Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts (6B_1117/2023 vom 15. September 2025) detailliert zusammen.
Detaillierte Zusammenfassung des Bundesgerichtsurteils 6B_1117/2023
1. Einleitung und Verfahrensgegenstand
Das Bundesgericht hatte über eine Beschwerde in Strafsachen von A.A.__ (Beschwerdeführer) gegen ein Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 11. Mai 2023 zu befinden. Gegenstand des Verfahrens waren Schuldsprüche wegen mehrfacher versuchter schwerer Körperverletzung, mehrfacher qualifizierter einfacher Körperverletzung und Drohung sowie die Strafzumessung und Rügen bezüglich willkürlicher Beweiswürdigung. Der Beschwerdeführer beantragte im Wesentlichen eine vollumfängliche Freisprechung.
2. Sachverhalt (vom Bundesgericht als verbindlich zugrunde gelegt)
Das Kantonsgericht Luzern hatte dem Beschwerdeführer folgende, massgebende Taten zur Last gelegt:
- Juli 2018 (gegen Tochter B.A.__, damals ca. 2 Monate alt):
- Der Beschwerdeführer legte seine Tochter für fünf bis zehn Minuten in eine sauerstoffarme und finstere Schublade einer Holzkommode, die mit Babykleidern gefüllt war.
- Er biss seine Tochter in die rechte Gesichtswange, wobei der Bissabdruck bis zu zwei Tagen sichtbar war.
- 28. Oktober 2018 (gegen Tochter B.A._, damals ca. 5 Monate alt und Mutter C._):
- In betrunkenem Zustand biss der Beschwerdeführer B.A.__ erneut ins Gesicht, schlug sie mit der flachen Hand gegen Oberkörper und Gesicht, drückte ihr mit einer Hand den Mund zu, schüttelte sie mehrmals und liess sie aus etwa einem Meter Höhe auf ein Bett fallen.
- Er fragte C._, ob sie sehen wolle, wie er B.A._ mit einem Fusstritt zerquetsche, und sagte, er werde sie irgendwann umbringen.
- Anschliessend zog er B.A.__ an den Füssen zu sich, drückte ihr für ca. drei bis fünf Sekunden Mund und Nase zu, versetzte ihr mindestens vier Schläge mit einer Hand, hielt sie mit beiden Armen und begann zu hüpfen, sodass ihr freiliegender Kopf ungefähr acht Mal geschüttelt wurde. Zudem drückte er ihre beiden Wangen gegeneinander.
- Als C._ dazwischenging, versetzte er ihr zwei Kopfnüsse direkt auf die Nase und schlug danach B.A._ erneut auf den Kopf.
- 6. Juni 2020 (gegen D.__):
- Nach Mitternacht schlug der Beschwerdeführer D.__, der bereits am Boden lag, mehrfach mit einem runden Aluminium-Tischbein auf den Rücken und den linken Oberarm.
3. Prozessuale Vorfragen des Bundesgerichts
- Rügen der fehlenden Konfrontationseinvernahme, unpräziser Anklage und fehlenden aussagepsychologischen Gutachtens: Das Bundesgericht trat auf diese Rügen nicht ein, da der Beschwerdeführer sie nicht bereits vor dem Kantonsgericht vorgebracht und somit den kantonalen Instanzenzug (Art. 80 Abs. 1 BGG) nicht ausgeschöpft hatte.
- Verwertbarkeit der Aussagen von C.__: Der Beschwerdeführer rügte, C._ sei bei ihrer ersten Einvernahme nicht korrekt gemäss Art. 158 Abs. 1 lit. c StPO auf ihr Recht auf anwaltlichen Beistand hingewiesen worden (insbesondere fehlender Hinweis auf amtliche Verteidigung). Das Bundesgericht wies dies als ungenügend begründet (Art. 42 Abs. 2 BGG) zurück. Es bestätigte die vorinstanzliche Ansicht, dass C._ zum Zeitpunkt der ersten Einvernahme (28. Oktober 2018) als Auskunftsperson (Art. 178 lit. a StPO) befragt wurde, da noch kein konkreter Tatverdacht gegen sie bestand. Sie habe ihre Aussagen zudem später in formell korrekten Einvernahmen als Beschuldigte bestätigt.
4. Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung (Willkürrüge)
Der Beschwerdeführer rügte, die Vorinstanz habe den Sachverhalt willkürlich festgestellt und den Grundsatz "in dubio pro reo" verletzt. Das Bundesgericht prüft die Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung nur unter dem Aspekt der Willkür (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 148 IV 356 E. 2.1). Dem Grundsatz "in dubio pro reo" kommt in dieser Funktion keine über das Willkürverbot hinausgehende Bedeutung zu (BGE 148 IV 409 E. 2.2).
- Glaubhaftigkeit der Aussagen von C.__: Der Beschwerdeführer bestritt die Glaubwürdigkeit von C._ und führte frühere "haltlose Anschuldigungen" und ein angebliches Motiv (Trennung von seiner Ehefrau) an. Die Vorinstanz hatte diese Argumente umfassend gewürdigt und dargelegt, dass kein plausibler Grund für eine Falschaussage ersichtlich sei. Insbesondere sprach sie die Tatsache an, dass C._ mitten in der Nacht die Polizei alarmierte, was auch durch die Aussage des Taxifahrers gestützt wurde, der sie aufgelöst antraf. Eine Beeinflussung durch Dritte vor der Strafanzeige sei ausgeschlossen.
- Widerrufe der Aussagen durch C.__: Die Vorinstanz berücksichtigte, dass C._ ihre Aussagen zwischenzeitlich widerrief, diese aber später wieder als zutreffend bezeichnete. Die Widerrufe erfolgten in einem Kontext, in dem C._ nach der Wiederaufnahme der Beziehung zum Beschwerdeführer unter dessen Einfluss stand, um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihre Kinder zurückzuerlangen. Das Bundesgericht bestätigte, dass die Vorinstanz dies schlüssig als Strategieänderung im Umgang mit den Behörden interpretiert hatte und nicht als überzeugenden Widerruf. Die Behauptung, die KESB habe Druck ausgeübt, wurde als unsubstantiiert und den ärztlichen Gutachten widersprechend beurteilt.
- Hypothese, C.__ sei die Täterin: Der Beschwerdeführer argumentierte, C._ könnte die Tochter verletzt haben. Die Vorinstanz widerlegte dies überzeugend: C._ hätte keinen Grund gehabt, selbst die Polizei zu alarmieren, wenn sie die Täterin gewesen wäre, da die Verletzungen nicht sofort offensichtlich waren. Zudem schloss die DNA-Analyse auf der Wange der Privatklägerin C.__ als Spurengeberin aus.
- DNA-Spur: Die Rüge des Beschwerdeführers, die DNA-Spur beweise keinen Biss (da er das Kind auch küsse), wurde als ungenügend befunden, da er sich nicht mit der vorinstanzlichen Feststellung auseinandertetzte, dass es sich um eine Mischspur handelte, bei der er als Spurengeber identifiziert werden konnte, C.__ hingegen nicht.
Das Bundesgericht befand, dass der Beschwerdeführer mit seiner appellatorischen Kritik keine Willkür in der Beweiswürdigung der Vorinstanz aufzeigen konnte. Der festgestellte Sachverhalt sei verbindlich.
5. Rechtliche Würdigung der Schuldsprüche
Das Bundesgericht bestätigte die rechtliche Würdigung der Vorinstanz in allen Punkten.
- Mehrfache versuchte schwere Körperverletzung (Art. 122 Abs. 1 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB) an B.A.__:
- Vorfälle vom 28. Oktober 2018 (Schläge und Schütteln): Die Vorinstanz bejahte den Eventualvorsatz, da der Beschwerdeführer die erst wenige Monate alte, wehrlose Privatklägerin wiederholt physisch attackierte. Trotz nicht voller Körperkraft bestand ein hohes Risiko lebensgefährlicher Hirnverletzungen durch Schläge gegen den hochempfindlichen Kopfbereich und Schütteln, was auch gerichtsnotorisch sei. Dass keine schwere Verletzung eingetreten ist, sei lediglich dem Zufall zu verdanken. Die Schwelle zum Versuch sei mit der Gewalteinwirkung gegen den empfindlichen Kopfbereich eines Babys überschritten. Da die Handlungen innerhalb kurzer Zeit auf den gleichen Gesamtvorsatz zurückgingen, wurde von einem Einheitsdelikt ausgegangen.
- Vorfälle vom Juli 2018 (Schublade): Auch hier bejahte die Vorinstanz den Eventualvorsatz. Das Ablegen des 2 Monate alten Säuglings in eine dunkle, sauerstoffarme und mit Babykleidern gefüllte Schublade für fünf bis zehn Minuten, unter Aufgabe jeglicher visueller Kontrolle, barg ein hohes Risiko einer schweren, lebensgefährlichen Hirnschädigung durch Sauerstoffmangel. Dass es nicht dazu kam, war ebenfalls Glück. Die Schwelle zum Versuch sei offenkundig überschritten.
- Mehrfache qualifizierte einfache Körperverletzung (Art. 123 Ziff. 2 Abs. 3 StGB bzw. Art. 123 Ziff. 1 i.V.m. Ziff. 2 Abs. 2 StGB):
- Bisswunde B.A.__ (Juli 2018): Der Biss, der zwei Tage sichtbar war, überschreitet die Grenze zur blossen Tätlichkeit und wurde als vorsätzliche einfache Körperverletzung qualifiziert, qualifiziert durch die Wehrlosigkeit der Privatklägerin als Kind.
- Schläge C.__ (28. Oktober 2018): Die zwei Kopfnüsse auf die Nase, die zu kurzzeitiger Schwarzsichtigkeit und einem Hämatom führten, wurden ebenfalls als vorsätzliche einfache Körperverletzung beurteilt, da sie über eine blosse Tätlichkeit hinausgingen.
- Schläge D.__ mit Tischbein (6. Juni 2020): Der Beschwerdeführer anerkannte den Sachverhalt, berief sich aber auf Notwehr. Die Vorinstanz verneinte eine Notwehrlage, da der Beschwerdeführer sich nicht in einer unmittelbaren Bedrohung befand; er war stattdessen zum Auto gegangen, um das Tischbein zu holen, und kehrte dann zu D.__ zurück, der bereits am Boden lag. Er hätte sich entfernen können. Das Bundesgericht bestätigte, dass die Argumentation des Beschwerdeführers zur Notwehr die vorinstanzlichen Erwägungen nicht widerlegte. Die Tat wurde als qualifiziert einfache Körperverletzung (Verwendung eines gefährlichen Gegenstands) qualifiziert.
- Drohung (Art. 180 Abs. 1 StGB) gegen C.__ (28. Oktober 2018): Die Drohungen, B.A._ "umbringen" oder "zerquetschen" zu wollen, wurden als schwere Drohungen eingestuft, die geeignet waren, C._ in Angst zu versetzen, insbesondere angesichts der bereits ausgeübten massiven Gewalt. Vorsätzliches Handeln wurde bejaht.
6. Strafzumessung
Der Beschwerdeführer rügte eine Verletzung der Begründungspflicht, eine zu hohe Einschätzung des Verschuldens, eine ungenügende Reduktion wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots und die Unnötigkeit einer unbedingten Freiheitsstrafe.
- Begründungspflicht: Das Bundesgericht wies die Rüge zurück, die Vorinstanz habe keine eigene Strafzumessung vorgenommen. Die Vorinstanz hatte ihre Überlegungen detailliert dargelegt und sich, wo angemessen, auf die zutreffenden erstinstanzlichen Erwägungen bezogen, was gemäss Art. 82 Abs. 4 StPO zulässig ist (BGE 141 IV 244 E. 1.2.3).
- Verschulden und Tatschwere:
- Für die versuchte schwere Körperverletzung vom 28. Oktober 2018 wurde das Verschulden als mittelschwer eingestuft. Objektiv sei die Gefahr von lebensgefährlichen Hirnverletzungen bei einem wehrlosen Baby sehr hoch gewesen; der zufällige Nichteintritt schwerer Folgen sei bei der objektiven Tatschwere nicht entscheidend, sondern werde durch die Qualifikation als Versuch berücksichtigt. Subjektiv wurden brutale Aggressivität und Geringschätzung der körperlichen Unversehrtheit des Kindes als straferhöhend gewertet, die leicht verminderte Schuldfähigkeit als strafmindernd. Dies führte zu einer hypothetischen Einsatzstrafe von 20 Monaten Freiheitsstrafe, reduziert auf 18 Monate für den Versuch.
- Nach der detaillierten Beurteilung der weiteren Delikte wurde eine Gesamt-Einsatzstrafe von 34 Monaten Freiheitsstrafe festgesetzt.
- Täterkomponente (Art. 47 StGB): Strafschärfend wirkten sich die Vorstrafen aus (bedingte Freiheitsstrafe von 15 Monaten aus dem Jahr 2015, erneute Delinquenz während der Probezeit), was auf mangelnde Eindrucksfähigkeit schliessen liess. Die geringe Kooperationsbereitschaft und das hartnäckige Bestreiten der Vorwürfe führten zu keiner strafmindernden Berücksichtigung eines Geständnisses. Dies führte zu einer Erhöhung der Strafe um 3 Monate auf 37 Monate Freiheitsstrafe.
- Verletzung des Beschleunigungsgebots: Die Vorinstanz anerkannte eine Verletzung (insbesondere im erstinstanzlichen Verfahren) und reduzierte die Strafe um 2 Monate Freiheitsstrafe auf 35 Monate Freiheitsstrafe (2 Jahre 11 Monate). Das Bundesgericht erachtete diese Reduktion als angemessen und im Ermessen der Vorinstanz liegend (BGE 143 IV 373 E. 1.3.1).
- Strafvollzug: Eine vollbedingte Freiheitsstrafe war aufgrund der Höhe der Strafe (Art. 42 Abs. 1 StGB) ausgeschlossen. Ein teilbedingter Vollzug wurde aufgrund spezialpräventiver Gründe verneint. Die Vorinstanz stützte sich auf ein psychiatrisches Gutachten vom November 2019, das ein hohes Rückfallrisiko für den Beschwerdeführer feststellte, insbesondere für Eigentums- und SVG-Delikte sowie gewalttätiges Verhalten in Konfliktsituationen unter Alkoholeinfluss, insbesondere im häuslichen Umfeld. Das Bundesgericht bestätigte die Überzeugungskraft und Aktualität des Gutachtens.
7. Kosten- und Entschädigungsfolgen
Die Rügen des Beschwerdeführers bezüglich der Kosten- und Entschädigungsfolgen wurden vom Bundesgericht als ungenügend begründet abgewiesen, da sie im Wesentlichen mit dem beantragten Freispruch verknüpft waren und der Beschwerdeführer die vorinstanzliche Kostenregelung (80 % der Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt wegen teilweisem Obsiegens) nicht substantiiert als willkürlich darlegen konnte.
8. Fazit
Die Beschwerde wurde abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte. Die Gerichtskosten wurden dem Beschwerdeführer auferlegt.
Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
Das Bundesgericht bestätigte die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen mehrfacher versuchter schwerer Körperverletzung (durch Gewalt gegen ein wehrloses Baby am 28. Oktober 2018 und durch das Ablegen des Säuglings in eine sauerstoffarme Schublade im Juli 2018) sowie mehrfacher qualifizierter einfacher Körperverletzung (Biss an der Tochter im Juli 2018, Schläge gegen die Mutter C._ am 28. Oktober 2018 und Schläge mit einem Tischbein gegen D._ am 6. Juni 2020) und Drohung gegen C.__ am 28. Oktober 2018.
Massgebende Punkte und rechtliche Argumente:
1. Beweiswürdigung: Das Bundesgericht erachtete die vorinstanzliche Beweiswürdigung, insbesondere die Glaubhaftigkeit der Aussagen von C.__ und die Abwägung der Widerrufe, als nicht willkürlich. Der Beschwerdeführer konnte keine substanziierten Einwände gegen die Würdigung der Gutachten und Polizeiberichte vorbringen.
2. Versuchter schwerer Körperverletzung (Säugling): Die Verurteilung stützte sich auf den Eventualvorsatz des Beschwerdeführers, da er angesichts des Alters und der Wehrlosigkeit des Kindes das hohe Risiko lebensgefährlicher Verletzungen durch die massiven Gewalthandlungen bzw. das Schaffen einer sauerstoffarmen Umgebung in Kauf nahm. Der Nichteintritt schwerster Folgen wurde als Zufall gewertet.
3. Qualifizierte einfache Körperverletzung (D.__): Die Notwehrbehauptung wurde verworfen, da der Beschwerdeführer bewusst die Möglichkeit zur Flucht ungenutzt liess und den bereits am Boden liegenden Geschädigten angriff.
4. Strafzumessung: Die vom Kantonsgericht verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 11 Monaten wurde bestätigt. Sie berücksichtigte das mittelschwere Tatverschulden, die brutale Aggressivität und hohe Gewaltbereitschaft, straferhöhend die Vorstrafen und mangelnde Kooperationsbereitschaft sowie strafmindernd die leicht verminderte Schuldfähigkeit und die Verletzung des Beschleunigungsgebots.
5. Strafvollzug: Ein bedingter oder teilbedingter Vollzug wurde wegen der hohen Strafe und aufgrund eines Gutachtens, das ein hohes Rückfallrisiko (insbesondere für Gewalt unter Alkoholeinfluss im häuslichen Umfeld) aufzeigte, abgelehnt.
Das Bundesgericht trat auf diverse prozessuale Rügen des Beschwerdeführers aufgrund fehlender Ausschöpfung des Instanzenzuges oder ungenügender Begründung nicht ein und wies die Beschwerde im Übrigen ab.