Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des Urteils des schweizerischen Bundesgerichts 6B_709/2024 vom 8. Oktober 2025:
Bundesgerichtsurteil 6B_709/2024 vom 8. Oktober 2025
1. Einleitung und Verfahrensüberblick
Das Urteil des Bundesgerichts betrifft die Beschwerde von A._ (Beschwerdeführer) gegen ein Urteil des Kantonsgerichts Neuenburg (Cour pénale) vom 24. Mai 2024. A._ wurde in erster Instanz (Tribunal criminel du Littoral et du Val-de-Travers) am 22. Dezember 2022 von mehreren Anklagepunkten (sexuelle Nötigung, Missbrauch der Notlage, sexuelle Handlungen mit urteils- oder widerstandsunfähigen Personen, Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht und Anstiftung zur Irreführung der Justiz) freigesprochen, jedoch wegen Tätlichkeiten, Nötigung, sexuellen Handlungen mit Kindern und sexuellen Handlungen mit Abhängigen verurteilt. Die Strafe betrug 22 Monate Freiheitsstrafe bedingt, eine Busse von 1'000 Franken und ein lebenslanges Tätigkeitsverbot mit Minderjährigen. Das Kantonsgericht hob in zweiter Instanz die Freisprüche teilweise auf und verurteilte A.__ wegen sexueller Nötigung, sexuellen Handlungen mit Kindern, Nötigung und wiederholten Tätlichkeiten zu einer Freiheitsstrafe von 34 Monaten, davon 12 Monate unbedingt und 22 Monate teilbedingt. Es bestätigte zudem das lebenslange Tätigkeitsverbot.
Der Beschwerdeführer A.__ beantragte vor Bundesgericht hauptsächlich seine Freisprechung von allen Vorwürfen und eine volle Entschädigung, eventualiter die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Rückweisung an die Vorinstanz.
2. Sachverhalt und vorgeworfene Handlungen
A._, Jahrgang 1975, war Fussballtrainer und Anwalt. Er betreute mehrere junge Männer, darunter die Beschwerdegegner B._ (geb. 2005) und C._ (geb. 2002), schulisch und bot ihnen Praktika sowie Lehrstellen in seiner Anwaltskanzlei an. Die Beziehungen waren von einem erheblichen Machtgefälle und Abhängigkeitsverhältnis geprägt, da A._ in vielfältiger Weise als Trainer, Arbeitgeber und informelle "Vaterfigur" auftrat und die Jugendlichen teilweise auch finanziell und emotional von ihm abhängig waren.
Ein psychiatrisches Gutachten vom 3. Mai 2021 diagnostizierte bei A._ eine homosexuelle Pädophilie (F65.4 nach ICD-10) und eine unspezifische erektile Dysfunktion (F52.2). Das Gutachten stellte fest, dass A._ in den ihm vorgeworfenen Situationen voll urteilsfähig war und das Risiko einer Rückfälligkeit als moderat eingeschätzt wurde. Eine angeordnete psychotherapeutische Behandlung wurde vom Gutachter als nicht zielführend beurteilt, da A.__ die Vorwürfe nicht thematisierte.
Die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Handlungen gegenüber B._ und C._ (und teilweise D.__, einem weiteren Jugendlichen) umfassten:
- B.__ (geb. 2005): Nacktmachen als Bestrafung, nackt schlafen als Bestrafung (wobei A.__ sich neben ihn legte und ihm die Genitalien berührte), Verabreichung von Ohrfeigen/Schlägen auf das Gesäss als Bestrafung, regelmässige Drogenkontrollen (vollständiges Entkleiden), Anwesenheit bei und Mithilfe beim Duschen (Einseifen und Abtrocknen des gesamten Körpers, einschliesslich Intimbereiche), Anlegen von Shorts ohne Unterwäsche, regelmässige Kontrolle von Grösse und Gewicht (vollständiges Entkleiden), regelmässige Inspektion und Manipulation der Intimbereiche, Einklemmen der Genitalien (teils spielerisch, teils als Bestrafung), Kontrolle des Mobiltelefons.
- C.__ (geb. 2002): Nacktmachen als Bestrafung zu zahlreichen Gelegenheiten, Drogenkontrollen (Entkleiden), regelmässige Anwesenheit bei und Mithilfe beim Duschen (einmal mit dem Rat, Schamhaare zu schneiden), Einseifen und Abtrocknen des gesamten Körpers, Kontrolle von Grösse und Gewicht (Entkleiden), regelmässiges Schlafen in der Kanzlei (im selben Zimmer oder Bett), Auftragen von Crème trotz Protesten.
- D.__: Masturbation bei mindestens vier Gelegenheiten während Reisen, Entkleiden als Bestrafung für einen Diebstahl, Drogenkontrollen.
3. Begründung des Bundesgerichts
3.1. Verletzung des rechtlichen Gehörs (Ziff. 1)
Der Beschwerdeführer rügte die Verletzung seines rechtlichen Gehörs, da das Kantonsgericht die Einvernahme mehrerer Zeugen (D._, I._, J._, E._ und der ermittelnden Polizeibeamten) abgelehnt und die Berücksichtigung zweier von der Verteidigung eingereichter Dokumente (eines Schreibens des K.__ und eines Bildes mit einem Zitat der Staatsanwaltschaft) verweigert habe.
- Bundesgerichtsentscheid: Das Bundesgericht wies die meisten Rügen ab.
- Betreffend das Schreiben des K.__: Obwohl die Vorinstanz fälschlicherweise annahm, das Dokument sei verspätet eingereicht worden, erachtete das Bundesgericht dessen Inhalt (disziplinarische Massnahmen nach der erstinstanzlichen Verurteilung) als irrelevant für den Ausgang des Verfahrens. Eine "kosmetische Verbesserung" der Begründung würde keine substanzielle Änderung bewirken.
- Betreffend das Bild mit dem Staatsanwaltszitat: Das Bundesgericht wies die Rüge als unbegründet ab, da der Beschwerdeführer nicht dargelegt habe, welche konkreten negativen Auswirkungen dieses Element auf das Verfahren hatte.
- Betreffend Zeugeneinvernahmen: Die Rügen bezüglich D._ wurden zurückgewiesen, da dieser Zeuge tatsächlich vom Kantonsgericht angehört wurde. Die Rügen betreffend J._, die Polizeibeamten und Prof. E.__ wurden als appellatorisch und unzureichend begründet abgelehnt, da der Beschwerdeführer die antizipierte Beweiswürdigung des Kantonsgerichts (dass weitere Einvernahmen nichts Neues oder Entscheidendes bringen würden) nicht willkürlich widerlegen konnte. Das Kantonsgericht hatte dargelegt, warum es die Einvernahme dieser Zeugen nicht als notwendig erachtete, und der Beschwerdeführer konnte diese Begründung nicht erfolgreich anfechten.
3.2. Verletzung des Akkusationsprinzips und unzureichende Begründung (Ziff. 2)
Der Beschwerdeführer rügte eine Verletzung des Akkusationsprinzips (Art. 9 StPO) und eine mangelhafte Begründung, insbesondere hinsichtlich der sexuellen Natur der ihm vorgeworfenen Handlungen.
- Bundesgerichtsentscheid: Das Bundesgericht wies diese Rügen ab. Die Begründung der Vorinstanz, auch wenn sie die Situationen der Beschwerdegegner separat behandelte, war nach Auffassung des Bundesgerichts ausreichend detailliert und explizit oder implizit in den 191 Seiten der Entscheidung enthalten. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs konnte nicht festgestellt werden, da der Beschwerdeführer in der Lage war, die Bedeutung des Urteils zu verstehen und es umfassend anzufechten. Auch das Akkusationsprinzip wurde nicht verletzt, da die Anklageschrift Ort, Datum, Folgen und Vorgehensweise des Täters sowie die zur Anwendung kommenden Rechtsnormen ausreichend detailliert beschrieb, sodass der Beschwerdeführer seine Verteidigung effektiv vorbereiten konnte.
3.3. Willkürliche Beweiswürdigung und Verletzung der Unschuldsvermutung (Ziff. 3)
Der Beschwerdeführer bestritt die Glaubwürdigkeit der Aussagen der Beschwerdegegner B._ und C._ und damit seine Verurteilung wegen Tätlichkeiten, Nötigung, sexuellen Handlungen mit Kindern und sexueller Nötigung. Er rügte zudem, das Kantonsgericht habe sich zu Unrecht auf die SVA-Methode (Statement Validity Analysis) gestützt.
- Bundesgerichtsentscheid: Das Bundesgericht bestätigte die Beweiswürdigung des Kantonsgerichts.
- SVA-Methode: Das Bundesgericht stellte klar, dass das Kantonsgericht, entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers, die SVA-Methode nicht selbst angewendet, sondern lediglich die Erwähnung dieser Methode durch die Erstinstanz erläutert und anschliessend eine eigene, detaillierte Glaubwürdigkeitsprüfung der Aussagen der Geschädigten vorgenommen habe. Eine Rüge gegen diese spezifische Analyse des Kantonsgerichts wurde vom Beschwerdeführer nicht hinreichend begründet.
- Glaubwürdigkeit der Geschädigten: Das Bundesgericht hielt die umfassende Analyse des Kantonsgerichts zur Glaubwürdigkeit der Aussagen von B._ und C._ aufrecht. Die Vorinstanz hatte die Aussagen als spezifisch, detailliert, konsistent und durch weitere Elemente (z.B. Fotos, Aussagen von Freunden, Teilanerkenntnisse des Beschwerdeführers) bestätigt beurteilt. Kleinere Ungenauigkeiten oder Variationen wurden als alters- und zeitbedingt oder als peripher gewertet und nicht als glaubwürdigkeitsmindernd.
- Glaubwürdigkeit von D.__: Das Bundesgericht bestätigte die Einschätzung des Kantonsgerichts, dass die ursprüngliche WhatsApp-Nachricht von D._ an A._, in der sexuelle Handlungen thematisiert wurden, glaubwürdig war. Die spätere Widerrufung dieser Aussagen durch D._ wurde als unglaubwürdig beurteilt und auf die "emprise" (Beherrschung/Einfluss) zurückgeführt, die A._ auf die Jugendlichen ausübte, einschliesslich finanzieller und emotionaler Abhängigkeit.
- Rügen des Beschwerdeführers: Die Einwände des Beschwerdeführers, der seine eigene Sichtweise der Ereignisse darlegte und alternative Erklärungen vorschlug (z.B. dass sein fordernder Charakter zu falschen Anschuldigungen führte oder dass die "Duschen" hygienisch bedingt waren), wurden als appellatorisch und ungeeignet zurückgewiesen, die Willkür der kantonalen Beweiswürdigung darzulegen. Insbesondere vermochte der Beschwerdeführer nicht darzulegen, dass die umfassende Würdigung aller Beweismittel durch das Kantonsgericht willkürlich war.
3.4. Tätlichkeiten (Ziff. 4)
Die Rüge betreffend Tätlichkeiten wurde aufgrund der Abweisung der Willkürrüge in der Beweiswürdigung gegenstandslos.
3.5. Rechtliche Würdigung der sexuellen Handlungen (Ziff. 5)
Der Beschwerdeführer bestritt die rechtliche Qualifikation der vorgeworfenen Handlungen als sexuelle Handlungen mit Kindern (Art. 187 aStGB) und sexuelle Nötigung (Art. 189 aStGB) und die Existenz einer "violence structurelle".
- Rechtliche Grundlagen:
- Art. 187 aStGB (Sexuelle Handlungen mit Kindern): Als sexuelle Handlung gilt eine Körperaktivität, die auf sexuelle Erregung oder Befriedigung mindestens eines Beteiligten abzielt. Bei Kindern ist die Definition weiter auszulegen, und es ist entscheidend, ob die Handlung objektiv geeignet ist, das Kind sexuell zu irritieren. Subjektiv genügt Eventualvorsatz hinsichtlich des sexuellen Charakters der Handlung, des Alters des Kindes und der Altersdifferenz.
- Art. 189 aStGB (Sexuelle Nötigung): Schützt die sexuelle Selbstbestimmung. Erfordert die fehlende Zustimmung des Opfers, die dem Täter bekannt ist oder von ihm in Kauf genommen wird, sowie Zwangsmittel (Drohung, Gewalt, psychischer Druck, Widerstandsunfähigkeit). Die Rechtsprechung anerkennt "strukturelle Gewalt" (violence structurelle) als Form des psychischen Drucks, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen in Abhängigkeitsverhältnissen, die aufgrund ihrer kognitiven Minderwertigkeit und emotionalen/sozialen Abhängigkeit einen vergleichbaren Zwang wie körperliche Gewalt erfahren. Dabei wird die Frage entscheidend, ob das Kind in Anbetracht seines Alters, seiner sozialen Situation und der Rolle des Täters selbständig den Missbrauch ablehnen konnte.
- Bundesgerichtsentscheid zur Qualifikation der Handlungen: Das Bundesgericht bestätigte die Qualifikation der Vorinstanz und wies die Rügen des Beschwerdeführers zurück.
- "Violence structurelle": Das Bundesgericht bestätigte die Feststellung des Kantonsgerichts, dass im vorliegenden Fall eine "violence structurelle" gegeben war. A.__ habe seine Rolle als Trainer, Arbeitgeber und Vaterfigur instrumentalisiert und die jungen Opfer, die von ihm finanziell und emotional abhängig waren und oft schulische Schwierigkeiten hatten, unter seine Kontrolle gebracht. Dies führte zu einem aussergewöhnlichen psychischen Druck und einer Unterwerfung, die mit physischem Zwang vergleichbar war.
- Konkrete Handlungen:
- Nacktmachen als Bestrafung, nackt schlafen und Berühren der Genitalien (B.__): Diese Handlungen (gegenüber einem 15-Jährigen, allein in geschlossenem Raum, als Bestrafung und als Alternative zu Genitalberührungen) wurden als eindeutig sexuelle Handlungen und sexuelle Nötigung qualifiziert, da sie das Opfer sexuell irritierten und unter Zwang erfolgten.
- Drogenkontrollen, Duschen unter Aufsicht, Einseifen/Abtrocknen der Intimbereiche, Grössen-/Gewichtskontrollen, Inspektion/Manipulation der Intimbereiche, Einklemmen der Genitalien (B.__): Das Bundesgericht bestätigte die Qualifikation dieser Handlungen als sexuelle Handlungen mit Kindern und/oder sexuelle Nötigung. Obwohl einige dieser Handlungen isoliert betrachtet nicht zwingend sexuell konnotiert sein müssen (z.B. Drogenkontrollen), erhalten sie im Kontext der "violence structurelle" und der umfassenden Machtausübung durch A.__ über die Minderjährigen einen eindeutig sexuellen Charakter für einen objektiven Beobachter. Die Abweisung des Widerstands des Opfers verstärkte den Zwangscharakter.
- Nacktmachen als Bestrafung, Drogenkontrollen, Duschen unter Aufsicht, Einseifen/Abtrocknen der Intimbereiche, Auftragen von Crème trotz Protesten (C.__): Auch hier bestätigte das Bundesgericht die Qualifikation der Handlungen als sexuelle Handlungen mit Kindern und/oder sexuelle Nötigung. Insbesondere die wiederholten Nacktmachen als Bestrafung und das Einseifen/Abtrocknen der Intimbereiche trotz offensichtlicher Abneigung des Opfers wurden als schwerwiegend eingestuft.
- Masturbation von D.__: Das Bundesgericht bestätigte, dass die Masturbation einer anderen Person eindeutig eine sexuell konnotierte Handlung darstellt und im Kontext der "violence structurelle" eine sexuelle Nötigung begründet.
3.6. Nötigung (Art. 181 StGB) (Ziff. 6)
Der Beschwerdeführer rügte die Anwendung der "violence structurelle" auf den Nötigungstatbestand (Art. 181 aStGB) und die unzureichende Begründung der Nötigung für das erzwungene Teilen des Bettes.
- Bundesgerichtsentscheid: Das Bundesgericht bestätigte die Verurteilung wegen Nötigung. Das Kantonsgericht hatte festgestellt, dass der Beschwerdeführer den Beschwerdegegner C._ wiederholt dazu zwang, das Doppelbett und die Bettdecke mit ihm zu teilen, obwohl C._ dies nicht wollte. Dies stellte angesichts des Abhängigkeitsverhältnisses und der Angst vor Bestrafung eine erhebliche Einschränkung der Handlungsfreiheit dar. Das Bundesgericht hielt fest, dass die konkreten Fakten des erzwungenen Bettteilens im Kontext der "violence structurelle" und der Abhängigkeit des Opfers die objektiven und subjektiven Elemente der Nötigung nach Art. 181 aStGB erfüllten, ohne dass explizit geklärt werden musste, ob der Begriff der "violence structurelle" generell auf Art. 181 aStGB anwendbar ist.
3.7. Strafzumessung (Ziff. 7)
Der Beschwerdeführer beanstandete die Strafhöhe von 34 Monaten Freiheitsstrafe und die Berücksichtigung seiner Bestreitungen als straferhöhendes Element.
- Bundesgerichtsentscheid: Das Bundesgericht wies die Rügen zur Strafzumessung ab.
- Strafbemessungsgrundsätze: Das Bundesgericht bestätigte den weiten Ermessensspielraum des Richters bei der Strafzumessung (Art. 47 StGB) und interveniert nur bei Missbrauch oder ausserhalb des gesetzlichen Rahmens.
- Schuld und Persönlichkeit: Das Kantonsgericht hatte die Schuld als mittelschwer bis schwer eingeschätzt, da die sexuelle Integrität von Jugendlichen massiv verletzt wurde, zahlreiche Handlungen über einen langen Zeitraum an mehreren Opfern stattfanden und A.__ sein Verhalten trotz Warnsignalen fortsetzte.
- Keine Einsicht/Reue: Das Bundesgericht bestätigte, dass die Bestreitungen des Beschwerdeführers und seine fehlende Einsicht (gemäss den Berichten von Prof. E.__) als straferhöhendes Element gewertet werden durften, da dies Ausdruck mangelnder Reue und Problembewältigung war. Dies verstösst nicht gegen das Recht, sich nicht selbst zu belasten, da nicht die Bestreitung an sich, sondern die daraus ersichtliche fehlende Einsicht sanktioniert wird.
- Milderungsgründe: Die vom Beschwerdeführer angeführten Milderungsgründe wie "ziemlich gute" Kooperation, fehlende Vorstrafen oder mediale Berichterstattung wurden als appellatorisch oder unbegründet abgewiesen. Fehlende Vorstrafen sind von neutraler Wirkung. Die Behauptung einer "heftigen medialen Berichterstattung" war nicht substanziiert.
- Strafart: Angesichts der Gesamtstrafe von 34 Monaten Freiheitsstrafe war eine Geldstrafe (max. 180 Tagessätze oder 6 Monate Freiheitsstrafe nach Art. 34 Abs. 1 StGB) ausgeschlossen. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe war daher rechtlich korrekt.
3.8. Bedingter/Teilbedingter Vollzug (Ziff. 8)
Der Beschwerdeführer beantragte einen vollbedingten Vollzug oder zumindest einen teilbedingten Vollzug, bei dem der unbedingte Teil sechs Monate nicht überschreitet. Er argumentierte, das Tätigkeitsverbot genüge zur Eindämmung des Rückfallrisikos.
- Bundesgerichtsentscheid: Das Bundesgericht wies die Rüge ab. Eine Strafe von 34 Monaten übersteigt die Grenze für einen vollbedingten Vollzug (zwei Jahre gemäss Art. 42 Abs. 1 StGB). Die Voraussetzungen für einen teilbedingten Vollzug (Art. 43 StGB) waren gegeben. Die Vorinstanz hatte das Rückfallrisiko als moderat eingestuft und unter Berücksichtigung der fehlenden Einsicht des Beschwerdeführers einen unbedingten Strafteil von zwölf Monaten und einen bedingten Teil von 22 Monaten als angemessen erachtet. Diese Aufteilung lag innerhalb des weiten Ermessensspielraums des Kantonsgerichts.
3.9. Tätigkeitsverbot (Art. 67 StGB) (Ziff. 9)
Der Beschwerdeführer rügte die lebenslange Dauer des Tätigkeitsverbots mit Minderjährigen als unverhältnismässig.
- Rechtliche Grundlagen: Art. 123c BV und Art. 67 Abs. 3 StGB sehen ein zwingendes lebenslanges Tätigkeitsverbot für Täter vor, die wegen sexueller Handlungen mit Kindern oder sexueller Nötigung gegen Minderjährige verurteilt wurden, sofern keine der in Art. 67 Abs. 4bis StGB genannten Ausnahmen für geringfügige Fälle vorliegt.
- Bundesgerichtsentscheid: Das Bundesgericht wies die Rüge ab. Da A.__ wegen sexueller Handlungen mit Kindern (Art. 187 aStGB) und sexueller Nötigung (Art. 189 aStGB) verurteilt wurde und das Opfer minderjährig war, waren die Voraussetzungen von Art. 67 Abs. 3 StGB erfüllt. Die psychiatrische Expertise hatte zudem eine homosexuelle Pädophilie diagnostiziert, was die Anwendung der Ausnahmeregelung für geringfügige Fälle (Art. 67 Abs. 4bis StGB) ausschloss. Der Beschwerdeführer legte keine konkreten Faktoren (z.B. familiäre Situation, Alter, Gesundheitszustand, konkrete berufliche Pläne) dar, die eine unverhältnismässige Einschränkung seiner Rechte belegen würden. Er kann weiterhin mit Erwachsenen arbeiten, weshalb seine beruflichen und sozialen Integrationsaussichten nicht gefährdet sind. Auch seine eigenen Aussagen im Zusammenhang mit dem teilbedingten Vollzug, er habe keine Lehrlinge mehr und keine Absicht mehr, Sportteams zu trainieren, sprachen gegen eine Unverhältmässigkeit des Verbots.
3.10. Kosten und Entschädigung (Ziff. 10)
Der Beschwerdeführer beanstandete die vollständige Überbindung der erstinstanzlichen Verfahrenskosten und die Verweigerung einer Entschädigung, da er in erster Instanz teilweise freigesprochen worden war.
- Rechtliche Grundlagen: Art. 426 Abs. 1 StPO sieht vor, dass der Verurteilte die Verfahrenskosten trägt. Bei teilweiser Verurteilung sind die Kosten anteilsmässig zu tragen. Art. 429 Abs. 1 lit. a aStPO gewährt dem teilweise freigesprochenen Beschuldigten eine Entschädigung für die Kosten seiner Rechtsausübung.
- Bundesgerichtsentscheid: Das Bundesgericht gab dieser Rüge teilweise statt. Während die Erstinstanz A.__ teilweise freigesprochen, 80 % der Kosten auferlegt und ihm eine Entschädigung zugesprochen hatte, überband das Kantonsgericht ihm die gesamten Kosten der ersten und zweiten Instanz und verweigerte ihm eine Entschädigung, ohne diese Abweichung von der erstinstanzlichen Regelung hinreichend zu begründen. Die Begründung des Kantonsgerichts war in diesem Punkt lückenhaft und erfüllte die Anforderungen von Art. 112 Abs. 1 lit. b LTF nicht. Daher wurde das Urteil in diesem Punkt aufgehoben und zur Neubeurteilung an das Kantonsgericht zurückgewiesen.
4. Fazit und Zusammenfassung der wesentlichen Punkte
Das Bundesgericht weist die Beschwerde von A.__, soweit sie die Schuldsprüche für die sexuellen Handlungen mit Kindern, die sexuelle Nötigung, die Nötigung und die Tätlichkeiten sowie die Strafzumessung und das lebenslange Tätigkeitsverbot betrifft, als unbegründet ab. Es bestätigt im Wesentlichen die umfassende und detaillierte Beweiswürdigung des Kantonsgerichts, insbesondere dessen Feststellung einer "violence structurelle" (strukturellen Gewalt) aufgrund des ausgeprägten Macht- und Abhängigkeitsverhältnisses zwischen dem Beschwerdeführer und den minderjährigen Opfern. Dieses Abhängigkeitsverhältnis erlaubte es dem Kantonsgericht, auch Handlungen, die isoliert betrachtet ambivalent erscheinen mögen, als sexuell konnotierte Zwangshandlungen zu qualifizieren. Die Rügen bezüglich des rechtlichen Gehörs, des Akkusationsprinzips und der Verhältnismässigkeit der Strafe und des Tätigkeitsverbots wurden als unbegründet oder ungenügend motiviert zurückgewiesen.
Einziger Erfolg hatte der Beschwerdeführer mit seiner Rüge betreffend die Kostenauferlegung und die Verweigerung einer Entschädigung für die erste Instanz. Da das Kantonsgericht seine abweichende Entscheidung in diesem Punkt nicht ausreichend begründet hatte, wurde das Urteil in Bezug auf die Kosten und Entschädigung aufgehoben und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer trägt einen Teil der Gerichtskosten des Bundesgerichts und erhält eine reduzierte Parteientschädigung vom Kanton Neuenburg.
Wesentliche Punkte im Überblick:
- Bestätigung der Schuldsprüche: Das Bundesgericht bestätigt die Verurteilung wegen sexueller Handlungen mit Kindern, sexueller Nötigung und Nötigung.
- "Violence structurelle": Die Relevanz der "violence structurelle" – des Missbrauchs eines Macht- und Abhängigkeitsverhältnisses – als Form psychischer Nötigung wird für die Qualifikation sexueller Handlungen als Zwangshandlungen unterstrichen.
- Weite Auslegung sexueller Handlungen: Bei minderjährigen Opfern ist der Begriff der "sexuellen Handlung" weit auszulegen, wobei der Kontext und die Irritation des Kindes massgebend sind.
- Umfassende Beweiswürdigung: Die kantonalen Gerichte dürfen sich auf konvergierende Indizien und glaubwürdige Aussagen der Opfer stützen, auch bei "Aussage-gegen-Aussage"-Konstellationen.
- Strafzumessung und fehlende Einsicht: Eine mangelnde Einsicht oder Verleugnung der Taten kann straferhöhend wirken.
- Lebenslanges Tätigkeitsverbot: Die zwingende Natur des lebenslangen Tätigkeitsverbots bei Verurteilungen wegen sexueller Delikte an Minderjährigen (Art. 67 Abs. 3 StGB) wird bestätigt und als verhältnismässig erachtet.
- Kosten- und Entschädigungspflicht: Das Bundesgericht hebt das Urteil bezüglich der Kosten und Entschädigung auf, da die Vorinstanz die Abweichung von der erstinstanzlichen Regelung (teilweise Kostenauferlegung und Entschädigung) nicht hinreichend begründet hatte.