Zusammenfassung von BGer-Urteil 4A_657/2024 vom 1. September 2025

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Gerne fasst das Bundesgerichtsurteil 4A_657/2024 vom 1. September 2025 detailliert zusammen:

1. Einleitung

Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (4A_657/2024) befasst sich mit einer Klage der A._ Inc. (Beschwerdeführerin, Klägerin) gegen die B._ AG (Beschwerdegegnerin, Beklagte) auf Schadenersatz in Höhe von USD 782'000. Der Streitpunkt entzündet sich an der Abwicklung von Put-Optionen auf russische "American Depositary Receipts (ADR)" nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs und der darauf folgenden Einstellung des Handels und einem "Cash Settlement" durch die Börse. Das Handelsgericht des Kantons Zürich wies die Klage ab, worauf die Klägerin Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht erhob.

2. Sachverhalt und Vertragsbeziehung

Zwischen der Klägerin (A._ Inc. mit Sitz auf den Bahamas) und der Beklagten (B._ AG mit Sitz in V._) bestand eine Bankbeziehung. Die Klägerin, die eine "Elective Professional"- und "Qualified Investor"-Erklärung unterzeichnet und damit auf umfassenden Anlegerschutz verzichtet hatte, wies die Beklagte am 12. November 2021 an, 1'000 Put-Optionen auf "xxx ADR" an der Börse D.D._ zu platzieren. Die Optionen hatten eine Laufzeit bis zum 18. März 2022, einen Ausübungspreis (strike price) von USD 9.-- und ein Limit von USD 0.65 (später auf USD 0.59 reduziert), woraus die Klägerin eine Optionsprämie von USD 59'650.-- erhielt.

Die "Conditions for Handling Option Contracts" sahen vor, dass alle Transaktionen den Regularien und Praktiken des jeweiligen Handelsplatzes unterliegen und die Kontraktspezifikationen für die Kundin verbindlich sind. Die Optionsverträge wurden im Namen der Beklagten, aber auf Rechnung und im Auftrag der Klägerin abgeschlossen, was der Qualifikation als Kommissionsverhältnis entspricht.

Nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine am 24. Februar 2022 und den verhängten Sanktionen stürzte der Kurs der xxx ADR von USD 9.27 (15. November 2021) auf USD 0.5814 (3. März 2022). Als Reaktion darauf stellte die Börse D.D.__ am 2. März 2022 den Handel mit Aktienderivaten auf russische Basiswerte ein und verfügte ein "Cash Settlement" offener Positionen nach der Fair Value-Methode, basierend auf dem Schlusskurs an der London Stock Exchange vom 3. März 2022. Die London Stock Exchange suspendierte daraufhin den Handel mit xxx ADR. Der Schlusskurs für das Settlement wurde auf USD 0.5814 festgelegt.

Die Beklagte informierte die Klägerin am 2. März 2022 über die bevorstehende Zahlungspflicht. Die Klägerin wies die Beklagte am 3. März 2022 jedoch an, den Betrag nicht an die D.D._ zu überweisen. Am 4. März 2022 wurde die Beklagte von ihrer Clearingstelle E.D._ AG über die Belastung ihrer offenen Positionen in Höhe von USD 842'000.-- informiert. Die Beklagte leitete diese Belastung am 7. März 2022 an das Konto der Klägerin weiter. Die Höhe ergab sich aus 1'000 Optionen multipliziert mit der Differenz zwischen Ausübungspreis (USD 9.--) und Schlusskurs (USD 0.58), also USD 8.42 pro Option.

Die Klägerin macht geltend, die Beklagte habe vertragswidrig gehandelt, indem sie ihr USD 842'000.-- belastet und an die D.D.__ weitergeleitet habe, und fordert Schadenersatz abzüglich der erhaltenen Optionsprämie (USD 842'000 - USD 60'000 = USD 782'000).

3. Vorinstanzliches Urteil des Handelsgerichts

Das Handelsgericht des Kantons Zürich wies die Klage ab. Es begründete dies damit, dass der Vermögensstand der Klägerin vor und nach der Abbuchung von USD 842'000.-- unverändert geblieben sei. Eine Vermögensverminderung in dieser Höhe (USD 842'000) sei bereits zum Zeitpunkt des Kurseinbruches der xxx ADR auf USD 0.5814 eingetreten. Da die von der Klägerin geltend gemachten Vertragsverletzungen allesamt nach dem Kurseinbruch zu verorten seien, habe der Vermögensstand der Klägerin sich aufgrund dieser behaupteten Pflichtverletzungen nicht verändert. Es fehle daher an den Haftungsvoraussetzungen des Schadens und der Kausalität.

4. Erwägungen des Bundesgerichts

Das Bundesgericht bejaht zunächst die formellen Voraussetzungen der Beschwerde, weist aber darauf hin, dass appellatorische Kritik und unzureichende Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Erwägungen unbeachtet bleiben. Es bestätigt die Qualifikation des Vertragsverhältnisses als Kommissionsverhältnis und die Anwendbarkeit schweizerischen Rechts. Die Nichtbeachtung eines privaten Gutachtens durch die Vorinstanz sei ebenfalls nicht zu beanstanden.

4.1. Beurteilung der Prüfungstiefe durch die Vorinstanz

Das Bundesgericht erachtet es als zulässig, dass die Vorinstanz lediglich die Haftungsvoraussetzungen von Schaden und Kausalität geprüft und verneint hat, ohne auf die behaupteten Vertragsverletzungen einzugehen. Dies sei nicht als Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV zu werten.

4.2. Schaden und Kausalität – Rechtsgrundlagen

Das Bundesgericht rekapituliert die gefestigte Rechtsprechung zu Schaden und Kausalität: * Schaden: unfreiwillige Verminderung des Reinvermögens, ermittelt nach der Differenztheorie (Vergleich des aktuellen Vermögensstands mit dem hypothetischen Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis). * Natürliche Kausalität: Das Verhalten muss eine notwendige Bedingung (conditio sine qua non) für den eingetretenen Erfolg sein. Das Beweismass ist die überwiegende Wahrscheinlichkeit. * Adäquate Kausalität: Die Ursache muss nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sein, einen Erfolg der eingetretenen Art herbeizuführen oder zu begünstigen. * Unterlassung: Die Kausalität bestimmt sich danach, ob der Schaden auch bei Vornahme der unterlassenen Handlung eingetreten wäre (hypothetischer Kausalverlauf, überwiegende Wahrscheinlichkeit). Bei Unterlassungen spielen wertende Gesichtspunkte oft schon bei der Feststellung des hypothetischen Kausalverlaufs eine Rolle.

4.3. Kritik des Bundesgerichts an der Schadensbetrachtung der Vorinstanz

Das Bundesgericht kritisiert die vorinstanzliche Begründung zum Schaden als unzureichend. Die Vorinstanz ging davon aus, dass sich die Aktiven (Bankguthaben) der Klägerin im gleichen Ausmass reduziert hätten wie ihre Passiven (Kaufverpflichtung aus der Put-Option), da die Kaufverpflichtung durch das Cash Settlement ersetzt worden sei. Diese Betrachtung sei zu kurz gegriffen, da: 1. Sie stillschweigend die Zulässigkeit des von der D.D.__ vorgenommenen Cash Settlements voraussetze, obwohl diese zwischen den Parteien umstritten war und die Vorinstanz die Frage der Pflichtverletzung offengelassen hatte. 2. Sie ausser Acht lasse, dass die "european-style options" grundsätzlich erst am 18. März 2022 (expiry date) hätten ausgeübt werden können.

Somit seien die Erwägungen der Vorinstanz zum Schaden nicht überzeugend.

4.4. Prüfung der Kausalität durch das Bundesgericht – Substanzierungslücken der Klägerin

Obwohl die Schadensbetrachtung der Vorinstanz fehlerhaft war, kommt das Bundesgericht zum Schluss, dass die Klage dennoch aufgrund der mangelnden Substanzierung des Kausalzusammenhangs abgewiesen werden muss. Das Bundesgericht ging hypothetisch von den von der Klägerin behaupteten Pflichtverletzungen der Beklagten aus (u.a. unterlassene Prüfung der Zulässigkeit des Cash Settlements, Missachtung der Weisung, Geld nicht zu überweisen, keine vertragliche/gesetzliche Grundlage für die Abbuchung, Verletzung der Rückabwicklungspflicht nach Art. 119 OR).

Das Bundesgericht stellt fest, dass die Klägerin in ihrer Beschwerde nicht schlüssig dargelegt hat, dass sie im vorinstanzlichen Verfahren hinreichend behauptet hätte, was bei pflichtgemässem Verhalten der Beschwerdegegnerin geschehen wäre und wie dies den eingeklagten Schaden verhindert hätte.

Entscheidende Punkte der Argumentation des Bundesgerichts zur Substanzierung der Kausalität:

  • Trennung der Vertragsverhältnisse: Es sind zwei Vertragsverhältnisse zu unterscheiden: das zwischen der Beklagten und der D.D.__ (Börse) und das zwischen Klägerin und Beklagter.
  • Anerkennung der Börsenregeln: Die Klägerin hatte in Ziffer 1.2 der "Conditions" anerkannt, dass alle Transaktionen den Regularien und Praktiken des betreffenden Handelsplatzes unterliegen und die Kontraktspezifikationen für sie verbindlich sind.
  • Hypothetischer Kausalverlauf: Die Klägerin hätte konkret aufzeigen müssen, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, sich gegen das – ihrer Ansicht nach – unzulässige Cash Settlement der D.D._ zur Wehr zu setzen, und dass dies dazu geführt hätte, dass die D.D._ der Beklagten den Betrag von USD 842'000.-- nicht belastet hätte. Nur in diesem Fall wäre der Anspruch der Beklagten auf Verwendungsersatz gegenüber der Klägerin in dieser Höhe ausgeschlossen gewesen.
  • Ungenügende Behauptungen: Die Klägerin beschränkte sich auf pauschale Behauptungen, die Beklagte habe ihre Weisung missachtet oder die Richtigkeit des D.D.__-Entscheids nicht (sorgfältig) geprüft. Dies genügt nicht, um einen schlüssigen Kausalzusammenhang zwischen den behaupteten Pflichtverletzungen und dem eingeklagten Schaden von USD 782'000.-- darzulegen. Die Klägerin hat nicht nachvollziehbar aufgezeigt, welche konkreten Handlungspflichten die Beklagte bei Annahme der Unzulässigkeit des Cash Settlements hätte verletzen sollen und wie deren Einhaltung den Schaden verhindert hätte.

4.5. Fazit zur Kausalität

Das Bundesgericht hält fest, dass es im Ergebnis kein Bundesrecht verletzt, wenn die Vorinstanz die Kausalität zwischen den von der Beschwerdeführerin behaupteten Pflichtverletzungen und dem eingeklagten Schaden nicht als nachgewiesen erachtet hat, da die Klägerin die an sie gestellten Anforderungen an die Substanzierung der Kausalität nicht erfüllt hat.

5. Ergebnis

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. Die Beschwerdeführerin trägt die Gerichtskosten und hat die Beschwerdegegnerin zu entschädigen.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht bestätigt die Abweisung der Schadenersatzklage. Obwohl es die Begründung des Handelsgerichts bezüglich der Schadensdefinition kritisierte (unzureichende Berücksichtigung der Umstrittenheit des Cash Settlements und des Ausübungsdatums der Option), gelangt es im Ergebnis zur gleichen Schlussfolgerung. Der Hauptgrund für die Abweisung liegt darin, dass die Klägerin den Kausalzusammenhang zwischen den von ihr behaupteten Pflichtverletzungen der Bank (insbesondere die Nicht-Prüfung der Zulässigkeit des Cash Settlements und die Missachtung ihrer Weisung, das Geld nicht zu überweisen) und dem geltend gemachten Schaden nicht schlüssig dargelegt hat (Substanzierungspflicht). Die Klägerin konnte nicht nachvollziehbar aufzeigen, welche konkreten Handlungen die Bank hätte vornehmen müssen und wie diese Handlungen den Verlust von USD 782'000.-- effektiv verhindert hätten, insbesondere im Kontext der vertraglichen Bindung an die Börsenregeln und des Verhältnisses der Bank zur Clearingstelle.