Zusammenfassung von BGer-Urteil 6B_233/2024 vom 8. Oktober 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:

Detaillierte Zusammenfassung des Bundesgerichtsurteils 6B_233/2024 vom 8. Oktober 2025

1. Einleitung und Sachverhalt

Das Urteil des Bundesgerichts 6B_233/2024 vom 8. Oktober 2025 betrifft eine Beschwerde in Strafsachen des Beschwerdeführers A._ gegen ein Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich. Das Obergericht hatte A._ der Vergewaltigung, der sexuellen Nötigung und der versuchten Nötigung schuldig gesprochen und ihn zu einer Freiheitsstrafe von 34 Monaten (als Zusatzstrafe) verurteilt, unter Bestätigung der zivilrechtlichen Genugtuungs- und Schadenersatzansprüche der Beschwerdegegnerinnen B._ (Opfer) und C._ AG. Der Beschwerdeführer beantragte vor Bundesgericht einen Freispruch von diesen Vorwürfen sowie die Aufhebung der zivilrechtlichen Verpflichtungen und eine Neuverteilung der Kosten.

Das Obergericht hatte festgestellt, dass der Beschwerdeführer seine Ex-Freundin B._ am 15. Juni 2019 in deren Wohnung gegen ihren Willen geküsst, festgehalten, ins Schlafzimmer geführt und dort zweimal vaginal penetriert sowie einmal zu Oralverkehr gezwungen habe. Dabei habe B._ mehrfach verbal und körperlich Widerstand geleistet und geweint. Der Beschwerdeführer habe während des gesamten Vorfalls verbal gedroht und am Ende geäussert, er hoffe, sie geschwängert zu haben.

2. Massgebende Rechtsfragen und Begründung des Bundesgerichts

Das Bundesgericht hatte im Wesentlichen drei Hauptpunkte zu prüfen: 1. Die Notwendigkeit einer erneuten Einvernahme der Beschwerdegegnerin 2 im Berufungsverfahren. 2. Die Rüge der willkürlichen Sachverhaltsfeststellung durch die Vorinstanz. 3. Die Frage der Konkurrenz zwischen den Delikten der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung.

2.1. Zur erneuten Einvernahme der Beschwerdegegnerin 2 (Rüge der Verletzung des Unmittelbarkeitsprinzips und des Konfrontationsrechts)

a) Problemstellung: Der Beschwerdeführer rügte, die Vorinstanz habe Art. 343 Abs. 3 i.V.m. Art. 389 Abs. 1 und Art. 405 Abs. 1 StPO sowie Art. 6 EMRK verletzt, indem sie die Beschwerdegegnerin 2 trotz einer "Aussage gegen Aussage"-Konstellation nicht im Berufungsverfahren erneut einvernommen habe. Er argumentierte, ihre Aussagen seien inkonstant und widersprüchlich, ihr Verhalten vor und nach der Tat spreche gegen ihre Darstellung, und auch ihr Aussageverhalten (Ausweichen, Weinen, angebliches "Soufflieren" durch die Rechtsvertreterin) lasse Zweifel an der Glaubhaftigkeit aufkommen.

b) Rechtliche Grundlagen: * Das Rechtsmittelverfahren beruht gemäss Art. 389 Abs. 1 StPO grundsätzlich auf den bereits erhobenen Beweisen. Beweise sind gemäss Art. 389 Abs. 2 StPO nur dann zu wiederholen, wenn die Erhebungen rechtsfehlerhaft, unvollständig oder unzuverlässig sind. * Art. 343 Abs. 3 i.V.m. Art. 405 Abs. 1 StPO verlangt eine erneute Beweisabnahme, sofern die unmittelbare Kenntnis des Beweismittels für die Urteilsfällung notwendig erscheint. Dies ist insbesondere bei "Aussage gegen Aussage"-Konstellationen der Fall, wenn die Kraft des Beweismittels entscheidend vom unmittelbaren Eindruck des Aussageverhaltens abhängt (BGE 140 IV 196 E. 4.4.2). Es kommt auf das "Wie sie es sagt", nicht nur auf das "Was sie sagt" an. * Die bundesgerichtliche Rechtsprechung hält fest, dass auf Video aufgezeichnete Einvernahmen genügen können, um sich ein hinreichendes Bild von der Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit der Aussagen zu verschaffen, namentlich wenn weitere Sachbeweise oder Indizien vorliegen und die einvernommene Person konstant und in sich logisch konsistent aussagt (vgl. Urteile 6B_70/2023 vom 31. Juli 2023 E. 5.2.1). * Dem Gericht steht bei der Frage der Notwendigkeit einer erneuten Beweisabnahme ein Ermessensspielraum zu (BGE 140 IV 196 E. 4.4.2). * Der Konfrontationsanspruch gemäss Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK ist gewahrt, wenn der Beschuldigte wenigstens einmal während des Verfahrens angemessene Gelegenheit hatte, Fragen an den Belastungszeugen zu stellen (BGE 150 IV 345 E. 1.6.3.2).

c) Anwendung und Schlussfolgerung: Das Bundesgericht stützte die vorinstanzliche Haltung. Es stellte fest, dass die Vorwürfe der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung schwere "Vier-Augen-Delikte" darstellten und die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 das wesentliche Beweismittel waren. Es kam jedoch zum Schluss, dass die wiederholten und teils in freier Erörterung gemachten Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 in ihrer Gesamtheit – insbesondere in Bezug auf das Kerngeschehen – als konstant und widerspruchsfrei zu werten seien. Das Verhalten der Beschwerdegegnerin 2 vor und nach der Tat sei nicht als widersprüchlich zu bezeichnen. Die über sieben Stunden umfassenden audiovisuellen Aufzeichnungen vermittelten der Vorinstanz einen hinreichenden Eindruck vom Aussageverhalten und ermöglichten eine willkürfreie Beurteilung der Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit. Die Aussage der Zeugin D.__ stütze die Darstellung der Beschwerdegegnerin 2 als Indiz. Da der Beschwerdeführer mit seiner Verteidigung an den staatsanwaltschaftlichen Einvernahmen teilnehmen und Ergänzungsfragen stellen konnte, wurde auch der Konfrontationsanspruch gemäss Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK nicht verletzt. Die Vorinstanz durfte im Rahmen ihres Ermessens auf eine erneute Einvernahme verzichten.

2.2. Zur willkürlichen Sachverhaltsfeststellung (Art. 9 BV i.V.m. Art. 97 Abs. 1 BGG)

a) Grundsatz: Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Sachverhaltsrüge ist nur zulässig, wenn die Feststellung offensichtlich unrichtig (willkürlich) ist oder auf einer Rechtsverletzung beruht und die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Willkür liegt vor, wenn die Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, d.h. in klarem Widerspruch zur tatsächlichen Situation steht oder auf einem offenkundigen Fehler beruht. Es genügt nicht, dass eine andere Lösung ebenfalls möglich erscheint.

b) Spezifische Willkürrügen und Erwägungen des Bundesgerichts:

  • Inkonstanz und Widersprüchlichkeiten der Aussagen der Beschwerdegegnerin 2: Der Beschwerdeführer rügte, die Beschwerdegegnerin 2 habe in Bezug auf Details wie Fussstritte, Würgereflex oder den genauen Ablauf des Ausziehens der Kleidung widersprüchliche Angaben gemacht. Das Bundesgericht bestätigte die vorinstanzliche Würdigung, dass solche Unstimmigkeiten als "Spitzfindigkeiten" oder geringfügige Abweichungen zu werten seien, die die Glaubhaftigkeit der konsistenten Schilderung des Kerngeschehens nicht erschüttern. Die Vorinstanz habe diese Punkte einlässlich gewürdigt und plausibel erklärt, dass sie im Kontext der belastenden Situation der Beschwerdegegnerin 2 nachvollziehbar seien und nicht auf Willkür schliessen liessen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör wurde nicht verletzt, da die Vorinstanz die wesentlichen Vorbringen geprüft hat.

  • Verhalten der Beschwerdegegnerin 2 vor und nach der Tat: Der Beschwerdeführer monierte eine "implizite Drohung" vor der Tat, den Anruf der Beschwerdegegnerin 2 wegen des vergessenen Portemonnaies nach der Tat und die fehlende Erwähnung einer Vergewaltigung in der späteren Kommunikation, wo nur von "respektlosem Verhalten" die Rede gewesen sei. Das Bundesgericht teilte die Auffassung der Vorinstanz, wonach das Verhalten der Beschwerdegegnerin 2 vor und nach dem Vorfall nicht als widersprüchlich zu ihren Aussagen zu werten sei. Die Äusserung vor der Tat sei als Ausdruck des Glaubens an ausgleichende Gerechtigkeit zu verstehen. Die Reaktionen nach einem traumatischen Erlebnis seien individuell verschieden; es gebe kein "typisches" Verhalten, und weder eine sofortige Anzeige noch ein bestimmtes Kommunikationsmuster seien vorauszusetzen. Die Kommunikation im Kontext einer gescheiterten und emotional belasteten Beziehung sei nachvollziehbar (vgl. BGE 147 IV 409 E. 5.4.1).

  • Widersprüche im vorinstanzlichen Urteil: Der Beschwerdeführer sah einen Widerspruch darin, dass die Vorinstanz einerseits einen Freispruch vom Hausfriedensbruch ausgesprochen, aber dennoch ein freiwilliges Folgen ins Schlafzimmer verneint und Vorsatz für die Vergewaltigung bejaht habe. Er bemängelte zudem angebliche Widersprüche in der Schilderung des Schreiverhaltens. Das Bundesgericht bestätigte, dass die Feststellungen der Vorinstanz nicht widersprüchlich seien. Das freiwillige Folgen ins Schlafzimmer schliesse einen später erzwungenen Geschlechtsverkehr nicht aus, da die Beschwerdegegnerin 2 zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, was sie erwartet. Der Freispruch vom Hausfriedensbruch beruhte auf der schnellen Abfolge der Ereignisse, nicht auf einem fehlenden Widerwillen. Die deutliche verbale und physische Gegenwehr habe den Vorsatz für die Vergewaltigung begründet. Die Abfolge von Schreien und späterem Ruhigwerden sei plausibel.

  • Aussageverhalten der Beschwerdegegnerin 2 in Video-Einvernahmen: Die Rüge des Beschwerdeführers, die Beschwerdegegnerin 2 sei kritischen Fragen ausgewichen, habe geweint oder sei von ihrer Rechtsvertreterin "gesouffliert" worden, wurde vom Bundesgericht als unbegründet abgewiesen. Die Vorinstanz durfte willkürfrei zum Schluss kommen, dass die gezeigten Emotionen im Kontext des Anklagesachverhalts plausibel waren und keine Hinweise auf Unglaubhaftigkeit gaben. Ein "Soufflieren", das die Aussagen entwerten würde, sei nicht ersichtlich gewesen.

  • Beweiswert der Zeugenaussage D.__: Die Rüge, dass sich die Beschwerdegegnerin 2 erst zwei Wochen später D._ anvertraut habe, sei nicht aussagekräftig, wurde ebenfalls abgewiesen. Die Vorinstanz habe die Aussage der Zeugin D._ plausibel gewürdigt, insbesondere die Erklärung des Zuwartens mit Schamgefühlen, was im Kontext sexueller Übergriffe häufig vorkommt.

  • Unglaubhaftigkeit der Aussagen des Beschwerdeführers (Verletzung Unschuldsvermutung): Der Beschwerdeführer rügte eine willkürliche Einstufung seiner Aussagen als unglaubhaft. Er erklärte seine vage Erinnerung an den Geschlechtsakt mit dessen geringer persönlicher Bedeutung. Das Bundesgericht teilte die vorinstanzliche Würdigung, dass die Ausführungen des Beschwerdeführers zum Kerngeschehen "äusserst pauschal" und vage gewesen seien, während er sich an das emotionale Rahmengeschehen detailliert erinnern konnte. Diese selektiven Erinnerungslücken sowie seine Versuche, die Beschwerdegegnerin 2 zu diskreditieren (z.B. durch unwahre Behauptungen über Drogenkonsum), und widersprüchliche Angaben zu anderen Sachverhalten (Abholung des Portemonnaies) sprächen gegen die Glaubhaftigkeit seiner Aussagen. Die differenzierte Betrachtung der Vorinstanz sei nicht willkürlich und verletze die Unschuldsvermutung (Art. 10 StPO) nicht.

2.3. Zur Konkurrenz von Vergewaltigung und sexueller Nötigung

a) Problemstellung: Der Beschwerdeführer argumentierte, der erzwungene Oralverkehr sei aufgrund des engen Zusammenhangs mit dem vaginalen Geschlechtsverkehr und dem Fehlen eines neuen Tatentschlusses von der Vergewaltigung konsumiert (lex specialis). Es hätte nur ein Schuldspruch wegen Vergewaltigung erfolgen dürfen.

b) Rechtliche Grundlagen (gemäss dem bis zum 30. Juni 2024 geltenden Sexualstrafrecht): * Das Bundesgericht wies darauf hin, dass die neue Sexualstrafrechtsrevision (in Kraft seit 1. Juli 2024) auf diesen Fall nicht anwendbar ist, da das Bundesgericht nicht prüft, ob das nach Ausfällung des kantonalen Entscheids in Kraft getretene Recht milder wäre (Art. 2 Abs. 2 StGB). Es gilt das alte Recht (aArt. StGB). * Vergewaltigung (aArt. 190 StGB) geht der sexuellen Nötigung (aArt. 189 StGB) als lex specialis grundsätzlich vor. * Eine echte Realkonkurrenz (d.h. zwei separate Delikte) liegt jedoch vor, wenn zusätzlich zum Beischlaf weitere beischlafsähnliche oder andere sexuelle Handlungen vorgenommen werden, die jeweils auf eine eigenständige geschlechtliche Befriedigung abzielen. Dies ist namentlich der Fall, wenn neben einer vaginalen Penetration zusätzlich ein erzwungener Oral- oder Analverkehr erfolgt, insbesondere dann, wenn die Handlungen zeitlich getrennt stattfinden (BGE 122 IV 97 E. 2c; Urteile 6B_995/2020 vom 5. Mai 2021 E. 2.4.1).

c) Anwendung und Schlussfolgerung: Der Beschwerdeführer vergewaltigte die Beschwerdegegnerin 2 zunächst vaginal (ca. 5-6 Minuten), zwang sie anschliessend während etwa 2-3 Minuten zu oralem Geschlechtsverkehr und setzte danach die vaginale Penetration über weitere 5-10 Minuten bis zum Samenerguss fort. Das Bundesgericht stellte fest, dass der erzwungene Oralverkehr keinen blossen Zwischenschritt zur Vergewaltigung darstellte, sondern auf eine eigenständige geschlechtliche Befriedigung nach der ersten vaginalen Penetration abzielte. Er hatte somit eigenständige strafrechtliche Bedeutung. Die Vorinstanz hat daher kein Bundesrecht verletzt, indem sie den Beschwerdeführer sowohl wegen Vergewaltigung als auch wegen sexueller Nötigung verurteilte.

3. Zivilansprüche und Kosten

Der Beschwerdeführer äusserte sich zu den zugesprochenen Genugtuungs- und Schadenersatzforderungen sowie zur Kostenverteilung nicht substanziiert, sondern verwies lediglich auf den beantragten Freispruch. Das Bundesgericht trat auf diese Punkte nicht ein.

4. Ergebnis

Die Beschwerde des Beschwerdeführers A.__ wurde abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  1. Keine erneute Einvernahme: Das Bundesgericht bestätigte, dass die Vorinstanz trotz "Aussage gegen Aussage"-Konstellation willkürfrei auf eine erneute Einvernahme der Geschädigten verzichten durfte, da die audiovisuellen Aufnahmen einen hinreichenden Eindruck ihres Aussageverhaltens vermittelten, ihre Aussagen zum Kerngeschehen konstant und durch Indizien gestützt waren, und das Konfrontationsrecht des Beschwerdeführers gewahrt war.
  2. Willkürfreie Sachverhaltsfeststellung: Die Rügen des Beschwerdeführers bezüglich Inkonstanz, Widersprüchlichkeiten in den Aussagen der Geschädigten, deren Verhalten vor/nach der Tat sowie die Unglaubhaftigkeit der eigenen Aussagen wurden abgewiesen. Das Bundesgericht befand die Beweiswürdigung der Vorinstanz als schlüssig und differenziert, wobei kleinere Ungenauigkeiten der Geschädigten plausibel erklärt und die selektiven Erinnerungslücken sowie Diskreditierungsversuche des Beschwerdeführers zu dessen Ungunsten gewertet wurden.
  3. Echte Realkonkurrenz bei Sexualdelikten: Der erzwungene Oralverkehr wurde als eigenständige sexuelle Nötigung neben der Vergewaltigung gewertet. Da er zeitlich getrennt von der vaginalen Penetration stattfand und auf eine eigene sexuelle Befriedigung abzielte, lag gemäss der Rechtsprechung (anwendbares altes Recht) eine echte Realkonkurrenz vor.
  4. Urteilsbestätigung: Das Bundesgericht bestätigte die Schuldsprüche wegen Vergewaltigung, sexueller Nötigung und versuchter Nötigung sowie die damit verbundenen Sanktionen und zivilrechtlichen Folgen.