Zusammenfassung von BGer-Urteil 9C_113/2025 vom 27. September 2025

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Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des Urteils 9C_113/2025 des Schweizerischen Bundesgerichts vom 27. September 2025:

Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 9C_113/2025 vom 27. September 2025

1. Rubrum und Streitgegenstand

Das Bundesgericht, III. öffentlich-rechtliche Abteilung, hat im Verfahren 9C_113/2025 über eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten im Bereich der Erbschaftssteuer des Kantons Luzern für die Steuerperiode 2022 entschieden. Beschwerdeführer ist A.A._, die Beschwerdegegnerin die Einwohnergemeinde U._, beigeladen ist die Dienststelle Steuern des Kantons Luzern. Gegenstand der Beschwerde war das Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 14. Januar 2025, welches die ursprünglich von der Einwohnergemeinde veranlagte Erbschaftssteuer bestätigte.

2. Sachverhalt (Extrahierte und verdichtete Fakten)

Die Erblasserin, B._, verstarb am 12. Dezember 2022 in U._/LU, kinderlos. Sie hatte drei ältere, vorverstorbene Geschwister. In einer letztwilligen Verfügung vom 8. April 2022 bedachte sie den Beschwerdeführer A.A.__ (geb. 2. März 1963) mit einer Quote von 50 Prozent, was einem Anteil von Fr. 1'936'480.- am Nachlass von Fr. 3'872'960.- entsprach. Zivilstandsrechtlich bestand kein Verwandtschaftsverhältnis zwischen der Erblasserin und dem Beschwerdeführer; im Zivilstandsregister ist der Eintrag "Vaterschaft unbekannt" vermerkt.

Die Einwohnergemeinde U.__ veranlagte eine Erbschaftssteuer von Fr. 774'592.-, basierend auf einem Grundsteuersatz von 20,0 Prozent und einem Progressionszuschlag von 100 Prozent auf diesen Grundsteuersatz, mithin insgesamt 40,0 Prozent.

Der Beschwerdeführer machte geltend, der leibliche Sohn des katholischen Pfarrers B.C._ sel. zu sein, welcher ein Bruder der Erblasserin war. Somit sei die Erblasserin seine Tante väterlicherseits und er ihr Neffe. Als solcher gehöre er dem elterlichen Stamm der Erblasserin an und hätte Anspruch auf einen reduzierten Steuersatz von 6,0 Prozent plus 100 Prozent Progressionszuschlag, mithin insgesamt 12,0 Prozent. Zum Nachweis der biologischen Abstammung legte er eine Zeugenaussage und ein DNA-Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich vor. Das Gutachten kam zum Schluss, dass der Beschwerdeführer und D.C._ (Sohn eines anderen Bruders der Erblasserin) mit hoher Wahrscheinlichkeit (W ≥ 99,999 Prozent) von der gleichen väterlichen Linie abstammen.

Ein Versuch des Beschwerdeführers, die Vaterschaft von Pfarrer B.C._ sel. gerichtlich feststellen zu lassen (Klage am Bezirksgericht X._/ZH, Ort des letzten Wohnsitzes des Pfarrers), scheiterte. Das Bezirksgericht wies die Klage am 21. November 2023 ab, da der Kläger bei Inkrafttreten der Kindesrechtsrevision am 1. Januar 1978 das zehnte Altersjahr bereits vollendet hatte und keine Zahlvaterschaft bestanden hatte, womit ihm Art. 13a SchlT ZGB keine Aktivlegitimation verschaffte. Zudem sei die Klagefrist gemäss Art. 263 Abs. 3 ZGB ohne wichtige Gründe versäumt worden, da die höhere Erbschaftssteuer allein keinen wichtigen Grund darstelle. Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte dieses Urteil am 15. Januar 2024 rechtskräftig.

Das Kantonsgericht Luzern wies die Verwaltungsgerichtsbeschwerde des Steuerpflichtigen ab und bestätigte die Massgeblichkeit des Zivilrechts im luzernischen Erbschaftssteuerrecht unter Verweis auf bundesgerichtliche Rechtsprechung (Urteil 2C_1031/2012). Ein "krasser Ausnahmefall" für eine Abweichung vom Zivilrecht sei nicht gegeben.

3. Rechtliche Würdigung durch das Bundesgericht

3.1. Kognition des Bundesgerichts Das Bundesgericht prüft Bundesgesetzesrecht mit voller Kognition (Art. 106 Abs. 1 BGG). Rein kantonales oder kommunales Recht wird nur auf seine Vereinbarkeit mit Bundes- oder Völkerrecht (insbesondere Art. 8 BV und Art. 9 BV) überprüft (sog. Willkürkontrolle). Wenn kantonales Abgaberecht jedoch an bundesrechtliche Begriffe (z.B. Zivilrecht) anknüpft, handelt es sich um "subsidiäres kantonales Abgaberecht", dessen Auslegung und Anwendung ebenfalls auf Verletzungen von Bundesrecht hin überprüft wird. Der vom Kantonsgericht festgestellte Sachverhalt ist für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich, sofern er nicht willkürlich ist (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).

3.2. Massgebliche Normen und Systematik des Luzernischen Erbschaftssteuerrechts Streitig ist die Anwendung von § 3 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 des Gesetzes über die Erbschaftssteuern des Kantons Luzern (EStG/LU). Dieses ist ein nicht harmonisiertes, rein kantonales Steuerrecht. Es handelt sich um eine Erbanfallsteuer, deren Satz vom Verwandtschaftsgrad abhängt: * § 3 Abs. 1 lit. a EStG/LU: 6 Prozent für den "elterlichen Stamm" (zweite Parentel). * § 3 Abs. 1 lit. b EStG/LU: 15 Prozent für den "grosselterlichen Stamm" (dritte Parentel). * § 3 Abs. 1 lit. c EStG/LU: 20 Prozent für "entfernter oder nicht verwandte Personen". Hinzu kommt ein Progressionszuschlag von 100 Prozent bei Beträgen ab Fr. 500'000.- (§ 5 Abs. 1 Ziff. 10 EStG/LU). Zentral für den vorliegenden Fall ist § 3 Abs. 2 EStG/LU, wonach diese Bestimmungen "auch für uneheliche Blutsverwandte, sofern dieselben erbberechtigt sind", gelten. Das Bundesgericht unterscheidet die unmittelbare Anwendung des Grundtatbestandes (§ 3 Abs. 1 lit. a) von der mittelbaren Anwendung über den Ergänzungstatbestand (§ 3 Abs. 2).

Die enge Verflechtung des kantonalen Erbschaftssteuerrechts mit dem eidgenössischen Erbrecht (Art. 457 ff. ZGB) ist eine wesensprägende Tatsache. Das Zivilrecht ist für das Steuerrecht massgeblich, wenn eine Steuernorm explizit oder implizit auf das Zivilrecht rekurriert. Zwar sind Kantone durch das Bundeszivilrecht nicht beschränkt (Art. 6 Abs. 1 ZGB), doch bei Übernahme von Begriffen gilt die beschränkte Kognition des Bundesgerichts.

3.3. Auslegung des Grundtatbestands (§ 3 Abs. 1 lit. a EStG/LU): "Elterlicher Stamm" Das luzernische EStG/LU wurde 1908 verabschiedet, d.h. nach dem Entwurf des Zivilgesetzbuches (1907), wenngleich vor dessen Inkrafttreten (1912). Der kantonale Gesetzgeber war mit den bundesgesetzlichen Intentionen und Begrifflichkeiten vertraut. Hätte er einen abweichenden Ansatz wählen wollen, hätte er dies explizit im Grundtatbestand umschreiben müssen. Dies ist unterblieben.

Im eidgenössischen Erbrecht setzt die Einordnung in eine Parentel ein zivilrechtliches Verwandtschaftsverhältnis bzw. ein rechtliches Kindesverhältnis voraus (BGE 150 III 160 E. 4.4; 134 III 467 E. 2). Ein rein biologisches Verwandtschaftsverhältnis genügt nicht. Ein Kindesverhältnis zum Vater entsteht nach Art. 252 Abs. 2 ZGB durch Ehe der Mutter, Anerkennung oder gerichtliche Feststellung.

Der Beschwerdeführer kam 1963 zur Welt. Unter dem vorrevidierten Kindesrecht von 1907 kam es zu keiner "Zahlvaterschaft". Seine unter dem neuen Recht angestrengten Bemühungen zur gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung scheiterten mangels Aktivlegitimation (Art. 13a SchlT ZGB) und versäumter Klagefrist. Somit fehlt ein zivilrechtliches Kindesverhältnis zu Pfarrer B.C.__ sel.

Das Bundesgericht erachtet die vorinstanzliche Auslegung und Anwendung des Grundtatbestands (§ 3 Abs. 1 lit. a EStG/LU) als verfassungsrechtlich haltbar und nicht willkürlich (Art. 9 BV). Eine expansive Auslegung des Grundtatbestands, die auf biologische Verwandtschaft abstellen würde, ist angesichts der präzisen zivilrechtlichen Begrifflichkeit und der Existenz eines spezifischen Ergänzungstatbestandes für "uneheliche Blutsverwandte" nicht gerechtfertigt. Das Kantonsgericht hat demzufolge zu Recht die Anwendbarkeit des reduzierten Steuersatzes auf Grundlage des Grundtatbestands verneint.

3.4. Auslegung und Anwendung des Ergänzungstatbestands (§ 3 Abs. 2 EStG/LU) Die Vorinstanz hat den Ergänzungstatbestand (§ 3 Abs. 2 EStG/LU), der eine Erweiterung auf "uneheliche Blutsverwandte, sofern dieselben erbberechtigt sind", vorsieht, nicht geprüft. Dies stellt eine ungenügende Behandlung des Falls dar, da dieser Ergänzungstatbestand gerade für Konstellationen geschaffen wurde, in denen trotz biologischer Nähe kein zivilrechtliches Verwandtschaftsverhältnis besteht.

Die Bestimmung des § 3 Abs. 2 EStG/LU impliziert, dass die Steuerbehörden bzw. -gerichte in solchen Fällen die biologische Blutsverwandtschaft vorfrageweise klären müssen, wenn kein Zivilurteil vorliegt. Das vom Beschwerdeführer vorgelegte DNA-Gutachten muss in diesem Kontext beweiswürdig beurteilt und gegebenenfalls durch weitere Beweismittel ergänzt werden (z.B. Obergutachten).

Zudem muss die zweite Voraussetzung des Ergänzungstatbestands, die "Erbberechtigung", geklärt werden. Es ist eine Auslegung des kantonalen Rechts erforderlich, ob damit ausschliesslich die gesetzliche Erbfolge gemeint ist oder ob auch eine Begünstigung durch letztwillige Verfügung darunterfällt.

Da diese Abklärungen sowohl tatsächlicher als auch rechtlicher Natur (Auslegung rein kantonalen Rechts) im Rahmen eines erstmaligen Verfahrens durchzuführen sind, kann das Bundesgericht nicht reformatorisch entscheiden. Das Bundesgericht ist keine "Ober-Veranlagungsbehörde". Folglich muss die Sache kassatorisch an die erste Instanz (Einwohnergemeinde U.__) zurückgewiesen werden, damit diese die erforderlichen Abklärungen vornimmt und eine neue, einsprachefähige Verfügung erlässt.

4. Kosten und Parteientschädigung

Die Rückweisung der Sache zu neuem Entscheid mit offenem Ausgang gilt als volles Obsiegen des Beschwerdeführers. Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 11'000.- werden im Verhältnis des Steueraufkommens (70% Kanton, 30% Einwohnergemeinde) auf den Kanton Luzern und die Einwohnergemeinde U.__/LU verlegt, die solidarisch haften. Analog wird dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr. 5'000.- zugesprochen, ebenfalls im Verhältnis 70:30 auf Kanton und Gemeinde aufgeteilt, die solidarisch haften. Die Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des vorinstanzlichen Verfahrens erfolgt durch das Kantonsgericht Luzern.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
  • Kernfrage: Anwendbarkeit eines reduzierten Erbschaftssteuersatzes aufgrund behaupteter biologischer, aber nicht zivilrechtlich anerkannter Verwandtschaft.
  • Grundtatbestand (§ 3 Abs. 1 lit. a EStG/LU): Das Bundesgericht bestätigt, dass für die Anwendung des Grundtatbestands die zivilrechtliche Verwandtschaft massgebend ist. Da dem Beschwerdeführer die zivilrechtliche Vaterschaftsfeststellung verwehrt blieb, gehört er nicht zum "elterlichen Stamm" im Sinne dieser Bestimmung. Die kantonsgerichtliche Auslegung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
  • Ergänzungstatbestand (§ 3 Abs. 2 EStG/LU): Das Kantonsgericht hat es unterlassen, diesen zentralen Ergänzungstatbestand zu prüfen. Dieser eröffnet die Möglichkeit, auch uneheliche Blutsverwandte zu berücksichtigen, sofern sie "erbberechtigt" sind.
  • Rückweisung: Aufgrund der ungenügenden Prüfung des Ergänzungstatbestands muss die Sache zur Neubeurteilung und Sachverhaltsabklärung (biologische Blutsverwandtschaft und Auslegung des Begriffs "erbberechtigt") an die erste Instanz (Einwohnergemeinde U.__) zurückgewiesen werden.
  • Kosten: Der Beschwerdeführer obsiegt vollumfänglich. Die Kosten des Bundesgerichtsverfahrens und die Parteientschädigung werden dem Kanton Luzern (70%) und der Einwohnergemeinde U.__/LU (30%) solidarisch auferlegt.