Zusammenfassung von BGer-Urteil 6B_538/2025 vom 7. Oktober 2025

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Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (BGer) vom 7. Oktober 2025, Fallnummer 6B_538/2025, befasst sich hauptsächlich mit der Überprüfung von Schuldsprüchen wegen Raufhandels und versuchter schwerer Körperverletzung im Kontext von Notwehr, der Strafzumessung sowie der Höhe einer Genugtuungsleistung.

I. Sachverhalt und Vorinstanzliches Urteil

Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte den Beschwerdeführer A.__ zweitinstanzlich wegen verschiedener Delikte, darunter Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, mehrfache sexuelle Handlungen mit Kindern, Raufhandel und versuchte schwere Körperverletzung, zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren und 180 Tagessätzen Geldstrafe. Zudem ordnete es eine vollzugsbegleitende ambulante Massnahme gemäss Art. 63 StGB an und sprach der Beschwerdegegnerin 2 (Opfer der Vergewaltigung) eine Genugtuung von CHF 32'000.-- zu.

Der Beschwerdeführer beantragte vor Bundesgericht einen Freispruch vom Raufhandel und der versuchten schweren Körperverletzung, eine Reduktion der Freiheitsstrafe auf 36 Monate, den Aufschub des Vollzugs zugunsten einer ambulanten Massnahme und eine Reduktion der Genugtuung für die Beschwerdegegnerin 2 auf CHF 15'000.--.

II. Wesentliche rechtliche Würdigung und Argumentation des Bundesgerichts

1. Raufhandel und versuchte schwere Körperverletzung im Kontext von Notwehr

1.1. Rechtliche Grundlagen: Das BGer rekapituliert die Tatbestandsmerkmale der schweren Körperverletzung (Art. 122 StGB) und des Raufhandels (Art. 133 StGB). Bei letzterem handelt es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, das eine tätliche, wechselseitige Auseinandersetzung zwischen mindestens drei Personen voraussetzt, wobei ein Verletzungserfolg als objektive Strafbarkeitsbedingung eintreten muss. Für den Vorsatz (Art. 12 Abs. 2 StGB) genügt Eventualvorsatz, also das Inkaufnehmen der Tatbestandsverwirklichung. Betreffend Notwehrhilfe (Art. 15 StGB) und Notwehrexzess (Art. 16 StGB) wird festgehalten, dass die Abwehr verhältnismässig sein muss, insbesondere hinsichtlich der Schwere des Angriffs, der bedrohten Rechtsgüter und der Art des Abwehrmittels. Bei der Verwendung gefährlicher Werkzeuge ist besondere Zurückhaltung geboten; der Abwehrende muss das mildeste, zumutbare Mittel wählen. Ein entschuldbarer Notwehrexzess liegt nur vor, wenn die Aufregung oder Bestürzung des Täters überwiegend auf den rechtswidrigen Angriff zurückzuführen ist und es ihm nicht möglich war, besonnen zu reagieren. Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz ist für das BGer grundsätzlich verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann nur bei Willkür oder Rechtsverletzung gerügt werden (Art. 97 Abs. 1 BGG).

1.2. Sachverhalt und vorinstanzliche Beurteilung: Der Beschwerdeführer verfolgte zusammen mit A.C._ den Geschädigten D._, der sich zuvor unrechtmässig auf dem Hof der Familie C._ aufgehalten hatte. In der anschliessenden Konfrontation schlug D._ mit einem Holzstock auf A.C._ ein, welcher wiederum mit einem Gürtel ausholte. Der Beschwerdeführer schlug sodann mit einer ca. 70 cm langen und 4-5 kg schweren Metallstange mit beiden Händen auf den Kopf von D._ und verursachte eine Platzwunde. Die Vorinstanz beurteilte den Sachverhalt als erstellt. Sie ging davon aus, dass der Beschwerdeführer D._ lediglich verfolgte, um ihn im Auge zu behalten und der Polizei zu melden. Auch nahm sie an, dass D._ die Konfrontation suchte und nicht in Notwehr handelte. Dem Beschwerdeführer wurde zugestanden, aus Notwehrhilfe für A.C._ gehandelt zu haben, da er befürchtete, D._ könnte A.C.__ weitere Verletzungen zufügen.

1.3. Argumentation des Bundesgerichts: Das BGer bestätigt die Würdigung der Vorinstanz. Es erachtet den Schlag mit einer Metallstange gegen den Kopf von D._ als unverhältnismässig. Auch ein Schlag gegen ein anderes Körperteil hätte weitere Angriffe verhindern können und sei dem Beschwerdeführer zumutbar gewesen, selbst unter Berücksichtigung einer gewissen Aufregung. Ein Schlag gegen den Kopf mit einem so gefährlichen Werkzeug, der schwere oder tödliche Folgen haben kann, war nicht verhältnismässig. Das BGer merkt an, dass die vorinstanzliche Beurteilung der Situation "eher wohlwollend" erscheine. Es sei fraglich, ob überhaupt noch eine Notwehrlage bestand, als die Verfolgung von D._ aufgenommen wurde, da dieser den Hof bereits verlassen hatte und keine unmittelbare Gefahr mehr von ihm ausging. Auch sei unklar, warum sich die Verfolger bewaffneten, wenn es nur darum gegangen wäre, D.__ im Auge zu behalten. Dennoch sah das BGer aufgrund fehlender substanziierter Willkürrügen von einer Korrektur des Sachverhalts ab. Im Ergebnis sei aber klar, dass der Beschwerdeführer sich nicht in einer derartigen Ausnahmesituation oder Bestürzung befand, die einen entschuldbaren Notwehrexzess rechtfertigen würde. Eine Verletzung der Begründungspflicht oder des rechtlichen Gehörs wurde verneint.

2. Strafzumessung und Aufschub des Strafvollzugs

2.1. Rechtliche Grundlagen: Das BGer verweist auf seine ständige Rechtsprechung zur Strafzumessung (BGE 149 IV 217 E. 1.1) und zum Asperationsprinzip bei der Bildung der Gesamtstrafe (Art. 49 Abs. 1 StGB; BGE 144 IV 217 E. 2 f.). Es greift nur ein, wenn das Sachgericht sein Ermessen überschritten oder missbraucht hat. Bezüglich des Aufschubs des Strafvollzugs zugunsten einer ambulanten Behandlung (Art. 63 Abs. 2 StGB) hält das BGer fest, dass dies eine schwere psychische Störung oder Abhängigkeit voraussetzt, die mit der Tat in Zusammenhang steht. Ein Aufschub ist anzuordnen, wenn die Aussicht auf erfolgreiche Behandlung durch den sofortigen Vollzug der Freiheitsstrafe erheblich beeinträchtigt würde. Der Aufschub hat Ausnahmecharakter, bedarf besonderer Rechtfertigung und kommt nur bei Ungefährlichkeit der Person in Betracht. Das Gericht muss sich hierfür auf eine sachverständige Begutachtung stützen und darf von dieser nur mit triftigen Gründen abweichen (BGE 129 IV 161 E. 4.1).

2.2. Argumentation des Bundesgerichts: 2.2.1. Einsatzstrafe (Vergewaltigung): Die Rüge des Beschwerdeführers gegen die Einsatzstrafe von vier Jahren Freiheitsstrafe für die Vergewaltigung wird abgewiesen. Die Vorinstanz habe keine wesentlichen Strafzumessungskriterien ausser Acht gelassen. Das BGer teilt die Einschätzung des Obergerichts, wonach die Vergewaltigung eines vierzehnjährigen Kindes durch einen Erwachsenen als ausgesprochen niederträchtig zu qualifizieren sei. Die erhöhte Schutzbedürftigkeit und Vulnerabilität des Kindes sowie die traumatisierenden Folgen werden zu Recht berücksichtigt. Erschwerend kommt hinzu, dass der Beschwerdeführer physisch weit überlegen war, das Opfer einschloss und kein Präservativ benutzte. Dass er keine "besonders schwerwiegenden Nötigungsmittel" einsetzte, entlastet ihn angesichts seiner Überlegenheit nicht wesentlich. Die volle Schuldfähigkeit trotz psychischer Störungen, der direkte Tatvorsatz und das ausschliesslich auf Triebbefriedigung abzielende Motiv rechtfertigen die Einschätzung des mittelschweren Verschuldens.

2.2.2. Gesamte Strafzumessung und Strafaufschub: Das BGer erachtet auch die übrigen Rügen gegen die Strafzumessung als unbegründet. Die Vorinstanz habe ihre Strafzumessung schlüssig begründet und sei nicht an die Einschätzung der Erstinstanz gebunden. Die Berücksichtigung von Vorstrafen und Delinquenz während der Probezeit als straferhöhend wird als korrekt erachtet. Der Aufschub der Strafe zugunsten einer ambulanten Massnahme wurde ebenfalls zu Recht abgelehnt. Der Beschwerdeführer begründete seinen Antrag auf Aufschub mit den beantragten Freisprüchen, die jedoch nicht gewährt wurden. Im Übrigen habe die Vorinstanz das Gutachten des Sachverständigen befolgt, der eine vollzugsbegleitende Therapie empfahl, was die Annahme eines Ermessensmissbrauchs ausschliesse.

3. Genugtuung

3.1. Rechtliche Grundlagen: Das BGer zitiert Art. 49 Abs. 1 OR und die Kriterien für die Bemessung einer Genugtuung: Art und Schwere der Verletzung, Intensität und Dauer der Auswirkungen, Grad des Verschuldens, allfälliges Selbstverschulden und die Aussicht auf Linderung durch die Zahlung. Die Festsetzung erfolgt nach richterlichem Ermessen (Art. 4 ZGB), in das das BGer nur mit Zurückhaltung eingreift, namentlich bei Abweichung von anerkannten Grundsätzen oder offensichtlicher Unbilligkeit (BGE 149 IV 289 E. 2.1.7).

3.2. Argumentation des Bundesgerichts: Das BGer bestätigt die Genugtuung von CHF 32'000.-- für die Beschwerdegegnerin 2. Die Vorinstanz habe überzeugend dargelegt, warum die von der Erstinstanz zugesprochenen CHF 15'000.-- zu tief seien. Insbesondere habe sich die Entwicklung des minderjährigen Opfers aufgrund der Vergewaltigung in allen Lebensbereichen verzögert, eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt und sie sei schulisch und beruflich beeinträchtigt. Der Klinikbericht vom Juli 2024 bestätige die nachhaltige Beeinträchtigung und den fortgesetzten Therapiebedarf. Dass das Opfer keine bleibenden körperlichen Folgen trug, ändert nichts an der schweren psychischen Traumatisierung. Ein Vergleich mit einem anderen Fall (6B_495/2012), bei dem eine geringere Genugtuung geschützt wurde, sei ungeeignet, da dort die Betroffenheit der Geschädigten nicht besonders schwer war, was hier gerade nicht der Fall ist. Ein Ermessensmissbrauch der Vorinstanz liegt nicht vor.

III. Schlussfolgerung des Bundesgerichts

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. Die Gerichtskosten trägt der Beschwerdeführer.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht bestätigte die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Raufhandels und versuchter schwerer Körperverletzung. Es befand den Schlag mit einer schweren Metallstange gegen den Kopf des Opfers als unverhältnismässig und verneinte das Vorliegen eines entschuldbaren Notwehrexzesses, auch wenn ein schuldmindernder Exzess zugestanden wurde. Die Strafzumessung von 7 Jahren Freiheitsstrafe, insbesondere die Einsatzstrafe von 4 Jahren für die Vergewaltigung eines Kindes, wurde als bundesrechtskonform befunden, da die Vorinstanz das hohe Verschulden und die gravierenden Folgen für das Opfer zutreffend gewürdigt hatte. Auch der Entscheid, den Strafvollzug nicht zugunsten einer ambulanten Massnahme aufzuschieben, wurde geschützt, da er sich auf ein Expertenurteil stützte und der Beschwerdeführer keinen Ermessensmissbrauch nachweisen konnte. Schliesslich wurde die Erhöhung der Genugtuung für das Vergewaltigungsopfer auf CHF 32'000.-- bestätigt, da die Vorinstanz die nachhaltigen und schwerwiegenden psychischen Folgen für die minderjährige Beschwerdegegnerin 2 überzeugend dargelegt und ihr Ermessen nicht missbraucht hatte.