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Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts (1. Strafrechtliche Abteilung) vom 8. Oktober 2025 mit dem Aktenzeichen 6B_733/2024 befasst sich mit einer qualifizierten schweren Verletzung der Verkehrsregeln, dem sogenannten "Rasertatbestand" gemäss Art. 90 Abs. 3 Strassenverkehrsgesetz (SVG). Beschwerdeführer ist A.__, vertreten durch Rechtsanwalt Jean-Claude Mathey. Beschwerdegegner ist die Zentrale Staatsanwaltschaft des Kantons Waadt.
2. Sachverhalt und Vorinstanzena. Sachverhalt: Am 15. Oktober 2022 fuhr der Beschwerdeführer A._ in U._, auf der Route de V.__, mit einer Geschwindigkeit von 103 km/h (nach Abzug der Sicherheitsmarge) in einer Zone, in der die Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h begrenzt war. Er überschritt die zulässige Geschwindigkeit somit um 53 km/h.
Der Beschwerdeführer, geboren 2002, ist Student und finanziell vollständig von seinen Eltern abhängig. Sein Strafregister und der Auszug aus dem Bundesregister der Administrativmassnahmen sind vor der Tat leer. Die Tat wurde während seiner Probezeit für den Führerausweis begangen (Art. 15a SVG).
b. Urteile der Vorinstanzen: * Erstinstanz (Tribunal correctionnel de l'arrondissement de la Côte, 5. Februar 2024): Verurteilung zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 30 CHF (bedingt auf 3 Jahre) und einer Busse von 1'080 CHF. * Zweitinstanz (Cour d'appel pénale du Tribunal cantonal vaudois, 10. Juli 2024): Die kantonale Berufungsinstanz hiess die Berufung der Staatsanwaltschaft gut und verurteilte A.__ zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von einem Jahr (bedingt auf 3 Jahre) und einer Busse von 1'080 CHF. Sie begründete die Verschärfung damit, dass der Beschwerdeführer die Geschwindigkeit als "Raser" begangen habe. Sein Motiv, das Vergnügen am schnellen Fahren, sei besonders nichtig, und seine Einsicht ungenügend. Die Vorinstanz stellte fest, dass die Tat während der Probezeit des Führerausweises erfolgte. Sie sah keinen Fall "exzessiver Härte" im Sinne von Art. 90 Abs. 3ter SVG, der eine Abweichung von der einjährigen Mindestfreiheitsstrafe des Art. 90 Abs. 3 SVG rechtfertigen würde. Ausserdem bestehe die Gefahr, dass eine Geldstrafe nicht vollzogen werden könnte oder von den Eltern beglichen würde (Art. 41 Abs. 1 lit. b StGB).
3. Rügen des BeschwerdeführersDer Beschwerdeführer erhob Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er rügte primär Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung (Art. 9 BV), insbesondere hinsichtlich seiner Reue und Einsicht sowie des vom Gericht angenommenen Tatmotivs. Weiter machte er eine Verletzung von Art. 90 Abs. 3ter SVG und Art. 47 StGB (in Verbindung mit Art. 90 Abs. 3 und 4 SVG sowie Art. 41 StGB und Art. 2 Abs. 2 StGB) geltend. Er beantragte die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Rückweisung zur Neubeurteilung oder die Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils.
4. Erwägungen des Bundesgerichts4.1. Zur Willkürrüge (Art. 9 BV)
Das Bundesgericht prüfte zunächst die Willkürrüge. Es hielt fest, dass Willkür nur vorliegt, wenn eine Entscheidung im Ergebnis offensichtlich unhaltbar ist, in klarem Widerspruch zur Sachlage steht, eine Norm oder einen unbestrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeits- und Billigkeitsgefühl widerspricht (Verweis auf BGE 144 I 318 E. 5.4).
4.2. Zur Verletzung von Art. 90 Abs. 3ter SVG und Art. 47 StGB
Dies bildete den Kern der bundesgerichtlichen Prüfung.
4.2.1. Rechtsgrundlagen: * Art. 90 Abs. 3 SVG (Rasertat): Bestimmt, dass wer durch absichtliche Verletzung elementarer Verkehrsregeln ein grosses Risiko eines Unfalls mit schwerer Verletzung oder Tod eingeht (insbesondere durch besonders krasse Geschwindigkeitsüberschreitungen), mit Freiheitsstrafe von einem bis vier Jahren bestraft wird. Art. 90 Abs. 4 SVG (alte Fassung) legte die Schwellenwerte für krasse Geschwindigkeitsüberschreitungen fest (hier: 50 km/h in einer 50er-Zone). * Art. 90 Abs. 3ter SVG (neu, seit 1. Oktober 2023): Diese Bestimmung, die als lex mitior (milderes Gesetz, Art. 2 Abs. 2 StGB) im vorliegenden Fall anwendbar ist (Verweis auf BGE 151 IV 88 E. 2.1.2), sieht vor, dass der Täter bei "Raserdelikten" mit Freiheitsstrafe von höchstens vier Jahren oder Geldstrafe bestraft werden kann, wenn er in den zehn Jahren vor der Tat nicht wegen eines Strassenverkehrsdelikts, das Dritte schwer gefährdet oder zu Verletzungen oder zum Tod Dritter geführt hat, verurteilt wurde. * Zweck: Diese Bestimmung erweitert den Ermessensspielraum des Richters bei der Strafzumessung und soll die Vermeidung unbegründeter Härten ermöglichen (Verweis auf BGE 151 IV 88 E. 2.3.3). * Natur als "Kann-Vorschrift": Art. 90 Abs. 3ter SVG ist eine "Kann-Vorschrift" (BGE 151 IV 88 E. 2.6). Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Richter frei wählen kann, ob er Art. 90 Abs. 3 SVG oder Art. 90 Abs. 3ter SVG anwendet. Wenn die Voraussetzungen von Art. 90 Abs. 3ter SVG erfüllt sind, muss der Richter den erweiterten Strafrahmen dieser Bestimmung berücksichtigen. Es besteht keine Pflicht zur Verhängung einer Geldstrafe, aber die Möglichkeit ist eröffnet. * Entscheidender Präzedenzfall: Das Bundesgericht stellte klar, dass die Prüfung von Vorstrafen "in den zehn Jahren vor der Tat" nicht von der Dauer des Führerausweisbesitzes abhängt. Art. 90 Abs. 3ter SVG ist somit auch auf Fahrer anwendbar, die ihren Führerausweis seit weniger als zehn Jahren besitzen (Verweis auf BGE 151 IV 88 E. 2.5 f.). * Art. 47 StGB (Strafzumessung): Der Richter bemisst die Strafe nach dem Verschulden des Täters und berücksichtigt dabei dessen Vorleben, seine persönlichen Verhältnisse sowie die Auswirkungen der Strafe auf die Zukunft des Täters (Abs. 1). Das Verschulden wird durch die Schwere der Rechtsgutverletzung oder -gefährdung, die Verwerflichkeit des Handelns, die Beweggründe und Ziele des Täters sowie die Möglichkeit, die Gefahr oder Verletzung zu vermeiden, bestimmt (Abs. 2). Der Richter hat einen weiten Ermessensspielraum, den das Bundesgericht nur bei Überschreitung des gesetzlichen Rahmens, fehlender Berücksichtigung wichtiger Elemente oder bei exzessiver Strenge/Milde korrigiert (Verweis auf BGE 149 IV 217 E. 1.1). * Art. 41 StGB (Wahl der Sanktionsart): Der Richter kann anstelle einer Geldstrafe eine Freiheitsstrafe verhängen, wenn dies zur Abhaltung des Täters von weiteren Straftaten geboten ist (lit. a) oder wenn zu befürchten ist, dass eine Geldstrafe nicht vollzogen werden kann (lit. b). Die Geldstrafe hat im Bereich der mittleren und kleinen Kriminalität Vorrang. Die Wahl einer Freiheitsstrafe muss gemäss Art. 41 Abs. 2 StGB detailliert begründet werden.
4.2.2. Beurteilung der Vorinstanz durch das Bundesgericht: * Das Bundesgericht hielt fest, dass der Beschwerdeführer unbestrittenermassen ein Ersttäter ist (keine Vorstrafen im Register). Folglich waren die Voraussetzungen von Art. 90 Abs. 3ter SVG erfüllt, und diese Bestimmung musste angewendet werden. * Fehler der Vorinstanz: Indem die Vorinstanz fälschlicherweise annahm, sie sei an die Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr gemäss Art. 90 Abs. 3 SVG gebunden und es gebe "keinen Anlass, von der Regel des Art. 90 Abs. 3 SVG abzuweichen", hat sie Bundesrecht verletzt. Sie hat ihren Ermessensspielraum missbraucht, indem sie den erweiterten Strafrahmen des Art. 90 Abs. 3ter SVG nicht berücksichtigte. * Unzureichende Begründung für Freiheitsstrafe: Auch die von der Vorinstanz "subsidiär" angeführte Begründung für die Wahl der Freiheitsstrafe (Befürchtung der Uneinbringlichkeit einer Geldstrafe gemäss Art. 41 Abs. 1 lit. b StGB) wurde vom Bundesgericht als nicht ausreichend detailliert im Sinne von Art. 41 Abs. 2 StGB erachtet, da sie sich auf allgemeine Überlegungen beschränkte.
4.3. Schlussfolgerung des Bundesgerichts: Aufgrund dieser Rechtsverletzung musste das Urteil der Vorinstanz aufgehoben und zur Neufestsetzung der Strafe an diese zurückgewiesen werden. Die anderen Rügen des Beschwerdeführers wurden damit gegenstandslos.
5. FazitDas Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut, hebt das Urteil der Waadtländer Berufungsinstanz vom 10. Juli 2024 auf und weist die Angelegenheit zur Neubeurteilung der Strafzumessung an die Vorinstanz zurück. Die Rügen des Beschwerdeführers bezüglich Willkür in der Sachverhaltsfeststellung wurden abgewiesen. Die Anwendbarkeit von Art. 90 Abs. 3ter SVG als milderes Recht für Ersttäter wurde bestätigt, und die Vorinstanz hat Bundesrecht verletzt, indem sie sich an die einjährige Mindestfreiheitsstrafe von Art. 90 Abs. 3 SVG gebunden sah, anstatt den erweiterten Strafrahmen von Art. 90 Abs. 3ter SVG zu berücksichtigen.
6. Wesentliche Punkte in Kürze