Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:
Bundesgerichtsurteil 1C_264/2025 vom 23. Oktober 2025
1. Parteien und Streitgegenstand
- Beschwerdeführer: A.__
- Beschwerdegegnerin: B.__ SA (vertreten durch Rechtsanwältin Cécile Genoud)
- Weitere Verfahrensbeteiligte: Gemeinde Gletterens, Präfektur der Broye
- Gegenstand: Baubewilligung; Verspätung der Beschwerde
- Vorinstanz: II. Verwaltungsgerichtshof des Kantonsgerichts des Kantons Freiburg (Entscheid vom 28. März 2025)
2. Chronologie des Sachverhalts und Vorverfahren
- 16. Oktober 2023: Der Präfekt der Broye erteilt der B._ SA die Bewilligung zum Abbruch einer alten Farm und zur Errichtung von drei Einfamilienhäusern mit Photovoltaik-Paneelen auf dem Grundstück Nr. 48 in Gletterens. Die dagegen erhobenen Einsprachen, darunter jene von A._, wurden abgewiesen.
- 20. November 2023: A.__ reicht gegen diese Entscheide Beschwerde beim II. Verwaltungsgerichtshof des Kantonsgerichts ein.
- 28. November 2023: Die stellvertretende Präsidentin des Kantonsgerichts erklärt die Beschwerde wegen Verspätung als unzulässig.
- 31. Juli 2024 (Bundesgerichtsentscheid 1C_693/2023): Das Bundesgericht hebt diese Unzulässigkeitserklärung auf. Es hält fest, dass der rekommandierte Brief mit den präfektoralen Entscheiden am 17. Oktober 2023 von der Mutter des Beschwerdeführers entgegengenommen wurde, die an derselben Adresse, aber in getrennten Haushalten wohnt. Es sei im damaligen Verfahrensstand weder eine schriftliche noch eine konkludente Vertretungsvollmacht etabliert noch ein treuwidriges Verhalten des Beschwerdeführers nachgewiesen worden. Die Sache wird zur Neubeurteilung und zur allfälligen Ergänzung der Instruktion an das Kantonsgericht zurückgewiesen, um die Regularität der Zustellung an die Mutter zu prüfen.
- 28. März 2025: Nach Einholung von Sendungsverfolgungsdaten der Schweizerischen Post für die Jahre 2023 und 2024 erklärt das Kantonsgericht die Beschwerde von A.__ erneut als unzulässig.
- 17. Mai 2025: A.__ reicht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht ein, mit dem Antrag auf Aufhebung des kantonalen Entscheids und Rückweisung der Sache ans Kantonsgericht zur materiellen Beurteilung.
3. Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts
Das Bundesgericht hatte primär zu prüfen, ob die Vorinstanz die Beschwerde des A.__ zu Recht wegen Verspätung als unzulässig erklärt hat. Dies umfasste die Frage der ordnungsgemässen Zustellung des präfektoralen Entscheids und der damit verbundenen Fristauslösung.
3.1. Allgemeine Grundsätze der Zustellung von amtlichen Mitteilungen
Das Bundesgericht rekapituliert die gefestigte Rechtsprechung zur Zustellung:
- Ein Entscheid gilt als zugestellt und löst die Rechtsmittelfrist aus, sobald er seinem Empfänger übergeben wurde (vgl. BGE 150 II 26 E. 3.5.4; 144 IV 57 E. 2.3; 142 II 411 E. 4.2).
- Die Zustellung erfolgt auch dann, wenn die Sendung in den Einflussbereich des Empfängers gelangt ist und dieser vom Inhalt Kenntnis nehmen kann (vgl. BGE 150 II 26 E. 3.5.4; 145 IV 252 E. 1.3.2; 144 IV 57 E. 2.3.2).
- Eine Zustellung gilt auch als erfolgt, wenn sie einer dritten, empfangsberechtigten Person übergeben wurde (vgl. BGE 118 II 42 E. 3).
- Als empfangsberechtigt gilt nicht nur eine Person mit ausdrücklicher Vollmacht, sondern auch eine, die konkludent als solche handelt (sog. Verhaltensvollmacht; vgl. Urteil 2C_855/2018 vom 24. Oktober 2018 E. 3.2).
- Grundsätzlich darf eine fehlerhafte Zustellung dem Adressaten keinen Nachteil bringen (vgl. BGE 144 II 401 E. 3.1; 144 IV 57 E. 2.3.2).
- Ausnahme: Wenn der Adressat vom Inhalt oder zumindest der Existenz der fehlerhaft zugestellten Mitteilung tatsächlich Kenntnis genommen hat, kann es gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossen, sich auf den Mangel der Zustellung zu berufen (vgl. BGE 150 II 26 E. 3.5.4; 144 IV 57 E. 2.3.2; 139 IV 228 E. 1.3).
3.2. Prüfauftrag des ersten Bundesgerichtsentscheids (1C_693/2023)
Der erste Bundesgerichtsentscheid hatte festgestellt, dass die damaligen Fakten nicht ausreichten, um eine systematische oder regelmässige Praxis der Zustellung an Dritte oder eine konkludente Vertretungsmacht der Eltern anzunehmen. Daher wurde das Kantonsgericht angewiesen zu prüfen, ob die Zustellung an die Mutter des Beschwerdeführers aufgrund einer ausgewiesenen (schriftlichen oder konkludenten) Vertretungsvollmacht regelmässig erfolgte und ob dem Beschwerdeführer ein treuwidriges Verhalten vorgeworfen werden kann.
3.3. Neue Sachverhaltsfeststellungen und Begründung des Kantonsgerichts
Aufgrund des Rückweisungsentscheids hat die Vorinstanz weitere Abklärungen getroffen:
- Die Schweizerische Post bestätigte, dass A.__ keine Vollmacht für seine Eltern zum Empfang von Sendungen ausgestellt hatte.
- Die Sendungsverfolgung zeigte für die Jahre 2023/2024: Von 20 rekommandierten Sendungen an A.__ wurden 9 ihm persönlich zugestellt, 5 seinen Eltern (davon 2 am selben Tag) und 6 seiner Lebenspartnerin.
- Fokus auf das Jahr 2023: Von 9 rekommandierten Sendungen wurden 3 an den Beschwerdeführer, 5 an seine Eltern und 1 an seine Lebenspartnerin zugestellt.
- Das Kantonsgericht schloss daraus, dass die Zustellungen im Jahr 2023 eine systematische und regelmässige Praxis zeigten, bei der der Beschwerdeführer seinen Eltern erlaubte, rekommandierte Briefe in seiner Abwesenheit entgegenzunehmen. Es nahm an, dass der Beschwerdeführer nach der ersten Unzulässigkeitserklärung (28. November 2023) Vorkehrungen getroffen hatte, um dies zu ändern, weshalb der Fokus auf 2023 lag.
- Es wurde zudem festgehalten, dass vor April 2024 keine Beschwerde bei der Post eingereicht wurde.
- Schlussfolgerung der Vorinstanz: Trotz der Dementis des Beschwerdeführers hat dieser konkludent toleriert, dass seine Eltern im Jahr 2023 rekommandierte Sendungen für ihn empfangen.
- Zusätzlich: Die Vorinstanz stellte fest, dass der Beschwerdeführer in seinem ersten Bundesgerichtsrekurs (1C_693/2023) verschwiegen hatte, dass die Person, die den Brief empfangen hatte, seine Mutter war, was an seiner guten Glaubwürdigkeit zweifeln lasse. Da er spätestens am 19. Oktober 2023 Kenntnis vom Inhalt des streitigen Briefes hatte, hätte er sich zeitnah über das genaue Zustelldatum an seine Eltern informieren und innert Frist handeln müssen, was er verspätet getan habe.
- Ergebnis der Vorinstanz: Die Beschwerde vom 20. November 2023 gegen die am 17. Oktober 2023 an eine ermächtigte Drittperson zugestellten Entscheide vom 16. Oktober 2023 war verspätet.
3.4. Einwendungen des Beschwerdeführers und Beurteilung durch das Bundesgericht
Der Beschwerdeführer bestreitet die Schlussfolgerung des Kantonsgerichts bezüglich einer etablierten Praxis der Zustellung an seine Eltern. Er argumentiert, dass zwei der im Jahr 2023 an seine Eltern zugestellten rekommandierten Sendungen (vom 3. Februar und 12. April 2023) von ihm explizit für eine "Zustellung ohne Unterschrift" via sein Kundenkonto bei der Schweizerischen Post freigegeben worden seien. Obwohl diese Anweisung vorlag, habe seine Mutter die Empfangsbestätigung unterschrieben. Dies sei eine manifeste Unregelmässigkeit seitens der Post und kein Indiz für eine konkludente Vertretungsvollmacht, weshalb diese Zustellungen nicht für den Nachweis einer systematischen Praxis herangezogen werden dürften.
Das Bundesgericht beurteilt diese Einwände wie folgt:
- Zulässigkeit der Argumentation: Das Bundesgericht erachtet die Argumentation des Beschwerdeführers als zulässig, da die Fakten (Anweisungen an die Post) aus den aufgrund des Rückweisungsentscheids von der Vorinstanz eingeholten Akten stammen und nicht neu vor Bundesgericht vorgebracht wurden.
- Keine Beschwerde bei der Post: Der Beschwerdeführer hat sich gemäss Akten nicht bei der Post darüber beschwert, dass seine Mutter die zwei für eine Zustellung ohne Unterschrift freigegebenen Sendungen dennoch unterschriftlich entgegengenommen hat. Er behauptet dies auch nicht.
- Keine Willkür: Vor diesem Hintergrund erachtete es das Bundesgericht als nicht unhaltbar ("pas insoutenable"), dass das Kantonsgericht aus dem Verhalten des Beschwerdeführers eine stillschweigende Zustimmung zur Zustellung an seine Mutter ableitete.
- Konkludente Vertretungsmacht: Unter Berücksichtigung dieser beiden Zustellungen sowie der weiteren Zustellungen an die Eltern (eine an die Mutter, zwei am selben Tag an den Vater) kam das Bundesgericht zum Schluss, dass der Vorinstanz keine Willkür (Art. 9 BV) vorzuwerfen ist, wenn sie eine konkludente Vertretungsmacht der Eltern annahm. Demzufolge war die Zustellung der präfektoralen Entscheide an die Mutter des Beschwerdeführers am 17. Oktober 2023 als regelmässig zu betrachten und die Beschwerde als verspätet. Das Ergebnis des kantonalen Entscheids sei daher nicht "schockierend" und erfordere kein Eingreifen des Bundesgerichts.
- Zusätzliche Begründung der Vorinstanz (nicht angefochten): Das Bundesgericht weist zudem darauf hin, dass die Vorinstanz eine weitere Begründung für die Verspätung anführte, die der Beschwerdeführer nicht angegriffen hat: Der Beschwerdeführer hatte spätestens am 19. Oktober 2023 Kenntnis vom Inhalt des streitigen Briefes. Er hätte sich rechtzeitig über das genaue Zustelldatum an seine Eltern informieren und innert der 30-Tages-Frist handeln müssen, was er verspätet tat. Sein als Beweis vorgelegter WhatsApp-Screenshot vom 22. November 2023 belege lediglich, dass er sich nach der Fristauslösung um die Zustellung kümmerte, nicht aber, dass er sich rechtzeitig informierte, um innerhalb der Frist zu agieren. Diese unangefochtene Begründung allein hätte die Verspätung der Beschwerde ebenfalls rechtfertigen können.
4. Schlussfolgerung des Bundesgerichts
Der Rekurs des A.__ wird, soweit zulässig, abgewiesen. Die Gerichtskosten werden dem Beschwerdeführer auferlegt, und er hat der Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung zu zahlen.
Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
Das Bundesgericht hat die Beschwerde eines Bauprojektgegners als unbegründet abgewiesen, da seine gegen eine Baubewilligung gerichtete kantonale Beschwerde zu Recht als verspätet erklärt wurde. Entscheidend war die Frage der Zustellung der ursprünglichen Bewilligungsentscheide. Nach umfangreichen Abklärungen durch die Vorinstanz bestätigte das Bundesgericht, dass eine konkludente Vertretungsvollmacht der Eltern des Beschwerdeführers zum Empfang eingeschriebener Post bestand. Dies wurde aus einer systematischen Praxis der Zustellung an die Eltern im Jahr 2023 abgeleitet, die der Beschwerdeführer – auch angesichts fehlender Beschwerden bei der Post – stillschweigend toleriert hatte. Die Zustellung des Bewilligungsentscheids an die Mutter löste somit die Rekursfrist ordnungsgemäss aus. Das Bundesgericht hielt die Schlussfolgerungen der Vorinstanz zur konkludenten Vertretungsmacht und zur Verspätung der Beschwerde für nicht willkürlich und wies zudem darauf hin, dass der Beschwerdeführer eine weitere Begründung der Vorinstanz (verspätete Nachfrage trotz Kenntnisnahme des Inhalts) nicht angefochten hatte.