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Im Urteil 4A_221/2025 vom 11. September 2025 hatte das Schweizerische Bundesgericht über die Lohnfortzahlungspflicht gemäss Art. 324a Abs. 1 OR in einem Fall zu entscheiden, bei dem die Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers sowohl auf eine Alkoholsucht als auch auf einen alkoholbedingten Führerausweisentzug zurückzuführen war.
1. Sachverhalt
Der Beschwerdegegner war seit dem 1. Februar 2007 als Servicetechniker Öl/Gas bei der Beschwerdeführerin angestellt. Am 26. September 2022 verursachte er in alkoholisiertem Zustand (1.9 Promille) einen Verkehrsunfall. Dies führte zum sofortigen Entzug seines Führerausweises, der für seine Tätigkeit als Servicetechniker im Aussendienst unerlässlich war, sowie zu einer strafrechtlichen Verurteilung. Infolge einer diagnostizierten Alkoholabhängigkeit, die sich über Jahre entwickelt hatte und zum Zeitpunkt des Unfalls weit fortgeschritten war, war der Arbeitnehmer vom 26. September 2022 bis zum 31. Januar 2023 zu 100% arbeitsunfähig und unterzog sich einer teils stationären Behandlung. Mit einer Aufhebungsvereinbarung vom 25. Januar 2023 wurde das Arbeitsverhältnis auf Wunsch des Arbeitnehmers beendet. Der Arbeitnehmer klagte auf ausstehenden Lohn aus der Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit.
2. Vorinstanzliche Beurteilung
Das Kantonsgericht Luzern bestätigte die Verurteilung der Arbeitgeberin zur Lohnfortzahlung. Es ging davon aus, dass die Suchterkrankung des Arbeitnehmers zum Unfallzeitpunkt weit fortgeschritten und als unverschuldet zu betrachten sei, da sich die Abhängigkeit über längere Zeit "unmerklich" entwickelt habe. Die Vorinstanz hob hervor, dass die Fahrt in alkoholisiertem Zustand bei einer suchtkranken Person nicht mit derjenigen einer nicht-abhängigen Person verglichen werden könne; die Fähigkeit zur Verhaltenskontrolle sei aufgrund der Suchterkrankung nicht mehr gegeben gewesen. Der Unfall und der nachfolgende Führerausweisentzug seien lediglich als Manifestationen der bereits bestehenden, unverschuldeten Suchterkrankung zu werten. Die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers sei primär auf die Sucht und die notwendige stationäre Behandlung zurückzuführen gewesen, unabhängig vom Führerausweisentzug. Eine Auslegung des Art. 324a OR, die kumulativ verlangen würde, dass sämtliche Arbeitsverhinderungsgründe unverschuldet sein müssten, insbesondere wenn eine unverschuldete Ursache kausal für eine weitere (vermeintlich) verschuldete Verhinderung sei, sei zu eng und widerspreche der Fürsorgepflicht der Arbeitgeberin.
3. Rügen der Beschwerdeführerin
Die Beschwerdeführerin rügte eine Verletzung von Art. 324a Abs. 1 OR. Sie argumentierte, dass kein Anspruch auf Lohnfortzahlung bestehe, wenn ein Arbeitnehmer gleichzeitig sowohl aus unverschuldeten (Krankheit/Sucht) als auch aus selbstverschuldeten Gründen (Führerausweisentzug infolge Trunkenheit am Steuer, der für die vertragliche Arbeitsleistung als Servicetechniker essentiell war) an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert sei. Sie befürchtete, dass eine solche Auslegung weitreichende Konsequenzen hätte und zog den Vergleich zu Personen heran, die infolge einer Freiheitsstrafe an der Arbeit verhindert sind und auch bei einer Erkrankung während des Strafvollzugs keinen Lohnfortzahlungsanspruch hätten. Sie rügte zudem eine Verletzung von Art. 336c Abs. 1 OR.
4. Erwägungen des Bundesgerichts
Das Bundesgericht trat auf die Beschwerde ein, soweit hinreichend begründet, und wies sie schliesslich ab.
4.1. Grundsätze zu Art. 324a Abs. 1 OR Das Bundesgericht rief die Voraussetzungen des Art. 324a Abs. 1 OR in Erinnerung: Ein Anspruch auf Lohnfortzahlung besteht, wenn der Arbeitnehmer aus in seiner Person liegenden Gründen, wie Krankheit oder Unfall, ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert ist. Die Aufzählung der Gründe sei nicht abschliessend. Hervorgehoben wurde, dass Alkohol- und Drogensucht heute als Krankheit gelten, wobei auch primäre Suchterkrankungen nicht mehr von vornherein als verschuldet betrachtet werden (Verweis auf BGE 145 V 215 E. 4 ff.). Im vorliegenden Fall war unstrittig, dass es sich um eine Krankheit handelte. Entscheidend ist ein natürlicher Kausalzusammenhang zwischen dem unverschuldeten Verhinderungsgrund und der Arbeitsunfähigkeit. Es ist nicht erforderlich, dass die Krankheit die alleinige oder unmittelbare Ursache ist; es genügt, dass sie nicht weggedacht werden kann, ohne dass auch die Arbeitsverhinderung entfiele.
4.2. Abgrenzung bei überlagernden Verhinderungsgründen Das Bundesgericht unterschied die vorliegende Konstellation von Fällen, in denen sich verschiedene, unabhängige Gründe für eine Arbeitsverhinderung überlagern. Im Beispiel des Strafvollzugs, den die Beschwerdeführerin anführte, sei der Arbeitnehmer aufgrund seines selbstverschuldeten Freiheitsentzugs an der Arbeitsleistung gehindert und befinde sich im Schuldnerverzug. Eine später im Strafvollzug auftretende (unverschuldete) Krankheit würde den Lohnfortzahlungsanspruch nicht während des Freiheitsentzugs wieder aufleben lassen, da die primäre Arbeitsverhinderung weiterhin der selbstverschuldete Freiheitsentzug wäre. Ein Anspruch würde erst entstehen, wenn die Person bei weiterhin andauernder Krankheit aus dem Strafvollzug entlassen würde und die Krankheit ab diesem Zeitpunkt die alleinige Ursache der Arbeitsverhinderung wäre.
4.3. Anwendung auf den konkreten Fall Im zu beurteilenden Fall sah das Bundesgericht jedoch keine voneinander unabhängigen, sich überlagernden Gründe. Es stellte fest, dass der Verkehrsunfall vom 26. September 2022, die fürsorgerische Unterbringung und der Führerausweisentzug allesamt als verschiedene Manifestationen ein und derselben Ursache – der schweren und als unverschuldet beurteilten Alkoholsucht des Beschwerdegegners – zu betrachten seien. Ohne die fortgeschrittene Alkoholsucht wäre es nicht zum Unfall und den nachfolgenden Massnahmen gekommen. Der Arbeitnehmer sei primär wegen seiner Krankheit und der damit verbundenen notwendigen medizinischen, stationären Behandlung an der Arbeit verhindert gewesen, und nicht erst aufgrund des Führerausweisentzugs. Der Entzug des Führerausweises war lediglich ein "weiteres Glied in der Kausalkette", die durch die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ausgelöst wurde. Das Bundesgericht zog einen Querverweis auf BGE 133 III 185 E. 2, wo es eine psychisch kranke Arbeitnehmerin, die infolge von Brandstiftungen in einer Strafanstalt untergebracht war, als krankentaggeldberechtigt erachtete. Damals wurde ebenfalls argumentiert, dass die Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Anstaltsaufenthalt, sondern auf die zugrunde liegende psychische Erkrankung zurückzuführen war, welche kausal für die Brandstiftungen war. Der Anstaltsaufenthalt sei in seiner Funktion als Klinikaufenthalt zu verstehen gewesen. Entsprechend war auch im vorliegenden Fall der Krankheitszustand des Arbeitnehmers die ursprüngliche und primäre Ursache der Arbeitsverhinderung, und nicht der Entzug des Führerausweises.
4.4. Art. 336c Abs. 1 OR Die Rüge einer Verletzung von Art. 336c Abs. 1 OR (Kündigung zur Unzeit) wurde vom Bundesgericht als unbehelflich erachtet, da die Vorinstanz diese Bestimmung nicht angewendet hatte.
5. Entscheid
Das Bundesgericht wies die Beschwerde der Arbeitgeberin ab. Es bestätigte, dass die Vorinstanz Art. 324a Abs. 1 OR nicht verletzt hatte, indem sie von einer krankheitsbedingten, unverschuldeten Verhinderung an der Arbeitsleistung ausging und gestützt darauf eine Lohnfortzahlungspflicht der Arbeitgeberin bejahte.
Zusammenfassung der wesentlichen Punkte: