Zusammenfassung von BGer-Urteil 7B_1062/2023 vom 13. Oktober 2025

Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.

Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts vom 13. Oktober 2025 (Az. 7B_1062/2023) detailliert zusammen:

Einleitung Das Bundesgericht hatte in diesem Fall über eine Beschwerde in Strafsachen von A.A._ (Beschwerdeführer) gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 25. August 2023 zu entscheiden. Der Beschwerdeführer wurde vom Obergericht der versuchten Tötung nach Art. 111 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB zum Nachteil seines Sohnes C.A._ schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren, einer stationären therapeutischen Massnahme sowie einer Landesverweisung von zehn Jahren verurteilt. Das Bundesgericht befasste sich primär mit der Frage, ob die Vorinstanz willkürfrei einen Tötungsvorsatz – insbesondere Eventualvorsatz – beim Beschwerdeführer annehmen durfte und ob das Stadium des Versuchs bereits erreicht war.

Sachverhalt Am 17. April 2021 kam es in der Wohnung des Beschwerdeführers zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen ihm, seiner Ehefrau B._ und seinem Sohn C.A._. Nach einem Streit, der unter anderem eine körperliche Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn sowie einen Schlag des Beschwerdeführers gegen seine Ehefrau beinhaltete, begab sich der Beschwerdeführer in die Küche. Wenige Sekunden später kehrte er mit einem Küchenmesser (Klingenlänge ca. 25 cm) zurück und rief dabei, dass er C.A._ umbringen werde. Er ging mit dem Messer in der Hand ein bis zwei Schritte in Richtung seines Sohnes. Die auf dem Boden sitzende Ehefrau B._ hielt ihn daraufhin an den Beinen und Händen fest, woraufhin das Messer zu Boden fiel. Anschliessend legte der Beschwerdeführer das Messer in die Küche zurück.

Vorinstanzliche Urteile Das Bezirksgericht Muri sprach den Beschwerdeführer zunächst vom Vorwurf der versuchten Tötung frei. Es verurteilte ihn lediglich wegen einfacher Körperverletzung zum Nachteil seiner Ehefrau und mehrfachen Betäubungsmittelkonsums. Auf Berufung der Staatsanwaltschaft hin änderte das Obergericht des Kantons Aargau dieses Urteil dahingehend, dass es den Beschwerdeführer zusätzlich der versuchten Tötung für schuldig befand und eine deutlich höhere Freiheitsstrafe sowie eine therapeutische Massnahme und Landesverweisung aussprach.

Standpunkt des Beschwerdeführers Der Beschwerdeführer bestreitet die Tötungsabsicht und rügt eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz. Er beantragt einen vollumfänglichen Freispruch vom Vorwurf der versuchten Tötung, eventualiter eine mildere Strafe.

Rechtliche Grundlagen zur vorsätzlichen Tötung und zum Eventualvorsatz Gemäss Art. 111 StGB wird bestraft, wer vorsätzlich einen Menschen tötet. Art. 22 Abs. 1 StGB regelt den Versuch, bei dem das Gericht die Strafe mildern kann, wenn die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende geführt wird. Ein Verbrechen oder Vergehen begeht vorsätzlich, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt (Art. 12 Abs. 2 Satz 1 StGB). Eventualvorsatz liegt vor, wenn der Täter die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält, aber dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt bzw. sich mit ihm abfindet (Art. 12 Abs. 2 Satz 2 StGB). Die Annahme von Eventualvorsatz bei Fehlen eines Geständnisses muss das Gericht aufgrund äusserer Umstände (Grösse des Risikos, Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung, Beweggründe, Art der Tathandlung) folgern. Eine willentliche Inkaufnahme des Erfolgs kann angenommen werden, wenn sich die Verwirklichung der Gefahr als so wahrscheinlich aufdrängte, dass die Bereitschaft, sie als Folge hinzunehmen, vernünftigerweise nur als Inkaufnahme des Erfolgs ausgelegt werden kann (BGE 147 IV 439 E. 7.3.1). Die Frage, was der Täter wusste, wollte und in Kauf nahm, ist eine Tatfrage (Art. 105 Abs. 1 BGG), die das Bundesgericht nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür prüft. Die Frage, ob der kantonale Instanz ein zutreffender Begriff des Vorsatzes zugrunde gelegt wurde und ob der Schluss auf Eventualvorsatz im Lichte der festgestellten Tatsachen begründet ist, ist hingegen eine Rechtsfrage. Das Sachgericht hat die relevanten Tatsachen möglichst erschöpfend darzustellen, um den Schluss auf Eventualvorsatz nachvollziehbar zu machen.

Begründung des Bundesgerichts Das Bundesgericht kritisiert die Beweiswürdigung der Vorinstanz als selektiv und unvollständig, was die Annahme eines Eventualvorsatzes bezüglich Tötung nicht rechtfertigt:

  1. Selektive Aussagewürdigung: Die Vorinstanz stützte ihren Schuldspruch hauptsächlich auf einzelne Aussagen von C.A._ und B._ anlässlich der Berufungsverhandlung, liess jedoch die für die Aussagepsychologie in der Regel bedeutsameren tatnächsten Aussagen (Erstaussagen) von C.A.__ ausser Acht. Dies verunmöglichte eine notwendige Konstanzanalyse und eine umfassende Überprüfung der Glaubhaftigkeit nach aussagepsychologischen Prinzipien.

  2. Ungenügende Würdigung der Zeugenaussagen: Selbst die zitierten Aussagen von C.A._ und B._ sprachen lediglich davon, dass der Beschwerdeführer seinen Sohn "verletzen" wollte oder dass "etwas passiert" wäre. Sie sprachen gerade nicht explizit davon, dass er ihn "töten" wollte. Das Bundesgericht hält es für fraglich, wie aus diesen Äusserungen auf eine Inkaufnahme eines tödlichen Ausgangs geschlossen werden kann.

  3. Unzureichende Berücksichtigung äusserer Umstände: Obwohl der Beschwerdeführer ein grosses Messer behändigte, Todesdrohungen ausstiess und ein bis zwei Schritte auf seinen Sohn zuging, führte er keine Stichbewegungen oder ähnliche direkte Aggressionen aus. Er war noch immer ca. 1 bis 1,5 Meter von seinem Sohn entfernt, als er von seiner Ehefrau aufgehalten wurde. Was er getan hätte, wenn er sich weiter genähert hätte, und insbesondere ob und wohin er gestochen hätte, blieb "gänzlich unklar". Der Sohn blieb unverletzt. Das Bundesgericht betont, dass der Beschwerdeführer den Widerstand seiner am Boden sitzenden, körperlich angeschlagenen Ehefrau wohl leicht hätte überwinden können, wenn er eine Tötungsabsicht gehabt hätte.

  4. Fehlende Gesamtwürdigung des Konflikts: Die Vorinstanz befasste sich nicht näher damit, dass der Beschwerdeführer im Laufe des Streits die Polizei anrief, was auf eine Eskalationsabsicht hindeuten könnte, die nicht zwingend eine Tötungsabsicht beinhaltet. Auch die Hintergründe des Konflikts wurden nicht ausreichend beleuchtet, obschon diese Anhaltspunkte für die subjektive Tatkomponente hätten liefern können.

  5. Querverweis auf ähnliche Rechtsprechung: Das Bundesgericht zieht das Urteil 6B_98/2024 vom 13. Dezember 2024 heran, in dem es in einem Fall mit tatsächlichen Stich- und Schnittverletzungen (jedoch mit unklarer Tatwaffe und Tiefe der Verletzungen) den Schluss auf eventualvorsätzliches Handeln bezüglich Tötung nicht zuliess. Die Ausgangslage im vorliegenden Fall – ohne ausgeführte Stichbewegungen und mit noch vorhandener Distanz – sei noch weniger geeignet, einen Tötungsvorsatz zu begründen.

Folgen der Bundesgerichtsbeurteilung Aufgrund dieser Mängel in der Beweiswürdigung und der Schlussfolgerungen erachtet das Bundesgericht die Annahme eines Eventualvorsatzes hinsichtlich des Todeseintritts als bundesrechtswidrig. Ein Schuldspruch wegen versuchter vorsätzlicher Tötung ist somit ausgeschlossen. Das Bundesgericht hält jedoch fest, dass dies nicht automatisch zu einem vollumfänglichen Freispruch führt. Die Vorinstanz muss vielmehr unter Vornahme einer sorgfältigen und vollständigen Beweiswürdigung neu prüfen, ob sich der Beschwerdeführer stattdessen der eventualvorsätzlichen versuchten Körperverletzung (Art. 122 oder Art. 123 StGB) und/oder der Drohung (Art. 180 StGB) schuldig gemacht hat. Dabei ist auch zu prüfen, ob die Anklage einen solchen Schuldspruch zulässt (Anklageprinzip). Die Frage, ob das Stadium des Versuchs bereits erreicht wurde, wird ebenfalls erst nach Klärung des subjektiven Tatbestands von der Vorinstanz zu beurteilen sein.

Entscheid des Bundesgerichts Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 25. August 2023 wird aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Der Antrag des Beschwerdeführers auf vollumfänglichen Freispruch wird abgewiesen. Der Kanton Aargau hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zu bezahlen, und es werden keine Gerichtskosten erhoben.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  • Aufhebung des Schuldspruchs: Das Bundesgericht hebt den Schuldspruch der versuchten Tötung auf, da die Vorinstanz den Eventualvorsatz für Tötung nicht überzeugend begründet hat.
  • Mangelhafte Beweiswürdigung: Die Vorinstanz hat die Aussagen der Zeugen selektiv gewürdigt, tatnächste Aussagen ignoriert und eine umfassende Glaubhaftigkeitsprüfung unterlassen.
  • Undeutliche Tötungsabsicht: Die Zeugenaussagen sprachen primär von "verletzen" oder "etwas wäre passiert", nicht explizit von Tötungsabsicht.
  • Unzureichende äussere Umstände: Trotz Messereinsatz und Todesdrohungen gab es keine direkten Stichbewegungen, und der Beschwerdeführer war noch in Distanz zum Opfer und wurde leicht aufgehalten, was gegen eine finale Tötungsabsicht spricht.
  • Rückweisung an Vorinstanz: Die Sache wird zur Neubeurteilung zurückgewiesen, um eine umfassende Beweiswürdigung vorzunehmen und zu prüfen, ob stattdessen ein Schuldspruch wegen versuchter Körperverletzung oder Drohung in Frage kommt, unter Berücksichtigung des Anklageprinzips.