Zusammenfassung von BGer-Urteil 4A_37/2025 vom 11. September 2025

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Gerne fasse ich das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 11. September 2025 (Az. 4A_37/2025) detailliert zusammen:

Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichts 4A_37/2025 vom 11. September 2025

1. Einleitung und Parteien Das Bundesgericht hatte über eine Beschwerde in Zivilsachen der A._ GmbH (Beschwerdeführerin, Mieterin) gegen die B._ AG (Beschwerdegegnerin, Vermieterin) zu befinden. Gegenstand war die Frage einer Mietzinsherabsetzung aufgrund behördlich angeordneter Schliessungen im Rahmen der Covid-19-Pandemie. Die Mieterin begehrte eine Herabsetzung des Mietzinses für ihr als "Restaurant, Bar, Club" genutztes Lokal, welches sie als "F.__ Club" betreibt, da dieses während zweier Perioden (17. März 2020 bis 5. Juni 2020 und 29. Oktober 2020 bis 25. Juni 2021) aufgrund behördlicher Anordnungen geschlossen bleiben musste.

2. Sachverhalt (Kurzfassung der relevanten Punkte) Die Parteien schlossen am 30. August/3. September 2018 einen Mietvertrag über das Lokal "Z.__" ab, das als "Restaurant, Bar, Club" genutzt werden durfte. Die Mieterin betrieb darin einen Club. Aufgrund der Covid-19-Pandemie und der vom Bundesrat verfügten Schliessungen musste die Mieterin ihren Club in den genannten Perioden schliessen. Ihre Gesuche um Mietzinsherabsetzung lehnte die Vermieterin ab. Nach gescheiterten Schlichtungsverhandlungen reichte die Mieterin Klage ein. Das Regionalgericht und anschliessend das Kantonsgericht Graubünden wiesen die Klage ab, da sie keine Mangelhaftigkeit des Mietobjekts erkannten, die eine Mietzinsherabsetzung rechtfertigen würde.

3. Rechtliche Problematik und Vorinstanzliche Beurteilung Die zentrale Rechtsfrage, die das Bundesgericht zu prüfen hatte, war, ob die behördlich angeordneten Betriebsschliessungen aufgrund der Covid-19-Pandemie einen Mangel des Mietobjekts im Sinne von Art. 259a Abs. 1 lit. b und Art. 259d OR darstellen, der eine Mietzinsherabsetzung rechtfertigt. Die Vorinstanz verneinte dies mit der Begründung, die Schliessungen hätten den Betrieb der Mieterin betroffen und nicht das Mietobjekt selbst. Die Massnahmen hätten soziale Kontakte reduzieren und die Verbreitung des Virus eindämmen sollen und stünden nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts. Zudem sah die Vorinstanz in der Umschreibung des Verwendungszwecks im Mietvertrag keine Übernahme des unternehmerischen Risikos durch die Vermieterin.

4. Erwägungen des Bundesgerichts

4.1. Der Mangelbegriff im Mietrecht (Art. 259a ff. OR) Das Bundesgericht hält fest, dass der Begriff des Mangels bundesrechtlicher Natur ist und sich aus dem Zustand ableitet, der dem nach Mietzweck vorausgesetzten Gebrauch entspricht. Ein Mangel liegt vor, wenn eine versprochene Eigenschaft fehlt oder eine Eigenschaft, die der Mieter für den vertraglichen Gebrauch voraussetzen darf. Dies erfordert einen Vergleich zwischen dem tatsächlichen und dem vereinbarten Zustand der Mietsache. Der Mangel kann körperlicher oder unkörperlicher Natur sein (z.B. fehlende behördliche Bewilligung aufgrund brandschutztechnischer Mängel des Objekts).

4.2. Covid-19-Schliessungen als Mangel – Die Lehrmeinungen und bundesgerichtliche Position

  • Bisherige Rechtsprechung und Abgrenzung: Das Bundesgericht verweist auf sein Urteil 4A_611/2021 vom 16. Februar 2023, in dem die Frage, ob Covid-19-Schliessungen als Mängel zu qualifizieren sind, als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung umschifft wurde, da der Streitwert für eine materielle Prüfung nicht ausreichte. Das vorliegende Urteil bietet nun die Gelegenheit, diese Frage umfassend zu klären.
  • Mehrheitslehre: Das Gericht stützt sich auf die herrschende Lehre, die zwischen objektbezogenen (Beschaffenheit, Zustand, Lage des Mietobjekts) und betriebsbezogenen (gewerbliche Tätigkeit des Mieters) Eigenschaften unterscheidet. Die Mehrheit geht davon aus, dass behördlich angeordnete Geschäftsschliessungen infolge der Covid-19-Pandemie grundsätzlich keinen Mangel der Mietsache darstellen, da sie betriebsbezogen sind (REICHLE/STEHLE, HAEFELI/GALLI/VISCHER, HIGI, KOUMBARAKIS, BOHNET, PEDUZZI).
  • Minderheitslehre: Die Minderheitsmeinung (LACHAT/BRUTSCHIN) argumentiert, dass jede Behinderung der Geschäftstätigkeit, selbst wenn nicht durch Verschulden der Vermieterin oder aufgrund allgemeiner öffentlich-rechtlicher Normen, einen Mangel darstelle, da die Vermieterin die Möglichkeit zum Geschäftsbetrieb einräume.
  • Stellungnahme des Bundesgerichts: Das Bundesgericht schliesst sich der Mehrheitslehre an und verneint das Vorliegen eines Mangels. Es bekräftigt die vorinstanzliche Feststellung, dass die Schliessungen die Geschäftstätigkeit des Mieters betrafen und nicht die Ausübung dieser Tätigkeit im Mietobjekt.
    • Die Vermieterin erfüllt ihre Gebrauchsüberlassungspflicht, indem sie ein taugliches Geschäftslokal zur Verfügung stellt.
    • Die Auffassung der Minderheitslehre würde dazu führen, dass das dem Betrieb eines Geschäfts immanente unternehmerische Risiko vollständig vom Mieter auf die Vermieterin verschoben würde.
    • Die Covid-19-Massnahmen betrafen die erlaubte Geschäftstätigkeit und nicht die Qualität der Mietsache. Die Tätigkeit wäre auch in jedem anderen Lokal untersagt gewesen (unter Verweis auf HIGI, ROHRER, PEDUZZI, BOHNET, MÜLLER).
    • Die Situation ist nicht vergleichbar mit Bauimmissionen aus der Nachbarschaft, die direkt das Mietobjekt betreffen und dessen Gebrauch beeinträchtigen.
    • Es ist irrelevant, ob der Mieter der Adressat der Schliessungsverordnung war; die Vermieterin durfte ihr Objekt weiterhin vermieten.

4.3. Vertragliche Zusicherungen und Risikoübernahme

  • Voraussetzungen für eine Mangelannahme durch Vertrag: Ein Mangel könnte sich nur dann ergeben, wenn die Parteien ausdrücklich oder konkludent eine Vereinbarung getroffen hätten, wonach der Geschäftszweck so zum Bestandteil des Mietvertrags gemacht wurde, dass die Vermieterin das Verwendungsrisiko des Mietobjekts (ganz oder teilweise) übernommen hätte. Beispiele hierfür sind das Versprechen einer bestimmten Kundenfrequenz, die Vereinbarung einer Umsatzmiete oder die explizite Übernahme des Risikos einer Betriebsschliessung durch die Vermieterin (PEDUZZI, REICHLE/STEHLE). Eine solche Vereinbarung wäre nach Art. 18 OR auszulegen.
  • Ablehnung der "Verwendungszweck"-Argumentation: Das Bundesgericht bestätigt die Vorinstanz darin, dass allein aus der Umschreibung des Verwendungszwecks im Mietvertrag (hier: "Restaurant, Bar, Club") nicht auf eine Zusicherung der Vermieterin geschlossen werden kann, dass das Mietobjekt während der gesamten Mietdauer für diesen Zweck verwendet werden darf. Eine solche Umschreibung dient in der Regel lediglich dazu, die Nutzung durch den Mieter ohne Zustimmung der Vermieterin zu begrenzen, nicht aber zur Übernahme des unternehmerischen Risikos (GURBANOV).
  • Prozedurale Aspekte im vorliegenden Fall: Die Beschwerdeführerin hatte im kantonalen Verfahren keine weiteren Umstände dargelegt, die über die blosse Nennung des Verwendungszwecks hinaus auf eine Risikoübernahme durch die Vermieterin hindeuten würden. Somit war der Beweis für eine Zusicherung in diesem Sinne nicht erbracht.
  • Ziffer 9 des Mietvertrags (Eventualerwägung): Die Vorinstanz hatte ergänzend darauf abgestellt, dass die Mieterin gemäss Ziffer 9 des Mietvertrags das Risiko eines Betriebsunterbruchs selbst tragen müsse. Da das Bundesgericht bereits aus den oben genannten Gründen keinen Mangel anerkannte, brauchte es auf diese Eventualerwägung und die dagegen gerichteten Rügen nicht einzugehen.

4.4. Clausula rebus sic stantibus Die Beschwerdeführerin hatte die vorinstanzlichen Erwägungen zur "clausula rebus sic stantibus" (insbesondere die Verneinung einer gravierenden Äquivalenzstörung) in ihrer Beschwerde nicht hinreichend beanstandet, weshalb das Bundesgericht darauf nicht weiter einging.

5. Ergebnis Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf eingetreten wird. Es bestätigt die Auffassung der kantonalen Gerichte, wonach die behördlich angeordneten Schliessungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie keinen Mangel des Mietobjekts darstellen und somit keine Mietzinsherabsetzung im Sinne von Art. 259a ff. OR rechtfertigen.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
  • Kein Mangel des Mietobjekts: Behördlich angeordnete Betriebsschliessungen aufgrund der Covid-19-Pandemie stellen keinen Mangel des Mietobjekts im Sinne von Art. 259a ff. OR dar.
  • Unterscheidung objekt- vs. betriebsbezogen: Die Massnahmen betrafen die vom Mieter ausgeübte gewerbliche Tätigkeit (betriebsbezogen), nicht die Beschaffenheit oder den Zustand des Mietobjekts (objektbezogen).
  • Unternehmerisches Risiko: Die Mietzinsherabsetzung würde das unternehmerische Risiko vom Mieter auf die Vermieterin verlagern, was nicht dem Mietrecht entspricht. Die Vermieterin schuldet ein taugliches Lokal, nicht eine Nutzungsgarantie unabhängig von externen Umständen.
  • Keine vertragliche Risikoübernahme: Die blosse Umschreibung des Verwendungszwecks im Mietvertrag (z.B. "Club") gilt nicht als Zusicherung der Vermieterin, die das Risiko einer Betriebsschliessung umfasst. Es bedarf einer ausdrücklichen oder konkludenten Vereinbarung im Sinne von Art. 18 OR für eine solche Risikoübernahme.
  • Clausula rebus sic stantibus nicht relevant: Die Voraussetzungen für eine Anwendung der clausula rebus sic stantibus waren von der Beschwerdeführerin nicht ausreichend dargelegt worden.