Zusammenfassung von BGer-Urteil 6B_297/2025 vom 1. Oktober 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts (6B_297/2025 vom 1. Oktober 2025) detailliert zusammen.

Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 6B_297/2025

1. Einleitung Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts, I. Strafrechtliche Abteilung, vom 1. Oktober 2025, befasst sich mit einer Beschwerde in Strafsachen von A.__ (Beschwerdeführer) gegen das Obergericht des Kantons Zürich. Streitgegenstand ist die Strafzumessung, insbesondere die Wahl der Strafart (Geldstrafe versus Freiheitsstrafe) bei retrospektiver Konkurrenz von Straftaten.

2. Sachverhalt und Vorinstanzenentscheide Dem Beschwerdeführer wurde vorgeworfen, am 6. Dezember 2020 in die Lagerräumlichkeiten der Tankstelle seiner ehemaligen Arbeitgeberin eingedrungen zu sein und Bargeld sowie Gewinnlose im Gesamtwert von Fr. 3'059.45 entwendet zu haben.

  • Bezirksgericht Meilen (23. November 2023): Verurteilte A.__ wegen Diebstahls. Es fällte keine Zusatzstrafe zu einer bereits bestehenden Geldstrafe von 180 Tagessätzen (Urteil des Bezirksgerichts Bülach vom 22. Juni 2021 wegen mehrfachen betrügerischen Missbrauchs von Datenverarbeitungsanlagen für Taten zwischen dem 5. August 2018 und 1. September 2018). Das Bezirksgericht Meilen rechnete die Untersuchungshaft einer früheren Strafe an.
  • Obergericht des Kantons Zürich (17. Januar 2025): Verurteilte A.__ im Berufungsverfahren wegen Diebstahls zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 4 Monaten.
  • Bundesgericht (Beschwerde des A.__): Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und verlangte lediglich eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen.

3. Rechtliche Problematik Die zentrale Frage des Verfahrens betrifft die korrekte Anwendung der Strafzumessungsgrundsätze, insbesondere: * Die Reihenfolge der Bestimmung von Strafart und Strafmass. * Die Wahl zwischen Geld- und Freiheitsstrafe gemäss Art. 47 StGB und Art. 41 Abs. 1 StGB. * Die Bildung einer Zusatzstrafe nach Art. 49 Abs. 1 StGB (Asperationsprinzip) im Fall retrospektiver Konkurrenz, wenn die frühere Strafe eine Geldstrafe war und das neue Delikt ebenfalls mit Geld- oder Freiheitsstrafe sanktionierbar ist.

4. Massgebende Rechtsgrundlagen und Grundsätze

4.1. Allgemeine Grundsätze der Strafzumessung (Art. 47 StGB): Das Gericht misst die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu und berücksichtigt dabei dessen Vorleben, persönliche Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf dessen Leben. Das Bundesgericht greift in das Ermessen der Sachgerichte nur ein, wenn diese den gesetzlichen Strafrahmen überschritten, von rechtlich nicht massgebenden Kriterien ausgegangen sind, wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen oder ihr Ermessen missbraucht haben (BGE 144 IV 313 E. 1.2).

4.2. Gesamtstrafenbildung und Asperationsprinzip (Art. 49 Abs. 1 StGB): Bei mehreren gleichartigen Strafen gilt das Asperationsprinzip: Das Gericht verurteilt zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht sie angemessen. Die Erhöhung darf die Hälfte des Höchstmasses der angedrohten Strafe nicht überschreiten und ist an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden. Gemäss ständiger Rechtsprechung ist die Bildung einer Gesamtstrafe nach der sogenannten konkreten Methode nur möglich, wenn das Gericht für jeden einzelnen Normverstoss im konkreten Fall gleichartige Strafen ausfällt. Die abstrakte Androhung gleichartiger Strafen genügt nicht (BGE 144 IV 313 E. 1.1.1, 217 E. 2.2). Frühere Ausnahmen, namentlich bei zeitlich und sachlich eng verknüpften Straftaten, die sich nicht sinnvoll auftrennen lassen, sind nicht mehr zulässig (BGE 144 IV 313 E. 1.1.2, 217 E. 2.4 und 3.5.4). Wichtige neuere Entwicklung: Eine Gesamtfreiheitsstrafe darf indes ausgesprochen werden, wenn viele Einzeltaten zeitlich und sachlich eng miteinander verknüpft sind und eine blosse Geldstrafe bei keinem der in einem engen Zusammenhang stehenden Delikte geeignet ist, in genügendem Masse präventiv auf den Täter einzuwirken. Dies gilt auch für Ersttäter (Urteile 7B_1047/2023, 6B_180/2023, 6B_141/2021, 6B_496/2020 u.a.).

4.3. Wahl der Strafart (Geldstrafe vs. Freiheitsstrafe, Art. 41 Abs. 1 StGB): Die Geldstrafe gilt als mildere Sanktion und ist bei leichter und mittlerer Kriminalität die Regelsanktion (BGE 144 IV 27 E. 3.3.3; 137 IV 249 E. 3.1). Die Wahl der Strafart richtet sich nach dem Ausmass des Verschuldens (BGE 144 IV 217 E. 3.3.1), der Zweckmässigkeit, den Auswirkungen auf den Täter und sein Umfeld sowie der präventiven Wirksamkeit (BGE 147 IV 241 E. 3.2). Im Regelfall ist diejenige Sanktion zu wählen, die weniger stark in die persönliche Freiheit eingreift. Das Bundesgericht hat jedoch betont, dass unbillige Ergebnisse bei der Konkurrenzregelung für mehrfach begangene leichte Kriminalität hinzunehmen sind und kein systemwidriges Abweichen vom Wortlaut des Art. 49 StGB rechtfertigen (BGE 144 IV 217 E. 3.6).

4.4. Ungebundenheit des Gerichts bei der Zusatzstrafenbildung: Wenn ein Gericht eine Zusatzstrafe zu einem früheren Urteil ausfällen muss, ist es in seiner Entscheidungsfreiheit nicht eingeschränkt und kann frei befinden, wie die Strafe lauten würde, wenn es die strafbaren Handlungen gleichzeitig zu beurteilen hätte. Es ist bei der Festsetzung der Zusatzstrafe nicht an das erste Urteil gebunden (BGE 135 IV 191 E. 3.3; BGE 132 IV 102 E. 8.2).

5. Begründung des Bundesgerichts und des Obergerichts

5.1. Fehlerhaftes Vorgehen des Bezirksgerichts: Das Bundesgericht bestätigt die Kritik des Obergerichts am Vorgehen des Bezirksgerichts. Es ist dem Gericht verwehrt, in einem ersten Schritt die Zahl der Strafeinheiten zu beziffern und erst dann die Art der Sanktion festzulegen. Ein solches Vorgehen würde dem zentralen Stellenwert des Verschuldens bei der Bestimmung der Strafart nicht gerecht und verstiesse gegen Art. 47 StGB sowie die bundesgerichtliche Rechtsprechung (BGE 147 IV 241 E. 3.2). Die Anwendung von Art. 49 StGB setzt voraus, dass für jede begangene Straftat zunächst die angemessene Strafart geprüft wird.

5.2. Obergerichtliche Begründung für die Freiheitsstrafe (vom Bundesgericht bestätigt): Das Obergericht, dessen Begründung vom Bundesgericht als schlüssig erachtet wird, hat folgende Argumente für die Verhängung einer bedingten Freiheitsstrafe von 4 Monaten ins Feld geführt:

  • Frühere Delinquenz und Strafzumessung: Die frühere Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Bezirksgericht Bülach (2021) wegen mehrfachen betrügerischen Missbrauchs von Datenverarbeitungsanlagen betraf eine Serie von über 20 Taten im Jahr 2018. Obwohl das Gericht damals eine deutlich höhere Gesamtstrafe als angemessen erachtete, wurde diese aufgrund des gesetzlichen Höchstsatzes der Geldstrafe auf 180 Tagessätze plafoniert. Das Obergericht stellte fest, dass es sich vor dem Hintergrund der neuen Rechtsprechung (vgl. 3.1.2) bereits damals aufgedrängt hätte, den Beschwerdeführer mit einer Freiheitsstrafe zu belegen, um ihn von weiteren Straftaten abzuhalten, selbst wenn er als Ersttäter gehandelt hätte.
  • Retrospektive Konkurrenz und Ungebundenheit: Der hier zu beurteilende Diebstahl vom 6. Dezember 2020 ereignete sich, obwohl das Strafverfahren wegen der Deliktsserie aus dem Jahr 2018 noch lief. Das Obergericht war, gestützt auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung (BGE 135 IV 191 E. 3.3), nicht an die rechtliche Auffassung des Bezirksgerichts Bülach gebunden und konnte die Strafart für den Diebstahl frei wählen, als ob alle Taten gleichzeitig zu beurteilen gewesen wären.
  • Fortgesetzte kriminelle Energie und Unverfrorenheit: Der Diebstahl vom 2020 zeugt nach Auffassung des Obergerichts von einer "erheblichen kriminellen Energie im selben Tatsegment" und erscheint als "gleichgelagerte Fortsetzung der früheren Delinquenz". Der Beschwerdeführer habe damit eine "nachhaltige Unverfrorenheit gegenüber dem Rechtssystem" offenbart. Eine erneute Geldstrafe erscheine daher "definitiv nicht mehr mit dem Kriterium der hinreichend präventiven Effizienz der Sanktion vereinbar".
  • Fehlende Einsicht und Präventionsnotwendigkeit: Seit dem erstinstanzlichen Urteil sei keine persönliche Entwicklung des Beschwerdeführers erkennbar, die für eine Geldstrafe sprechen würde. Trotz klarer Beweislage habe er sich auch im Berufungsverfahren vollkommen uneinsichtig gezeigt. Eine Freiheitsstrafe sei daher geboten, um ihn im Sinne von Art. 41 Abs. 1 lit. a StGB von weiteren Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.

5.3. Widerlegung der Beschwerdebegründung: Das Bundesgericht widerlegt die Argumente des Beschwerdeführers:

  • Kein Grund für Ausnahme von Geldstrafe: Die Argumente des Beschwerdeführers (geringe Deliktsbeträge, keine Vorstrafe, nicht raffiniertes Vorgehen, gute Bewährungsprognose, Desinteresse der Geschädigten) vermögen nicht zu widerlegen, dass eine Freiheitsstrafe zur Abhaltung von weiteren Delikten notwendig war. Das Bundesgericht verweist erneut darauf, dass bereits Ersttäter bei vergleichbaren Konstellationen mit Freiheitsstrafen belegt werden können. Der Zusammenhang zwischen der früheren Deliktsserie und dem Diebstahl ist evident.
  • Eingriff in erstinstanzliches Ermessen: Das Obergericht war zur Korrektur des erstinstanzlichen Urteils, das zuerst Strafeinheiten festlegte und dann erst die Strafart bestimmte, sogar gehalten.
  • "Faktische Bewährung": Der Einwand des Beschwerdeführers, er habe sich seit dem 6. Dezember 2020 wohlverhalten und damit "faktisch bewährt", wird zurückgewiesen. Das Bundesgericht hält fest, dass der Beschwerdeführer seither unter dem "Damoklesschwert" des vorliegenden Strafverfahrens stand, was keine Rückschlüsse auf die zukünftige präventive Wirkung einer Geldstrafe zulässt.

6. Entscheid des Bundesgerichts Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf eingetreten wird, und bestätigt damit die vom Obergericht verhängte bedingte Freiheitsstrafe von 4 Monaten.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  • Vorgehensfehler der Erstinstanz: Die zuerst erfolgte Festlegung eines "Quantums an Strafeinheiten" vor der Bestimmung der Strafart (Geld- oder Freiheitsstrafe) ist rechtswidrig, da sie Art. 47 StGB und die Rechtsprechung zur Berücksichtigung des Verschuldens bei der Strafartwahl missachtet.
  • Retrospektive Konkurrenz und Ungebundenheit: Bei der Bildung einer Zusatzstrafe ist das Gericht nicht an die Strafart des früheren Urteils gebunden, sondern beurteilt die Taten so, als wären sie gleichzeitig zu beurteilen gewesen.
  • Rechtfertigung der Freiheitsstrafe: Eine bedingte Freiheitsstrafe ist gerechtfertigt, da der Diebstahl während eines laufenden Verfahrens wegen einer umfangreichen, gleichgelagerten Deliktsserie erfolgte. Dies zeugt von "nachhaltiger Unverfrorenheit" und einer unzureichenden präventiven Wirkung einer blossen Geldstrafe, auch wenn der Täter formal als "Ersttäter" in Erscheinung trat.
  • Präventionsgedanke: Die Uneinsichtigkeit des Täters und die Notwendigkeit, ihn von weiteren Delikten abzuhalten (Spezialprävention), erfordern die Wahl der Freiheitsstrafe.
  • "Damoklesschwert": Ein straffreies Verhalten während eines laufenden Strafverfahrens beweist keine "faktische Bewährung", da der Täter unter dem Druck des ausstehenden Urteils steht.