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Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (8C_323/2025 vom 22. September 2025) befasst sich mit einer Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten im Bereich der Unfallversicherung. Im Zentrum steht die Frage einer formellen Rechtsverweigerung durch die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA/INSAI) und die korrekte Behandlung einer solchen Rüge durch die kantonalen Gerichte.
1. Sachverhalt und Verfahrensgang
A._, geboren 1963 und als Pflasterer bei der B._ SA angestellt, erlitt am 22. November 2022 einen Arbeitsunfall mit Rücken- und Bauchtrauma. Die SUVA anerkannte die Haftpflicht und vergütete Taggelder für die Arbeitsunfähigkeit vom 25. November 2022 bis zum 15. März 2023 in der Höhe von CHF 15'828.60 an den Arbeitgeber.
Im März 2024 ersuchte A.__ die SUVA um direkte Auszahlung von Taggeldern, die vom Arbeitgeber, der am 21. Februar 2024 in Konkurs gegangen war, nur teilweise an ihn weitergeleitet worden waren. Nach einer formellen Anfrage vom 17. Juni 2024 teilte die SUVA mit, sie habe ihre gesetzlichen Pflichten erfüllt, indem sie die Leistungen an den Arbeitgeber ausbezahlt habe. Die geltend gemachten Forderungen seien arbeitsrechtlicher Natur und fielen nicht unter das Unfallversicherungsgesetz (UVG). Eine formelle, anfechtbare Verfügung erliess die SUVA nicht.
Daraufhin erhob A._ am 15. Juli 2024 Beschwerde beim Versicherungsgericht des Kantons Tessin. Er beantragte primär, die SUVA sei zur Erlassung einer formellen Verfügung betreffend die Taggelder für den Unfall vom 22. November 2022 zu verpflichten. Das kantonale Gericht befasste sich am 14. April 2025 jedoch materiell mit der Sache und wies die Beschwerde des A._ ab, ohne die SUVA zum Erlass einer Verfügung zu verpflichten.
Gegen diesen Entscheid des kantonalen Gerichts reichte A.__ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht ein. Hauptantrag war die Verpflichtung der SUVA zum Erlass einer formellen Verfügung; eventualiter beantragte er die materielle Zusprechung von CHF 3'737.40 an Taggeldern zuzüglich Zins.
2. Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts
Das Bundesgericht hatte zu prüfen, ob der kantonale Entscheid, der sich materiell zur Leistungspflicht der SUVA geäussert hatte, Bundesrecht verletzt.
2.1. Rechtsverweigerung und ihr prozeduraler Rahmen
Das Bundesgericht führte aus, dass gemäss Art. 56 Abs. 2 ATSG eine Beschwerde auch dann erhoben werden kann, wenn der Versicherer trotz Aufforderung des Versicherten keine Verfügung oder Einspracheentscheid erlässt. Diese Bestimmung dient dem Schutz vor formeller Rechtsverweigerung, einem zentralen Aspekt des verfassungsmässigen Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 1 BV). Eine Behörde verletzt dieses Recht insbesondere, wenn sie pflichtwidrig untätig bleibt (BGE 133 V 188 E. 3.2).
Entscheidend ist hierbei die Beschränkung des Streitgegenstands: Eine Beschwerde im Sinne von Art. 56 Abs. 2 ATSG hat nicht die materiellen Aspekte des Leistungsanspruchs zum Gegenstand, sondern ausschliesslich die Frage der verweigerten oder verzögerten Justiz (Verweis auf BGE 8C_162/2022 E. 4.2, SVR 2023 UV Nr. 6 S. 18; 9C_366/2016 E. 3). Voraussetzung ist, dass die versicherte Person die Erlassung einer anfechtbaren Verfügung zumindest implizit verlangt hat (8C_336/2012 E. 3, nicht in BGE 138 V 318 publiziert, aber in SVR 2013 UV Nr. 2 S. 3).
2.2. Erlass einer formellen Verfügung als Voraussetzung der materiellen Beurteilung
Gemäss Art. 49 Abs. 1 ATSG hat der Versicherer in Fällen von erheblicher Bedeutung oder bei Uneinigkeit mit der versicherten Person schriftliche Verfügungen über Leistungen, Forderungen und Anordnungen zu erlassen (Verweis auf BGE 133 V 50 E. 4.1.2 und 4.1.3 zur Verfügungsdefinition und BGE 132 V 412 E. 1.2 zur erheblichen Bedeutung).
Ein fundamentaler Grundsatz des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist, dass grundsätzlich nur solche Rechtsverhältnisse überprüft und beurteilt werden können, über die sich die zuständige Verwaltungsbehörde zuvor in verbindlicher Weise in Form einer Verfügung geäussert hat. Die Verfügung legt den Streitgegenstand fest, der dem Richter zur Beurteilung unterbreitet werden kann. Liegt hingegen keine Verfügung vor, ist der Streitgegenstand nicht existent, und es kann kein materielles Urteil gefällt werden (BGE 134 V 418 E. 5.2.1).
2.3. Anwendung auf den vorliegenden Fall
Das kantonale Versicherungsgericht des Kantons Tessin hat, entgegen diesen klaren prozessrechtlichen Vorgaben, die Beschwerde des A._ materiell behandelt und abgewiesen. Es argumentierte, der Streitgegenstand sei klar definiert und die Parteien hätten ihre materiellen Positionen umfassend dargelegt, weshalb es aus Gründen der Prozessökonomie die materielle Leistungsklage abweisen könne. Dabei stellte es fest, die SUVA habe ihre Pflichten durch die Zahlung an den ehemaligen Arbeitgeber erfüllt, und A._ müsse seine allfälligen Forderungen gegenüber der Konkursmasse des Arbeitgebers auf arbeitsrechtlicher Grundlage geltend machen.
Das Bundesgericht befand, dass das kantonale Gericht damit Bundesrecht und die dargelegte Rechtsprechung verletzt hat. Da der Beschwerdeführer primär die Erlassung einer formellen Verfügung beantragte – und nicht die materielle Zusprechung von Leistungen durch das Gericht –, hätte sich das kantonale Gericht darauf beschränken müssen, die Rechtsverweigerung durch die SUVA festzustellen und die Akten an die SUVA zur unverzüglichen Erlassung einer formellen Verfügung zurückzuweisen. Angesichts des Sachverhalts (Art und Höhe der streitigen Leistungen) war die SUVA verpflichtet, eine solche formelle Verfügung zu erlassen. Durch die materielle Behandlung der Sache entzog das kantonale Gericht dem Beschwerdeführer eine richterliche Instanz in Bezug auf die Beurteilung seiner materiellen Ansprüche nach Erlass einer SUVA-Verfügung.
3. Schlussfolgerung und Rückweisung
Das Bundesgericht hiess die Beschwerde gut, hob den Entscheid des Kantonalen Versicherungsgerichts auf und wies die Sache an die SUVA zurück mit der Anweisung, eine formelle Verfügung zu erlassen. Eine materielle Beurteilung der Leistungsansprüche durch das Bundesgericht war in diesem Stadium nicht notwendig. Die Gerichtskosten wurden der SUVA auferlegt, die dem Beschwerdeführer auch eine Parteientschädigung für das bundesgerichtliche Verfahren schuldet. Die Regelung der Kosten des kantonalen Verfahrens wurde an das kantonale Gericht zurückgewiesen.
Zusammenfassung der wesentlichen Punkte: