Zusammenfassung von BGer-Urteil 6B_724/2024 vom 4. September 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts (6B_724/2024 vom 4. September 2025) detailliert zusammen:

Einleitung und Verfahrensgeschichte

Das Urteil betrifft die Beschwerde von A.__ (nachfolgend Beschwerdeführer) gegen ein Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 16. Juli 2024. Gegenstand der Beschwerde sind die Strafzumessung sowie die Höhe der Entschädigung und Genugtuung.

Die Verfahrensgeschichte ist komplex und mehrstufig: 1. 30. April 2020, Bezirksgericht Zürich: Freispruch vom Vorwurf der Drohung. Schuldsprüche u.a. wegen mehrfacher versuchter Anstiftung zur mehrfachen Tötung (Hauptvorwurf), qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (BetmG), Hausfriedensbruch, mehrfacher Verletzung des Berufsgeheimnisses und weiterer Delikte. Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 5 ½ Jahren und einer Busse von Fr. 1'000.--. 2. 25. Mai 2021, Obergericht Zürich (1. Berufung): Bestätigung der Schuldsprüche wegen mehrfacher versuchter Anstiftung zu mehrfacher Tötung und qualifizierter Widerhandlung gegen das BetmG. Freiheitsstrafe von 6 ½ Jahren, Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 200.-- und Busse von Fr. 1'000.--. Landesverweisung für zehn Jahre. 3. 24. August 2022, Bundesgericht (1. Beschwerde ans Bundesgericht, 6B_1029/2021): Aufhebung des Obergerichtsurteils und Rückweisung der Sache zur neuen Entscheidung an das Obergericht. Dies implizierte eine wesentliche Beanstandung der vorhergehenden Beurteilung, insbesondere hinsichtlich des Hauptvorwurfs. 4. 16. Juli 2024, Obergericht Zürich (neues Urteil nach Rückweisung): Freispruch vom Vorwurf der mehrfachen versuchten Anstiftung zu vorsätzlicher Tötung. Schuldigsprechung lediglich wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19 Abs. 1 lit. d BetmG). Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten, einer bedingten Geldstrafe von 160 Tagessätzen zu je Fr. 100.-- und einer Busse von Fr. 900.--. Es wurde festgestellt, dass diese Strafen durch Untersuchungs-, Sicherheits- und vorzeitigen Strafvollzug bereits vollständig erstanden waren. Der Beschwerdeführer hatte somit eine sogenannte "Überhaft" erlitten. Für die erlittene Überhaft sprach das Obergericht ihm eine Genugtuung von Fr. 116'000.-- und für die Erwerbseinbusse während der Überhaft einen Schadenersatz von Fr. 104'700.-- zu. Weitere Genugtuungs- und Schadenersatzforderungen wurden abgewiesen.

Mit der vorliegenden Beschwerde ans Bundesgericht beantragt der Beschwerdeführer im Wesentlichen die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils, die Einstellung des Verfahrens oder eine weitere Reduktion der Strafen sowie deutlich höhere Entschädigungen und Genugtuungszahlungen, insbesondere auch für Erwerbseinbussen nach der Haftentlassung.

1. Strafzumessung und Verletzung des Beschleunigungsgebots

Der Beschwerdeführer rügte, die Vorinstanz habe die Verletzung des Beschleunigungsgebots nicht genügend strafmildernd berücksichtigt und forderte die Einstellung des Strafverfahrens. Die Ausweitung des Verfahrens auf den Hauptvorwurf habe zu seiner Inhaftierung, medialer Berichterstattung und dem Verlust seiner Erwerbstätigkeit geführt.

Rechtliche Grundlagen: * Das Bundesgericht legte die Grundsätze der Strafzumessung nach Art. 47 ff. StGB dar und betonte den erheblichen Ermessensspielraum des Sachgerichts. Es überprüft nur, ob der gesetzliche Strafrahmen über- oder unterschritten, von rechtlich irrelevanten Kriterien ausgegangen oder wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen wurden (BGE 149 IV 217 E. 1.1). * Das Beschleunigungsgebot (Art. 5 Abs. 1 und 2 StPO, Art. 29 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK) verlangt die unverzügliche Bearbeitung von Strafverfahren. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer hängt von den konkreten Umständen ab (Schwere des Vorwurfs, Komplexität, Verhalten der Parteien und Behörden, Zumutbarkeit; BGE 143 IV 373 E. 1.3.1). * Verfahrensunterbrüche durch Instanzenzüge und Kassationen verletzen das Beschleunigungsgebot nicht per se. Eine Sanktion drängt sich nur bei "krassen Zeitlücken" auf (BGE 130 IV 54 E. 3.3.3). * Folgen einer Verletzung sind meist Strafreduktion, seltener Strafverzicht und als ultima ratio in Extremfällen die Einstellung des Verfahrens. Massgebend sind die Schwere der Belastung, die Tatgravität, die ursprüngliche Strafe, Opferinteressen, Fallkomplexität und die Verantwortlichkeit für die Verzögerung (BGE 143 IV 373 E. 1.4.1).

Anwendung im vorliegenden Fall: * Das Bundesgericht stellte fest, dass die Begründung der Vorinstanz zur Berücksichtigung des Beschleunigungsgebots zwar knapp, aber den formellen Anforderungen genügte (Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK). Die Vorinstanz hatte anerkannt, dass das Gesamtverfahren "zu lange gedauert" habe, insbesondere da der Freispruch vom Hauptvorwurf erst über den Umweg einer bundesgerichtlichen Beschwerde erzielt wurde. Sie reduzierte die Freiheitsstrafe um zwei Monate, die Geldstrafe um 20 Tagessätze und die Busse um Fr. 100.--. * Das Bundesgericht schloss sich der Ansicht an, dass das Verfahren nach der Rückweisung durch das Bundesgericht mit fast drei Jahren insgesamt zu lange dauerte, insbesondere aufgrund eines Stillstands von fast einem Jahr zwischen dem Verzicht auf eine Stellungnahme durch Staatsanwaltschaft und Erstinstanz und der Urteilseröffnung des zweiten Berufungsurteils. * Die vom Obergericht vorgenommene Strafreduktion um rund 10 % wurde als angemessen und im sachrichterlichen Ermessen liegend befunden. Eine Einstellung des Verfahrens als ultima ratio wurde nicht als gerechtfertigt erachtet. * Die psychische Belastung des Beschwerdeführers, einschliesslich medialer Berichterstattung und beruflicher Auswirkungen, wurde als relevant für die Bemessung des Genugtuungsanspruchs, nicht aber für die Strafzumessung selbst, betrachtet.

2. Entschädigung und Genugtuung für Überhaft (Art. 431 StPO)

Der Beschwerdeführer beanstandete die Höhe der für die Überhaft zugesprochenen Genugtuung und Entschädigung und forderte deutlich höhere Beträge, auch für die gesamte Dauer der Inhaftierung.

Rechtliche Grundlagen: * Das Bundesgericht präzisierte, dass Art. 431 Abs. 2 StPO Ansprüche bei Überhaft regelt, d.h. wenn eine ursprünglich rechtmässige Haft im Nachhinein länger dauert als die letztlich ausgesprochene Sanktion (BGE 141 IV 236 E. 3.2). Eine Entschädigung erfolgt nur, wenn die Überhaft nicht auf andere Strafen angerechnet werden kann. Ansprüche bei rechtswidrigen Zwangsmassnahmen (wenn die Voraussetzungen für die Haftanordnung von Anfang an nicht gegeben waren oder sich dies im Nachhinein herausstellt) richten sich nach Art. 429 StPO. * Neue Begehren vor Bundesgericht, die über die vorinstanzlich gestellten hinausgehen, sind unzulässig (Art. 99 Abs. 2 BGG). * Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz werden vom Bundesgericht nur auf Willkür hin überprüft (Art. 97 Abs. 1 BGG).

Anwendung im vorliegenden Fall: * Die Forderung des Beschwerdeführers nach Entschädigung für die gesamte Haftdauer anstelle nur der Überhaft wurde als unzulässiges neues Begehren abgewiesen. * Das Bundesgericht bestätigte die vorinstanzliche Feststellung, dass der Beschwerdeführer seine gutachterliche Tätigkeit bereits vor seiner Verhaftung von sich aus reduziert bzw. aufgeben wollte. Die Vorinstanz begründete dies ausführlich mit Chat-Konversationen, Aussagen des Beschwerdeführers in Einvernahmen und Gerichtsverhandlungen, wo er Unzufriedenheit äusserte, einen beruflichen Neuanfang suchte und sich bereits vom Verband der Gutachter hatte streichen lassen. * Die Vorinstanz schloss, dass diese Schritte nicht nur auf dem (später fallengelassenen) Hauptvorwurf, sondern massgeblich auf den übrigen Schuldsprüchen (Berufsgeheimnisverletzung, Strassenverkehrsdelikte, BetmG) beruhten, welche seine Tätigkeit als Gutachter verunmöglicht hätten. * Daher fehle die Kausalität zwischen der erlittenen Überhaft (aufgrund des Hauptvorwurfs der Tötungsanstiftung) und dem geltend gemachten Verdienstausfall aus der früheren Gutachtertätigkeit. Es sei nicht die Überhaft, sondern die Konsequenzen der anderen, unbestrittenen Straftaten gewesen, die zur Aufgabe dieser Tätigkeit führten. * Für die Bemessung des Erwerbsausfalls während der Überhaft legte die Vorinstanz stattdessen ein realistisches hypothetisches Einkommen zugrunde, das der Beschwerdeführer als Psychologe in Deutschland (EUR 5'280.--/Monat) hätte erzielen können. * Das Bundesgericht wies die Rüge des Beschwerdeführers gegen diese Kausalitätsprüfung und Bemessungsgrundlage als unbegründet ab, da er keine Willkür oder Rechtsverletzung nachweisen konnte und sich seine Kritik in appellatorischen Ausführungen erschöpfte.

3. Entschädigung für Erwerbsausfall nach der Haftentlassung (Art. 429 Abs. 1 lit. b StPO)

Der Beschwerdeführer verlangte eine Entschädigung für Erwerbsausfall nach der Haftentlassung, da ihm die mediale Berichterstattung über den falschen Hauptvorwurf jede Jobchance in Deutschland verunmöglicht habe.

Rechtliche Grundlagen: * Art. 429 Abs. 1 lit. b StPO gewährt bei Einstellung des Verfahrens oder Freispruch Anspruch auf Entschädigung wirtschaftlicher Einbussen, die aus der notwendigen Beteiligung am Strafverfahren entstanden sind. Es handelt sich um eine Kausalhaftung des Staates für den gesamten Schaden, der in einem adäquaten Kausalzusammenhang zum Strafverfahren steht (BGE 142 IV 237 E. 1.3.1). * Ein adäquater Kausalzusammenhang liegt vor, wenn der Umstand nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet ist, den Erfolg zu bewirken. Er wird unterbrochen, wenn eine andere Ursache einen derart hohen Wirkungsgrad aufweist, dass die erste rechtlich unbeachtlich wird (BGE 142 IV 237 E. 1.5.2).

Anwendung im vorliegenden Fall: * Die Vorinstanz bekräftigte erneut, dass keine Kausalität zwischen dem freigesprochenen Hauptvorwurf der Anstiftung zur Tötung und dem behaupteten Erwerbsausfall bestehe, da die übrigen Schuldsprüche bereits eine Fortsetzung der früheren Gutachtertätigkeit verunmöglicht hätten. * Die Vorinstanz wies die Forderung zudem wegen unzureichender Substantiierung ab. Der pauschale Hinweis auf Medienberichterstattung und Internetrecherchen potentieller Arbeitgeber sei nicht ausreichend. Der Beschwerdeführer habe weder dargelegt, auf wie viele und welche Stellen er sich beworben habe, noch von welchen Arbeitgebern er aus welchen Gründen definitive Absagen erhalten habe. * Das Bundesgericht bestätigte diese Ausführungen und wies die Rüge des Beschwerdeführers als unbegründet ab, da er die vorinstanzliche Beweisführung und die fehlende Substantiierung nicht widerlegen konnte.

4. Kostenverteilung (Art. 426, 428 StPO)

Der Beschwerdeführer rügte die Kostenverteilung des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens und forderte, ihm höchstens 5 % der Kosten aufzuerlegen, da der Hauptvorwurf fallengelassen worden sei.

Rechtliche Grundlagen: * Die Verlegung der Kosten richtet sich nach dem Verursacherprinzip (Art. 422 Abs. 1 StPO). Bei Verurteilung trägt die beschuldigte Person die Kosten (Art. 426 Abs. 1 StPO). Bei Freispruch oder Einstellung können ihr Kosten auferlegt werden, wenn sie rechtswidrig und schuldhaft die Einleitung des Verfahrens bewirkt oder erschwert hat (Art. 426 Abs. 2 StPO). * Für Rechtsmittelverfahren tragen die Parteien die Kosten nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Das Sachgericht hat hierbei einen weiten Ermessensspielraum, den das Bundesgericht nur bei Überschreitung des Ermessens prüft. * Bei Teilfreispruch kann der beschuldigten Person die gesamte Kostenlast auferlegt werden, wenn die Handlungen in einem engen Zusammenhang stehen und alle Untersuchungshandlungen notwendig waren (Urteile 6B_1254/2023 E. 3.3.2).

Anwendung im vorliegenden Fall: * Die Vorinstanz erachtete eine Kostenauferlegung von einem Drittel für das erstinstanzliche Verfahren als angemessen. Obwohl der Hauptvorwurf fallengelassen wurde, sei der Beschwerdeführer wegen zahlreicher anderer Delikte verurteilt worden. * Für das erste Berufungsverfahren, in dem der Beschwerdeführer hinsichtlich des Hauptvorwurfs und der Landesverweisung vollumfänglich obsiegte und bezüglich des Betäubungsmitteldelikts eine günstigere Qualifikation und eine Reduktion der Strafe um zwei Drittel erreichte, wurde eine Kostenauferlegung von einem Viertel als angemessen erachtet. Die Kosten des zweiten Berufungsverfahrens wurden vollumfänglich der Staatskasse auferlegt. * Das Bundesgericht wies die Rüge des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Sein pauschaler Einwand, 95 % der Akten würden sich nur auf den Hauptvorwurf beziehen, wurde mangels Substantiierung als ungenügend betrachtet. Eine Ermessensüberschreitung der Vorinstanz bei der Kostenverteilung war nicht ersichtlich.

Zusammenfassende Würdigung

Das Bundesgericht bestätigte im Wesentlichen das Urteil des Obergerichts. Die wesentlichen Punkte sind:

  1. Strafzumessung und Beschleunigungsgebot: Das Bundesgericht anerkannte eine Verletzung des Beschleunigungsgebots aufgrund der übermässigen Verfahrensdauer, insbesondere eines einjährigen Stillstands nach der Rückweisung. Die vom Obergericht vorgenommene Strafreduktion von rund 10 % (zwei Monate Freiheitsstrafe, 20 Tagessätze Geldstrafe, Fr. 100.-- Busse) wurde jedoch als angemessen und im Rahmen des Ermessens liegend erachtet. Eine Einstellung des Verfahrens (als ultima ratio) wurde abgelehnt. Die psychische Belastung des Beschwerdeführers wurde als Kriterium für Genugtuungsansprüche, nicht für die Strafzumessung selbst, eingeordnet.
  2. Entschädigung und Genugtuung für Überhaft: Die Forderung nach Entschädigung für die gesamte Haftdauer wurde als unzulässiges neues Begehren abgewiesen. Die Höhe der zugesprochenen Entschädigung und Genugtuung für die Überhaft wurde bestätigt. Das Bundesgericht folgte der Argumentation der Vorinstanz, wonach der Beschwerdeführer seine frühere Gutachtertätigkeit nicht aufgrund des später fallengelassenen Hauptvorwurfs, sondern aufgrund der Konsequenzen der anderen Schuldsprüche (Berufsgeheimnisverletzung, Verkehrsdelikte etc.) aufgegeben hatte. Es fehle daher an der Kausalität zwischen der Überhaft und dem Verdienstausfall aus dieser spezifischen Tätigkeit. Als Bemessungsgrundlage für den Erwerbsausfall wurde ein hypothetisches, realistisches Einkommen als Psychologe in Deutschland herangezogen.
  3. Entschädigung für Erwerbsausfall nach der Haftentlassung: Der Anspruch auf Entschädigung für Erwerbsausfall nach der Haftentlassung aufgrund angeblich medial bedingter Jobschwierigkeiten in Deutschland wurde ebenfalls abgewiesen. Das Bundesgericht bestätigte die fehlende Kausalität zum freigesprochenen Hauptvorwurf sowie die mangelnde Substantiierung der Bewerbungsbemühungen und der kausalen Absagegründe durch den Beschwerdeführer.
  4. Kostenverteilung: Die vom Obergericht vorgenommene Kostenverteilung für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren (ein Drittel bzw. ein Viertel der Kosten für den Beschwerdeführer) wurde als rechtmässig und im Rahmen des gerichtlichen Ermessens liegend befunden. Der pauschale Einwand einer unverhältnismässig hohen Kostenauferlegung wurde als ungenügend begründet zurückgewiesen.

Die Beschwerde wurde somit abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte.