Zusammenfassung von BGer-Urteil 6B_694/2025 vom 2. Oktober 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:

Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 6B_694/2025 vom 2. Oktober 2025

1. Einleitung Das Bundesgericht, hier die I. Strafrechtliche Abteilung, befasste sich mit einem strafrechtlichen Rekurs von A.__ (Beschwerdeführerin) gegen ein Urteil des Genfer Obergerichts (Chambre pénale d'appel et de révision) vom 30. Juni 2025. Gegenstand des Verfahrens war die Verurteilung der Beschwerdeführerin wegen Rassendiskriminierung gemäss Art. 261bis Abs. 4 StGB. Das Bundesgericht wies die Beschwerde, soweit sie zulässig war, ab und bestätigte die Verurteilung.

2. Sachverhalt und Vorinstanzen Die Beschwerdeführerin A._ wurde vom Tribunal de police des Kantons Genf am 11. Februar 2025 der Beschimpfung (Art. 177 StGB) und der Rassendiskriminierung (Art. 261bis Abs. 4 StGB) schuldig gesprochen. Für die Beschimpfung wurde sie straffrei erklärt, für die Rassendiskriminierung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 80 Franken, bedingt mit einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt. Zudem wurde sie zur Zahlung von 1'000 Franken Genugtuung und 5'000 Franken für Prozesskosten an die Privatklägerin B._ verurteilt.

Die Chambre pénale d'appel et de révision des Kantons Genf bestätigte am 30. Juni 2025 die erstinstanzliche Verurteilung. Sie wies die Beschwerde von A._ ab und hiess die Anschlussbeschwerde von B._ teilweise gut, indem sie die Entschädigung für die obligatorischen Auslagen der Vor- und Erstinstanz auf 10'987.70 Franken und für das Berufungsverfahren auf 3'657.40 Franken erhöhte.

Der Verurteilung lagen im Wesentlichen folgende Tatsachen zugrunde: * Juni 2021: A._ äusserte gegenüber ihrer Nachbarin B._ am Chemin U._ in V._ die Worte "espèce de macaque, retourne dans ton pays" (Art Affe, geh zurück in dein Land) und imitierte dabei einen Affen, indem sie sich unter den Achseln kratzte. * Zwischen 17. und 22. Mai 2022: A._ sagte zu B._ "espèce de nègre, tu n'as rien à faire ici" (Art Neger, du hast hier nichts zu suchen).

3. Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts

3.1. Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung (Art. 9 BV, Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG) Die Beschwerdeführerin rügte eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung. Sie machte geltend, das Kantonsgericht habe Inkonsistenzen und Widersprüche in den Aussagen der Zeugin C.__ und der Privatklägerin übersehen und deren Glaubwürdigkeit nicht hinreichend infrage gestellt. Insbesondere sei es unwahrscheinlich, dass die Zeugin angesichts der Distanz, der leisen Stimme der Beschwerdeführerin und des Umgebungslärms die angeblichen Äusserungen deutlich gehört haben könnte. Ein von ihr eingereichter Gerichtsvollzieherbericht hätte die Glaubwürdigkeit der Zeugin untergraben.

Das Bundesgericht wies diese Rügen als appellatorisch zurück. Es erinnerte an seinen Grundsatz, wonach es an die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz gebunden ist, es sei denn, diese seien offensichtlich unrichtig oder beruhten auf einer Rechtsverletzung (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Eine willkürliche Beweiswürdigung liegt nur vor, wenn die Behörde relevante Beweismittel ohne ernsthaften Grund unberücksichtigt lässt, deren Bedeutung und Tragweite missversteht oder daraus unhaltbare Schlüsse zieht. Auch der Grundsatz in dubio pro reo hat in der Beweiswürdigung keine weitergehende Bedeutung als das Willkürverbot (E. 1.1).

Das Bundesgericht stellte fest, dass die Vorinstanz die Glaubwürdigkeit der Zeugin ausführlich begründet habe. Die Zeugin habe konstant und schockiert die gehörten Worte und gesehenen Gesten beschrieben. Ihre Aussagen deckten sich mit denen der Privatklägerin, deren Glaubwürdigkeit wiederum durch die partielle Anerkennung der Fakten durch die Beschwerdeführerin gestärkt wurde (das „Zunge herausstrecken“ als Teil des rassistischen Spotts). Die Vorinstanz habe den Gerichtsvollzieherbericht zur Kenntnis genommen und korrekt gewürdigt, indem sie festhielt, dass dieser die Sichtbarkeit des Bankes, auf dem die Zeugin wartete, von der Terrasse der Beschwerdeführerin bestätigte und somit die Möglichkeit der Zeugin, die Gesten zu sehen, untermauerte. Die Behauptung, die Äusserungen seien nicht hörbar gewesen, sei ebenfalls appellatorisch. Das Bundesgericht verneinte Willkür in der Sachverhaltsfeststellung.

3.2. Rechtliche Würdigung der Rassendiskriminierung (Art. 261bis Abs. 4 StGB)

3.2.1. Rechtsgrundlagen und Schutzzweck Art. 261bis Abs. 4 StGB bestraft, wer öffentlich eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer rassischen, ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit oder ihrer sexuellen Orientierung in einer die Menschenwürde verletzenden Weise herabwürdigt oder diskriminiert. Diese Bestimmung schützt die jedem Menschen von Geburt an zustehende Würde und die Gleichheit der Menschen. Indirekt schützt sie auch den öffentlichen Frieden und konkretisiert internationale Verpflichtungen der Schweiz, insbesondere die UNO-Rassendiskriminierungskonvention (CERD) (E. 2.1 unter Verweis auf BGE 149 IV 170 E. 1.1.1, 148 IV 188 E. 1.3, 140 IV 67 E. 2.1.1).

Die Tat muss öffentlich erfolgen, d.h. ausserhalb eines privaten Kreises (BGE 130 IV 111 E. 5.2.2). Zum privaten Kreis gehören Erklärungen im Familien- oder Freundeskreis oder in einem Umfeld persönlicher oder besonderer Vertrauensbeziehungen. Die Öffentlichkeit hängt von den konkreten Umständen ab, einschliesslich der Anzahl der anwesenden Personen. Subjektiv ist die Tat vorsätzlich. Eventualvorsatz genügt (BGE 149 IV 170 E. 1.1.3, 148 IV 113 E. 3). Das Bewusstsein und der Wille müssen sich auf alle objektiven Tatbestandselemente beziehen.

3.2.2. Begründung der Vorinstanz zur Anwendung von Art. 261bis Abs. 4 StGB Das Kantonsgericht stellte fest, dass die Parteien seit 2021 ein angespanntes Nachbarschaftsverhältnis mit gegenseitigen verbalen Auseinandersetzungen hatten. Die Zeugin (Pédibus-Patrouilleuse) hörte und sah von der öffentlichen Strasse aus die rassistischen Äusserungen und Gesten der Beschwerdeführerin. Ihre Aussagen wurden als glaubwürdig erachtet, da sie keinen Bezug zu den Parteien hatte, schockiert war und ihre Beschreibungen mit denen der Privatklägerin übereinstimmten. Die Beschwerdeführerin bestritt zwar die Vorwürfe, gab aber zu, die Zunge herausgestreckt zu haben, was das Kantonsgericht als Teil des rassistischen Verhaltens wertete. Das Herabwürdigen der Privatklägerin als Affen, insbesondere angesichts ihrer schwarzen Hautfarbe, im Kontext eines Streits, wurde als diskriminierend, demütigend und schwerwiegend menschenwürdewidrig eingestuft.

Die Öffentlichkeit der Äusserungen und Gesten wurde bejaht, da die Parteien von ihren jeweiligen Gärten aus schreiend kommunizierten. Es handelte sich nicht um diskrete private Äusserungen, sondern um Beschimpfungen, die von einem Grundstück zum anderen gebrüllt wurden, "im Blickfeld und im Gehör aller Nachbarn und anderer Passanten, die sich auf dem angrenzenden öffentlichen Bereich aufhalten konnten." Die Anwesenheit der Zeugin, die die Äusserungen hörte und sah, bestätigte dies.

Der subjektive Tatbestand (Vorsatz) wurde ebenfalls bejaht. Das Kantonsgericht argumentierte, dass jeder wisse, dass das Imitieren eines Affen gegenüber einer Person schwarzer Hautfarbe, insbesondere in einem Streitkontext, eine rassistische Botschaft darstellt, die diese Person mit einem Tier vergleicht und nicht mit einem würdigen Menschen. Solche Handlungen seien aus vielen unglücklichen Ereignissen im Fussball bekannt und würden von der Öffentlichkeit als rassistisch verurteilt. Die Beschwerdeführerin habe, indem sie von ihrem Garten aus rief, zumindest eventualvorsätzlich in Kauf genommen, dass ihre rassistischen Äusserungen von einem unbestimmten Personenkreis gehört würden.

3.2.3. Prüfung der Rügen der Beschwerdeführerin durch das Bundesgericht

3.2.3.1. Rüge der fehlenden Öffentlichkeit Die Beschwerdeführerin argumentierte, die Äusserungen seien im privaten Rahmen zwischen zwei benachbarten Grundstücken erfolgt. Das Bundesgericht wies dies erneut zurück. Es bestätigte die Würdigung der Vorinstanz, wonach das Schreien von einem Garten zum anderen, im Sicht- und Hörbereich von Nachbarn und Passanten auf der öffentlichen Strasse, die Bedingung der Öffentlichkeit erfüllte. Es handelte sich gerade nicht um einen privaten Kreis im Sinne der Rechtsprechung (E. 2.3.1).

3.2.3.2. Rüge des fehlenden subjektiven Tatbestands Die Beschwerdeführerin behauptete, sie habe aus Wut gehandelt und nie gewollt oder akzeptiert, dass ihre Äusserungen von Dritten gehört werden könnten. Die Anwesenheit der Zeugin sei Zufall gewesen. Sie meinte, für die Öffentlichkeit sei direkter Vorsatz erforderlich. Das Bundesgericht stellte klar, dass für Art. 261bis Abs. 4 StGB Eventualvorsatz genügt (E. 2.3.2 unter Verweis auf E. 2.1). Die Beschwerdeführerin verkannte die Rechtslage, indem sie sich auf Art. 261bis Abs. 1 StGB berief, der hier nicht relevant war. Das Bundesgericht bestätigte, dass die Vorinstanz zu Recht Eventualvorsatz angenommen hatte: Die Beschwerdeführerin wusste um den klar rassistischen Charakter ihrer Äusserungen ("espèce de nègre", "espèce de macaque") und ihrer Gesten (Affen-Imitation). Indem sie schreiend und gestikulierend von ihrem Garten aus agierte, musste sie in Kauf nehmen, dass ihre Äusserungen von Dritten gehört bzw. ihre Gesten gesehen werden konnten. Die Kenntnis der konkreten Anwesenheit der Zeugin war hierfür irrelevant.

3.2.3.3. Rüge der kumulativen Sanktionierung Die Beschwerdeführerin machte geltend, sie dürfe nicht kumulativ wegen Beschimpfung und Rassendiskriminierung für dieselben Äusserungen bestraft werden, da dies die Straffreierklärung für die Beschimpfung "kompensieren" würde. Das Bundesgericht stellte fest, dass dieser Einwand ins Leere ging. Die Verurteilung wegen Beschimpfung erfolgte aufgrund der Äusserung "connasse", die zwischen dem 17. und 22. Mai 2022 gefallen war und damit andere Worte betraf als jene, die der Verurteilung wegen Rassendiskriminierung zugrunde lagen. Es lag folglich keine kumulative Bestrafung für dieselbe Tat vor (E. 2.3.3).

3.3. Zivilrechtliche Begehren Die Beschwerdeführerin focht die Zivilforderungen nur unter der Bedingung ihres Freispruchs an. Da der Freispruch nicht erfolgte, waren ihre zivilrechtlichen Rügen gegenstandslos (E. 3).

4. Schlussfolgerung Das Bundesgericht wies die Beschwerde, soweit sie zulässig war, ab. Die Gerichtskosten wurden der Beschwerdeführerin auferlegt.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  1. Bestätigung der Verurteilung: Das Bundesgericht bestätigte die Verurteilung der Beschwerdeführerin wegen Rassendiskriminierung nach Art. 261bis Abs. 4 StGB aufgrund rassistischer Äusserungen ("espèce de macaque, retourne dans ton pays", "espèce de nègre, tu n'as rien à faire ici") und einer affenähnlichen Geste gegenüber ihrer Nachbarin schwarzer Hautfarbe.
  2. Keine Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung: Die Rügen der Beschwerdeführerin gegen die Beweiswürdigung und die Glaubwürdigkeit der Zeugen wurden als appellatorisch zurückgewiesen. Das Bundesgericht fand keine Willkür in der Feststellung, dass die Äusserungen und Gesten getätigt wurden und die Zeugin diese sehen und hören konnte.
  3. Öffentlichkeit erfüllt: Die Tatbestandsvoraussetzung der Öffentlichkeit wurde bejaht, da die rassistischen Äusserungen und Gesten von Garten zu Garten gebrüllt/gezeigt wurden und somit von Nachbarn und Passanten auf dem angrenzenden öffentlichen Weg wahrgenommen werden konnten. Ein "privater Kreis" lag nicht vor.
  4. Eventualvorsatz ausreichend: Der subjektive Tatbestand (Vorsatz) wurde als erfüllt erachtet. Das Bundesgericht stellte klar, dass Eventualvorsatz sowohl hinsichtlich des rassistischen Charakters der Äusserungen und Gesten als auch hinsichtlich ihrer öffentlichen Wahrnehmung ausreicht. Es war der Beschwerdeführerin bewusst, dass ihre Handlungen rassistisch waren und beim Schreien von ihrem Garten aus von Dritten wahrgenommen werden konnten.
  5. Keine kumulative Bestrafung: Der Einwand der Beschwerdeführerin, sie sei doppelt bestraft worden, wurde zurückgewiesen, da die Verurteilung wegen Beschimpfung auf einer anderen Äusserung ("connasse") beruhte als jene wegen Rassendiskriminierung.

Das Urteil unterstreicht die konsequente Anwendung von Art. 261bis Abs. 4 StGB zum Schutz der Menschenwürde und der Gleichheit, insbesondere im Kontext von rassistischen Beleidigungen im öffentlichen Raum, auch wenn diese ihren Ursprung in privaten Auseinandersetzungen haben, aber nach aussen wirken. Es bekräftigt die ständige Rechtsprechung zu den Tatbestandsmerkmalen der Öffentlichkeit und des Eventualvorsatzes.