Zusammenfassung von BGer-Urteil 9C_290/2025 vom 16. September 2025

Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.

Gerne fasse ich das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:

Detaillierte Zusammenfassung des Bundesgerichtsentscheids 9C_290/2025 vom 16. September 2025

1. Einführung und Streitgegenstand

Das Bundesgericht hatte über eine Beschwerde von A.__ (nachfolgend: der Beschwerdeführer) gegen einen Entscheid des Kantonalen Gerichts des Kantons Waadt vom 24. April 2025 zu befinden. Gegenstand des Verfahrens waren die Rechtmässigkeit von Sicherheitsleistungen (sûretés) für kantonale und kommunale Steuern (ICC) der Steuerperioden 2007 bis 2021. Diese Sicherheitsleistungen wurden von der Waadtländer Steuerverwaltung (nachfolgend: die Steuerverwaltung) aufgrund des Risikos eines Wegzugs des Beschwerdeführers ins Ausland und der damit verbundenen Gefährdung der Steuerforderungen angeordnet.

2. Sachverhalt und Verfahrensgeschichte

Der Beschwerdeführer ist Verwaltungsrat und Hauptaktionär der B.__ SA und hat seinen Wohnsitz im Kanton Waadt. Im November 2016 eröffnete die Steuerverwaltung ein Nachsteuer- und Steuerhinterziehungsverfahren für die Perioden 2007 bis 2016. Bis November 2021 wurden ergänzende Steuern (ICC und direkte Bundessteuer, DBSt) sowie Bussen in erheblicher Höhe in Aussicht gestellt (insgesamt rund 675'000 CHF).

Im Juli 2021 plante der Beschwerdeführer den Verkauf seiner Immobilie im Kanton Waadt. Am 10. Dezember 2021 informierte die Notarin die Steuerverwaltung über den bevorstehenden Eigentumsübergang und erwähnte, der Beschwerdeführer werde "prochainement domicilié à V._" (Land V.). Daraufhin forderte die Steuerverwaltung am 14. Dezember 2021 Sicherheitsleistungen in Höhe von 670'000 CHF für die ICC und 255'000 CHF für die DBSt für die Perioden 2007 bis 2021, begründet mit dem Risiko eines Wegzugs des Beschwerdeführers nach V._ ohne Begleichung seiner Steuerschulden. Gleichzeitig erliess sie Arrestbefehle, die am Folgetag vollzogen wurden. Das Kantonale Gericht bestätigte die Anordnung der Sicherheitsleistungen mit Urteil vom 19. Januar 2023.

Ein späteres Revisionsbegehren des Beschwerdeführers wurde von der Steuerverwaltung und dem Kantonalen Gericht abgewiesen. Ein gegen diesen Entscheid erhobenes Bundesgerichtsurteil (9C_93/2024 vom 12. September 2024) wies die Beschwerde bezüglich der DBSt-Sicherheiten ab, hiess sie aber teilweise bezüglich der ICC-Sicherheiten gut und wies die Sache zur Neubeurteilung an das Kantonale Gericht zurück. In der Folge bestätigte das Kantonale Gericht mit Urteil vom 24. April 2025 erneut die Sicherheitsleistungen für die ICC, wogegen der Beschwerdeführer die vorliegende Beschwerde einlegte.

3. Zulässigkeit und Prüfungsrahmen der Beschwerde

Das Bundesgericht hielt fest, dass Sicherheitsmassnahmen zur Sicherstellung von Steuerforderungen als provisorische Massnahmen im Sinne von Art. 98 BGG gelten und somit nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden kann. Solche Rügen müssen gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG explizit und detailliert begründet werden. Das Bundesgericht prüft den Sachverhalt grundsätzlich auf der Grundlage der kantonalen Feststellungen (Art. 105 Abs. 1 BGG) und schreitet nur bei willkürlicher oder rechtswidriger Feststellung (Art. 9 BV) ein, sofern dies den Ausgang der Sache beeinflusst. Bei der Beurteilung von Sicherheitsmassnahmen beschränkt sich die Prüfung auf eine prima facie-Kontrolle der Situation.

Das Bundesgericht erklärte zwei Anträge des Beschwerdeführers für unzulässig: * Der Antrag, das Betreibungsamt anzuweisen, den Arrest aufzuheben, gehe über den Streitgegenstand der Rechtmässigkeit der Sicherheitsleistung hinaus. * Der Antrag, festzustellen, dass die Voraussetzungen für eine Revision erfüllt seien, sei ein unzulässiger Vorbereitungsantrag. Das Bundesgericht interpretierte diesen Antrag jedoch als Begehren um Aufhebung der Sicherheiten.

4. Materiellrechtliche Prüfung der Sicherheitsleistungen

4.1. Verjährungsfrage (von Amtes wegen geprüft)

Das Bundesgericht prüfte von Amtes wegen die Frage der Verjährung der Steuerforderungen, da verjährte Forderungen nicht mehr durch Sicherheitsleistungen gesichert werden können. * Rechtsgrundlage: Gemäss Art. 208 Abs. 3 des Waadtländer Steuergesetzes (LI), konform mit Art. 53 Abs. 3 StHG, erlischt das Recht, eine Nachsteuer zu erheben, 15 Jahre nach Ende der betreffenden Steuerperiode. * Steuerhinterziehung: Für die strafrechtliche Verfolgung der Steuerhinterziehung gilt nach neuem Recht (Art. 58 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 StHG) eine Verjährungsfrist von zehn Jahren ab Ende der Steuerperiode, wobei die Verjährung nicht läuft, wenn vor deren Ablauf ein Entscheid der kantonalen Behörde vorliegt. Nach altem Recht betrug die absolute Frist fünfzehn Jahre. * Anwendung auf den Fall: Da die Nachsteuer- und Steuerhinterziehungsverfahren noch liefen, stellte das Gericht prima facie fest, dass die Steuerforderungen für die Jahre 2007 bis 2009 verjährt erscheinen könnten (insbesondere unter Anwendung des alten Rechts für die Steuerhinterziehung). * Ergebnis der Verjährungsprüfung: Das Bundesgericht kam jedoch zum Schluss, dass die Verjährung von lediglich drei der insgesamt vierzehn Perioden im Hinblick auf die insgesamt geschuldeten Beträge (unter Berücksichtigung der Zinsen) nicht dazu führe, dass der Gesamtbetrag der Sicherheitsleistungen "offensichtlich übermässig" sei. Die Verjährung entlastete den Beschwerdeführer daher nicht wesentlich von der Pflicht zur Sicherheitsleistung.

4.2. Voraussetzungen für die Anordnung von Sicherheitsleistungen

  • Rechtsgrundlage: Art. 233 Abs. 1 LI (Waadt) erlaubt die Anforderung von Sicherheiten, wenn der Steuerpflichtige keinen Wohnsitz in der Schweiz hat oder die Rechte des Fiskus gefährdet erscheinen. Diese Bestimmung entspricht im Wortlaut Art. 169 Abs. 1 DBG, weshalb die dazu entwickelte Rechtsprechung analog anwendbar ist (vgl. Urteil 9C_93/2024 E. 5.2).
  • Gefährdung der Fiskalrechte: Die Steuerbehörde muss objektiv plausibel machen, dass die Zahlung der Steuern gefährdet ist. Massgebend ist die Gesamtheit der Umstände, insbesondere die Möglichkeit, Vermögenswerte zu veräussern oder ins Ausland zu verbringen. Auch das Verhalten des Steuerpflichtigen (z.B. mangelnde Transparenz, systematisches Verschleiern) spielt eine Rolle. Der Fiskus muss eingreifen, solange der Steuerpflichtige noch über genügend finanzielle Mittel verfügt. Die Absicht des Steuerpflichtigen ist eine interne Tatsache, die aus äusseren Elementen abgeleitet wird.

4.3. Begründung des Kantonalen Gerichts (erneut bestätigt vom Bundesgericht)

Das Kantonale Gericht hatte die ursprünglichen Sicherheitsleistungen vom Dezember 2021 bereits im Januar 2023 bestätigt und darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer nicht belegen konnte, keine Immobilien mehr in V.__ zu besitzen. Die damals befürchtete Gefahr eines Wegzugs bei Aufhebung des Arrests auf dem Verkaufserlös seiner einzigen Schweizer Immobilie sei nicht ausgeräumt worden.

In der nun angefochtenen Entscheidung, nach Rückweisung durch das Bundesgericht, bestätigte das Kantonale Gericht seine Analyse und sah keine veränderten Umstände: * Immobilien in V.__: Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Auszüge aus dem Grundbuch von V._ bewiesen nicht das Fehlen von Immobilienbesitz dort, da die Registrierung gemäss dortigem Recht freiwillig sei. * Allgemeine Haltung des Beschwerdeführers: Obwohl ihm seit der Arrestvollziehung im Dezember 2021 keine Nichtzahlung vorgeworfen werden konnte, hatte er bereits Monate zuvor die Zahlungen eingestellt. Er hatte Akontozahlungen für 2017-2020 nur teilweise geleistet und sich nicht vollständig transparent bezüglich seines (früheren) Immobilienbesitzes gezeigt. * Finanzielle Situation: Der Beschwerdeführer hatte erhebliche private Schulden von 919'538 CHF, die seine Vermögenswerte weit überstiegen, was die Einbringlichkeit der Steuerforderungen gefährdete. * V.__-Bankkonto: Das Vorhandensein eines Bankkontos in V._ ermöglichte ihm einen einfachen Transfer von Vermögenswerten ins Ausland bei Aufhebung des Arrests.

Das Kantonale Gericht leitete aus diesen Umständen ab, dass die Fiskalrechte im Sinne von Art. 233 Abs. 1 LI weiterhin gefährdet erschienen.

5. Würdigung der Rügen des Beschwerdeführers durch das Bundesgericht

Der Beschwerdeführer rügte eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, formelle Rechtsverweigerung und willkürliche Rechtsanwendung. Er behauptete, das "angebliche Flou" seiner Wegzugsabsicht nach V.__ habe sich "vollständig aufgelöst" und das Kantonale Gericht habe sich auf "Bagatellelemente" konzentriert.

Das Bundesgericht wies diese Rügen ab: * Keine willkürliche Sachverhaltsfeststellung: Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Elemente (z.B. frühe Rückzahlung eines "Covid-Darlehens", Weiterführung einer Schweizer Krankenversicherung, geringer Kontostand in V._, Zugehörigkeit zu einer Schweizer Pensionskasse) vermögen nicht zu beweisen, dass die kantonalen Feststellungen und die daraus gezogene Schlussfolgerung willkürlich wären. Der Beschwerdeführer bestritt insbesondere nicht die zentralen Erwägungen des Kantonalen Gerichts bezüglich seiner "allgemeinen Haltung" und seiner finanziellen Situation (hohe Schulden, nur teilweise Akontozahlungen). Eine ältere telefonische Notiz der Steuerbehörde über seine Rentenpläne in V._ konnte er nicht als "utopische Spinnereien" wegwischen und damit Willkür beweisen. Die finanzielle Lage mit hohen Schulden (>780'000 CHF Steuerforderungen) und unregelmässigen Akontozahlungen, kombiniert mit seiner allgemeinen Haltung, macht die Gefährdung der Fiskalrechte plausibel. * Mangelnde Transparenz: Der Beschwerdeführer räumte ein, Immobilien, die seiner Gesellschaft gehörten, fälschlicherweise in seiner Steuererklärung 2020 als seine eigenen angegeben zu haben. Dies stützt die kantonale Feststellung mangelnder Transparenz. Selbst wenn die von ihm vorgelegten Bescheinigungen der Steuerverwaltung von V.__ das Fehlen von Immobilienbesitz dort belegen würden, wäre dies angesichts der persönlichen und finanziellen Gesamtsituation nicht ausreichend, um die Aufhebung der Sicherheiten zu rechtfertigen. * Keine Verletzung des rechtlichen Gehörs: Das Kantonale Gericht hat sich auf die entscheidenden Fragen konzentriert und musste nicht alle von den Parteien vorgebrachten Argumente im Detail diskutieren, ohne Art. 29 Abs. 2 BV zu verletzen, solange es zu einem überzeugenden Ergebnis kommt. Dies war hier der Fall.

6. Schlussfolgerung des Bundesgerichts

Das Bundesgericht wies die Beschwerde, soweit sie zulässig war, ab. Die Gerichtskosten wurden dem Beschwerdeführer auferlegt.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht bestätigte die Anordnung von Sicherheitsleistungen für kantonale und kommunale Steuern in Höhe von 670'000 CHF für die Steuerperioden 2007 bis 2021. 1. Gefährdung der Fiskalrechte: Die Steuerforderungen galten aufgrund der Gesamtheit der Umstände als weiterhin gefährdet. Dazu zählten insbesondere die mangelnde finanzielle Transparenz des Steuerpflichtigen, seine erheblichen privaten Schulden (über 900'000 CHF), welche die Vermögenswerte überstiegen und die Einbringlichkeit der Steuerforderungen unwahrscheinlich machten, sowie das unregelmässige Zahlungsverhalten bei Akontozahlungen. 2. Verjährung: Obwohl prima facie eine Verjährung für einzelne Steuerperioden (2007-2009) vorlag, wurde der Gesamtbetrag der Sicherheitsleistungen nicht als offensichtlich übermässig beurteilt, da nur ein kleiner Teil der Forderungen betroffen war und weiterhin Zinsen aufliefen. 3. Beweislast und willkürliche Sachverhaltsfeststellung: Die vom Steuerpflichtigen vorgelegten Gegenbeweise (z.B. zum Immobilienbesitz im Ausland oder zur Absicht eines Wegzugs) vermochten die Feststellungen und die Würdigung der kantonalen Vorinstanz nicht als willkürlich erscheinen zu lassen, insbesondere da er die zentralen Punkte zu seiner finanziellen Lage und seiner mangelnden Transparenz nicht substanziiert bestritt.