Zusammenfassung von BGer-Urteil 1C_449/2024 vom 15. August 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts (1C_449/2024 vom 15. August 2025) detailliert zusammen.

Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 1C_449/2024 vom 15. August 2025

1. Einleitung und Sachverhalt

Das Urteil des Bundesgerichts betrifft eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen einen Baubewilligungsentscheid für den Neubau von zwei Mehrfamilienhäusern und vier Einfamilienhäusern mit unterirdischer Einstellhalle und einem oberirdischen Aussenparkplatz auf der Parzelle Nr. 588 in der Wohn- und Gewerbezone WGa der Gemeinde Amsoldingen. Die Beschwerdeführerin A._, Eigentümerin der Nachbarparzelle, beantragte den Bauabschlag. Das Regierungsstatthalteramt Thun erteilte die Bewilligung mit Ausnahme für einen Aussenparkplatz im Strassenabstand, was von der Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern bestätigt wurde. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern hiess die Beschwerde teilweise gut, indem es eine Auflage zur Einhaltung des Lichtraumprofils der Einstellhalleneinfahrt ergänzte, wies sie im Übrigen jedoch ab. Dagegen erhob A._ Beschwerde beim Bundesgericht.

Ein wesentlicher Sachverhaltspunkt, der während des Verfahrens bekannt wurde, war die Abparzellierung der ursprünglichen Parzelle Nr. 588 in die Grundstücke Nrn. 588, 655, 656, 657 und 658, die jedoch in den Bauplänen und den kantonalen Bewilligungsverfahren unberücksichtigt geblieben war. Ein Revisionsgesuch der Beschwerdeführerin beim Verwaltungsgericht, das auf diese Abparzellierung abzielte, wurde abgewiesen.

2. Rügen der Beschwerdeführerin und die Beurteilung des Bundesgerichts

Die Beschwerdeführerin brachte im Wesentlichen folgende Rügen vor:

2.1. Offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung (Abparzellierung der Bauparzelle)

  • Rüge: Die Vorinstanz habe eine Teilung der Bauparzelle übersehen. Die Baupläne seien weder aktuell noch richtig, da sie sich auf eine nicht mehr existierende, ungeteilte Parzelle Nr. 588 bezögen. Dies führe zu falschen Grenz- und Gebäudeabständen sowie einer unzutreffenden Berechnung der Geschossflächenziffer (GSF). Insbesondere werde auf neu abparzellierten Grundstücken die minimale GSF nicht eingehalten (Unternutzung), während auf der verbleibenden Parzelle Nr. 588 die maximale GSF überschritten werde (Übernutzung). Zudem sei für die neuen Parzellen keine Baubewilligung erteilt worden, was zu baurechtswidrigen Zuständen führe.
  • Beurteilung des Bundesgerichts:
    • Das Bundesgericht bestätigte, dass die Abparzellierung sowohl im Beschwerdeverfahren vor der Direktion als auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unberücksichtigt geblieben war und das angefochtene Urteil daher grundsätzlich auf einem offensichtlich unrichtigen Sachverhalt fusste.
    • Entscheidend sei jedoch gemäss Art. 97 Abs. 1 BGG, ob die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein könnte. Das Bundesgericht verneinte dies, da die Beschwerdeführerin keinen praktischen Nutzen aufzeigen konnte, der aus einer Korrektur resultieren würde.
    • Grenz- und Gebäudeabstände: Die Beschwerdeführerin legte keine konkreten Abstandsverletzungen dar. Die Beschwerdegegnerin konnte glaubhaft machen, dass die Abparzellierung an der Einhaltung der Grenz- und Gebäudeabstände gemäss Art. 34 des Baureglements der Einwohnergemeinde Amsoldingen (GBR/Amsoldingen) nichts ändere.
    • Geschossflächenziffer (Unternutzung): Auch wenn die Beschwerdeführerin auf eine mögliche Unternutzung auf den neuen Parzellen hinwies (z.B. GSF 0.34 statt min. 0.5 auf Parzelle Nr. 655), konnte sie nicht darlegen, dass dies die Bewilligungsfähigkeit des Gesamtprojekts beeinflussen würde. Das Bundesgericht verwies auf die Möglichkeit einer Nutzungsübertragung (vgl. ZAUGG/LUDWIG, N. 11 zu Art. 13 BauG/BE und Art. 32 der Verordnung des Kantons Bern über die Begriffe und Messweisen im Bauwesen [BMBV/BE]), durch die ein allfälliges Defizit auf einzelnen Parzellen ausgeglichen werden könnte.
    • Geschossflächenziffer (Übernutzung): Die Behauptung einer Übernutzung auf der Parzelle Nr. 588 wurde in den Kontext der Frage gestellt, ob für das Bauvorhaben überhaupt eine maximal zulässige Geschossflächenziffer gelte (siehe dazu E. 3). Sollte dies nicht der Fall sein, wäre die Sachverhaltsrüge auch unter diesem Aspekt irrelevant.
    • Fehlende Baubewilligung für neue Parzellen: Die Beschwerdeführerin versäumte es, nachvollziehbar aufzuzeigen, dass die fehlende Erfassung der neuen Parzellen im Baugesuch zu einem baurechtswidrigen Zustand führen würde, der nicht durch Anpassung der Pläne oder allenfalls eine Vereinigung der Grundstücke behebbar wäre, ohne die Bewilligungsfähigkeit des Vorhabens an sich zu beeinträchtigen.

2.2. Nichteinhaltung der Geschossflächenziffer (GSF 0.65)

  • Rüge: Das Bauvorhaben mit einer oberirdischen GSF von 0.67 überschreite die maximal zulässige GSF von 0.65 gemäss Art. 10 Abs. 2 GBR/Amsoldingen. Die Vorinstanz habe diese Bestimmung willkürlich nicht angewendet und zudem die Begründungspflicht (Art. 29 Abs. 2 BV) verletzt.
  • Beurteilung des Bundesgerichts:
    • Die Vorinstanz hatte festgehalten, dass die maximale GSF von 0.65 gemäss Art. 10 Abs. 2 GBR/Amsoldingen nur dann massgebend sei, wenn die Bauherrschaft von der Gestaltungsfreiheit nach Art. 75 BauG/BE Gebrauch mache. Da die Beschwerdegegnerin im vorliegenden Fall sämtliche regulären Grenz- und Gebäudeabstände einhalte und keine zusätzlichen Freiheiten beanspruche, sei die Nutzungsbeschränkung von Art. 10 Abs. 2 GBR/Amsoldingen nicht anwendbar.
    • Das Bundesgericht befand diese Auslegung für vertretbar und nicht willkürlich. Es sei sachlich begründet, das zulässige Nutzungsmass nur bei Anwendung der Gestaltungsfreiheit zu begrenzen, etwa um unerwünschte Riegelwirkungen zu verhindern. Die Gestaltungsfreiheit ermögliche Abweichungen von der baurechtlichen Grundordnung, insbesondere der offenen Bauweise, und es sei nachvollziehbar, wenn eine Gemeinde dann eine maximale Nutzungsziffer einführe.
    • Die Formulierung "bei der Anwendung der Gestaltungsfreiheit" (Art. 10 Abs. 2 GBR/Amsoldingen) mache deutlich, dass die Vorschrift nur dann gelte, wenn von der Gestaltungsfreiheit Gebrauch gemacht werde. Die Tatsache, dass das Bauvorhaben gewisse Ausnahmen (z.B. Bauen im Strassenabstand) erhielt, ändere daran nichts, da die Gestaltungsfreiheit gemäss Art. 75 Abs. 1 BauG/BE sich nur auf arealinterne Abstände, Anordnung und Gebäudelängen beziehe, nicht aber auf das Bauen im Strassenabstand.
    • Eine Gesetzesumgehung oder eine Verletzung der Begründungspflicht durch die Vorinstanz wurde verneint.

2.3. Rückwirkungsverbot und Gestaltung des Bauvorhabens

  • Rüge: Die Vorinstanz habe Art. 22a Abs. 1 des Baubewilligungsdekrets des Kantons Bern (BewD/BE) in der Fassung vom 1. April 2023 angewendet, obschon gemäss Art. 36 Abs. 1 BauG/BE und Art. 55 BewD/BE das Recht zur Zeit der Gesuchseinreichung (Dezember 2019) massgeblich sei. Zudem sei die Sachverhaltsfeststellung willkürlich, da eine veraltete Ortsansicht verwendet wurde, auf der neue Gebäude fehlten.
  • Beurteilung des Bundesgerichts:
    • Rückwirkungsverbot: Das Bundesgericht stellte fest, dass sich der Inhalt von Art. 22a Abs. 1 BewD/BE zwischen der relevanten Fassung von 2017 und der von 2023 nicht geändert hat. In beiden Fassungen wird die Kommission zur Pflege der Orts- und Landschaftsbilder nur bei prägenden Bauvorhaben konsultiert. Die Rüge war somit unbegründet.
    • Sachverhaltsfeststellung: Die Beschwerdeführerin legte nicht dar, inwiefern die gerügte fehlerhafte Ortsansicht die vorinstanzliche Beurteilung, das Bauvorhaben sei nicht prägend und weise eine gute Gesamtwirkung auf, entscheidend beeinflussen könnte (Art. 97 Abs. 1 BGG).

2.4. Strassenmässige Erschliessung

  • Rüge: Die Vorinstanz habe Art. 7 BauV/BE (Anforderungen an neue Erschliessungsanlagen) zu Unrecht angewendet und die Relevanz der Mehrbelastung und Verkehrssicherheit gemäss Art. 5 lit. a BauV/BE verkannt. Die Erschliessung sei nicht hinreichend, da die Einstellhalleneinfahrt ungeeignet sei, was zu Parkieren auf dem Riedliweg führe und die Erreichbarkeit für Rettungsdienste behindere. Die Vorinstanz habe zudem willkürlich auf den Amtsbericht der Gemeinde abgestellt, die ein Eigeninteresse an der Realisierung des Vorhabens habe.
  • Beurteilung des Bundesgerichts:
    • Das Bundesgericht erinnerte daran, dass für die hinreichende Erschliessung den kantonalen und kommunalen Behörden ein erhebliches Ermessen zukommt (Art. 19 Abs. 1, Art. 22 Abs. 2 lit. b RPG).
    • Die Vorinstanz hatte festgestellt, dass der Riedliweg mit einer Breite von durchgehend mindestens 4.5 m (grösstenteils 5 m) sogar die Anforderungen an eine neu zu erstellende Erschliessungsstrasse gemäss Art. 7 Abs. 2 BauV/BE (min. 4.2 m für Gegenverkehr) erfülle. Dies sei auch bei erhöhtem Verkehrsaufkommen ein massgeblicher Beitrag zur Verkehrssicherheit und Zugänglichkeit für Blaulichtorganisationen. Die Frage des "Mehrverkehrs" gemäss Art. 5 lit. a BauV/BE sei daher nicht entscheidend.
    • Die Rügen der Beschwerdeführerin, die lediglich ihre eigene Einschätzung mit pauschalen Behauptungen und Mutmassungen untermauerte, konnten die vorinstanzlichen Erwägungen nicht umstossen. Die Vorinstanz habe auch nicht willkürlich gehandelt, indem sie ergänzend die fehlenden Vorbehalte der Gemeinde zur Kenntnis nahm.

2.5. Ausgestaltung der Einstellhalleneinfahrt (Höhe und Neigung)

  • Rüge: Die Abweichungen von den VSS-Normen (Schweizerischer Verband der Strassen- und Verkehrsfachleute) seien erheblich. Eine um 10% zu geringe Einfahrtshöhe (2.09 m statt empfohlene 2.3 m) schränke die Nutzungsmöglichkeiten stark ein (höhere Fahrzeuge, Dachträger etc.), führe zu Strassenparkieren und sei willkürlich beurteilt worden. Auch für den Langsamverkehr (Fahrräder) seien die Neigung (18.89% statt max. 12%) und Höhe ungenügend.
  • Beurteilung des Bundesgerichts:
    • Das Bundesgericht hielt fest, dass VSS-Normen blosse Richtlinien sind, die nicht schematisch und starr anzuwenden sind und nur kraft Verweisung im kantonalen Recht Verbindlichkeit erlangen. Nennenswerte Abweichungen bedürften aber zureichender Gründe.
    • Für Personenwagen: Die Vorinstanz war unter Berücksichtigung des Fachberichts des Tiefbauamts zu einer Fahrzeughöhe von 1.8 m gelangt, was eine Marge von 20-30 cm liess. Selbst wenn höhere Fahrzeuge von der Einfahrt ausgeschlossen wären, mache dies die Einfahrt nicht per se gefährlich oder schlecht befahrbar. Die Mutmassungen über Strassenparkieren seien irrelevant für die sicherheitstechnische Beurteilung.
    • Für Langsamverkehr: Die Vorinstanz hatte eingeräumt, dass die Rampe für den Langsamverkehr "nicht gut nutzbar" sei. Das Bundesgericht befand jedoch, dass die von der Vorinstanz angeführten Gründe (kurze Rampe, private Einstellhalle, Nutzer kennen Gegebenheiten, Möglichkeit des Schiebens, alternative oberirdische Abstellplätze, Treppenhaus für Fussgänger) zureichend seien, um von den VSS-Normen abzuweichen. Es gehe hier eher um "komfortable Benutzbarkeit" als um "Gefährlichkeit". Da es sich nicht um eine eigentliche Rechtsvorschrift handle, liege auch keine Ausnahme im Sinne von Art. 26 ff. BauG/BE vor, die besondere Verhältnisse voraussetzen würde.

2.6. Ausnahmebewilligung für Aussenparkplatz im Strassenabstand

  • Rüge: Die Vorinstanz habe verkannt, dass der Aussenparkplatz Gegenstand einer Projektänderung gewesen sei und die Verkehrsregeln (Art. 36 Abs. 4 SVG, Art. 17 Abs. 4 VRV) Wendemanöver generell verböten, was am Riedliweg gefährlich sei.
  • Beurteilung des Bundesgerichts: Die Vorinstanz hatte nicht verkannt, dass der Aussenparkplatz Gegenstand einer Projektänderung war, sondern festgestellt, dass er vom ursprünglichen Ausnahmegesuch erfasst gewesen sei. Die Beschwerdeführerin konnte keine Willkür geltend machen. Eine generelle Untersagung von Wendemanövern aus den angeführten Bestimmungen ist nicht ableitbar. Die Vorinstanz ging angesichts der Übersichtlichkeit und des geringen Verkehrsaufkommens auf dem Riedliweg (nach dem Parkfeld erschliesst die Strasse nur wenige Häuser) von einer gefahrlosen Wendemöglichkeit aus, was vom Tiefbauamt bestätigt wurde. Die Rüge wurde abgewiesen.

3. Schlussfolgerung des Bundesgerichts

Das Bundesgericht wies die Beschwerde vollumfänglich ab.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  1. Faktischer Mangel der Abparzellierung: Das Bundesgericht anerkannte eine anfängliche, offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung durch die Vorinstanzen bezüglich der Parzellierung. Es befand diesen Mangel jedoch als nicht entscheidrelevant für den Verfahrensausgang, da die Beschwerdeführerin keinen praktischen Nutzen aufzeigen konnte und mögliche Verstösse gegen Bauvorschriften (wie Unternutzung) durch Instrumente wie die Nutzungsübertragung behebbar wären.
  2. Anwendung der Geschossflächenziffer (GSF): Das Bundesgericht bestätigte die Auslegung der Vorinstanz, wonach die maximal zulässige GSF von 0.65 nur dann gilt, wenn von der Gestaltungsfreiheit Gebrauch gemacht wird. Da das Bauvorhaben der Beschwerdegegnerin diese nicht in Anspruch nahm (da es die regulären Abstände einhielt), war die maximale GSF nicht anwendbar, und es galt lediglich die minimale GSF von 0.5. Diese Auslegung wurde als vertretbar und nicht willkürlich erachtet.
  3. Gestaltung und Erschliessung: Rügen bezüglich des Rückwirkungsverbots bei der Anwendung des Bewilligungsdekrets, der Aktualität der Ortsansicht für die Gestaltungsbeurteilung sowie der strassenmässigen Erschliessung (Breite des Riedliwegs, Verkehrssicherheit, Notfallzugänglichkeit) wurden vom Bundesgericht abgewiesen. Es bestätigte die grosszügigen Platzverhältnisse der Zufahrtsstrasse und die Ermessensbefugnis der kantonalen Behörden.
  4. Einstellhalleneinfahrt: Das Bundesgericht stützte die Beurteilung der Vorinstanz, wonach die geringfügigen Abweichungen der Längsneigung und lichten Höhe der Einstellhalleneinfahrt von den VSS-Normen vertretbar und nicht sicherheitsrelevant seien. Es betonte, dass VSS-Normen Richtliniencharakter haben und nicht starr angewendet werden müssen, und dass für die geringen Abweichungen zureichende Gründe vorliegen, insbesondere da es sich um eine private Anlage handelt.
  5. Aussenparkplatz: Die Ausnahmebewilligung für den Aussenparkplatz im Strassenabstand wurde als zulässig erachtet, da keine Verkehrssicherheitsprobleme bestanden und die Rügen der Beschwerdeführerin keine Bundesrechtsverletzung aufzeigten.