Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.
Parteien: * Beschwerdeführer: A.__, vertreten durch Rechtsanwalt Benedikt Schneider * Beschwerdegegner: Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern
Gegenstand: Besondere Sicherheitsmassnahme während der Untersuchungshaft
I. Sachverhalt und Vorinstanzliche Entscheidungen
Der Beschwerdeführer A.__ befand sich seit dem 22. Juni 2022 in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Grosshof wegen Verdachts auf Raub. Bereits am 23. Juni 2022 wurde er aufgrund eines akut psychotischen Zustands in die Luzerner Psychiatrie (LUPS) verlegt, nachdem in seiner Zelle ein Rauchalarm ausgelöst worden war und er angab, es psychisch "hier" nicht mehr auszuhalten. Nach Abklingen der akuten psychotischen Symptomatik wurde er am 27. Juni 2022 in die JVA zurückversetzt. Die Anstaltsleitung ordnete umgehend eine besondere Sicherheitsmassnahme an und brachte ihn in einer Sicherheitszelle unter. Diese Massnahme wurde am 1. und 4. Juli 2022 verlängert und schliesslich am 7. Juli 2022 aufgehoben, womit die Unterbringung insgesamt elf Tage dauerte. Anschliessend wurde der Beschwerdeführer in eine Einzelzelle verlegt.
Das Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern wies eine dagegen erhobene Beschwerde ab. Das Kantonsgericht Luzern bestätigte mit Urteil vom 19. Juni 2023 die Rechtmässigkeit der besonderen Sicherheitsmassnahme.
II. Rügen des Beschwerdeführers vor Bundesgericht
Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der kantonalen Entscheide und stellte ein Feststellungsbegehren, wonach er durch die Verfügung der besonderen Sicherheitsmassnahme und das Festhalten in der Sicherheitszelle als besonders schützenswerte, kranke Person unmenschlich und unverhältnismässig behandelt und dadurch seine Rechte verletzt worden sei. Er rügte eine Verletzung von Art. 7, Art. 10 und Art. 13 BV, Art. 3 EMRK sowie Art. 74 f. StGB. Er bezeichnete die Unterbringung als "Arresthaft" und als eine versteckte Strafaktion unter dem Vorwand der "Schutzhaft". Nach dem Aufenthalt in der LUPS sei er normal und medikamentös gut eingestellt bzw. stabil gewesen, weshalb er in die normale Haft hätte entlassen werden können. Er machte zudem geltend, dass weniger einschneidende und ebenso geeignete Mittel, wie die Verlegung in die Psychiatrie und das Einstellen der Medikation, zur Verfügung gestanden hätten.
III. Rechtliche Grundlagen und Begründung des Bundesgerichts
1. Zulässigkeit und Rechtsschutzinteresse (Erw. 2) Das Bundesgericht trat auf die Beschwerde in Strafsachen ein, obwohl die besondere Sicherheitsmassnahme bereits am 7. Juli 2022 aufgehoben wurde und somit das aktuelle Rechtsschutzinteresse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids entfiel. Dies erfolgte ausnahmsweise, da der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 3 EMRK substanziiert rügte und ein entsprechendes Feststellungsbegehren stellte. Das Bundesgericht folgt hier seiner Rechtsprechung, wonach es aus Gründen des fairen Verfahrens (Art. 29 Abs. 1 BV) und der Prozessökonomie auf das Erfordernis des aktuellen Rechtsschutzinteresses verzichtet, wenn EMRK-Verletzungen geltend gemacht werden und eine inhaltliche Prüfung sonst nicht innert angemessener Frist stattfinden würde (vgl. BGE 136 I 274 E. 1.3).
2. Verbot grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (Art. 10 Abs. 3 BV, Art. 3 EMRK, Art. 7 UNO-Pakt II) (Erw. 4.2.1) Das Bundesgericht wiederholte, dass eine Behandlung ein Mindestmass an Schwere erreichen muss, um unter diese Bestimmungen zu fallen. Haftbedingungen verstossen dagegen, wenn sie ein höheres Mass an Erniedrigung oder Entwürdigung erreichen, als der Freiheitsentzug üblicherweise mit sich bringt. Der Staat muss die Gesundheit und das Wohlergehen der inhaftierten Person sicherstellen und darf nur unvermeidbares Leiden verursachen (vgl. BGE 147 IV 55 E. 2.5.1; Urteil des EGMR Kudla gegen Polen vom 26. Oktober 2000, Nr. 30210/96, § 94). Bei der Beurteilung sind die kumulativen Auswirkungen, die Strenge, Dauer, das Ziel und die Folgen der Massnahme zu berücksichtigen (vgl. Urteil des EGMR Piechowicz gegen Polen vom 17. April 2012, Nr. 20071/07, § 163).
3. Persönliche Freiheit und Privatsphäre, Verhältnismässigkeitsprinzip (Art. 10 Abs. 2, Art. 13, Art. 36 BV, Art. 235 Abs. 1 StPO) (Erw. 4.2.2 ff.) Die inhaftierte Person darf in ihrer persönlichen Freiheit und Privatsphäre nicht stärker eingeschränkt werden, als es der Haftzweck sowie die Ordnung und Sicherheit in der Haftanstalt erfordern. Dies ist Ausdruck des Verhältnismässigkeitsprinzips, welches Eignung, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit einer Massnahme verlangt (vgl. BGE 147 I 450 E. 3.2.3). Ein Eingriff muss auf einer Interessenabwägung beruhen, die alle massgeblichen Umstände berücksichtigt (Haftzweck, Sicherheitserfordernisse, Dauer, persönliche Situation) (vgl. BGE 145 I 318 E. 2.1). Je höher die Gefahr (Flucht, Kollusion, Wiederholung, Gefährdung der Anstaltsordnung), desto restriktiver kann das Haftregime ausfallen (vgl. BGE 143 I 241 E. 3.4).
Das Bundesgericht hob die besondere Intensität einer Unterbringung in einer Sicherheitszelle mit Kamerabeobachtung hervor. Dies stelle einen besonders einschneidenden Eingriff dar, der nur in Ausnahmefällen und unter strengen Bedingungen anzuordnen sei. Sie sei jedoch gerechtfertigt, wenn sie dem Schutz der eingewiesenen Person und Dritter dient und dabei das Verhältnismässigkeitsprinzip beachtet wird (vgl. BGE 134 I 221 E. 3.3).
4. Anwendung im konkreten Fall (Erw. 4.3) Das Bundesgericht stützte sich auf den von der Vorinstanz verbindlich festgestellten Sachverhalt (Art. 105 Abs. 1 BGG), wonach der Beschwerdeführer aufgrund seiner Diagnose (paranoiden Schizophrenie, psychische Störung durch Kokain und Cannabinoide) und seines Verhaltens (Zellbrand) eine konkrete Gefahr für die Sicherheit und Ordnung in der JVA Grosshof darstellte.
IV. Schlussfolgerung des Bundesgerichts
Das Bundesgericht kam zum Ergebnis, dass die angeordnete Unterbringung des Beschwerdeführers in einer Sicherheitszelle dem Schutz von ihm und Dritten diente und verhältnismässig war. Die Vorinstanz hat weder Bundes- noch Konventionsrecht verletzt. Die Beschwerde wurde abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.
Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:Das Bundesgericht bestätigte die Rechtmässigkeit der elf Tage dauernden Unterbringung des Beschwerdeführers in einer Sicherheitszelle während der Untersuchungshaft. Es erkannte an, dass diese besondere Sicherheitsmassnahme einen intensiven Grundrechtseingriff darstellt und nur unter strengen Bedingungen zulässig ist. Im vorliegenden Fall war die Massnahme jedoch verhältnismässig, da der Beschwerdeführer aufgrund seiner psychischen Erkrankung und eines Brandvorfalls in seiner Zelle eine konkrete Gefahr darstellte. Die Anstaltsleitung konnte nach der Rückverlegung aus der Psychiatrie nicht sofort das Risiko zuverlässig einschätzen, weshalb die anfängliche Unterbringung in der Sicherheitszelle zur notwendigen Risikobeurteilung und Gefahrenabwehr diente. Die vom Beschwerdeführer vorgeschlagenen milderen Mittel (direkte Verlegung in die Psychiatrie, Medikationsanpassung) waren nicht für diese initiale Phase der Risikoeinschätzung geeignet, wurden jedoch später ergriffen, sobald die Situation eine solche Massnahme als angezeigt erscheinen liess. Das Gericht verneinte eine unmenschliche Behandlung oder eine versteckte Bestrafung.