Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.
Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts betrifft zwei zusammengeführte Beschwerden in Strafsachen (6B_806/2024 und 6B_867/2024) einer amtlichen Verteidigerin, A._, gegen Beschlüsse des Obergerichts des Kantons Zürich. Im Kern geht es um die Anfechtung der ihr erstinstanzlich zugesprochenen Entschädigung für ihre Tätigkeit als amtliche Verteidigerin im Verfahren gegen ihren Mandanten B._. Das Bezirksgericht Bülach hatte A.__ eine Entschädigung von Fr. 53'000.-- zugesprochen.
Die Beschwerdeführerin versuchte in zwei Schritten, die Höhe dieser Entschädigung anzufechten: 1. Berufung (6B_806/2024): Nach der mündlichen Eröffnung des erstinstanzlichen Urteils meldete A._ innerhalb der Frist von 10 Tagen Berufung an, dies jedoch ausdrücklich nur im Namen ihres Mandanten. Nach Zustellung des begründeten Urteils reichte sie eine Berufungserklärung ein, die sowohl die Hauptsache im Namen ihres Mandanten als auch ihre persönliche Entschädigung betraf. Das Obergericht trat auf ihre Berufung bezüglich ihrer Entschädigung nicht ein, da eine rechtzeitige Berufungsanmeldung in eigenem Namen fehlte. 2. Anschlussberufung (6B_867/2024): Nachdem ihre erste Berufung von der Vorinstanz abgewiesen worden war, erhob A._ in eigenem Namen eine Anschlussberufung, beschränkt auf ihre Entschädigung. Das Obergericht trat auch darauf nicht ein, mit der Begründung, sie sei als amtliche Verteidigerin keine "Partei" im Sinne der Bestimmungen zur Anschlussberufung und eine solche würde zudem einen Interessenskonflikt mit ihrem Mandanten schaffen.
Die Verfahren wurden vom Bundesgericht vereinigt, da sie in engem sachlichem Zusammenhang stehen und ähnliche Rechtsfragen betreffen (Art. 71 BGG i.V.m. Art. 24 Abs. 2 lit. b BZP). Nebensächliche Anträge auf Aktenbeizug und zweiten Schriftenwechsel wurden als gegenstandslos oder nicht erforderlich abgewiesen.
2. Rechtliche Argumente und Begründung des Bundesgerichts I. Zur Berufung gegen den Entschädigungsentscheid (6B_806/2024)A. Rechtliche Neuerungen und das zweistufige Berufungsverfahren Das Bundesgericht nahm zunächst Bezug auf die per 1. Januar 2024 in Kraft getretene teilrevidierte Strafprozessordnung (StPO). Gemäss der Neuerung in Art. 135 Abs. 3 StPO kann die amtliche Verteidigung gegen den Entschädigungsentscheid das gleiche Rechtsmittel ergreifen, das auch gegen den Endentscheid zulässig ist. Zuvor musste sie gesondert Beschwerde bei einer anderen Instanz führen (aArt. 135 Abs. 3 lit. a StPO). Die Revision bezweckte eine Vereinheitlichung des Rechtsmittelwegs, um eine Teilung des Verfahrens zu vermeiden (Botschaft BBl 2019 6733). Im vorliegenden Fall war gegen das erstinstanzliche Urteil die Berufung gemäss Art. 398 ff. StPO statthaft.
Das Bundesgericht erläuterte sodann das zweistufige Verfahren der Berufung gemäss Art. 399 ff. StPO: 1. Berufungsanmeldung (Art. 399 Abs. 1 StPO): Erfolgt innert 10 Tagen seit Eröffnung des Dispositivs des erstinstanzlichen Urteils, schriftlich oder mündlich zu Protokoll, ohne Begründungspflicht. 2. Berufungserklärung (Art. 399 Abs. 3 StPO): Nach Zustellung des begründeten Urteils, innert 20 Tagen, schriftlich einzureichen, mit Angabe des Anfechtungsumfangs, der verlangten Abänderungen und allfälliger Beweisanträge.
Das Bundesgericht betonte, dass die zur Berufung legitimierten Parteien ihren Willen zur Anfechtung des Urteils in der Regel zweimal kundtun müssen: einmal bei der Anmeldung und einmal bei der Einreichung der Berufungserklärung (vgl. BGE 140 IV 40 E. 3.4.1; 138 IV 157 E. 2.1 und 2.2).
B. Die konkrete Situation der Beschwerdeführerin und die Begründung des Bundesgerichts Die Beschwerdeführerin ist zwar gestützt auf Art. 135 Abs. 3 StPO legitimiert, die ihr zugesprochene Entschädigung anzufechten. Das Gesetz sieht jedoch keine Ausnahme vom zweistufigen Berufungsverfahren für die amtliche Verteidigung vor.
Im vorliegenden Fall hatte die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 23. April 2024 die Berufung ausdrücklich nur im Namen ihres Mandanten angemeldet ("namens meines Mandanten"). Das Bundesgericht stellte fest, dass der Umstand, dass eine Partei Berufung anmeldet und ein begründetes Urteil verlangt, andere Parteien nicht davon entbindet, ihrerseits Berufung anzumelden, wenn sie das Urteil ebenfalls anfechten wollen. Die Berufungsanmeldung ist ein Gültigkeitserfordernis für die Berufung. Fehlt sie, ist die Berufung unwirksam (vgl. Urteil 6B_29/2017 vom 7. Juli 2017 E. 4). Mangels eines klaren Hinweises darauf, dass die Beschwerdeführerin auch im eigenen Namen Berufung anmelden wollte, hat sie die Anforderungen von Art. 399 Abs. 1 StPO nicht erfüllt.
Das Bundesgericht wies auch die Rügen der Beschwerdeführerin zurück, wonach die Anforderungen überspitzt formalistisch seien oder gegen Sinn und Zweck der Berufungsanmeldung verstiessen. Es hielt fest, dass die Gerichte gemäss Art. 190 BV an die Gesetze gebunden sind und es ihnen nicht freisteht, von gesetzlich geregelten und fristgebundenen Verfahrensabläufen abzusehen. Insbesondere handle es sich nicht um eine Praxisänderung, die angekündigt werden müsste (BGE 146 IV 105 E. 5.2.1), sondern um die Anwendung des klaren Wortlauts der Art. 135 Abs. 3 i.V.m. Art. 399 ff. StPO. Auch der Umstand, dass die Erstinstanz das Urteil bezüglich der Entschädigung begründete, ändert nichts an der Pflicht zur fristgerechten und korrekten Anmeldung der Berufung.
C. Ergebnis für 6B_806/2024: Das vorinstanzliche Nichteintreten auf die Berufung der Beschwerdeführerin mangels fristgerechter und in eigenem Namen erfolgter Berufungsanmeldung verletzt kein Bundesrecht.
II. Zur Anschlussberufung gegen den Entschädigungsentscheid (6B_867/2024)A. Grundlagen der Anschlussberufung Die Beschwerdeführerin erhob ihre Anschlussberufung in eigenem Namen, nachdem die Vorinstanz bereits auf ihre ursprüngliche Berufung nicht eingetreten war. Gemäss Art. 400 Abs. 3 lit. b StPO können "die anderen Parteien" innert 20 Tagen seit Empfang der Berufungserklärung schriftlich Anschlussberufung erklären. Die Anschlussberufung richtet sich sinngemäss nach Art. 399 Abs. 3 und 4 StPO (Art. 401 Abs. 1 StPO) und ist in ihrem Umfang grundsätzlich nicht beschränkt (Art. 401 Abs. 2 StPO). Sie fällt dahin, wenn die Hauptberufung zurückgezogen wird oder auf sie nicht eingetreten wird (Art. 401 Abs. 3 StPO). Zweck der Anschlussberufung ist es, einer Partei, die sich mit einem erstinstanzlichen Urteil abfinden könnte, die Möglichkeit zu geben, unbefriedigende Punkte doch noch der Berufungsinstanz zur Prüfung vorzulegen, wenn eine andere Partei ohnehin Berufung erhoben hat (BGE 147 IV 36 E. 2.4.1).
B. Die Stellung der amtlichen Verteidigung im Rechtsmittelverfahren und die Begründung des Bundesgerichts Das Bundesgericht musste klären, ob die amtliche Verteidigung legitimiert ist, Anschlussberufung zu erklären. Es wandte die üblichen Auslegungsmethoden an (Wortlaut, Sinn und Zweck, Materialien, Systematik).
Es stellte fest, dass weder die Gesetzesmaterialien noch die Lehre sich zur Zulässigkeit der Anschlussberufung durch die amtliche Verteidigung äussern. Das Bundesgericht erinnerte an seine ständige Rechtsprechung: Die amtliche Verteidigung ist nicht Verfahrenspartei im Sinne von Art. 104 Abs. 1 StPO. Ihre Rechtsmittellegitimation hinsichtlich der Festsetzung des Honorars ergibt sich nicht aus Art. 382 StPO (allgemeine Parteilegitimation), sondern aus der besonderen Regelung in Art. 135 Abs. 3 StPO. Sie kann in ihrer Eigenschaft als Verfahrensbeteiligte (nicht als Partei) in eigenem Namen Rechtsmittel (Beschwerde/Berufung) führen, soweit ihr Entschädigungsanspruch betroffen ist (BGE 140 IV 213 E. 1.4; 139 IV 199 E. 5.2).
Das Bundesgericht argumentierte, dass die Legitimation der amtlichen Verteidigung zur Erhebung einer Anschlussberufung weder aus dem Wortlaut ("die anderen Parteien") noch aus dem Zweck der Gesetzesbestimmung abgeleitet werden kann: * Die amtliche Verteidigung ist gerade nicht Partei im Sinne der strafprozessualen Bestimmungen. Ihre Eigenschaft als Verfahrensbeteiligte für die Anfechtung ihres Honorars macht sie nicht zu einer allgemeinen Partei. * Die StPO-Revision von Art. 135 StPO zielte auf die Vereinheitlichung des Rechtswegs für die Anfechtung des Honorars ab, nicht auf eine Neudefinition der Stellung der amtlichen Verteidigung im Rechtsmittelverfahren. * Das Interesse der amtlichen Verteidigung an der Überprüfung ihrer Entschädigung ist unabhängig von den spezifischen Anliegen der beschuldigten Person im Rahmen der Hauptberufung.
Zusätzlich führte das Bundesgericht (wie bereits die Vorinstanz) den Interessenskonflikt ins Feld: Da eine Anschlussberufung gemäss Art. 401 Abs. 3 StPO dahinfallen würde, wenn die Hauptberufung zurückgezogen wird, müsste die amtliche Verteidigerin zwecks Herbeiführung eines Entscheids über ihre Anschlussberufung sicherstellen, dass ihr Klient seine Hauptberufung nicht zurückzieht. Dies könnte zu einem Konflikt zwischen den Interessen der Verteidigerin und der ihr obliegenden Interessenwahrungspflicht gegenüber dem Mandanten führen.
Auch hier wies das Bundesgericht die Rügen der Beschwerdeführerin wegen willkürlichen Verhaltens oder Verletzung von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3, Art. 9 BV und Art. 3 Abs. 1 lit. a StPO) sowie des Anspruchs auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK) ab. Es betonte, dass der amtlichen Verteidigung durch den Verweis in Art. 135 Abs. 3 StPO ein autonomer Weg zur Überprüfung ihrer Entschädigung offensteht, sofern sie die formellen Anforderungen der Berufung (Art. 399 Abs. 1 und 3 StPO) korrekt erfüllt. Ein Widerspruch in der Handhabung der Parteistellung durch die Vorinstanz liege nicht vor, da die amtliche Verteidigung zwar für die eigene Berufung als autonomes Prozesssubjekt agiert, dies sie aber nicht zu einer "Partei" für die Anschlussberufung im Sinne von Art. 400 Abs. 3 StPO macht.
C. Ergebnis für 6B_867/2024: Die Beschwerdeführerin war als amtliche Verteidigerin nicht legitimiert, im eigenen Namen Anschlussberufung gegen die von ihrem Mandanten erhobene Hauptberufung zu erheben. Das vorinstanzliche Nichteintreten auf die Anschlussberufung verletzt ebenfalls kein Bundesrecht.
3. Gesamtergebnis und KostenDas Bundesgericht wies beide Beschwerden ab, soweit darauf eingetreten wurde. Die Gerichtskosten von Fr. 6'000.-- wurden der Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
4. Wesentliche Punkte (Kurzfassung)