Zusammenfassung von BGer-Urteil 7B_432/2024 vom 21. Oktober 2025

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Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts (7B_432/2024 vom 21. Oktober 2025) I. Einleitung und Sachverhalt

Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (II. Strafrechtliche Abteilung) befasst sich mit der Frage der Rechtzeitigkeit einer Kautionsleistung im Strafverfahren und der daraus resultierenden Unzulässigkeit eines kantonalen Rekurses wegen verspäteter Zahlung.

Parteien: * Beschwerdeführer: A.__, vertreten durch Rechtsanwalt Me Frédéric Hainard * Intimierter: Ministère public de la République et canton du Jura

Gegenstand: Beschwerde gegen einen Nichteintretensentscheid der Präsidentin der Strafkammer des Kantonsgerichts des Kantons Jura vom 19. März 2024 (CPR 8 / 2024) wegen verspäteter Zahlung der Sicherheitsleistung in einem Verfahren betreffend die Anordnung einer Einstellung.

Chronologischer Sachverhalt: 1. 6. Februar 2024: Das Ministère public des Kantons Jura verfügt die Einstellung eines gegen B._ gerichteten Strafverfahrens, welches auf eine Klage von A._ wegen Ehrverletzung und Verleumdung zurückgeht. 2. 23. Februar 2024: A._ reicht bei der Strafkammer des Kantonsgerichts Jura (Vorinstanz) Rekurs gegen die Einstellungsverfügung ein. 3. 26. Februar 2024: Die Präsidentin der Strafkammer des Kantonsgerichts Jura fordert A._ mit Verfügung auf, bis zum 12. März 2024 eine Sicherheitsleistung von 700 CHF zu erbringen, mit dem Hinweis, dass bei Nichtzahlung innert Frist auf seinen Rekurs nicht eingetreten werde. 4. 19. März 2024: Die Präsidentin der Strafkammer erklärt den Rekurs von A._ für unzulässig, da die Kaution nicht fristgerecht geleistet worden sei. 5. 11. April 2024: A._ erhebt Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht, mit dem Antrag auf Aufhebung des Nichteintretensentscheides der Vorinstanz und Rückweisung der Sache zur materiellen Behandlung des kantonalen Rekurses.

II. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts

Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen seine Zuständigkeit und die Zulässigkeit der Beschwerde (Art. 29 Abs. 1 BGG). Die Beschwerde richtet sich gegen einen letztinstanzlichen kantonalen Nichteintretensentscheid in einer Strafsache, weshalb die Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG grundsätzlich offensteht und auch fristgerecht erhoben wurde (Art. 46 Abs. 1 lit. c und 100 Abs. 1 BGG).

Die Beschwerdebefugnis des Beschwerdeführers ist gegeben (Art. 81 Abs. 1 BGG), da er als Partei am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen hat und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids hat. Unabhängig von diesen Voraussetzungen ist eine Partei berechtigt, die Verletzung ihrer Parteirechte geltend zu machen, die einem formellen Rechtsverweigerungsgrund gleichkommt (ATF 146 IV 76 E. 2). Der Beschwerdeführer rügt im Wesentlichen die Anwendung von Art. 383 StPO und macht überspitzten Formalismus geltend.

Wichtig ist die Präzisierung: Das Bundesgericht ist in dieser Phase ausschliesslich befugt, die Frage der Zulässigkeit des kantonalen Rekurses zu prüfen. Es hat nicht über den Inhalt der Einstellungsverfügung vom 6. Februar 2024 zu befinden. Entsprechende Ausführungen des Beschwerdeführers zur Begründetheit der Einstellung sind unzulässig.

III. Massgebende Rechtsgrundlagen und Argumentation des Gerichts

1. Die Kautionspflicht im Strafverfahren (Art. 383 StPO): * Art. 383 Abs. 1 StPO ermächtigt die Verfahrensleitung der Beschwerdeinstanz, die klagende Partei zur Leistung einer Sicherheitsleistung für allfällige Kosten und Entschädigungen innert einer bestimmten Frist anzuhalten. * Art. 383 Abs. 2 StPO statuiert die Rechtsfolge: Werden die Sicherheiten nicht fristgerecht geleistet, tritt die Beschwerdeinstanz auf das Rechtsmittel nicht ein. Dies ist eine zwingende Bestimmung ohne Ermessensspielraum der Behörde.

2. Fristwahrung bei Zahlungen (Art. 91 Abs. 5 StPO): * Ein Zahlung an die Strafbehörde gilt als innert Frist geleistet, wenn der Betrag spätestens am letzten Tag der Frist bei der Schweizerischen Post zugunsten der Strafbehörde einbezahlt oder einem Bank- oder Postkonto in der Schweiz belastet wird. Diese Bestimmung entspricht vergleichbaren Regelungen im Zivilprozessrecht (Art. 143 Abs. 3 ZPO), im Verwaltungsverfahrensrecht (Art. 21 Abs. 3 VwVG) und im Bundesgerichtsgesetz (Art. 48 Abs. 4 BGG) (ATF 143 IV 5 E. 2.4). * Die Beweislast für die fristgerechte Leistung der Sicherheit obliegt der klagenden Partei (ATF 143 IV 5 E. 2.4). * Wird die Sicherheit nicht innert Frist dem Konto der Strafbehörde gutgeschrieben, muss die Behörde den Schuldner auffordern, den fristgerechten Abzug des Betrags von seinem Konto nachzuweisen (ATF 143 IV 5 E. 2.7).

3. Bindung an den Sachverhalt und Rüge von Grundrechtsverletzungen: * Das Bundesgericht ist an die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, diese wurden offensichtlich unrichtig oder rechtsverletzend festgestellt (Art. 97 Abs. 1, 105 Abs. 2 BGG; Willkür gemäss Art. 9 BV). Solche Rügen sind präzise und detailliert vorzubringen (Art. 106 Abs. 2 BGG).

IV. Begründung des Bundesgerichts im vorliegenden Fall

1. Zur verspäteten Zahlung und Fristwahrung: * Das Bundesgericht geht mangels gegenteiliger Rügen von einer ordnungsgemässen Zustellung der Kautionsverfügung am 5. März 2024 aus. Die Frist zur Kautionsleistung lief am 12. März 2024 ab. * Der Beschwerdeführer räumt ein, dass er die Verfügung erst am 13. März 2024 geöffnet und die Zahlung am selben Tag vorgenommen hat. * Das Bundesgericht hält fest, dass es unerheblich ist, wann der Beschwerdeführer tatsächlich Kenntnis vom Inhalt der Zustellung genommen hat (ATF 150 II 26 E. 3.5.4). Wer als Partei in einem Gerichtsverfahren steht und somit mit gerichtlichen Mitteilungen rechnen muss, ist verpflichtet, seinen Briefkasten zu leeren oder für eine Weiterleitung seiner Post zu sorgen (ATF 146 IV 30 E. 1.1.2). Der Beschwerdeführer hatte durch die Einreichung seines Rekurses gegen die Einstellungsverfügung mit gerichtlichen Akten, insbesondere einer Kautionsaufforderung, zu rechnen. Die Zahlung am 13. März 2024 erfolgte somit unbestrittenermassen einen Tag zu spät. * Die Argumentation des Beschwerdeführers, er hätte mit einer "üblichen" Frist von zehn oder zwanzig Tagen rechnen können, wird zurückgewiesen. Art. 383 Abs. 1 StPO sieht keine Mindestfrist vor, und andere rechtliche Grundlagen dafür fehlen. Der Verweis auf das jurassische Strafprozessrecht ist obsolet, da dieses durch die StPO abgelöst wurde. * Das im Art. 29 Abs. 2 BV garantierte Recht auf Gehör findet hier keine Anwendung, da es nicht um eine Stellungnahme des Beschwerdeführers ging, sondern um die Erfüllung einer Verfahrensvoraussetzung (Kautionsleistung).

2. Zum Gesuch um Wiederherstellung der Frist: * Die vom Beschwerdeführer angeführten Gründe für die verspätete Kenntnisnahme (Überlastung durch seine Tätigkeit als Landwirt) stellen gemäss Bundesgericht Gründe dar, die allenfalls ein Gesuch um Wiederherstellung der Frist gemäss Art. 94 Abs. 1 StPO rechtfertigen könnten. * Ein solches Wiederherstellungsgesuch muss jedoch bei der Behörde gestellt werden, bei der die versäumte Prozesshandlung hätte vorgenommen werden müssen. Da der Beschwerdeführer dieses Gesuch erstmals vor Bundesgericht stellt, ist es mangels kantonaler Ausschöpfung (Art. 80 Abs. 1 BGG) vor Bundesgericht unzulässig. Das Bundesgericht wird dieses Gesuch daher an die Vorinstanz zur Behandlung weiterleiten.

3. Zur Kautionspflicht als solcher: * Die Anordnung einer Sicherheitsleistung gemäss Art. 383 Abs. 1 StPO ist grundsätzlich nicht an Bedingungen geknüpft (ATF 144 IV 17 E. 2.2). Die Kaution kann verlangt werden, es sei denn, die Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wären erfüllt. * Da der Beschwerdeführer selbst seine "gesunde" finanzielle Situation hervorhebt, bestand für die Vorinstanz kein Anlass, von der Kautionserhebung abzusehen. Das Argument, die Höhe des allfälligen Schadenersatzes sei noch nicht festgelegt, ist ebenfalls irrelevant.

4. Zur unterlassenen Überprüfung des Zahlungsdatums und überspitztem Formalismus: * Obwohl die Vorinstanz gemäss Bundesgericht hätte überprüfen müssen, ob der Betrag fristgerecht vom Konto des Beschwerdeführers abgebucht wurde (gemäss Art. 91 Abs. 5 StPO und ATF 143 IV 5 E. 2.7), war diese Überprüfung im vorliegenden Fall nicht notwendig und deren Unterlassung nicht zu beanstanden. Dies, weil der Beschwerdeführer selbst unmissverständlich einräumt, die Zahlung einen Tag nach Ablauf der Frist getätigt zu haben. Somit bestand kein Zweifel an der Verspätung. * Der Einwand des überspitzten Formalismus wird ebenfalls zurückgewiesen. Die strikte Anwendung von Verfahrensfristen stellt keinen überspitzten Formalismus dar. Eine solche Strenge ist gerechtfertigt durch das Interesse an der Rechtsgleichheit, an einer guten Justizverwaltung und an der Rechtssicherheit (ATF 149 IV 196 E. 1.1; ATF 149 IV 97 E. 2.1). Es spielt keine Rolle, ob die Zahlung nur einen Tag zu spät erfolgte oder ob die Kaution vor dem Nichteintretensentscheid dem Gerichtskonto gutgeschrieben wurde, da andernfalls keine Fristen eingehalten werden müssten.

Zusammenfassend: Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass die Vorinstanz weder Bundesrecht (insbesondere Art. 383 StPO) noch das Verbot des überspitzten Formalismus verletzt hat, indem sie auf den kantonalen Rekurs wegen verspäteter Kautionsleistung nicht eingetreten ist.

V. Entscheid des Bundesgerichts

Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit sie zulässig ist. Das im Rahmen der Beschwerde vom 11. April 2024 enthaltene Gesuch des A.__ um Wiederherstellung der Frist wird der Präsidentin der Strafkammer des Kantonsgerichts Jura zur Behandlung als zuständiger Behörde übermittelt (Art. 30 Abs. 2 BGG). Die Gerichtskosten von 3'000 CHF werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 65 Abs. 2 und 66 Abs. 1 BGG).

VI. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte

Das Bundesgericht bestätigt den Nichteintretensentscheid der Vorinstanz, da der Beschwerdeführer die angeforderte Sicherheitsleistung gemäss Art. 383 StPO einen Tag zu spät erbrachte. Die tatsächliche Kenntnisnahme der Zahlungsaufforderung durch den Beschwerdeführer ist irrelevant, da dieser als Prozesspartei seinen Briefkasten überwachen muss. Auch ein behaupteter überspitzter Formalismus wird verneint, da die strikte Einhaltung von Fristen im Interesse der Rechtsgleichheit und Rechtssicherheit liegt und keine übermässige Strenge darstellt. Das Argument des Beschwerdeführers bezüglich der Überlastung als Landwirt ist ein Fall für ein Wiederherstellungsgesuch, das jedoch primär bei der kantonalen Instanz hätte gestellt werden müssen. Die Kautionspflicht ist an sich nicht an weitere Bedingungen geknüpft.