Zusammenfassung von BGer-Urteil 2C_594/2024 vom 7. Oktober 2025

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Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 2C_594/2024 vom 7. Oktober 2025 I. Einleitung und Parteien

Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts (II. öffentlich-rechtliche Abteilung) befasst sich mit einem Rekurs von A.__ SA (nachfolgend: Beschwerdeführerin) gegen einen Entscheid der Cour de justice des Kantons Genf. Gegenstand des Verfahrens ist die Verweigerung einer Betriebsbewilligung für eine Spitex-Organisation (Organisation für ambulante Pflege und Hilfe zu Hause) durch das Departement für Gesundheit und Mobilität des Kantons Genf (nachfolgend: das Departement).

II. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin, A.__ SA, ist seit März 1986 im Genfer Handelsregister eingetragen. Ihr Gesellschaftszweck umfasst unter anderem den Betrieb medizinischer Institute und Aktivitäten im medizinischen Bereich, einschliesslich ambulanter Pflegedienste.

Am 28. Februar 2023 stellte A._ SA einen Antrag auf Betriebsbewilligung für eine Spitex-Organisation. Diesem Antrag gingen bereits zwei frühere Versuche voraus: * Ein erster Antrag vom 3. Februar 2021 erhielt eine negative Vorabklärung, führte jedoch zu keiner formellen Entscheidung. * Ein zweiter Antrag wurde am 7. September 2022 abgelehnt. Die Begründung lautete, dass das vorgeschlagene Projekt ausschliesslich die postoperative Betreuung von Patienten der A._ SA vorsah, während Spitex-Organisationen für alle Patiententypen tätig sein müssten. Zudem existierten bereits Tarifpositionen im TARMED-System für Hausbesuche, was die Notwendigkeit einer eigenen Spitex-Organisation für diesen Zweck infrage stellte.

Am 18. März 2024 erteilte die zuständige kantonale Behörde ("Groupe risque pour l'état de santé et inspectorat") erneut eine negative Stellungnahme zum aktuellen Antrag vom Februar 2023. Hauptkritikpunkte waren: * Ein unorganisiertes Dossier, bestehend aus kopierten Internet-Dokumenten ohne Quellenangabe. * Eine Ansammlung allgemeiner Konzepte, die nicht auf die zukünftige Tätigkeit zugeschnitten, unverständlich und operativ nicht umsetzbar seien. * Zahlreiche Inkonsistenzen in Bezug auf bewährte Praktiken und geltende Rechtsgrundlagen. * Fehlen einer adäquaten Organisation, die die Qualität der Pflege gewährleisten könnte. * Keine positive Entwicklung im Vergleich zu den früheren Anträgen.

Gestützt darauf lehnte das Departement für Gesundheit und Mobilität mit Beschluss vom 16. Mai 2024 die Erteilung der Betriebsbewilligung ab. Die dagegen erhobene Beschwerde der A.__ SA wies die Cour de justice des Kantons Genf am 28. Oktober 2024 ab, wobei sie feststellte, dass das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin nicht verletzt wurde und die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Bewilligung nicht erfüllt waren.

Die Beschwerdeführerin gelangte daraufhin mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht, um die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids und die Erteilung der Betriebsbewilligung – eventualiter die Rückweisung an die Vorinstanz zur Neubeurteilung – zu erwirken.

III. Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts

Das Bundesgericht beurteilte die Rechtmässigkeit des vorinstanzlichen Entscheids anhand der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Rügen:

1. Prozessuales: Unzulässigkeit neuer Rügen in der Replik

Das Bundesgericht hielt fest, dass neue Rügen, die in der Replik oder in späteren Schreiben vorgebracht werden, unzulässig sind, wenn sie bereits in der Beschwerdeschrift hätten erhoben werden können. Das Replikrecht gemäss Art. 29 Abs. 2 BV dient nicht dazu, neue Argumente oder Mängel in der ursprünglichen Beschwerde zu beheben (vgl. BGE 144 III 411 E. 6.4.2). Folglich liess das Bundesgericht eine in der Replik erhobene Rüge der Verletzung des Legalitätsprinzips (Art. 5 Abs. 1 BV) sowie weitere Rügen aus einem späteren Schreiben unbeachtet.

2. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts

Grundsätzlich wendet das Bundesgericht das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Eine Verletzung von Grundrechten prüft es jedoch nur, wenn sie von der beschwerdeführenden Partei substanziiert gerügt und begründet wurde (Art. 106 Abs. 2 BGG). Bei der Sachverhaltsfeststellung ist das Bundesgericht an die Feststellungen der Vorinstanz gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, diese wurden offensichtlich unrichtig oder in Verletzung des Rechts ermittelt (Art. 105 Abs. 2 BGG). Die Beschwerdeführerin muss eine solche Mangelhaftigkeit präzise darlegen (Art. 97 Abs. 1, 106 Abs. 2 BGG). Appellatorische Kritik wird nicht berücksichtigt. Das Bundesgericht wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Beschwerdeschrift zahlreiche Fakten enthielt, die nicht aus dem angefochtenen Urteil hervorgingen und daher unbeachtet blieben, da keine willkürliche Sachverhaltsfeststellung gerügt wurde.

3. Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV)

Die Beschwerdeführerin machte verschiedene Verletzungen ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend:

  • Unzureichende Begründung des vorinstanzlichen Entscheids: Das Bundesgericht bestätigte, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör eine Begründungspflicht der Behörde beinhaltet, die es dem Betroffenen ermöglicht, die Tragweite der Entscheidung zu verstehen und sie sachgerecht anzugreifen (vgl. BGE 143 III 65 E. 5.2). Die Behörde muss nicht alle Argumente behandeln, sondern kann sich auf die entscheidrelevanten Fragen beschränken (BGE 147 IV 249 E. 2.4). Die Vorinstanz hatte die anwendbaren kantonalen Bestimmungen zitiert und das Gesuch der Beschwerdeführerin als vage, unlogisch, inkohärent und unvollständig beurteilt. Sie stellte fest, dass die Beschwerdeführerin viele Elemente aus dem Internet kopiert hatte, ohne Quellenangabe oder konkrete Erläuterung der Umsetzung. Obwohl nicht jedes einzelne fehlende Detail aufgeführt wurde, war die Begründung in ihrer Gesamtheit ausreichend.

  • Nichtbehandlung spezifischer Rügen:

    • "Exzessiver Formalismus": Die Beschwerdeführerin rügte, die Vorinstanz habe eine Rüge des "exzessiven Formalismus" in ihrer Replik nicht behandelt. Das Bundesgericht verneinte die Zulässigkeit dieser Rüge, da die Beschwerdeführerin nicht dargelegt hatte, dass das kantonale Verfahrensrecht die Geltendmachung neuer Rügen in der Replik zulässt. Zudem sei die Rüge extrem konfus und nicht entscheidrelevant gewesen.
    • Art. 58g der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV): Die Rüge, die Vorinstanz habe Art. 58g KVV nicht behandelt, wurde als "unverständlich" und "nicht zulässig" (Art. 106 Abs. 2 BGG) abgewiesen. Es war auch nicht ersichtlich, inwiefern diese Bestimmung (Qualitätsanforderungen an Leistungserbringer) im vorliegenden Kontext entscheidrelevant gewesen wäre.
  • Weitere Gehörsverletzungen:

    • Recht auf Replik bezüglich Website-Konsultation: Die Beschwerdeführerin machte geltend, ihr Replikrecht sei verletzt worden, da die Vorinstanz eine Webseite des Kantons Genf (mit Informationen zu Bewilligungsanträgen für Gesundheitsinstitutionen) ohne ihr Wissen konsultiert und diese in ihrem Urteil erwähnt habe. Das Bundesgericht verwarf diese Rüge: Die Vorinstanz habe lediglich auf eine öffentliche kantonale Webseite verwiesen, die die gesetzlich vorgeschriebenen Dokumente und deren Inhalte gemäss kantonalem Recht (Art. 101 LS/GE, Art. 4 RISanté/GE) darlegt. Dies sei eine Bestimmung der anwendbaren Rechtsnormen und keine Gehörsverletzung.
    • Abschluss der Instruktion: Die Behauptung, die "Behörde" habe sie informiert, ihr Gesuch sei abgeschlossen, obwohl dies nicht der Fall gewesen sei, und sie dadurch willkürlich der nötigen Verteidigungszeit beraubt worden sei, wurde ebenfalls abgewiesen. Das Gericht kann die Instruktion beenden, sobald es sich aufgrund der vorliegenden Beweise eine Überzeugung gebildet hat (antizipierte Beweiswürdigung, vgl. BGE 145 I 167 E. 4.1). Die Beschwerdeführerin habe diesbezüglich keine kantonale Verfahrensnorm gerügt.
    • Unvollständige Akten: Die Rüge, das Dossier des Departements vor der Cour de justice sei unvollständig gewesen, da es das Bewilligungsgesuch der Beschwerdeführerin nicht enthalten habe, wurde als unbegründet erachtet. Das Bundesgericht stellte fest, dass die Beschwerdeführerin ihr Gesuch vom Februar 2024 selbst als Beilage zu ihrer Beschwerde an die Cour de justice eingereicht hatte. Zudem habe der angefochtene Entscheid den Inhalt dieses Gesuchs detailliert beschrieben, was zeige, dass es berücksichtigt wurde.
4. Rüge der Verletzung von Art. 6 EMRK (Recht auf öffentliche Verhandlung und Zeugenbefragung)

Die Beschwerdeführerin rügte eine Verletzung von Art. 6 EMRK und das Recht auf eine öffentliche Verhandlung sowie die Verweigerung der Anhörung zweier Zeugen (ehemalige stellvertretende Kantonsärztin, ehemaliger Leiter des "droit de pratique" ad interim).

Das Bundesgericht führte aus, dass Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK (im Strafrecht) mutatis mutandis auch für Zivilverfahren gilt, jedoch mit grösserem Ermessensspielraum für die Vertragsstaaten. Das Recht auf ein faires Verfahren schliesst die antizipierte Beweiswürdigung nicht aus (Urteile 1C_594/2023 E. 4.1; 2C_804/2022 E. 10.1 und 10.2). Die Vorinstanz hatte die Relevanz der beantragten Zeugenaussagen verneint, da die Beschwerdeführerin keine Erklärungen dazu geliefert hatte, was die Zeugen zur Sache beitragen könnten, ausser vagen Behauptungen über eine "schnelle Validierung des Dossiers" und "ausgeübten Druck". Da die Beweismittel nicht entscheidrelevant waren und die Vorinstanz die Beweise antizipiert würdigen durfte, wurde die Rüge abgewiesen.

5. Rüge der willkürlichen Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung (Art. 9 BV)

Die Beschwerdeführerin behauptete Willkür bei der Feststellung von acht Punkten, die insbesondere die Organisation der geplanten Institution (Fehlen von Interventionskriterien), die Pflichtenhefte, das Präventionskonzept gegen Missbrauch und ein unzureichendes Organigramm betrafen.

Das Bundesgericht erinnerte daran, dass Willkür (Art. 9 BV) vorliegt, wenn der Richter den Sinn und die Tragweite eines Beweismittels offensichtlich verkannt, ohne ernsthaften Grund ein wichtiges Beweismittel ausser Acht gelassen oder unhaltbare Schlüsse gezogen hat. Die beschwerdeführende Partei muss Willkür detailliert darlegen (Art. 106 Abs. 2 BGG). Die Beschwerdeführerin beschränkte sich auf appellatorische Kritik und konnte nicht präzise darlegen, inwiefern die gerügten Sachverhaltsfeststellungen willkürlich waren oder wie eine Korrektur dieser Punkte den Ausgang der Sache beeinflussen würde. Beispielsweise beschrieb sie die Umsetzung eines Präventionskonzepts erst in ihrer Beschwerde an das Bundesgericht, ohne zu behaupten, dies sei bereits im ursprünglichen Bewilligungsgesuch enthalten gewesen. Die Rüge wurde daher als appellatorisch und unzureichend begründet abgewiesen.

6. Weitere Verfassungsrügen

Weitere von der Beschwerdeführerin erhobene Verfassungsrügen (z.B. Art. 5 Abs. 3 BV, Art. 27 BV in Verbindung mit Art. 8 und 36 BV) wurden mangels hinreichender Begründung (Art. 106 Abs. 2 BGG) nicht geprüft.

IV. Fazit und Entscheid

Das Bundesgericht weist die Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden konnte, ab. Die Beschwerdeführerin trägt die Gerichtskosten.

V. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte

Das Bundesgericht hat die Beschwerde der A.__ SA gegen die Verweigerung einer Betriebsbewilligung für eine Spitex-Organisation abgewiesen. Die Hauptgründe für die Abweisung waren: 1. Mängel im Bewilligungsgesuch: Das Gesuch war gemäss kantonaler Behörden und Vorinstanz vage, unorganisiert, inkohärent, unvollständig und wies zahlreiche Inkonsistenzen auf, insbesondere fehlte eine adäquate Organisation zur Gewährleistung der Pflegequalität. 2. Keine Verletzung des rechtlichen Gehörs: Die Begründung des vorinstanzlichen Entscheids war ausreichend, neue Rügen in der Replik waren unzulässig, und der Verweis auf eine öffentliche kantonale Webseite zur Darstellung der Bewilligungsvoraussetzungen stellte keine Gehörsverletzung dar. 3. Keine Verletzung von Art. 6 EMRK: Die Verweigerung der Zeugenbefragung war aufgrund mangelnder Relevanz der Aussagen und gestützt auf das Prinzip der antizipierten Beweiswürdigung zulässig. 4. Keine willkürliche Sachverhaltsfeststellung: Die Kritik an der Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz war appellatorisch und genügte den strengen Anforderungen an die Rüge von Willkür nicht.

Das Bundesgericht bestätigte damit die Auffassung der Vorinstanzen, dass die Beschwerdeführerin die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Betriebsbewilligung nicht erfüllt hatte.