das Bundesgericht trat auf diesen Punkt nicht ein. Es hielt fest, dass die Beschwerdeführerin nicht über ein rechtlich geschütztes Interesse an der Klärung dieser bloss theoretischen Frage verfüge, da das Kantonsgericht nicht ausgeführt habe, welche konkreten Schlüsse es aus der Verneinung eines Massendelikts gezogen habe (BGE 144 IV 81 E. 2.3.1).

Selbst wenn ein Massendelikt vorläge und schriftliche Berichte nach Art. 145 StPO zulässig wären, dürften diese die Parteirechte nicht einschränken (BGE 6B_1161/2021 E. 5.2.5). Die beschuldigte Person müsste die Gelegenheit erhalten, sich zu den schriftlichen Ausführungen zu äussern und gegebenenfalls in einer mündlichen Vernehmung Ergänzungsfragen zu stellen. Da Beschwerdegegner 2 diesbezüglich keine ausreichende Gelegenheit erhalten hatte und nicht auf seine Rechte verzichtet hatte, wäre auch in diesem Fall die Notwendigkeit von Einvernahmen gegeben.

2.4. Rückweisung an die Staatsanwaltschaft

Die Beschwerdeführerin beanstandete die Rückweisung des Strafverfahrens an die Staatsanwaltschaft nach Art. 329 Abs. 2 i.V.m. Art. 379 StPO. Sie machte eine Verletzung der Begründungspflicht geltend und führte an, der Anklagesachverhalt ergebe sich "nahezu ausnahmslos" aus anderen Beweisen, und die Frage zusätzlicher Einvernahmen sei eine der Beweisrelevanz (Art. 139 Abs. 2 StPO), nicht des Konfrontationsanspruchs.

Das Bundesgericht bekräftigte den Grundsatz, dass die Berufung ein reformatorisches Rechtsmittel ist und eine kassatorische Erledigung durch Rückweisung gemäss Art. 409 Abs. 1 StPO nur bei derart schwerwiegenden, nicht heilbaren Mängeln in Betracht kommt, bei denen die Rückweisung zur Wahrung der Parteirechte unumgänglich ist (BGE 149 IV 284 E. 2.2). Auch die Rückweisung einer Anklage zur Ergänzung an die Staatsanwaltschaft (Art. 329 Abs. 2 StPO) ist nur ganz ausnahmsweise zulässig (BGE 147 IV 167 E. 1.3). Das Gericht hat grundsätzlich eine aktive Rolle bei der Beweisführung und kann im Berufungsverfahren Beweise wiederholen oder zusätzliche Beweise erheben (Art. 389 Abs. 2 und 3 StPO).

Das Bundesgericht verwies jedoch auf das Prinzip der Rollentrennung zwischen anklagender Behörde und urteilendem Gericht, wonach dem Sachgericht untersagt ist, die Rolle der Anklage zu übernehmen (BGE 149 IV 42 E. 3.4.4). Hierzu zitierte es auch Lehrmeinungen, die eine Rückweisung befürworten, wenn eine umfangreiche Beweiserhebung durch das Gericht die Rollentrennung in unzulässiger Weise verwischen würde.

Das Kantonsgericht hatte detailliert begründet, dass die Anklage vom 25. Februar 2021 "ganz wesentlich" auf nicht rechtskonform erhobenen Beweisen fusse, wobei die "ganz überwiegende Zahl" der 54 angeklagten Betrugssachverhalte auf Aussagen basiere, bei denen Beschwerdegegner 2 nicht konfrontiert worden sei. Es sei nicht Aufgabe der Berufungsinstanz, in diesem "ausserordentlichen Umfang" ein rechtskonformes Tatsachenfundament zu schaffen. Dies würde den Rahmen eines üblichen Berufungsverfahrens "deutlich sprengen", die Grenze zwischen ermittelnder und urteilender Behörde "in stossender Weise verwischen" und den Rechtsschutz der Beschuldigten "erheblich verkürzen". Zudem seien zahlreiche Einvernahmen im Ausland per Rechtshilfe erforderlich, was den Aufwand und die Dauer erheblich verlängern würde.

Das Bundesgericht stellte fest, dass die Beschwerdeführerin diese detaillierte Begründung des Kantonsgerichts nicht spezifisch angefochten hatte und somit keine Verletzung von Bundesrecht in diesem Punkt dargelegt wurde. Die Begründungspflicht (Art. 29 Abs. 2 BV) wurde vom Kantonsgericht ebenfalls nicht verletzt. Die vorinstanzliche Feststellung, dass die strafprozessuale Beweiserhebung nicht korrekt erfolgte und eine nachträgliche Beweiserhebung durch das Gericht aufgrund des ausserordentlichen Umfangs und der Verwischung der Rollen unzulässig wäre, wurde vom Bundesgericht bestätigt.

3. Schlussfolgerung

Das Bundesgericht wies die Beschwerde der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern ab, soweit darauf eingetreten wurde. Dies bedeutet, dass der Rückweisungsbeschluss des Kantonsgerichts Luzern, welcher die Sache an die Staatsanwaltschaft zur weiteren Untersuchung zurückgibt, in Kraft bleibt.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  • Verletzung des Konfrontationsrechts: Das Kantonsgericht hat zu Recht festgestellt, dass dem Beschwerdegegner 2 in einem umfassenden Strafverfahren das Konfrontationsrecht gemäss Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK gegenüber zahlreichen Belastungszeugen verwehrt wurde, deren Aussagen für die Anklage wesentlich waren. Eine Heilung durch nachträgliche Gewährung dieser Rechte ist notwendig.
  • Kein Verzicht oder Heilung: Der Beschwerdegegner 2 hatte die Konfrontation rechtzeitig beantragt und nicht darauf verzichtet. Auch die Unterscheidung zwischen Teilnahmerecht (Art. 147 StPO) und Konfrontationsrecht (Art. 6 EMRK) ändert nichts an der Notwendigkeit der erneuten Einvernahmen.
  • Ablehnung des "Massendelikt"-Arguments: Das Argument der Beschwerdeführerin bezüglich eines "Massendelikts" nach Art. 145 StPO wurde vom Bundesgericht als unbehelflich erachtet, da selbst bei dessen Vorliegen die Rechte der Parteien auf Äusserung und Fragestellung gewahrt bleiben müssten.
  • Ausserordentliche Rückweisung gerechtfertigt: Die Rückweisung des Verfahrens an die Staatsanwaltschaft durch das Kantonsgericht, anstatt die Beweiserhebung selbst durchzuführen, wurde vom Bundesgericht als zulässig erachtet. Dies aufgrund des ausserordentlichen Umfangs der erforderlichen zusätzlichen Beweiserhebungen (viele Zeugen, internationale Rechtshilfe), die den Rahmen eines Berufungsverfahrens sprengen würden, die Rollentrennung zwischen anklagender und urteilender Behörde in unzulässiger Weise verwischen und den Rechtsschutz der Beschuldigten verkürzen würden.
  • Verfahrensbeschleunigung als Ausnahme für Eintretensprüfung: Die Beschwerde der Oberstaatsanwaltschaft wurde nur deshalb zur materiellen Prüfung zugelassen, weil eine Rückweisung angesichts der extrem langen Verfahrensdauer die Gefahr einer Verletzung des Beschleunigungsgebots barg, was einen nicht wieder gutzumachenden Rechtsnachteil für den staatlichen Strafanspruch darstellt.