Zusammenfassung von BGer-Urteil 7B_1154/2024 vom 2. Oktober 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:

Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts (7B_1154/2024 vom 2. Oktober 2025)

I. Einleitung

Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts befasst sich mit einem Beschwerdeverfahren in Strafsachen, welches die Abweisung eines Siegelungsbegehrens durch die Bundesanwaltschaft und dessen Bestätigung durch die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zum Gegenstand hat. Die Beschwerdeführerinnen, drei Gesellschaften der ehemaligen B._-Finanzgruppe (nunmehr A._ Group AG, A._ AG, A._ Switzerland AG), wehrten sich gegen die Weigerung der Bundesanwaltschaft, von ihnen eingereichte, passwortgeschützte Unterlagen im Rahmen eines Geldwäschereiverfahrens zu versiegeln.

II. Sachverhalt und Verfahrensgang

Die Bundesanwaltschaft (BA) eröffnete am 19. September 2023 ein Strafverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Geldwäscherei (Art. 305bis StGB). Hintergrund ist der sogenannte Mosambik-"Schuldenskandal", bei dem eine Zahlung von USD 7.86 Mio. mutmasslich deliktischer Herkunft über ein Konto bei der damaligen B.__ (Schweiz) AG abgewickelt und die Kontoschliessung ohne eine Verdachtsmeldung an die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) erfolgte. Die BA untersucht strafrechtsrelevante Unterlassungen oder Handlungen unbekannter Mitarbeiter der Finanzgruppe.

Am 29. Mai 2024 erliess die BA eine umfassende Editionsverfügung an die betroffenen Bankgesellschaften. Sie forderte detaillierte Auskünfte und Unterlagen, insbesondere: 1. Betreffend Organisation und Weisungswesen: Interne Richtlinien, Manuals, Checklisten, Info-Kits zur Geldwäschereibekämpfung (GwG, GwV-FINMA, VSB), Listen von Abteilungen, Global Policies, Länder- und Risikolisten, Handbücher zu KYC (Know Your Customer), PEP (Politisch Exponierte Personen) sowie Auflistungen von IT-Tools und Datenbanken zur Überwachung von Kundeninformationen und Transaktionen. 2. Betreffend die Kundenbeziehung C.__ AG: Auflistung ungewöhnlicher Transaktionen, Kontrollberichte über Geldflüsse, SWIFT-Belege, Medienrecherchen, World-Check- und interne Datenbankanfragen zur C.__ AG und den damit verbundenen Personen (insbesondere Iskandar und Akram SAFA als "Undesirable Client"), sowie Unterlagen zu internen Warnungen und PEP-Prüfungen.

Die BA verfügte, dass die Unterlagen direkt als Beweismittel beschlagnahmt würden und ohne Abdeckungen oder Schwärzungen einzureichen seien. Die Rechtsvertreter der A.__ Group AG reichten die Unterlagen am 15. Juli 2024 auf einem passwortgeschützten Datenträger ein und beantragten deren Siegelung, verweigerten jedoch die Herausgabe des Passworts mit der Begründung, es werde dem Entsiegelungsrichter mitgeteilt.

Die Bundesanwaltschaft wies das Siegelungsbegehren mit Verfügung vom 24. Juli 2024 ab und forderte die Herausgabe des Passworts oder die Einreichung eines unverschlüsselten Datenträgers. Sie begründete dies damit, die geltend gemachten Siegelungsgründe seien "offensichtlich ungenügend bzw. ungültig".

Die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts wies die hiergegen erhobene Beschwerde der A.__ Group AG mit Beschluss vom 25. September 2024 ebenfalls ab (hinsichtlich eines Teils der Beschwerde trat sie mangels genügender Begründung nicht ein).

III. Massgebende Punkte und rechtliche Argumente des Bundesgerichts

Das Bundesgericht befasste sich im Wesentlichen mit der Frage, ob die Bundesanwaltschaft das Siegelungsbegehren der Beschwerdeführerinnen zu Recht direkt abweisen durfte, anstatt die Unterlagen zu siegeln und ein Entsiegelungsverfahren einzuleiten.

  1. Zulässigkeit der Beschwerde: Das Bundesgericht trat auf die Beschwerde der A.__ Group AG teilweise nicht ein, da die Anforderungen an die Begründung gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG hinsichtlich bestimmter Punkte (insbesondere betreffend Ziffer 2 der BA-Verfügung) nicht erfüllt waren. Im Übrigen war die Beschwerde zulässig.

  2. Grundsatz der Siegelung und die Möglichkeit der direkten Ablehnung durch die Strafbehörde:

    • Regel: Gemäss Art. 248 Abs. 1 StPO hat die Strafbehörde Aufzeichnungen oder Gegenstände zu versiegeln, wenn die Inhaberin oder der Inhaber geltend macht, diese dürften gemäss Art. 264 StPO nicht beschlagnahmt werden. Über das Vorliegen von geschützten Geheimnissen entscheidet grundsätzlich das Zwangsmassnahmengericht im Entsiegelungsverfahren (Art. 248a StPO), nicht die Staatsanwaltschaft. Die Strafbehörde muss im Zweifel die Siegelung vornehmen.
    • Ausnahme: Das Bundesgericht bestätigt jedoch seine ständige Rechtsprechung, wonach die Strafverfolgungsbehörde ein offensichtlich unbegründetes oder missbräuchliches Siegelungsbegehren direkt ablehnen darf oder darauf nicht eintreten muss. Dies gilt namentlich, wenn die gesuchstellende Person offensichtlich nicht legitimiert ist, das Gesuch verspätet ist oder wenn ein spezifischer Siegelungsgrund nicht sinngemäss angerufen bzw. glaubhaft gemacht wird. Unter Umständen kann eine kurze Begründung zur Glaubhaftmachung des Siegelungsgrundes bereits im Siegelungsbegehren prozessual geboten sein.
    • Zweck des Entsiegelungsverfahrens: Das Entsiegelungsverfahren dient ausschliesslich dem Geheimnisschutz im Hinblick auf die Durchsuchung von Aufzeichnungen und Datenträgern. Es hat nicht die Funktion, die allgemeine Rechtmässigkeit von Zwangsmassnahmen (z.B. deren Verhältnismässigkeit oder den hinreichenden Tatverdacht) selbstständig sicherzustellen. Solche Rügen sind nicht im Entsiegelungsverfahren zu prüfen.
  3. Anrufung von Geschäftsgeheimnissen als Siegelungsgrund:

    • Die Beschwerdeführerinnen beriefen sich im Siegelungsbegehren unter anderem auf Geschäftsgeheimnisse. Die Bundesanwaltschaft und die Vorinstanz hatten dies als unzureichenden Siegelungsgrund abgelehnt, da die angeforderten Dokumente zu den gesetzlichen Pflichten einer Bank als Finanzintermediär gehören und somit kein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse bestehe.
    • Neueste bundesgerichtliche Rechtsprechung: Das Bundesgericht verweist auf seine nach dem angefochtenen Entscheid ergangene, zur Publikation vorgesehene Rechtsprechung (Urteile 7B_950/2024 und 7B_976/2024 vom 15. November 2024 E. 2.4.2; BGE 151 IV 30 E. 2.4). Gemäss dieser neuen Auslegung der am 1. Januar 2024 in Kraft getretenen Fassung von Art. 248 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 264 StPO kommen Geschäfts-, Fabrikations- und Bankgeheimnisse nicht mehr als eigenständige Entsiegelungshindernisse in Frage. Art. 264 StPO regelt abschliessend, welche Geheimnisschutzgründe eine Siegelung rechtfertigen. Diese neue Rechtsprechung gilt unabhängig von der prozessualen Stellung der Inhaber oder Berechtigten.
    • Folge: Auch wenn die Begründung der Vorinstanz noch nicht auf dieser neuen Rechtsprechung basierte, erweist sich ihr Ergebnis hinsichtlich der Ablehnung des Geschäftsgeheimnisses als Siegelungsgrund im Lichte des Bundesrechts als zutreffend.
  4. Anrufung des Anwaltsgeheimnisses (Art. 264 Abs. 1 lit. d StPO):

    • Die Beschwerdeführerinnen behaupteten, in den eingereichten Unterlagen befinde sich "Korrespondenz mit Rechtsanwälten" bzw. "Schreiben von Rechtsanwälten".
    • Kernpunkt der Editionsverfügung: Die BA verlangte bankinterne Regelungen zu Abläufen und Verantwortlichkeiten der Geldwäschereibekämpfung (Ziff. 1) sowie die gesetzlich vorgeschriebene Dokumentation zur Überwachung und Kontrolle der Kundenbeziehung C.__ AG und geldwäschereirechtliche Transaktionsabklärungen (Ziff. 2).
    • Bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Anwaltstätigkeit im Compliance-Bereich: Das Bundesgericht hält an seiner Rechtsprechung fest (BGE 150 IV 470 E. 3.1 f. mit Hinweisen), wonach keine (geheimnisgeschützte) anwaltstypische Tätigkeit vorliegt, wenn Anwältinnen oder Anwälte gesetzlich vorgeschriebene Compliance-Aufgaben (insbesondere Banken-Compliance im Zusammenhang mit der Geldwäschereigesetzgebung) oder die interne Aufsicht (Controlling/Auditing) wahrnehmen. Massgebend ist, ob gesetzlich vorgeschriebene Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten an eine Anwaltskanzlei delegiert werden.
    • Anwendung im vorliegenden Fall: Die edierten Unterlagen fallen gemäss BA und Vorinstanz unter die gesetzlichen Organisations-, Abklärungs- und Dokumentationspflichten nach Art. 7 GwG. Diese Bestimmung verlangt von Finanzintermediären, Belege so zu erstellen und aufzubewahren, dass fachkundige Dritte sich ein zuverlässiges Urteil über Transaktionen und Geschäftsbeziehungen sowie die Einhaltung der GwG-Bestimmungen bilden und Auskunfts- und Beschlagnahmebegehren der Strafverfolgungsbehörden nachkommen können.
    • Mangelhafte Substantiierung durch Beschwerdeführerinnen: Die pauschale Behauptung der Beschwerdeführerinnen, es befinde sich Anwaltskorrespondenz in den Unterlagen, genügte nicht. Angesichts der dargelegten Rechtsprechung zur Banken-Compliance hätten sie konkret angeben müssen, welche der eingereichten Dokumente ihres Erachtens ungeachtet dieser Rechtsprechung als Anwaltskorrespondenz einem Durchsuchungs- und Beschlagnahmeverbot unterliegen sollen. Da die Beschwerdeführerinnen die Unterlagen selbst zusammengetragen hatten, wurde von ihnen erwartet, dass sie präzisere Angaben machen oder streitige Dokumente separat einreichen und nur für diese die Siegelung verlangen.
    • Folge: Auch hinsichtlich des Anwaltsgeheimnisses kam die Vorinstanz zu Recht zum Schluss, dass ein offensichtlich unbegründetes Siegelungsbegehren vorlag.

IV. Fazit

Das Bundesgericht gelangt zum Schluss, dass die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt hat, indem sie die Abweisung des Siegelungsbegehrens durch die Bundesanwaltschaft bestätigte. Die Beschwerdeführerinnen konnten keine gültigen und ausreichend substanziierten Siegelungsgründe anführen, die eine Siegelung der Unterlagen gerechtfertigt hätten.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
  • Ablehnung des Siegelungsbegehrens: Die Bundesanwaltschaft durfte das Siegelungsbegehren direkt abweisen, da es als offensichtlich unbegründet beurteilt wurde; die Strafbehörde muss nicht bei jedem Begehren siegeln und ein Entsiegelungsverfahren einleiten.
  • Geschäftsgeheimnisse nicht mehr als Siegelungsgrund: Gemäss neuerer bundesgerichtlicher Rechtsprechung (ab 1. Januar 2024) sind Geschäfts-, Fabrikations- und Bankgeheimnisse keine eigenständigen Siegelungsgründe mehr gemäss der abschliessenden Aufzählung von Art. 264 StPO.
  • Anwaltsgeheimnis im Compliance-Bereich: Gesetzlich vorgeschriebene Compliance-Aufgaben (insbesondere im GwG-Kontext), auch wenn an externe Anwälte delegiert, gelten nicht als anwaltstypische Tätigkeit und fallen somit nicht unter das Anwaltsgeheimnis gemäss Art. 264 Abs. 1 lit. d StPO.
  • Substantiierungspflicht: Die Beschwerdeführerinnen haben die angebliche Anwaltskorrespondenz nicht hinreichend konkretisiert, um glaubhaft zu machen, dass diese ausserhalb der GwG-Dokumentationspflichten liegt und vom Anwaltsgeheimnis geschützt wäre.