Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts (BGer 6B_129/2025 vom 11. September 2025) detailliert zusammen:
Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 6B_129/2025 vom 11. September 2025
1. Parteien und Gegenstand des Verfahrens
- Beschwerdeführer (Recourant): A.__, vertreten durch Rechtsanwalt Me Samuel Pahud.
- Beschwerdegegner (Intimés): 1. Ministère public central du canton de Vaud, 2. B.__ (Geschädigte).
- Gegenstand: Sexuelle Nötigung (Art. 189 aStGB), Verletzung des Grundsatzes in dubio pro reo, Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung.
- Vorinstanz: Strafkammer des Kantonsgerichts des Kantons Waadt (Cour d'appel pénale du Tribunal cantonal du canton de Vaud), Urteil vom 29. Oktober 2024.
2. Sachverhalt (Feststellungen der Vorinstanz)
Der Beschwerdeführer A.__ wurde wegen unrechtmässiger Aneignung ohne Bereicherungsabsicht, Datenbeschädigung und sexueller Nötigung verurteilt. Die Verurteilung wegen sexueller Nötigung beruht auf folgenden, von der Vorinstanz festgestellten Tatsachen:
- Datum/Ort: Zu einem unbestimmten Zeitpunkt zwischen dem 9. Januar 2019 (Geburt des gemeinsamen Sohnes C._) und dem 2. September 2019, gegen 5:00 oder 6:00 Uhr morgens, im Haus der Mutter des Beschwerdeführers in U._, wo er vorübergehend wohnte.
- Handlungsablauf: A._ nahm seine Partnerin B._, die mit ihrem Sohn auf dem Sofa schlief, an der Hand und führte sie in sein Zimmer. Obwohl sie ihm sagte, dass sie keine Lust habe, drängte er sie, nur mit einem Nachthemd bekleidet, aufs Bett und penetrierte sie anal. Obwohl sie äusserte, dass es weh tue, setzte er die Penetration fort, befahl ihr "die Klappe zu halten" ("fermer sa gueule") und legte ihr die Hand auf den Mund, um sie zum Schweigen zu bringen. Durch sein Körpergewicht und seine Position verhinderte er, dass sie sich befreien konnte. Der Beschwerdeführer war offenbar zu betrunken und beendete den Akt nicht, sondern brach neben ihr auf dem Bett zusammen. B.__ kehrte daraufhin zu ihrem Sohn zurück und verbrachte den Rest der Nacht auf dem Sofa.
3. Rügen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer focht seine Verurteilung wegen sexueller Nötigung an. Er machte geltend, der Sachverhalt sei willkürlich festgestellt worden und der Grundsatz in dubio pro reo sei verletzt. Er bestritt im Wesentlichen die Zwangselemente (verbale Ablehnung, Befehl, Hand auf den Mund, Einsatz von Körperkraft).
4. Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts
4.1. Überprüfungsbefugnis und Willkürverbot
- Bindung an den Sachverhalt (Art. 105 Abs. 1 BGG): Das Bundesgericht ist grundsätzlich an die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz gebunden.
- Ausnahmen (Art. 97 Abs. 1, 105 Abs. 2 BGG): Eine Abweichung ist nur möglich, wenn der Sachverhalt offensichtlich unrichtig (z.B. willkürlich i.S.v. Art. 9 BV) oder unter Verletzung von Recht ermittelt wurde.
- Willkürbegriff: Willkür liegt vor, wenn eine Entscheidung offensichtlich unhaltbar ist, nicht schon, wenn sie nur diskutabel oder gar kritisierbar erscheint (BGE 148 IV 409 E. 2.2). Im Bereich der Beweiswürdigung bedeutet dies, dass die Behörde ohne ernsthaften Grund ein beweiserhebliches Element nicht berücksichtigt, sich offensichtlich über dessen Sinn und Tragweite täuscht oder aus den erhobenen Beweisen unhaltbare Schlüsse zieht.
- In dubio pro reo und Willkür: Der Grundsatz in dubio pro reo (Art. 14 Abs. 2 UNO-Pakt II, Art. 6 Abs. 2 EMRK, Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 10 StPO) hat bei der Beweiswürdigung keine weitergehende Bedeutung als das Willkürverbot (BGE 148 IV 409 E. 2.2).
- Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen: Aussagen des Opfers sind Beweismittel und vom Richter frei zu würdigen. Sie führen nicht notwendigerweise zu einem Freispruch. Die endgültige Würdigung obliegt dem Sachgericht (BGE 137 IV 122 E. 3.3).
- Gesamtwürdigung der Beweismittel: Hat die kantonale Behörde ihre Überzeugung aufgrund einer Gesamtheit konvergierender Elemente oder Indizien gebildet, genügt es nicht, wenn einzelne dieser Elemente für sich allein unzureichend erscheinen. Die Beweiswürdigung muss als Ganzes betrachtet werden (BGer 6B_896/2024 E. 1.1.2; 6B_887/2024 E. 2.1).
4.2. Tatbestand der sexuellen Nötigung (Art. 189 aStGB)
- Definition: Schuldig der sexuellen Nötigung macht sich, wer eine Person, namentlich durch Drohung oder Anwendung von Gewalt, durch psychischen Druck oder indem er sie widerstandsunfähig macht, zu einer dem Beischlaf gleichartigen Handlung oder einer anderen sexuellen Handlung nötigt.
- Schutzgut: Art. 189 StGB schützt die freie sexuelle Selbstbestimmung (BGE 148 IV 234 E. 3.3).
- Voraussetzungen: Das Opfer muss nicht einwilligend sein, der Täter muss dies wissen oder in Kauf nehmen, und er muss die Situation ausnutzen oder ein wirksames Nötigungsmittel anwenden.
- Überwindung des Widerstands: Die sexuelle Nötigung setzt voraus, dass der Täter den Widerstand überwindet oder unterläuft, der von der betroffenen Person vernünftigerweise erwartet werden konnte (BGE 148 IV 234 E. 3.3). Nötigungsmittel können Gewalt oder psychischer Druck sein.
4.3. Anwendung auf den vorliegenden Fall – Begründung des Gerichts
Das Bundesgericht bestätigte die Würdigung der Vorinstanz und wies die Rügen des Beschwerdeführers zurück:
- Glaubwürdigkeit der Geschädigten: Die kantonale Instanz stützte sich massgeblich auf die detaillierte und schlüssige Darstellung der Geschädigten B.__. Der Beschwerdeführer bestritt den Kontext des Geschehens nicht (er war betrunken, wollte analen Verkehr, nahm sie an der Hand ins Zimmer, sie äusserte Schmerz), sondern nur die Zwangselemente.
- Stützende Beweismittel und Indizien:
- Spontane Aussage: B._ hatte die von A._ ausgeübte Dominanz in der Beziehung bereits spontan in einer polizeilichen Einvernahme zu anderen Delikten geschildert, was ihre Glaubwürdigkeit stärkte.
- Bericht der Fondation D.__: Dieser dokumentierte das Kontrollbedürfnis des Beschwerdeführers in der Beziehung und seine wiederholten, drängenden sexuellen Forderungen, wobei er bei Ablehnung wütend wurde.
- Aussagen früherer Partnerinnen: Mehrere frühere Partnerinnen des Beschwerdeführers berichteten von ähnlichen Erfahrungen und mangelnder Einwilligung. Eine frühere Strafverfolgung im Jahr 2011, zwar nicht wegen sexueller Nötigung, aber wegen Nötigung, Freiheitsentziehung und Entführung, hatte bereits seine "sexuellen Praktiken" beleuchtet. Eine andere Partnerin berichtete von zwei Gelegenheiten, bei denen er ihre Ablehnung ignorierte. Das Bundesgericht betonte, dass diese früheren Erfahrungen des Beschwerdeführers mit anderen Frauen bei der Gesamtwürdigung der Beweise von grosser Bedeutung sind.
- Psychiatrische Gutachten: Zwei aufeinanderfolgende psychiatrische Gutachten stützten die Aussagen der Geschädigten. Das Gutachten von 2010 erwähnte bereits die Neigung des Beschwerdeführers, sich abfällig zu äussern und andere auf verschiedene Weisen "gegen ihren Willen" zu nötigen. Das aktuelle Gutachten stellte ein Kontrollbedürfnis in der Beziehung, mangelnde Empathie, das Gefühl, dass seine Bedürfnisse automatisch befriedigt werden müssten, und die Instrumentalisierung anderer fest.
- Zurückweisung der Einwände des Beschwerdeführers:
- Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Einwände (fehlender ärztlicher Befund, Zeugenaussage der Freundin als Hörensagen, keine therapeutische Behandlung der Geschädigten, Fortsetzung sexueller Handlungen nach dem Vorfall, verspätete Anzeige) wurden von der Vorinstanz bereits überzeugend widerlegt. Das Bundesgericht verwies insoweit auf die Ausführungen der Vorinstanz (Art. 109 Abs. 3 BGG). Die Vorinstanz hatte insbesondere darauf hingewiesen, dass eine verspätete Anzeige in solchen Fällen nicht ungewöhnlich sei und der fehlende ärztliche Befund kein Hindernis darstelle.
- Die vom Beschwerdeführer neu vorgebrachten Fakten (wie "Weihnachtskekse-Tag", Erwähnung des Strafverfahrens vor dem Zivilrichter), die nicht von der Vorinstanz festgestellt wurden, erachtete das Bundesgericht als unzulässige appellatorische Kritik, da deren Relevanz oder eine willkürliche Auslassung nicht dargelegt wurde.
- Der Beschwerdeführer interpretierte auch den Bericht der Fondation D.__ und die psychiatrischen Gutachten zu seinen Gunsten um, was das Bundesgericht ebenfalls als unzulässige appellatorische Kritik abtat. Die von den Gutachten und Berichten festgestellten konvergierenden Elemente seien für die Überzeugungsbildung der Vorinstanz klar relevant gewesen.
- Besonders kritisch beurteilte das Bundesgericht die Argumentation des Beschwerdeführers, diese grenze an Mutwilligkeit (frôle la témérité). Er argumentierte, dass es für die Geschädigte, da er betrunken war, leicht gewesen wäre, ihn zu neutralisieren (z.B. durch Wegstossen), dass sie nicht einmal geschrien habe, dass sie nach dem Akt in der Wohnung geblieben sei (wegen des Babys im Wohnzimmer), dass "etwas mehr Schmerzen als gewöhnlich" nicht schockierend seien, da sie regelmässig Analverkehr praktizierten, dass das Fehlen eines Höschens unter dem Nachthemd als Zeichen sexueller Absicht gedeutet werden müsse (was sich aus 2020 ausgetauschten Nachrichten ergeben solle, die nicht in den Kontext des Vorfalls passten), oder dass die Unmöglichkeit, sich zu wehren, auf die Position des sexuellen Akts zurückzuführen sei. Diese Argumente wurden als unhaltbar und irrelevant verworfen.
- Erfüllung der Tatbestandsmerkmale: Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die Vorinstanz weder willkürlich gehandelt noch die Unschuldsvermutung verletzt habe. Die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale der sexuellen Nötigung seien – basierend auf den willkürfrei festgestellten Tatsachen – erfüllt. Der Beschwerdeführer habe die verbale Ablehnung der Geschädigten ignoriert, sie durch Hand auf den Mund und Befehl zum Schweigen gebracht und sie unter Einsatz von Gewalt und Körpergewicht zum Analsex gezwungen.
5. Ergebnis
- Die Beschwerde wird, soweit zulässig, abgewiesen.
- Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird mangels Erfolgsaussichten abgewiesen.
- Die Gerichtskosten werden dem Beschwerdeführer auferlegt, wobei deren Höhe unter Berücksichtigung seiner finanziellen Verhältnisse festgesetzt wird.
Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
- Verurteilung bestätigt: Das Bundesgericht bestätigte die Verurteilung wegen sexueller Nötigung (Art. 189 aStGB).
- Massgebliche Fakten: Der Beschwerdeführer nötigte die Geschädigte trotz expliziter Ablehnung und Schmerzen zum Analsex, indem er sie zum Schweigen brachte und körperlichen Zwang anwandte.
- Beweiswürdigung: Die Feststellung des Sachverhalts erfolgte willkürfrei, gestützt auf eine umfassende Würdigung von:
- Detaillierter und glaubwürdiger Aussage der Geschädigten.
- Bestätigende Aussagen über ein Dominanzverhältnis des Beschwerdeführers durch frühere Partnerinnen und die Fondation D.__.
- Psychiatrische Gutachten, die ein Kontrollbedürfnis, mangelnde Empathie und die Instrumentalisierung anderer durch den Beschwerdeführer aufzeigten.
- Abweisung der Rügen: Die Rügen des Beschwerdeführers betreffend willkürliche Sachverhaltsfeststellung und Verletzung von in dubio pro reo wurden verworfen, da die Vorinstanz die Beweise umfassend und überzeugend gewürdigt hatte. Seine Gegenargumente wurden entweder als appellatorisch oder als "an Mutwilligkeit grenzend" zurückgewiesen.
- Keine weitergehende Bedeutung von in dubio pro reo: Der Grundsatz in dubio pro reo hat bei der Beweiswürdigung keine weitergehende Bedeutung als das Willkürverbot.
- Relevanz von Vorverhalten: Das frühere Verhalten des Beschwerdeführers in Beziehungen und entsprechende Feststellungen (auch in anderen Verfahren) wurden als relevante Indizien für die aktuelle Würdigung herangezogen.