Zusammenfassung von BGer-Urteil 6B_382/2025 vom 10. September 2025

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Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts (6B_382/2025 und 6B_383/2025) vom 10. September 2025

Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts, I. strafrechtliche Abteilung, betrifft zwei Beschwerden in Strafsachen, die gegen ein Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 19. Dezember 2024 gerichtet sind. Die Verfahren wurden aufgrund ihres engen sachlichen Zusammenhangs vereinigt.

I. Prozessgeschichte und Sachverhalt

  1. Erstinstanzliches Urteil (Bezirksgericht Zürich, 30. Januar 2020): A.__ (Beschwerdeführer 2) wurde der Anstiftung zu Mord (Art. 112 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 StGB) und der Anstiftung zur Irreführung der Rechtspflege (Art. 304 Ziff. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 StGB) schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von 16.5 Jahren sowie einer unbedingten Geldstrafe verurteilt. Er wurde von weiteren Vorwürfen (versuchte Nötigung, strafbare Vorbereitungshandlungen zu Mord, Vergehens gegen das Waffengesetz) freigesprochen. Zudem wurde er zu Genugtuungs- und Schadenersatzzahlungen an mehrere Privatkläger verpflichtet.

  2. Erstes Berufungsurteil (Obergericht Zürich, 26. August 2022): Das Obergericht sprach A.__ in Gutheissung der Berufung der Staatsanwaltschaft des Mordes (Art. 112 StGB) und der Irreführung der Rechtspflege schuldig, unter Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 17 Jahren und 3 Monaten. Die erstinstanzlichen Freisprüche wegen versuchter Nötigung und Waffengesetzverstosses erwuchsen in Rechtskraft.

  3. Erstes Bundesgerichtsurteil (6B_452/2023, 20. Oktober 2023): Das Bundesgericht hiess die Beschwerde von A.__ teilweise gut. Es hob den Schuldspruch wegen Mordes auf und wies die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück, um eine mögliche Strafbarkeit wegen Anstiftung zu Mord zu prüfen. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab.

  4. Zweites Berufungsurteil (Obergericht Zürich, 19. Dezember 2024): Das Obergericht sprach A.__ der Anstiftung zu Mord (Art. 112 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 StGB) schuldig. Unter Berücksichtigung des rechtskräftigen Schuldspruchs wegen Irreführung der Rechtspflege verurteilte es ihn zu einer Freiheitsstrafe von 16.5 Jahren. Die Zivilforderungen der Privatkläger wurden erneut bestätigt. Dem amtlichen Verteidiger, Rechtsanwalt Andrea Taormina (Beschwerdeführer 1), wurde für das zweite Berufungsverfahren ein Honorar von CHF 8'000.-- zugesprochen.

II. Die Beschwerden vor dem Bundesgericht

  1. Beschwerde 6B_383/2025 (A.__): A.__ beantragt die Aufhebung des Urteils des Obergerichts vom 19. Dezember 2024, einen Freispruch vom Vorwurf der Anstiftung zu Mord sowie eine angemessene Genugtuung. Eventualiter beantragt er die Rückweisung zur Neubeurteilung. Er ersucht zudem um unentgeltliche Rechtspflege.

  2. Beschwerde 6B_382/2025 (Andrea Taormina): Rechtsanwalt Taormina beantragt die Aufhebung der Ziff. 9 des Urteils vom 19. Dezember 2024 und die Festsetzung seiner Entschädigung für die amtliche Verteidigung auf CHF 29'667.45. Eventualiter beantragt er die Rückweisung zur Neubeurteilung.

III. Erwägungen des Bundesgerichts (Verfahren 6B_383/2025 - Anstiftung zu Mord)

  1. Kognitionsüberschreitung des Obergerichts (Rüge des Beschwerdeführers 2): A._ rügte, die Vorinstanz habe ihre Kognition überschritten, indem sie auf den Sachverhalt des ersten Berufungsurteils zurückgekommen sei und die Kausalität zwischen seinen Handlungen und dem Tötungsdelikt im Urteil vom 26. August 2022 noch verneint habe. Das Bundesgericht verneinte dies. Es hielt fest, dass die Kausalität bereits im ersten obergerichtlichen Urteil bejaht worden war (im Kontext der Mittäterschaft) und dass das Bundesgericht im Rückweisungsentscheid 6B_452/2023 selbst gewisse Widersprüche in der vorinstanzlichen Argumentation erkannte, aber letztlich bestätigte, dass A._ der Initiator des "Erpresserschreibens" war und es ohne seine psychisch-geistige Beeinflussung von F.__ nicht zum Tötungsdelikt gekommen wäre (E. 3.8 von 6B_452/2023). Der Rückweisungsentscheid umfasste die Befugnis zu allfälligen ergänzenden Sachverhaltsfeststellungen, insbesondere zum Anstiftungsvorsatz.

  2. Glaube an die Lügengeschichten: Der Beschwerdeführer 2 behauptete weiter, F._ habe die Lügengeschichten nicht geglaubt. Das Bundesgericht verneinte auch dies. Die Vorinstanz habe willkürfrei festgestellt, A._ habe F._ über einen längeren Zeitraum mit falschen Bedrohungsszenarien manipuliert, welche F._ geglaubt habe. F.__ sei erst im Verlaufe des Strafverfahrens, nach dem Tötungsdelikt, zur Erkenntnis gelangt, dass er belogen wurde.

  3. Sachliche Rüge: Bundesrechtswidrige Qualifikation als Anstiftung zu Mord: A.__ rügte eine bundesrechtswidrige Qualifikation seines Verhaltens. Er bestritt das Vorliegen einer natürlich und adäquat kausalen Anstiftungshandlung, das Fehlen einer ausdrücklichen Aufforderung zur Tat, die Absurdität der Lügengeschichten und das Fehlen eines doppelten Anstiftervorsatzes.

    • Grundsatz der Sachverhaltsbindung: Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz willkürfrei festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). A.__ stützte seine Rügen über weite Strecken auf eigene, von den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichende Tatsachenbehauptungen, worauf nicht einzutreten war.
    • Die Anstiftungshandlung und Kausalität: Die Vorinstanz stellte fest, A._ habe seine Freipressung und das Erpresserschreiben, das die Tötung von Zufallsopfern vorsah, in gemeinschaftlichem Zusammenwirken mit F._ geplant. Er habe die Tötung gewollt und für möglich gehalten. Seine Beeinflussung von F._, beginnend mit den Lügengeschichten, sei für die Tatausführung wesentlich gewesen; A._ sei der eigentliche Initiator, ohne dessen Lügen es nie zur Tötung gekommen wäre. Das Bundesgericht bestätigte, dass es sich hierbei um eine typische Anstiftung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 StGB handelt. Es bekräftigte seine frühere Einschätzung (6B_452/2023, E. 3.8), wonach die psychisch-geistige Beeinflussung von F._ durch A._ kausal für das Tötungsdelikt war. Die für eine Anstiftung erforderliche Intensität sei hier ohne Weiteres erreicht. Es handelte sich um eine über lange Zeit andauernde, manipulative Beeinflussung, nicht bloss um "unbedachtes Reden". A.__ war zudem Initiator und Mitverfasser des Erpresserschreibens, dessen Inhalt eine Tötung vorsah.
    • Der doppelte Anstiftervorsatz: Die Anstiftung erfordert Eventualvorsatz (Art. 12 Abs. 2 Satz 2 StGB). Der Vorsatz muss sich auf die Herbeiführung des Tatentschlusses bei F._ und auf die Ausführung der Tat beziehen. Die Vorinstanz hatte willkürfrei festgestellt, dass A._ die Tötung unbeteiligter Dritter zwecks seiner Freipressung gewollt und für möglich gehalten hatte und den Entschluss zur Tötungshandlung bei F.__ auslösen wollte. Dies seien "innere Tatsachen", die das Bundesgericht nur auf Willkür überprüfe. Die Rüge A.__s, die Vorinstanz hätte den doppelten Anstiftervorsatz nicht nachvollziehbar bejaht, wurde als unbegründet abgewiesen.
    • Adäquanz und Fahrlässigkeit: A._ berief sich auf BGE 105 IV 330, der ein Fahrlässigkeitsdelikt betraf. Das Bundesgericht stellte klar, dass die Adäquanz im Sinne der zu Fahrlässigkeitsdelikten ergangenen Definition keine Tatbestandsvoraussetzung der vorsätzlichen Anstiftung sei. Auch die Anstiftung einer naiven oder zur Straftat neigenden Person sei strafbar, wenn der Anstifter mit Wissen und Willen zur Tat bestimmt und die Tat selbst will. Die Absurdität der Lügengeschichten sei irrelevant, da A._ wusste, dass F.__ sich im Strafvollzug darauf einlassen und von der Notwendigkeit einer Freipressung überzeugt werden konnte.
    • Begründungspflicht und rechtliches Gehör: Das Bundesgericht befand, dass die Vorinstanz diesen Anforderungen genügt hat, da die wesentlichen Punkte des Entscheids dargelegt wurden.

IV. Erwägungen des Bundesgerichts (Verfahren 6B_382/2025 - Entschädigung amtliche Verteidigung)

  1. Rügen des Beschwerdeführers 1 (Rechtsanwalt Taormina): Rechtsanwalt Taormina rügte eine willkürliche Anwendung des kantonalen Anwaltstarifs, da die Entschädigung von CHF 8'000.-- für das zweite Berufungsverfahren seine Kostennote von CHF 29'667.45 um fast 75 % kürze. Er machte geltend, die Bedeutung und Komplexität des Falles (Mordvorwurf, Tausende Seiten Akten, komplexe Rechtsfragen zur Anstiftung) sowie das erforderliche Rechtsstudium seien unzureichend berücksichtigt worden. Er rügte zudem ein krasses Missverhältnis zur Entschädigung des Rechtsvertreters der Privatkläger (rund CHF 6'000.--), der mehrere Personen vertreten habe.

  2. Prüfungsstandard und Ermessensspielraum: Das Bundesgericht prüft die Anwendung des kantonalen Anwaltstarifs nur auf Willkür und Vereinbarkeit mit anderen verfassungsmässigen Rechten. Den Kantonen komme bei der Bemessung des Honorars ein weiter Ermessensspielraum zu. Ein Eingreifen des Bundesgerichts sei nur bei einer klaren Überschreitung dieses Ermessensspielraums, unberücksichtigten notwendigen Bemühungen oder einer krassen Diskrepanz zur Gerechtigkeit geboten.

  3. Beurteilung der Rügen: Das Bundesgericht verneinte eine willkürliche Anwendung. Es berücksichtigte, dass es sich um das zweite Berufungsverfahren handelte, welches primär der Umsetzung des bundesgerichtlichen Rückweisungsentscheids diente. Die Kosten für die amtliche Verteidigung in den Vorverfahren (ca. CHF 83'000.-- erstinstanzlich, ca. CHF 36'878.-- im ersten Berufungsverfahren) waren bereits erheblich. Zudem seien nach dem Rückweisungsentscheid keine weiteren "komplexen" Rechtsfragen zur Anstiftung ersichtlich gewesen, die ein umfangreiches, gesondert entschädigungspflichtiges Rechtsstudium erfordert hätten. Das Bundesgericht verwies auf den Leitfaden amtliche Mandate der Oberstaatsanwaltschaft Zürich, wonach Rechtsstudium mit Ausnahme aussergewöhnlicher Rechtsfragen nicht als entschädigungspflichtige Aufwendung gelte. Der Einwand des "krassen Missverhältnisses" zur Entschädigung des Privatklägervertreters (CHF 5'978.30) wurde ebenfalls als unbegründet erachtet, da dieser Betrag tiefer liege und der Privatklägervertreter zudem mehrere Personen vertreten habe und nicht am bundesgerichtlichen Rückweisungsverfahren beteiligt war, wodurch dort keine Aufwendungen anfielen. Die Entschädigung von CHF 8'000.-- stehe in einem vernünftigen Verhältnis zu den geleisteten Diensten.

V. Gesamtfazit

Die Beschwerden werden, soweit darauf einzutreten ist, vollumfänglich abgewiesen. Die Gerichtskosten werden den Beschwerdeführern auferlegt. Das Gesuch des Beschwerdeführers 2 um unentgeltliche Rechtspflege wird wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde abgewiesen, die Gerichtsgebühr jedoch reduziert.

VI. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte

Das Bundesgericht bestätigte den Schuldspruch des Obergerichts wegen Anstiftung zu Mord gegen A._. Es bekräftigte, dass A._ durch langfristige Manipulation mittels Lügengeschichten und die Mitinitiierung eines Erpresserschreibens kausal und mit doppeltem Vorsatz den Tatentschluss bei F._ ausgelöst hatte. Die Einwände A.__s, insbesondere bezüglich Kausalität, des Unglaubens von F._ an die Lügen und einer angeblichen Kognitionsüberschreitung, wurden als unbegründet abgewiesen. Die Rüge der amtlichen Verteidigung gegen die Höhe ihrer Entschädigung wurde ebenfalls abgewiesen, da die vom Obergericht festgesetzte Pauschale von CHF 8'000.-- im Kontext des zweiten Berufungsverfahrens und der bereits hohen Entschädigungen in den Vorinstanzen als verhältnismässig und nicht willkürlich erachtet wurde.