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Gerne fasse ich das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (BGE 4A_193/2025 vom 15. September 2025) detailliert zusammen:
Detaillierte Zusammenfassung des Bundesgerichtsurteils 4A_193/2025 vom 15. September 20251. Einleitung und Parteien
Das vorliegende Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts befasst sich mit einer Streitigkeit aus einer kollektiven Krankentaggeldversicherung nach dem Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (VVG). Beschwerdeführerin ist die A.__ AG (Versichererin), Beschwerdegegner ist B.__ (versicherte Person). Im Kern ging es um die Frage, ob ein vertraglicher Ausschluss einer Übergangsfrist bei arbeitsplatzbezogener Arbeitsunfähigkeit rechtlich zulässig ist, wenn die versicherte Person lediglich einen Stellenwechsel, aber keinen Berufswechsel vornehmen soll.
2. Sachverhalt
B._, geboren 1970, war seit dem 1. Mai 2022 bei der C._ AG als Radiologiefachmann in einem 80%-Pensum angestellt und über seinen Arbeitgeber bei der A.__ AG kollektiv krankentaggeldversichert. Die Versicherung sah ein Krankentaggeld von 90% des versicherten Lohns für maximal 730 Tage abzüglich einer 90-tägigen Wartefrist vor.
Ab dem 27. März 2023 war B._ krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Die A._ AG richtete nach Ablauf der Wartefrist die Taggelder aus. Eine im Auftrag der A._ AG durchgeführte psychiatrische Untersuchung am 14. Juli 2023 kam zum Schluss, dass B._ für seine angestammte Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber wieder zu 100% arbeitsfähig sei. Gestützt darauf stellte die A._ AG die Taggeldleistungen mit Schreiben vom 26. Juli 2023 per 1. August 2023 ein, mit der Begründung, es bestehe wieder eine 100%ige Arbeitsfähigkeit für eine angepasste Tätigkeit. B._ legte Widerspruch ein, jedoch hielt die A.__ AG an der Leistungseinstellung fest.
Das Arbeitsverhältnis von B._ mit der C._ AG wurde mit Kündigungen vom 20. April und 26. Juni 2023 per 30. November 2023 aufgelöst.
3. Prozessgeschichte vor Bundesgericht
B._ reichte am 25. März 2024 Klage beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ein und beantragte die Zahlung von zwei Monatsgehältern (August und September 2023) in Höhe von insgesamt Fr. 10'719.--. Die Vorinstanz hiess die Klage mit Urteil vom 25. Februar 2025 gut und verpflichtete die A._ AG zur Zahlung des beantragten Betrags. Sie begründete dies damit, dass der A.__ AG eine zweimonatige Übergangsfrist für den Stellenwechsel hätte einräumen müssen.
Die A.__ AG zog das Urteil der Vorinstanz an das Bundesgericht weiter mit dem Antrag auf Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids und die Feststellung, dass sie keine Taggeldleistungen für den genannten Zeitraum schulde.
4. Streitfrage
Die zentrale Rechtsfrage, die das Bundesgericht zu beurteilen hatte, war, ob die Beschwerdeführerin gestützt auf Ziffer 23.10 letzter Satz ihrer Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) berechtigt war, die Taggeldleistungen ohne Gewährung einer Übergangsfrist per 1. August 2023 einzustellen. Diese AVB-Bestimmung schloss ausdrücklich einen Anspruch auf Übergangstaggeld aus, wenn die Aufforderung zu einem Stellenwechsel in angestammter Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber erfolgt und dies nicht einem Berufswechsel entspricht.
5. Rechtliche Grundlagen und bundesgerichtliche Praxis
5.1. Die versicherungsrechtliche Rettungspflicht (Schadenminderungspflicht) Das Bundesgericht erinnert an Art. 38a Abs. 1 VVG, wonach der Anspruchsberechtigte verpflichtet ist, nach Eintritt des befürchteten Ereignisses tunlichst für Minderung des Schadens zu sorgen. Diese versicherungsrechtliche Rettungspflicht ist Ausfluss des allgemeinen Grundsatzes der Schadenminderungspflicht, der dogmatisch aus dem Gebot des Handelns nach Treu und Glauben (Art. 2 Abs. 1 ZGB) abgeleitet wird.
5.2. Analogie zum Sozialversicherungsrecht Das Gericht verweist darauf, dass die sozialversicherungsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts, insbesondere zu Art. 21 Abs. 4 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG), auch im Privatversicherungsrecht (namentlich in der privaten Taggeldversicherung) analoge Anwendung findet, soweit sie eine Konkretisierung von Treu und Glauben darstellt (Urteil 4A_111/2010 vom 12. Juli 2010 E. 3.1).
5.3. Konstante Rechtsprechung zur Übergangsfrist Das Bundesgericht betont seine konstante Rechtsprechung zur Pflicht des Versicherers, eine angemessene Übergangsfrist zu gewähren. Diese gilt, wenn vom Versicherten ein (Teil-)Berufswechsel erwartet wird. Während dieser Frist, die in der sozialversicherungsrechtlichen Praxis bei drei bis fünf Monaten liegt und auch für Krankentaggeldversicherungen nach VVG Gültigkeit beansprucht (BGE 133 III 527 E. 3.2.1), werden Taggelder weiterhin gemäss der Arbeitsunfähigkeit im angestammten Beruf geleistet. Die Frist dient der Anpassung und Stellensuche, nicht ausschliesslich der Umschulung (Urteil 4A_73/2019 vom 29. Juli 2019 E. 3.3.3).
5.4. Zumutbarkeit und Realisierbarkeit Entscheidend ist die konkrete Zumutbarkeit eines Berufswechsels oder Stellenwechsels. Es genügt nicht eine medizinisch-theoretische Arbeitsfähigkeit; vielmehr sind die reellen Chancen der versicherten Person, eine ihren gesundheitlichen Beeinträchtigungen Rechnung tragende Arbeit zu finden, unter Berücksichtigung von Alter, Ausbildung, Arbeitserfahrung und Arbeitsmarktsituation zu würdigen (Urteil 4A_495/2016 vom 5. Januar 2017 E. 2.3).
5.5. Anwendung auf den Stellenwechsel Das Bundesgericht stellt klar, dass diese Rechtsprechung zur Gewährung einer Übergangsfrist nicht nur für den Berufswechsel, sondern auch für Fälle arbeitsplatzbezogener Arbeitsunfähigkeit Anwendung findet, die lediglich einen Stellenwechsel erfordern und keinen vollständigen Berufswechsel (Urteile 4A_1/2020 vom 16. April 2020 E. 4.1; 9C_177/2022 vom 18. August 2022; 4A_111/2010 vom 12. Juli 2010).
5.6. Vertragliche Konkretisierung der Schadenminderungspflicht Grundsätzlich können die Parteien die gesetzliche Schadenminderungspflicht gemäss Art. 38a VVG durch Parteiabrede in den AVB konkretisieren, da Art. 38a VVG keine zwingende Bestimmung ist. Allerdings darf die Versicherung der versicherten Person keine unzumutbaren Pflichten auferlegen (Süsskind, in: Basler Kommentar, VVG, N. 38 zu Art. 38a VVG). Die hier strittige Bestimmung Ziffer 23.10 letzter Satz AVB lautet: "Die Aufforderung zu einem Stellenwechsel in angestammter Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber entspricht nicht einem Berufswechsel und löst keinen Anspruch auf ein Übergangstaggeld aus."
6. Entscheid des Bundesgerichts und dessen Begründung
Das Bundesgericht weist die Beschwerde der A.__ AG ab und bestätigt das Urteil der Vorinstanz.
6.1. Gültigkeit der AVB-Klausel im Grundsatz Zunächst stimmt das Bundesgericht der Vorinstanz insoweit zu, als sie die Rüge des Beschwerdegegners, Ziffer 23.10 letzter Satz AVB sei wegen Verstosses gegen zwingendes Recht (Art. 324a Abs. 4 OR) nichtig, verworfen hat. Die vertragliche Konkretisierung der Schadenminderungspflicht ist grundsätzlich zulässig.
6.2. Widerspruch der AVB-Klausel zu Treu und Glauben Das Bundesgericht hält jedoch fest, dass der gänzliche vertragliche Ausschluss einer Übergangsfrist bei stellenbezogener Arbeitsunfähigkeit, wie er in Ziffer 23.10 letzter Satz AVB vorgesehen ist, wertungsmässig klarerweise der bundesgerichtlichen Rechtsprechung widerspricht. Diese Rechtsprechung leitet die Einräumung einer Übergangsfrist aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ab, der auch für Privatversicherungen gilt. Eine solche absolute Wegbedingung der Übergangsfrist würde diesen Grundsatz desavouieren. Die Klausel konkretisiert die Schadenminderungspflicht nicht bloss zulässigerweise, sondern verschärft sie in einer Weise, die dem Gebot von Treu und Glauben nicht gerecht wird.
Das Bundesgericht verweist explizit auf seine jüngere Rechtsprechung (Urteil 9C_177/2022 E. 6.3), wonach nach Aufforderung zum schadenmindernden Tätigkeitswechsel eine Frist beginnt, in der sich die versicherte Person anpassen und eine geeignete Stelle suchen kann. Diese grundlegende Aussage werde nirgends durch einen Vorbehalt anderslautender vertraglicher Vereinbarungen relativiert.
6.3. Unzumutbarkeit und mangelnde Realisierbarkeit im konkreten Fall Ein weiterer zentraler Punkt der Begründung ist die fehlende Zumutbarkeit und Realisierbarkeit eines sofortigen Stellenwechsels. Der generelle vertragliche Ausschluss einer Übergangsfrist gemäss Ziffer 23.10 letzter Satz AVB ignoriert, dass ein Stellenwechsel aufgrund der konkreten Verhältnisse zumutbar und effektiv realisierbar sein muss.
Im vorliegenden Fall wurde dem Beschwerdegegner die Einstellung der Taggeldleistungen am Freitag, 28. Juli 2023, mitgeteilt, wirksam per 1. August 2023 (ein Bundesfeiertag). Es war völlig unrealistisch, innerhalb eines verbleibenden Werktages (31. Juli 2023) eine neue Arbeitsstelle zu finden. Hinzu kam, dass B.__ bis zum 30. September 2023 krankgeschrieben und noch vertraglich an seinen alten Arbeitgeber gebunden war, wenn auch gekündigt und nicht freigestellt.
Die Argumentation der Beschwerdeführerin, ein Stellenwechsel sei durch eine Aufhebungsvereinbarung jederzeit realisierbar gewesen, wurde als reine Hypothese zurückgewiesen, da sie die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Beschwerdegegners im Kündigungszeitpunkt ausblende.
Auch der Vergleich mit der Schadenminderungspflicht in der Arbeitslosenversicherung greift nicht: Zwar besteht dort eine Pflicht zur Stellensuche ab Kündigung, jedoch nur bei Vermittlungsfähigkeit (Art. 15 AVIG). B.__ war zum relevanten Zeitpunkt krankgeschrieben und damit nicht vermittlungsfähig. Zudem kann eine Übergangsfrist von drei bis fünf Monaten in der privaten Taggeldversicherung nicht mit dem Argument unterschritten werden, die versicherte Person hätte der Arbeitslosenversicherung zugewiesen werden können (Urteil 4A_73/2019 E. 3.3.4).
6.4. Zusammenfassende Würdigung der AVB-Klausel Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass der automatische, ohne Prüfung der konkreten Umstände greifende Ausschluss jeglicher Übergangszeit gemäss Ziffer 23.10 letzter Satz AVB unrealisierbare Anforderungen an die Schadenminderungspflicht stellt und somit mit Treu und Glauben nicht vereinbar ist. Die Vorinstanz hat dieser Bestimmung daher zu Recht die Anwendung versagt.
Ein blosser Stellenwechsel erfordert zwar regelmässig weniger Anpassungszeit als ein Berufswechsel, was bei der Festlegung der Dauer berücksichtigt werden kann. Die gewährte zweimonatige Anpassungszeit wurde von der Beschwerdeführerin nicht beanstandet.
7. Ergebnis
Die Beschwerde wird abgewiesen. Die Beschwerdeführerin (A._ AG) hat die Gerichtskosten zu tragen und den Beschwerdegegner (B._) zu entschädigen.
Zusammenfassung der wesentlichen Punkte: