Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:
Urteil des Bundesgerichts 5A_523/2024 vom 17. September 2025
1. Einleitung und Sachverhalt
Das vorliegende Urteil betrifft eine Beschwerde in Zivilsachen gegen ein Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau im Bereich der Erbteilung. Die Beschwerdeführer A._ und B._, Nachkommen des vorverstorbenen J._, wenden sich gegen den Entscheid des Obergerichts, der die Teilung der Nachlässe von D._ und E.__ betrifft.
Der Sachverhalt ist durch eine komplexe Abfolge von Todesfällen und Abtretungen von Erbansprüchen geprägt:
* 1990: D._ verstirbt, hinterlässt Ehefrau E._ und sechs Kinder, darunter J._ und F._. Der Nachlass bleibt ungeteilt.
* 1995: J._ verstirbt, hinterlässt Ehefrau und die Beschwerdeführer A._ und B._.
* 2009: F._ verstirbt, hinterlässt Ehefrau.
* 2017: E._ verstirbt, hinterlässt vier Töchter sowie die Beschwerdeführer (als Nachkommen ihres Sohnes J._).
* Die Erbansprüche der anderen Geschwister (G._, H._, I._) sind an die Beschwerdegegnerin C._ abgetreten worden. Die Ansprüche der überlebenden Ehefrauen von J._ und F._ sind auf A.__ übergegangen.
2. Prozessgeschichte und Vorinstanzliche Entscheidungen
- Bezirksgericht: Mit Urteil vom 19. Oktober 2022 stellte das Bezirksgericht die Existenz und Zusammensetzung beider Nachlässe (D._ und E._) fest und teilte diese gemeinsam. Es legte spezifische Quoten (A._ zu 47/240, B._ zu 17/240, C.__ zu 176/240) und Ausgleichszahlungen fest.
- Obergericht: Auf Berufung der Beschwerdegegnerin C._ hin änderte das Obergericht das erstinstanzliche Urteil ab. Es trat auf die Klage betreffend die Teilung des Nachlasses von D.__ nicht ein. Hingegen stellte es die Zusammensetzung des Nachlasses von E._ fest und teilte diesen mit Quoten von A._ zu 1/10, B._ zu 1/10 und C.__ zu 8/10. Es reduzierte die Ausgleichszahlungen.
3. Rügen der Beschwerdeführer vor Bundesgericht
Die Beschwerdeführer machen im Wesentlichen zwei Hauptpunkte geltend:
- Verletzung des Dispositions- (Art. 58 Abs. 1 ZPO) und Verhandlungsgrundsatzes (Art. 55 Abs. 1 ZPO) durch das Obergericht, indem es eine gemeinsame Teilung der Nachlässe von D._ und E._ unter Bildung eines Gesamtnachlasses für unzulässig erklärte und auf die Teilung des Nachlasses von D._ nicht eintrat. Sie argumentierten, die Parteien hätten sich auf eine gemeinsame Teilung oder zumindest auf die Teilung allein der Vermögensmasse von E._ geeinigt.
- Verletzung des Dispositions- und Verhandlungsgrundsatzes sowie der Art. 21, 44 und 49 des Bäuerlichen Bodenrechts (BGBB) bei der Festlegung des Anrechnungswerts für das landwirtschaftliche Grundstück L._ (Miteigentumsanteil K._ / Nr. yyy). Sie forderten die Zuweisung zum doppelten Ertragswert als Selbstbewirtschafter.
4. Erwägungen des Bundesgerichts
Das Bundesgericht prüfte die Rügen der Beschwerdeführer detailliert:
4.1. Zur gemeinsamen Teilung der Nachlässe (Rüge 1)
- Ausgangspunkt: Das Obergericht hielt eine gemeinsame Teilung der Nachlässe der beiden Ehegatten unter Bildung eines Gesamtnachlasses für unzulässig und verlangte eine getrennte Auseinandersetzung. Für den Nachlass von D.__ sei das Teilungssubstrat mangels rechtsgenüglicher Substanziierung nicht bestimmbar gewesen, weshalb es nicht eintrat.
- Rechtliche Natur der Nachlässe: Das Bundesgericht bestätigte die bundesrechtlichen Grundsätze gemäss Art. 542 Abs. 2 ZGB. Stirbt ein Erbe (hier J._ und F._), nachdem er den Erbgang erlebt hat, vererbt sich sein Recht an der Erbschaft auf seine Erben (hier die Beschwerdeführer bzw. A._ als Zedenten). Diese "Erbeserben" werden Mitglieder der ursprünglichen Erbengemeinschaft (hier die von D._). Eine eigene Erbengemeinschaft bilden sie aber in Bezug auf die Erbschaft ihres unmittelbaren Erblassers. Die Erbschaften zweier Gemeinschaften sind grundsätzlich zu unterscheiden und haben je ihr eigenes rechtliches Schicksal. Eine gemeinsame Teilung der Nachlässe zweier verstorbener Personen ist somit in der Regel nicht zulässig. Das Obergericht hat diesbezüglich das Recht von Amtes wegen korrekt angewendet.
- Verletzung des Verhandlungsgrundsatzes (Art. 55 Abs. 1 ZPO): Die Beschwerdeführer rügten, die Parteien hätten sich geeinigt, allein die Vermögensmasse von E.__ zu teilen. Das Bundesgericht hielt fest, dass der Verhandlungsgrundsatz die Feststellung von Tatsachen und die dazugehörigen Beweismittel betrifft. Die Frage, ob Nachlässe gemeinsam geteilt werden dürfen, ist jedoch eine Rechtsfrage, die das Gericht von Amtes wegen zu prüfen hat. Eine Verletzung des Verhandlungsgrundsatzes liegt hier nicht vor.
- Verletzung des Dispositionsgrundsatzes (Art. 58 Abs. 1 ZPO): Der Dispositionsgrundsatz besagt, dass das Gericht einer Partei nicht mehr und nichts anderes zusprechen darf, als sie verlangt, und nicht weniger, als die Gegenpartei anerkannt hat. Das Bundesgericht präzisierte, dass Rechtsbegehren Rechtsfolgen, nicht die Feststellung von Tatsachen zum Gegenstand haben. Die Beschwerdeführer legten nicht dar, inwiefern das Obergericht einer Partei mehr oder anderes zugesprochen oder weniger anerkannt hätte. Im Gegenteil hatte die Beschwerdegegnerin selbst beantragt, der Nachlass von D._ sei vollumfänglich auf E._ zu übertragen und nach Gutheissung dieses Antrags deren Nachlass zu verteilen. Das Obergericht hat, indem es einzig den Nachlass von E._ teilte und die Quoten entsprechend den Anträgen der Beschwerdegegnerin festlegte, den Dispositionsgrundsatz nicht verletzt. Die Kritik der Beschwerdeführer an der Notwendigkeit einer Teilung des Nachlasses von D._ war zudem inkonsequent, da das Obergericht letztlich auf die Teilung dieses Nachlasses nicht eingetreten war.
4.2. Zum Anrechnungswert landwirtschaftlicher Grundstücke und BGBB (Rüge 2)
- Feststellung des Anrechnungswerts: Das Obergericht hatte, nachdem die Parteien sich über den Wert der beiden Ackerlandparzellen uneinig waren (Beschwerdeführer Fr. 10'800.--, Beschwerdegegnerin Fr. 12'000.--), eine Verkehrswertschätzung in Auftrag gegeben und deren Ergebnis (Fr. 49'473.-- für L._ und Fr. 2'100.-- für M._, total Fr. 51'573.--) für die Berechnung des Anrechnungswerts zugrunde gelegt.
- Verletzung des Dispositionsgrundsatzes: Das Bundesgericht bestätigte, dass die Bestimmung des Anrechnungswerts eines Grundstücks eine Tatsachenfrage darstellt. Der Dispositionsgrundsatz ist nicht auf die Feststellung von Tatsachen anwendbar, selbst wenn der Wert als Rechtsbegehren formuliert wird. Die Rüge ging daher fehl.
- Verletzung des Verhandlungsgrundsatzes: Da die Parteien über den Anrechnungswert uneinig waren, war das Obergericht gemäss Art. 618 ZGB (welcher für solche Fälle die Schätzung durch amtlich bestellte Sachverständige vorsieht) berechtigt, ein Gutachten einzuholen. Die Beschwerdeführer zeigten keine Bundesrechtsverletzung bei der Gutachtenserstellung oder der Berücksichtigung ihres Ergebnisses auf. Eine Verletzung des Verhandlungsgrundsatzes wurde verneint.
- Anwendung des Bäuerlichen Bodenrechts (BGBB):
- Art. 21 Abs. 1 BGBB: Diese Bestimmung ermöglicht einem Erben, ein landwirtschaftliches Grundstück (das nicht zu einem Gewerbe gehört) zum doppelten Ertragswert zu verlangen, wenn er Eigentümer eines landwirtschaftlichen Gewerbes ist oder über ein solches wirtschaftlich verfügt und das Grundstück im ortsüblichen Bewirtschaftungsbereich liegt. Das Bundesgericht stellte fest, dass der angefochtene Entscheid keine Feststellungen darüber enthielt, ob der Beschwerdeführer 2 ein solches Gewerbe besitzt oder bewirtschaftet und ob das Grundstück in dessen Bewirtschaftungsbereich liegt. Da die Beschwerdeführer diese fehlenden Sachverhaltsfeststellungen nicht als willkürlich rügten (Art. 9 BV), konnte das Bundesgericht keine Verletzung von Art. 21 Abs. 1 BGBB feststellen.
- Art. 44 und 49 BGBB: Diese Bestimmungen betreffen das Vorkaufsrecht an landwirtschaftlichen Grundstücken und Miteigentumsanteilen. Sie sind im Rahmen einer Erbteilung nicht anwendbar, und die Beschwerdeführer legten auch nicht dar, inwiefern dies der Fall sein sollte.
5. Entscheid des Bundesgerichts
Die Beschwerde wurde abgewiesen, soweit darauf einzutreten war. Die Gerichtskosten wurden den Beschwerdeführern auferlegt.
Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
- Das Bundesgericht bestätigt, dass die Nachlässe verschiedener Erblasser (auch von Ehegatten) rechtlich getrennt zu behandeln sind und nicht zu einem "Gesamtnachlass" zusammengefasst und gemeinsam geteilt werden dürfen (Anwendung von Art. 542 Abs. 2 ZGB).
- Der Dispositionsgrundsatz (Art. 58 Abs. 1 ZPO) und der Verhandlungsgrundsatz (Art. 55 Abs. 1 ZPO) beziehen sich primär auf die Rechtsbegehren bzw. die Tatsachenfeststellung, nicht aber auf die vom Gericht von Amtes wegen anzuwendenden Rechtsfragen.
- Die Bewertung von Vermögenswerten im Rahmen einer Erbteilung ist eine Tatsachenfrage. Bei Uneinigkeit der Parteien ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens (Art. 618 ZGB) zulässig und verletzt weder den Dispositions- noch den Verhandlungsgrundsatz.
- Die Anwendung von Sondervorschriften wie des bäuerlichen Bodenrechts (BGBB), insbesondere bezüglich des doppelten Ertragswerts, setzt voraus, dass die dafür massgebenden Sachverhaltselemente (z.B. "Selbstbewirtschafter"-Eigenschaft) im kantonalen Verfahren festgestellt wurden und die fehlende Feststellung nicht willkürlich gerügt wird. Allgemeine Vorkaufsrechtsbestimmungen des BGBB sind im Erbteilungsprozess nicht anwendbar.