Zusammenfassung von BGer-Urteil 6B_996/2024 vom 22. Oktober 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:

Detaillierte Zusammenfassung des Bundesgerichtsurteils 6B_996/2024 vom 22. Oktober 2025

1. Einleitung und Sachverhalt

Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts befasst sich mit einem Fall von Geschwindigkeitsüberschreitung, der als schwere Verletzung der Strassenverkehrsregeln (Art. 90 Abs. 2 des Strassenverkehrsgesetzes, SVG) qualifiziert wurde. Der Beschwerdeführer A._ wurde vom Polizeirichter des Kreises Veveyse wegen einer gravierenden Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt und diese Verurteilung vom Kantonsgericht Freiburg, Strafberufungsgericht, bestätigt. Der Beschwerdeführer, Jahrgang 1966, Vater zweier Kinder und vollzeitlich berufstätig, wurde am 12. November 2023 um 11:22 Uhr in U._ auf einer auf 50 km/h beschränkten Strasse mit 79 km/h (nach Abzug der Sicherheitsmarge) gemessen. Er hatte somit die erlaubte Höchstgeschwindigkeit um 29 km/h überschritten. Bereits zuvor war er im Januar 2023 wegen einer schweren Verkehrsregelverletzung verurteilt worden.

Der Beschwerdeführer focht die Verurteilung wegen schwerer Verkehrsregelverletzung an. Er bestritt zwar nicht die gemessene Geschwindigkeitsüberschreitung von 29 km/h, machte jedoch geltend, aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht erkennen zu können, dass der fragliche Streckenabschnitt auf 50 km/h begrenzt sei. Er beantragte primär Freispruch, eventualiter eine Verurteilung wegen einfacher Verkehrsregelverletzung (Art. 90 Abs. 1 SVG) und eine tiefere Busse.

2. Rechtliche Grundlagen und Argumentation des Bundesgerichts

2.1. Allgemeine Verkehrsregeln und Geschwindigkeitsbegrenzungen

Das Bundesgericht rekapituliert zunächst die massgeblichen Bestimmungen des Strassenverkehrsrechts: * Art. 26 Abs. 1 SVG: Pflicht, sich so zu verhalten, dass niemand gefährdet oder behindert wird. * Art. 27 Abs. 1 SVG: Einhaltung von Signalen und Markierungen. * Art. 32 Abs. 1 SVG: Geschwindigkeit den Umständen anpassen. * Art. 32 Abs. 2 SVG i.V.m. Art. 4a Abs. 1 lit. a der Verkehrsregelnverordnung (VRV): Innerorts gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h. * Art. 32 Abs. 2 SVG i.V.m. Art. 4a Abs. 1 lit. b VRV: Ausserorts gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h.

2.1.1. Begriff der "dichtbebauten Zone" / "Innerorts"

Der Kernpunkt der rechtlichen Auseinandersetzung bildet die Definition der "dichtbebauten Zone" (franz. "zone bâtie de façon compacte"), die für die Anwendung der 50 km/h-Limite massgebend ist. * Gemäss Art. 4a Abs. 2 VRV gilt die 50 km/h-Limite in der gesamten dichtbebauten Zone. Sie beginnt mit dem Signal "Höchstgeschwindigkeit 50, allgemeine Beschränkung" (2.30.1) und endet mit dem Signal "Ende der Höchstgeschwindigkeit 50, allgemeine Beschränkung" (2.53.1). Diese Signale müssen gemäss Art. 22 Abs. 3 der Signalisationsverordnung (SSV) bei dichtbebauter Zone gesetzt werden. * Wichtig ist, dass diese Signale nach dem Ende einer Verzweigung nicht wiederholt werden müssen (Art. 4a Abs. 2 VRV, 16 Abs. 2 SSV, 22 Abs. 3 SSV). * Für Führer, die von "wenig wichtigen Nebenstrassen" (z.B. Feld- oder Waldwege) in eine Ortschaft einfahren, gilt die Beschränkung gemäss Art. 4a Abs. 2 Satz 2 VRV auch ohne Signalisierung, sobald eine dichtbebaute Zone vorliegt. Auf solchen Strassen sind die Signale für Beginn und Ende der allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzung nicht notwendig (Art. 22 Abs. 4 SSV).

2.1.2. Rechtsprechung zur "dichtbebauten Zone"

Die Rechtsprechung zum Begriff der "dichtbebauten Zone" (analog zu Art. 4a Abs. 2 VRV, 16 Abs. 2 und 22 Abs. 3 SSV) verlangt keine zusammenhängende Bebauung. Entscheidend ist die Betrachtung der gesamten Zone, nicht nur eines kurzen Abschnitts (Verweis auf BGE 127 IV 229 E. 3b; Urteile 6B_1445/2019, 6B_464/2015).

2.2. Schwere Verkehrsregelverletzung (Art. 90 Abs. 2 SVG)

Für die Qualifikation einer Verkehrsregelverletzung als schwer im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG ist eine objektive und subjektive Beurteilung erforderlich: * Objektiv: Eine schwere Regelverletzung setzt voraus, dass der Täter die Verkehrssicherheit ernstlich gefährdet hat. Dies umfasst nicht nur konkrete, sondern bereits eine "erhöhte abstrakte Gefahr" (Verweis auf BGE 143 IV 508 E. 1.3; 142 IV 93 E. 3.1; 131 IV 133 E. 3.2). * Subjektiv: Art. 90 Abs. 2 SVG erfordert ein rücksichtsloses oder grob regelwidriges Verhalten, d.h. ein "schweres Verschulden" oder, bei fahrlässiger Tat, "mindestens grobe Fahrlässigkeit". Grobe Fahrlässigkeit wird angenommen, wenn der Fahrer sich des generell gefährlichen Charakters seines regelwidrigen Verhaltens bewusst ist. Sie kann aber auch vorliegen, wenn der Täter die Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer pflichtwidrig überhaupt nicht in Betracht zieht (unbewusste Fahrlässigkeit), sofern diese fehlende Gefahrenwahrnehmung selbst auf Rücksichtslosigkeit beruht (BGE 131 IV 133 E. 3.2). Je objektiver die Regelverletzung ist, desto eher wird Rücksichtslosigkeit angenommen, ausser es liegen besondere Umstände vor, die das Gegenteil nahelegen (BGE 142 IV 93 E. 3.1).

2.2.1. Geschwindigkeitsüberschreitungen als schwere Verkehrsregelverletzung

Die Rechtsprechung hat für Geschwindigkeitsüberschreitungen präzise Regeln festgelegt, um die Gleichbehandlung zu gewährleisten: * Eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 25 km/h oder mehr innerorts erfüllt gemäss ständiger Praxis in der Regel den objektiven und subjektiven Tatbestand des schweren Falls im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG, unabhängig von den konkreten Umständen (BGE 143 IV 508 E. 1.3). * Ausnahmen sind jedoch in "aussergewöhnlichen Umständen" möglich (BGE 143 IV 508 E. 1.3; 6B_672/2018 E. 1.1).

2.3. Anwendung auf den vorliegenden Fall durch das Bundesgericht

Das Bundesgericht prüft die Argumente des Beschwerdeführers und die Feststellungen der Vorinstanz:

  • Charakterisierung des Streckenabschnitts: Das Bundesgericht stuft den strittigen Abschnitt als "atypische Innerortsstrecke" ("tronçon atypique en localité") ein, die den Übergang zwischen dem Inneren und dem Äusseren der Ortschaft U.__ markiert. Der Abschnitt ist ca. 400 Meter lang, verbindet zwei Kreisel und weist auf der Südseite keine engen Bauten auf.
  • Sichtbarkeit der Bauten: Die Vorinstanz ging von einer dichtbebauten Zone aus, da beidseitig der Fahrbahn eine "relativ hohe Dichte an Wohngebäuden" (Villenvierte im Süden, Gebäuderiegel im Norden), ein Einkaufszentrum und der Bahnhof von U.__ vorhanden seien. Der Beschwerdeführer argumentierte, aufgrund des Reliefs und der fehlenden direkten Zugänge von Gebäuden zur Strasse seien die Gebäude nicht sichtbar gewesen.
    • Das Bundesgericht widerspricht dem Beschwerdeführer in Bezug auf die Sichtbarkeit der Bauten auf der Nordseite. Im Gegensatz zum Referenzurteil BGE 127 IV 229, wo Häuser durch Bäume und Büsche verdeckt waren (E. 3b), zeigten die Aktenfotos im vorliegenden Fall, dass die Gebäude auf der Nordseite des Abschnitts für jeden Verkehrsteilnehmer "leicht sichtbar" sind. Die Behauptung des Beschwerdeführers, das Gelände habe die Sicht verdeckt, wird zurückgewiesen, da die Bauten trotz eines leichten Walls nicht verdeckt erscheinen.
  • Bedeutung der Fahrtrichtung: Ein entscheidender Unterschied zum Fall in BGE 127 IV 229 ist die Fahrtrichtung des Beschwerdeführers. Dieser wurde nicht beim Einfahren in die Ortschaft kontrolliert, sondern als er aus dem Ortszentrum von U.__ kam, wo die 50 km/h-Limite und der urbane Charakter "offensichtlich" waren.
    • Das Bundesgericht hält fest, dass der Beschwerdeführer, der aus einer dichtbebauten Zone kam, keinen konkreten Anlass hatte, davon auszugehen, dass er diese verlassen hatte. Dies aufgrund der deutlich sichtbaren Bauten entlang der Nordseite und des Fehlens eines "Ende der Ortschaft"-Signals. Der urbane Charakter war daher "umso erkennbarer".
  • Weitere Indizien für den Ortscharakter: Das Bundesgericht führt an, dass die fragliche Strasse nicht direkt ins Freie führt, sondern an ein periurbanes Industriegebiet anschliesst, das ebenfalls dichtbebaut ist (u.a. mit der Gemeindekehrichtsverbrennung). Die Kreisel an beiden Enden des Abschnitts sowie die Velostreifen verstärken die "Verankerung der Strasse in der Ortschaft".
  • Fazit zum Ortscharakter: Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass die Vorinstanz mit der Annahme einer dichtbebauten Zone, die den fraglichen Abschnitt umfasst, kein Bundesrecht verletzt hat. Die vom Beschwerdeführer angeführten Vergleiche mit anderen Fällen seien irrelevant, da sie keine ähnlichen Situationen beträfen.

2.4. Qualifikation als schwere Verkehrsregelverletzung

  • Da der Beschwerdeführer aus einem auf 50 km/h begrenzten Abschnitt kam, konnte er die bestehende Signalisation und das Fehlen eines Aufhebungssignals nicht ignorieren, indem er sich auf das Aussehen des Ortes berief.
  • Das Bundesgericht betont die besondere Wichtigkeit der Einhaltung von Geschwindigkeitssignalen auf "atypischen Innerortsstrecken", da Lenker dort dazu neigen, ihre Wachsamkeit und Disziplin nachzulassen. Auf solchen Abschnitten besteht ein erhöhtes Risiko im Vergleich zu Ausserortsstrecken.
  • Daher rechtfertigt eine Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 25 km/h hier – unabhängig von den konkreten Umständen – einen schweren Fall im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG (Verweis auf 6B_1445/2019 E. 2.6).
  • Das Bundesgericht verneint das Vorliegen von "aussergewöhnlichen Umständen", die eine Minderung des Verschuldens des Beschwerdeführers rechtfertigen könnten (z.B. provisorische Geschwindigkeitsbegrenzung aus ökologischen Gründen oder als verkehrsberuhigende Massnahme, wie in 6B_672/2018 genannt).
  • Die Verurteilung des Beschwerdeführers im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG erweist sich somit als bundesrechtskonform.

3. Entscheid und Kosten

Der Beschwerdeführer focht die ihm auferlegte Strafe (20 Tagessätze zu 80 CHF, bedingt vollzogen) im Übrigen nicht an. Das Bundesgericht weist die Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden kann, ab. Die Gerichtskosten von 3'000 CHF werden dem Beschwerdeführer auferlegt; Parteientschädigungen werden keine gesprochen.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht bestätigte die Verurteilung wegen einer schweren Verkehrsregelverletzung (Art. 90 Abs. 2 SVG), da der Beschwerdeführer innerorts die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 29 km/h überschritten hatte. Ausschlaggebend war die Qualifikation des Streckenabschnitts als "dichtbebaute Zone" bzw. "atypische Innerortsstrecke". Das Gericht stellte fest, dass die Bebauung entlang der Strecke für den aus dem Ortszentrum kommenden Beschwerdeführer klar sichtbar war und kein Aufhebungssignal die Annahme eines Ortsendes rechtfertigte. Das Gericht unterschied den Fall von Präzedenzfällen, in denen Gebäude verdeckt waren. Die standardmässige Annahme eines schweren Falles bei einer innerörtlichen Überschreitung von mehr als 25 km/h wurde auch auf dieser atypischen Strecke beibehalten, da keine aussergewöhnlichen Umstände vorlagen, die das Verschulden hätten mindern können.