Zusammenfassung von BGer-Urteil 4A_251/2025 vom 15. September 2025

Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.

Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:

Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichts 4A_251/2025 vom 15. September 2025

1. Einleitung und Sachverhalt

Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts befasst sich mit zentralen Fragen des schweizerischen Zivilprozessrechts, namentlich der Zulässigkeit der eventuellen passiven Streitgenossenschaft und der Gültigkeit einer Klagebewilligung nach Art. 209 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Beschwerdeführerin, A._ Inc. II (Schuhproduzentin), beauftragte die Beschwerdegegnerin, B._, Inc. (Frachttransportorganisation), mit dem Seefrachttransport von 9'048 Kartons Schuhen in zehn Containern von Vietnam/China in die USA. Auf der Reise gingen neun Container über Bord, worauf die Beschwerdeführerin Schadenersatzansprüche geltend machte.

Ursprünglich leitete die Beschwerdeführerin ein Schlichtungsverfahren gegen die Schweizer Tochtergesellschaft der Beschwerdegegnerin (C.__ AG) ein. Später ergänzte sie ihr Schlichtungsgesuch und führte die Beschwerdegegnerin als zusätzliche, eventualiter zu verpflichtende Beklagte auf. Die Rechtsbegehren wurden im Laufe des Schlichtungsverfahrens präzisiert, und schliesslich stellte das Friedensrichteramt eine Klagebewilligung aus, die sowohl die Schweizer Tochtergesellschaft als auch die Beschwerdegegnerin betraf.

In der Folge reichte die Beschwerdeführerin jedoch ausschliesslich gegen die Beschwerdegegnerin eine Klage beim Zivilkreisgericht Basel-Landschaft West ein. Die Beschwerdegegnerin beantragte, auf die Klage nicht einzutreten, da die Klagebewilligung ungültig sei. Die erste Instanz und das Kantonsgericht Basel-Landschaft folgten dieser Argumentation und traten auf die Klage mangels Gültigkeit der Klagebewilligung nicht ein. Die Vorinstanz stützte ihren Entscheid auf zwei alternative Begründungen: erstens das Vorliegen einer unzulässigen eventuellen passiven Streitgenossenschaft und zweitens einen unzulässigen Parteiwechsel.

2. Rechtliche Würdigung durch das Bundesgericht

Das Bundesgericht prüfte die Beschwerde der Beschwerdeführerin, die sich gegen beide Begründungsstränge der Vorinstanz richtete. Für den vorliegenden Rechtsstreit war die ZPO in der bis zum 31. Dezember 2024 geltenden Fassung (aZPO) anwendbar.

2.1. Zur Zulässigkeit der eventuellen passiven Streitgenossenschaft

Die Vorinstanz hatte argumentiert, dass die Beschwerdegegnerin im Schlichtungsverfahren nur als Eventualbeklagte aufgeführt gewesen sei, was einer unzulässigen eventuellen passiven Streitgenossenschaft entsprochen hätte. Dies habe zu einem ungültigen Schlichtungsverfahren geführt.

Das Bundesgericht trat dieser Auffassung entgegen und befasste sich eingehend mit der Frage der Zulässigkeit der eventuellen passiven Streitgenossenschaft:

  • Definition und Rechtslage: Die einfache Streitgenossenschaft ist in Art. 71 Abs. 1 aZPO geregelt, wobei mehrere Personen gemeinsam klagen oder beklagt werden können, wenn Rechte und Pflichten auf gleichartigen Tatsachen oder Rechtsgründen beruhen und die gleiche Verfahrensart sowie sachliche Zuständigkeit gegeben sind. Eine eventuelle einfache passive Streitgenossenschaft liegt vor, wenn die Klage gegen eine Hauptpartei gerichtet ist und die Klage gegen eine weitere Partei nur beurteilt werden soll, falls die Hauptklage erfolglos bleibt. Die ZPO enthält keine ausdrückliche Regelung zur Zulässigkeit.

  • Lehre und frühere Rechtsprechung: Die herrschende Lehre und die ältere bundesgerichtliche Rechtsprechung (implizit in BGE 113 Ia 104 E. 2c) bejahen die Zulässigkeit der eventuellen passiven Streitgenossenschaft. Hauptargumente sind die Vorbeugung widersprüchlicher Urteile und die Durchsetzung des materiellen Rechts.

  • Gegenargumente der Minderheitslehre: Eine Minderheit in der Lehre lehnt die Zulässigkeit ab, hauptsächlich mit den Argumenten einer unzulässigen bedingten Klage (da der Klageentscheid vom Ausgang eines anderen Verfahrens abhängt), der Umgehung der restriktiveren Voraussetzungen der Streitverkündungsklage (Art. 81 f. ZPO), sowie prozessökonomischer und praktischer Bedenken (Unzumutbarkeit für den Eventualbeklagten, Komplexität des Beweisverfahrens).

  • Stellungnahme des Bundesgerichts:

    • Bedingungsfeindlichkeit von Prozesshandlungen: Das Gericht bekräftigt den Grundsatz der Bedingungsfeindlichkeit von Prozesshandlungen, lässt aber Ausnahmen für Eventualbegehren zu, wenn deren Bedingung sich im Verfahren ohne Weiteres ergibt (BGE 134 III 332 E. 2.2).
    • Behandlung der Eventualklage: Auch wenn die eventuelle subjektive Klagehäufung als bedingt erscheinen mag, wird die Eventualklage prozessual wie eine unbedingt erhobene Klage behandelt. Das bedeutet, sowohl die Haupt- als auch die Eventualklage werden unmittelbar rechtshängig. Bei Gutheissung der Hauptklage wird die Eventualklage kostenpflichtig abgewiesen. Dies widerlegt das Argument der "unzulässigen bedingten Klageerhebung" sowie das der Unzumutbarkeit für den Eventualbeklagten, da dieser sich wehren muss und die Prozesskosten im Falle der Abweisung der Eventualklage von der klagenden Partei zu tragen sind.
    • Abgrenzung zur Streitverkündungsklage: Das Bundesgericht betont einen wesentlichen Unterschied zur Streitverkündungsklage nach Art. 81 ff. ZPO. Bei der Streitverkündungsklage hängt der geltend gemachte Anspruch des Streitverkünders vom Unterliegen im Hauptverfahren ab und entsteht grundsätzlich erst dann. Bei der eventuellen passiven Streitgenossenschaft hingegen existiert der Anspruch des Klägers bereits; es besteht lediglich eine Ungewissheit darüber, wer passivlegitimiert ist. Die strengeren formellen Anforderungen der Streitverkündungsklage sind aufgrund der höheren Komplexität eines Mehrparteien-Gesamtverfahrens sachgerecht, während die eventuelle passive Streitgenossenschaft, die primär die Frage der Passivlegitimation klärt, ein wesentlich einfacheres Verfahren darstellt und daher keine derart strengen Vorschriften rechtfertigt.
    • Fazit: Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass keine Gründe gegen die Zulässigkeit einer eventuellen passiven Streitgenossenschaft sprechen. Diese dient vielmehr der Durchsetzung des materiellen Rechts.

2.2. Zum angeblichen "materiellen Parteiwechsel"

Die Vorinstanz hatte als zweite Begründung einen unzulässigen Parteiwechsel angenommen, als die Beschwerdeführerin die Beschwerdegegnerin dem Schlichtungsgesuch hinzufügte.

Das Bundesgericht hielt fest, dass kein zustimmungsbedürftiger Parteiwechsel im Sinne von Art. 83 Abs. 4 aZPO vorlag, da keine Parteiauswechslung, sondern eine Parteihinzufügung stattfand. Die Beschwerdeführerin hat eine zulässige eventuelle passive Streitgenossenschaft gebildet. Es steht der klagenden Partei frei, welche der ihr ausgestellten Klagebewilligungen sie prosequieren will (Art. 209 Abs. 3 aZPO), weshalb der Umstand, dass schliesslich nur die Beschwerdegegnerin eingeklagt wurde, die Gültigkeit der Bewilligung nicht berührt. Das Gericht betont zudem, dass Parteieingaben nach Treu und Glauben auszulegen sind. Die Ergänzung des Schlichtungsgesuchs konnte daher als sinngemässes, selbständiges Schlichtungsgesuch gegen die Beschwerdegegnerin mit einem impliziten Antrag auf Verfahrensvereinigung verstanden werden.

2.3. Zum fehlerhaften Rechtshängigkeitsdatum

Schliesslich stellte das Bundesgericht fest, dass die Klagebewilligung für die Beschwerdegegnerin ein falsches Rechtshängigkeitsdatum aufwies (nämlich das Datum des ursprünglichen Gesuchs gegen die Tochtergesellschaft anstatt des Datums der Ergänzung). Dies wurde jedoch als ein verbesserbarer Formmangel und nicht als Grund für die Ungültigkeit der Klagebewilligung qualifiziert (vgl. auch Gloor/Umbricht, in: Oberhammer/Domej/Haas, Kurzkommentar ZPO, N. 6 zu Art. 209 ZPO; Infanger, in: Basler Kommentar ZPO, N. 18 zu Art. 209 ZPO).

3. Entscheid und Konsequenz

Aufgrund dieser Erwägungen erachtete das Bundesgericht die Beschwerde als begründet. Der Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft wurde aufgehoben. Die Sache wird an das Zivilkreisgericht Basel-Landschaft West zurückgewiesen, welches die Klage nun unter der Annahme einer gültigen Klagebewilligung weiter zu beurteilen und gegebenenfalls über die Begründetheit zu entscheiden hat. Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens wurden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

Wesentliche Punkte in Kürze:

  • Das Bundesgericht bestätigt die Zulässigkeit der eventuellen passiven Streitgenossenschaft im schweizerischen Zivilprozessrecht.
  • Es differenziert die eventuelle passive Streitgenossenschaft klar von der Streitverkündungsklage, da der geltend gemachte Anspruch im ersteren Fall bereits besteht und es lediglich um die Frage der Passivlegitimation geht.
  • Die eventuelle Klage wird unbedingt rechtshängig, und bei Abweisung mit Kostenfolge ist sie für den Eventualbeklagten nicht unzumutbar.
  • Die Hinzufügung einer Partei im Schlichtungsverfahren stellt keinen unzulässigen Parteiwechsel dar, sondern eine zulässige subjektive Klagehäufung.
  • Ein falsches Rechtshängigkeitsdatum auf der Klagebewilligung ist ein verbesserbarer Formmangel und führt nicht zu deren Ungültigkeit.
  • Der Fall wurde zur weiteren materiellen Prüfung an die Erstinstanz zurückgewiesen.