Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.
Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:
Bundesgerichtsurteil 9C_606/2023, 9C_607/2023 vom 24. Oktober 2025
Parteien: * Beschwerdeführerin (9C_606/2023) / Beschwerdegegnerin (9C_607/2023): Ausgleichskasse des Kantons Uri * Beschwerdegegnerin (9C_606/2023) / Beschwerdeführerin (9C_607/2023): A.__ (Versicherte)
Gegenstand: Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV), insbesondere die Berechnung der Altersrente von A.__, betreffend anrechenbare Beitragszeiten, Einkommensteilung bei gerichtlich getrennter Ehe und die Anrechnung von Erziehungsgutschriften.
Sachverhalt (relevant für die rechtliche Würdigung): Die 1960 geborene Versicherte A._ war seit April 1992 verheiratet. Ab August 2000 lebten die Ehegatten gerichtlich getrennt. Im November 2000, also nach der gerichtlichen Trennung, gebar A._ eine Tochter, die nicht das leibliche Kind ihres damaligen Ehemanns ist. Die Ehe wurde im Dezember 2016 geschieden.
Bei der Rentenberechnung wandte die Ausgleichskasse die Rentenskala 33 an, nahm für die Jahre 1993 bis 2015 ein Einkommenssplitting vor und rechnete sieben Erziehungsgutschriften an, wobei diese zwischen der Versicherten und ihrem damaligen Ehemann hälftig geteilt wurden. Das Obergericht des Kantons Uri hiess die Beschwerde der Versicherten teilweise gut und wies die Sache zur Neuberechnung an die Ausgleichskasse zurück, mit der Anweisung, die bis zur Scheidung aufgelaufenen Erziehungsgutschriften nicht zu teilen, sondern A.__ ganz anzurechnen.
Rechtliche Hauptstreitpunkte und Begründung des Bundesgerichts:
Das Bundesgericht hatte im Wesentlichen drei Punkte zu beurteilen: 1. Anrechenbare Beitragszeit und Rentenskala: Die Versicherte beantragte die Anwendung der Rentenskala 34, basierend auf mindestens 31 Beitragsjahren. 2. Einkommensteilung (Ehegattensplitting) bei gerichtlich getrennter Ehe: Die Versicherte rügte die vorinstanzliche Auslegung von Art. 29 quinquies Abs. 3 AHVG, wonach Einkommensteilung auch während der gerichtlich getrennten, aber formell bestehenden Ehe stattfand. 3. Teilung von Erziehungsgutschriften bei gerichtlich getrennter Ehe und nicht-leiblichem Kind: Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) beantragten die Teilung der Erziehungsgutschriften, die Vorinstanz sprach sie der Versicherten ungeteilt zu. Dies war der zentrale Punkt des Verfahrens.
1. Anrechenbare Beitragszeit und Rentenskala (E. 3):
Die Versicherte machte geltend, es seien mindestens 31 Beitragsjahre anzurechnen, was zur Anwendung der Rentenskala 34 führen würde. Die Vorinstanz hatte jedoch festgestellt, dass die zusätzlich geltend gemachten Beitragszeiten entweder bereits berücksichtigt oder nicht hinreichend nachgewiesen waren (z.B. ein Praktikum von 1988). Das Bundesgericht wies die Beschwerde der Versicherten in diesem Punkt ab. Es hielt fest, dass die Versicherte sich nicht substanziiert mit den Erwägungen der Vorinstanz auseinandersetze und die Beschwerdeschrift den Begründungsanforderungen von Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG nicht genüge. Neue Tatsachen und Beweismittel, die erstmals vor Bundesgericht vorgebracht wurden, seien unzulässig (Art. 99 Abs. 1 BGG).
2. Einkommensteilung (Splitting) bei gerichtlich getrennter Ehe (E. 4):
Die Versicherte beanstandete das Einkommenssplitting (Art. 29 quinquies Abs. 3 AHVG) für die Jahre, in denen sie gerichtlich getrennt von ihrem Ehemann lebte. Sie argumentierte, eine faktisch nicht mehr gelebte Ehe dürfe nicht als "Ehe" im Sinne dieser Bestimmung gelten; es sei auf einen "materiellen Ehebegriff" abzustellen.
Das Bundesgericht bestätigte die Auslegung der Vorinstanz. Es verwies darauf, dass bei der Auslegung sozialversicherungsrechtlicher Regelungen, die an familienrechtliche Tatbestände anknüpften, grundsätzlich die zivilrechtliche Bedeutung des jeweiligen Instituts massgebend sei, sofern der Gesetzgeber nichts Gegenteiliges angeordnet habe (vgl. BGE 135 V 361 E. 5.2). Weder der Wortlaut von Art. 29 quinquies Abs. 3 AHVG ("Einkommen, welche die Ehegatten während der Kalenderjahre der gemeinsamen Ehe erzielt haben") noch die Gesetzessystematik böten Anhaltspunkte für eine Ausnahme bei gerichtlich getrennt lebenden Ehegatten. Die allgemeinen Wirkungen der Ehe, wie die eheliche Beistands- und Unterhaltspflicht, dauerten bis zur Scheidung fort (vgl. BGE 135 V 361 E. 5.3.2 ff.). Das Gericht schloss, dass Art. 29 quinquies Abs. 3 AHVG nicht zwischen getrennt und ungetrennt lebenden Ehegatten unterscheide; daher seien auch Einkommen zu teilen, die während einer getrennten, aber formell bestehenden Ehe erzielt wurden. Die Vorbringen der Versicherten vermochten diese Argumentation nicht infrage zu stellen.
3. Teilung von Erziehungsgutschriften (E. 5):
Dies war der zentrale und komplexeste Streitpunkt. Es ging um die Frage, ob die Erziehungsgutschriften für das nach der gerichtlichen Trennung geborene aussereheliche Kind zwischen der Versicherten und ihrem damaligen Ehemann zu teilen sind.
a) Rechtsgrundlagen und Zweck der Erziehungsgutschriften: Das Bundesgericht erläuterte, dass Erziehungsgutschriften (Art. 29 sexies AHVG) mit der 10. AHV-Revision (1997) eingeführt wurden, um die unentgeltliche Kindesbetreuung, welche die Erwerbsmöglichkeiten einschränkt, durch ein fiktives Einkommen bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen. Sie entsprechen dem Dreifachen der minimalen jährlichen Altersrente. Bei verheirateten Personen werden diese Gutschriften während der Ehejahre hälftig aufgeteilt (Art. 29 sexies Abs. 3 AHVG). Dieser Grundsatz findet auch bei Stiefkindverhältnissen Anwendung, wo der Stiefelternteil aufgrund der ehelichen Beistandspflicht (Art. 299 ZGB) einen abgeleiteten Anspruch auf die Hälfte der Gutschriften hat (BGE 126 V 429 E. 3b). Dabei spielt es im Rahmen der ehelichen Gemeinschaft keine Rolle, ob und in welchem Umfang sich der Stiefelternteil tatsächlich an der Kinderbetreuung beteiligt oder ob ein tatsächlicher Einkommensausfall eintritt. Für geschiedene oder nicht miteinander verheiratete Eltern mit gemeinsamer elterlicher Sorge wurde mit Art. 52f bis AHVV (seit 2015) eine Regelung geschaffen, wonach die Anrechnung der Erziehungsgutschriften durch das Gericht oder die Kindesschutzbehörde nach den tatsächlichen Betreuungsanteilen erfolgt: Bei überwiegender Betreuung durch einen Elternteil wird ihm die ganze Gutschrift angerechnet, bei gleicher Betreuung hälftig geteilt.
b) Die strittige Konstellation und die Argumente der Parteien: Im vorliegenden Fall war die Versicherte zum Zeitpunkt der Geburt der Tochter bereits gerichtlich von ihrem Ehemann getrennt. Der Ehemann war nicht der leibliche Vater, hatte keine elterliche Sorge und nach den Feststellungen der Vorinstanz kein Betreuungsverhältnis zum Kind. Die Ausgleichskasse und das BSV argumentierten, die Teilungsgrundsätze für Stiefkinder (BGE 126 V 429) seien sinngemäss anzuwenden. Sie betonten den pauschalen Charakter der Erziehungsgutschriften, die Unabhängigkeit von konkreten Betreuungsleistungen und die Praktikabilität für das "Massengeschäft" der AHV. Sie wiesen darauf hin, dass es keine spezifische Regelung für getrennt lebende Ehepaare gebe, die Art. 52f bis AHVV entspreche. Die Versicherte und die Vorinstanz hingegen hielten fest, dass die tatsächlichen Verhältnisse und der Zweck der Erziehungsgutschriften entscheidend seien. Bei einem inexistenten Betreuungsverhältnis des Ehemanns zum Kind sei eine Teilung nicht gerechtfertigt.
c) Begründung des Bundesgerichts zur Teilung der Erziehungsgutschriften: Das Bundesgericht bestätigte die Auffassung der Vorinstanz und wies die Beschwerde der Ausgleichskasse ab. Es begründete dies wie folgt: * Abgrenzung zum ungetrennten Zusammenleben: Während der ungetrennten ehelichen Gemeinschaft rechtfertigt die eheliche Beistandspflicht (Art. 299 ZGB) des Stiefelternteils (oder des Ehegatten eines leiblichen Elternteils eines ausserehelichen Kindes) die hälftige Teilung der Erziehungsgutschriften. Dies gilt unabhängig von der tatsächlichen Beteiligung an der Betreuung. Der Zweck der Gutschrift, den durch Kinderbetreuung bedingten Erwerbsausfall abzugelten, wird als gemeinsame Aufgabe der Ehegatten verstanden. * Wegfall der Ratio nach gerichtlicher Trennung: Mit einer gerichtlichen Trennung fällt der Rahmen für die gemeinsame Betreuung weg. Die Kinderbelange werden nun Gegenstand einer behördlichen (gerichtlich genehmigten) Trennungsvereinbarung oder gerichtlichen Regelung, welche die Befugnisse und Aufgaben der Ehegatten konkret umschreibt (z.B. Art. 118 Abs. 2 i.V.m. Art. 176 Abs. 3 und Art. 298 Abs. 2 ZGB). * Keine Rechtfertigung der Teilung bei fehlender Betreuung: Ist der getrennt lebende, nicht sorgeberechtigte Ehegatte von der Betreuung des Kindes entbunden – wie im vorliegenden Fall, wo nie ein Betreuungsverhältnis zum nach der Trennung geborenen Kind bestand –, entfällt die ursprüngliche Ratio und Rechtfertigung für eine Teilung der Erziehungsgutschriften. Ein Splitting unter diesen Umständen verstiesse gegen das Gleichheitsgebot (Art. 8 Abs. 1 BV), da rechtserheblich Ungleiches nicht gleich behandelt werden darf. Dies gilt insbesondere für ein Kind, das erst nach der Trennung geboren wurde und zu dem der getrennt lebende Ehegatte keinerlei Verbindung oder Betreuungsleistung aufweist. * Analoge Anwendung von Art. 52f bis AHVV: Das Fehlen einer spezifischen Regelung für getrennt lebende Ehepaare wie Art. 52f bis AHVV bedeute nicht, dass eine Teilung zwingend erfolgen müsse. Vielmehr sei die Frage der Teilung in solchen Fällen sinngemäss nach den Kriterien des Art. 52f bis AHVV zu beantworten, d.h. basierend auf den tatsächlichen Betreuungsanteilen. Ein abgeleiteter Anspruch des nichtsorgeberechtigten Ehegatten auf Teilhabe an den Erziehungsgutschriften setze nach der Trennung einen erheblichen Betreuungsanteil gemäss gerichtlicher Regelung oder Vereinbarung voraus. * Praktikabilität der Umsetzung: Der Einwand der Ausgleichskasse und des BSV, die Berücksichtigung tatsächlicher Betreuungsverhältnisse sei im Massengeschäft der AHV unpraktikabel, wurde zurückgewiesen. Die Ausgleichskassen müssten keine retrospektiven Abklärungen über vergangene Betreuungsverhältnisse treffen. Sie könnten sich auf die in gerichtlichen Regelungen des Getrenntlebens oder gerichtlich genehmigten Vereinbarungen enthaltenen Festlegungen über allfällige Betreuungsanteile abstützen. * Keine Beiladung des Ehemanns notwendig: Die Anrechnung der Erziehungsgutschriften erfolgt individuell bei Erreichen des Referenzalters. Der geschiedene Ehemann wird bei seiner eigenen Rentenberechnung auf der Grundlage der dann ermittelten Verhältnisse berücksichtigt.
d) Ergebnis zu den Erziehungsgutschriften: Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass der Versicherten die gesamten Erziehungsgutschriften anzurechnen sind. Die Vorinstanz hat dies zu Recht angenommen.
Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte: