Zusammenfassung von BGer-Urteil 4A_160/2025 vom 28. August 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen.

Bundesgerichtsentscheid 4A_160/2025 vom 28. August 2025

1. Einleitung und Verfahrensgeschichte

Das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts betrifft einen Rechtsstreit um die Rechenschaftsablage im Rahmen mehrerer mutmasslicher Auftragsverhältnisse. Der Kläger (A._), ein ehemaliger Dozent, und die Beklagte (B._), eine ehemalige Studentin, pflegten seit 2004 eine freundschaftliche Beziehung. Von Ende 2010 bis 2019 erbrachte die Beklagte verschiedene Organisationsleistungen und fungierte als "Personal Assistant" für den Kläger. Ab Juli 2015 erledigte sie zudem den Zahlungsverkehr des Klägers über ein Konto bei der Bank D._ in Deutschland mittels einer umfassenden Vollmacht, Debit- und Kreditkarte. Eine interne Weisung zur Vollmacht vom Oktober 2014 sah explizit eine jährliche Rechnungslegung und monatliche Vergütungsaufstellungen vor, auch wenn der eigentliche Vorsorgefall (Krankheit/Behinderung des Klägers) unbestrittenermassen nicht eingetreten war. Ende 2018 beauftragte der Kläger die Beklagte zudem mit der Unterstützung beim Verkauf eines Grundstücks in V._, Deutschland, wofür ein Erfolgshonorar von 10% des Kaufpreises vereinbart wurde. Nach einem Zerwürfnis im Juli 2019, ausgelöst durch eine Überweisung von EUR 800'000.‒, welche die Beklagte vorbereitete und der Kläger telefonisch autorisierte, entzog der Kläger der Beklagten die Vollmachten und forderte im Juli 2020 Rechenschaft über die getätigten Banktransaktionen und ihre Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Grundstücksverkauf.

Die Beklagte lehnte die Rechenschaft ab, worauf der Kläger Klage beim Zivilgericht Basel-Stadt einreichte. Das Zivilgericht verpflichtete die Beklagte im November 2023, umfassend Rechenschaft abzulegen über ihre Bankaktivitäten und den Grundstücksverkauf, inklusive detailliertem Zeitaufwand und Kontakten, unter Androhung einer Ungehorsamsstrafe nach Art. 292 StGB.

Das Appellationsgericht Basel-Stadt hob diesen Entscheid im Februar 2025 in wesentlichen Teilen auf. Es vertrat die Ansicht, die Geltendmachung der meisten Rechenschaftsansprüche stelle einen offenbaren Rechtsmissbrauch gemäss Art. 2 Abs. 2 ZGB dar, da der Kläger jahrelang zuwartete, ohne Vorbehalte zu äussern. Lediglich für die Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Grundstücksverkauf ab Dezember 2018 bejahte es eine Rechenschaftspflicht, schränkte diese aber auf "Art und hergestellte Kontakte" (ohne Zeitaufwand) ein.

Gegen diesen Entscheid legte der Kläger Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht ein mit dem Antrag, den erstinstanzlichen Entscheid des Zivilgerichts zu bestätigen.

2. Massgebende Punkte und rechtliche Argumente des Bundesgerichts

Das Bundesgericht hatte im Wesentlichen drei zentrale Rechtsfragen zu beurteilen: 1. Die Frage des Rechtsmissbrauchs bei der Geltendmachung des Rechenschaftsanspruchs (Art. 2 Abs. 2 ZGB i.V.m. Art. 400 Abs. 1 OR). 2. Die Qualifikation des Verhältnisses bezüglich des Zahlungsverkehrs als Auftrags- oder Gefälligkeitsverhältnis. 3. Den Umfang der Rechenschaftspflicht im Zusammenhang mit dem Grundstücksverkauf, insbesondere die Relevanz des datierten Zeitaufwands.

2.1. Zur Rüge des Rechtsmissbrauchs und der Verwirkung des Rechenschaftsanspruchs

Das Bundesgericht hob die Argumentation des Appellationsgerichts, wonach die Geltendmachung der Rechenschaftsansprüche (ausser jener zum Grundstücksverkauf) einen offenbaren Rechtsmissbrauch darstelle, auf.

  • Grundsätze der Rechenschaftspflicht und des Rechtsmissbrauchs: Gemäss Art. 400 Abs. 1 OR ist der Beauftragte auf Verlangen jederzeit zur Rechenschaftsablage verpflichtet, um dem Auftraggeber Kontrolle zu ermöglichen (BGE 146 III 435 E. 4.1.3.1). Dieser Anspruch findet seine Grenze im Grundsatz von Treu und Glauben (BGE 143 III 348 E. 5.1.1). Rechtsmissbrauch gemäss Art. 2 Abs. 2 ZGB wird nur zurückhaltend und in offenkundigen Fällen bejaht (BGE 140 III 583 E. 3.2.4). Ein Rechenschaftsanspruch kann missbräuchlich sein, wenn der Auftraggeber die Informationen bereits besitzt, sie leicht selbst beschaffen könnte, oder wenn er den Anspruch jahrelang ohne Vorbehalte nicht erhoben hat und keine neuen Umstände eine Erklärung rechtfertigen (Urteile 4A_436/2020 E. 5; 4A_599/2019 E. 5).

  • Anwendung im konkreten Fall: Das Bundesgericht rügte, das Appellationsgericht habe die konkreten Umstände des Einzelfalls nicht korrekt gewürdigt. Es folgte der erstinstanzlichen Auffassung, dass die Beklagte angesichts der Art und Weise des Auftragsverhältnisses, der damit einhergehenden Sorgfaltspflichten und des sich verschlechternden Gesundheitszustands des Klägers nicht davon ausgehen durfte, dieser habe auf eine Rechenschaftsablage verzichtet. Die Argumentation des Appellationsgerichts, die Beeinträchtigung der geistigen Gesundheit des Klägers spreche für einen Verzicht, da er eine Überprüfung ohnehin nicht selbst hätte vornehmen können, sei nicht nachvollziehbar. Der Kläger hätte vielmehr eine fachkundige Drittperson beiziehen können.

  • Interne Weisungen zur Vollmacht: Das Bundesgericht betonte zudem, dass die internen Weisungen zur Vorsorgevollmacht vom Oktober 2014 in Ziffer 6 f. die Beklagte ausdrücklich zur jährlichen Rechnungslegung und monatlichen Zustellung von Vergütungsaufstellungen verpflichteten. Dies widerspreche der Annahme eines Verzichts oder einer Verwirkung der Rechenschaftspflicht. Auch die im Vorsorgeauftrag erwähnte Einschränkung auf den Fall konkreter Verdachtsmomente ändere nichts am grundsätzlichen Anspruch auf Rechenschaft. Diese Umstände sprechen klar gegen einen Verzicht des Klägers.

  • Zuwarten als nicht rechtsmissbräuchlich: Das Bundesgericht befand, dass nach dem Zerwürfnis im Juli 2019 und dem Widerruf der Vollmachten Ende Juli 2019, die Forderung nach Rechenschaftsablage im Juli 2020 kein "ungebührlich langes Zuwarten" darstelle, das als rechtsmissbräuchlich im Sinne von Art. 2 Abs. 2 ZGB qualifiziert werden könnte. Materielle Fragen, wie die Rechtmässigkeit der EUR 800'000.‒-Überweisung oder möglicher Selbstkontrahierungen, sind erst nach der Rechenschaftsablage im nachgelagerten Forderungsprozess zu prüfen und nicht im Rahmen der Stufenklage zur Rechenschaftsablage.

2.2. Zur Qualifikation des Verhältnisses bezüglich des Zahlungsverkehrs

Das Bundesgericht korrigierte die Ansicht des Appellationsgerichts, der Zahlungsverkehr sei im Rahmen eines Gefälligkeitsverhältnisses erfolgt.

  • Enger Zusammenhang: Das Bundesgericht stellte fest, dass die von der Vorinstanz vorgenommene Unterscheidung zwischen entgeltlichen Organisationsleistungen und nicht-vertraglichen Gefälligkeiten bei der Abwicklung des Zahlungsverkehrs angesichts der konkreten Umstände unhaltbar sei. Es bestand ein enger Zusammenhang zwischen der Verwaltung und Besorgung der persönlichen Angelegenheiten des Klägers und der Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Rahmen dieser Angelegenheiten.

  • Irrelevanz einer separaten Entschädigung: Für die Qualifikation als Auftragsverhältnis sei es unerheblich, ob für die Erledigung des Zahlungsverkehrs ein separates Honorar entrichtet wurde (Art. 394 Abs. 3 OR, der Auftrag kann unentgeltlich sein). Auch der Umstand, dass der Kläger eine Drittperson mit dem Zahlungsverkehr hätte beauftragen können, sei irrelevant.

  • Ergebnis: Das Bundesgericht schloss, dass die Erledigung des Zahlungsverkehrs sowie die Verwendung der Debit- und Kreditkarte als rechtlich bindendes Auftragsverhältnis im Sinne von Art. 394 ff. OR zu qualifizieren ist, woraus ein Anspruch des Klägers auf Rechenschaftsablage gemäss Art. 400 Abs. 1 OR gegenüber der Beklagten resultiert, zumal die entsprechenden Vollmachten persönlich auf sie ausgestellt waren.

2.3. Zum Umfang der Rechenschaftspflicht beim Grundstücksverkauf

Hinsichtlich des Umfangs der Rechenschaftspflicht im Zusammenhang mit dem Grundstücksverkauf in V.__ bestätigte das Bundesgericht die Einschränkung des Appellationsgerichts.

  • Keine Relevanz des Zeitaufwands für Mäklerlohn: Der Kläger rügte, der detaillierte Zeitaufwand sei im nachgelagerten Forderungsprozess für eine allfällige Reduktion der Provisionsforderung der Beklagten nach richterlichem Ermessen gemäss Art. 417 OR von Bedeutung. Das Bundesgericht wies dieses Argument jedoch zurück. Es verwies auf seine Rechtsprechung (BGE 138 III 669 E. 3.1), wonach der tatsächliche Aufwand des Mäklers für die Beurteilung, ob der Mäklerlohn unverhältnismässig hoch ist, nicht entscheidend ist.

  • Bestätigung der Einschränkung: Demzufolge bleibt es bei der vom Appellationsgericht angeordneten Rechenschaftsablage für den Grundstücksverkauf, die auf "Art und hergestellte Kontakte" beschränkt ist und keine Auskunft über den "datierten Zeitaufwand" verlangt. Die vom Kläger nicht beanstandete zeitliche Beschränkung auf die Zeit seit dem 6. Dezember 2018 wurde ebenfalls bestätigt.

3. Endgültiger Entscheid und Querverweise

Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. Es hebt den Entscheid des Appellationsgerichts auf und fasst ihn neu. Die Beklagte wird unter Strafandrohung gemäss Art. 292 StGB verpflichtet, dem Kläger innert 30 Tagen Rechenschaft abzulegen über:

  • Ihre Tätigkeit als Beauftragte und Bevollmächtigte gegenüber der Bank D._ vom 23. Juli 2015 bis 1. August 2019, einschliesslich Vorlage der Korrespondenz, detaillierter Auskunft über Barbezüge und Zahlungen (Empfänger, Zweck, Auftrag/Interesse des Klägers), detaillierter Auskunft über Kreditkartenauslagen (Empfänger, Gegenstand, Zweck, Auftrag/Interesse des Klägers) sowie detaillierter Auskunft über Zahlungen an die C._ GmbH und an sich selbst (zugrundeliegende Leistungen, Belege).
  • Ihre Tätigkeit in der Zeit seit dem 6. Dezember 2018 im Zusammenhang mit dem Verkauf des Grundbesitzes in V.__, detailliert nach Art und hergestellten Kontakten (jedoch ohne datierten Zeitaufwand).

Der Entscheid des Bundesgerichts verdeutlicht die hohe Schwelle für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs im Zusammenhang mit der Rechenschaftspflicht gemäss Art. 400 OR. Insbesondere wird hervorgehoben, dass interne Weisungen zur Rechenschaftspflicht auch bei einer "Vorsorgevollmacht" nicht ignoriert werden dürfen und ein Zuwarten mit der Geltendmachung des Anspruchs nicht per se missbräuchlich ist, wenn es durch die Umstände des Vertrauensverhältnisses und den Zeitpunkt des Zerwürfnisses erklärt werden kann. Die Abgrenzung zwischen Auftrags- und Gefälligkeitsverhältnis wird betont; umfassende Tätigkeiten im Rahmen persönlicher Angelegenheiten, die auch finanzielle Aspekte umfassen, sind grundsätzlich als Auftrag zu qualifizieren.

4. Zusammenfassung der wesentlichen Punkte

  • Das Bundesgericht hebt die Annahme des Appellationsgerichts, der Rechenschaftsanspruch sei durch Rechtsmissbrauch verwirkt, auf.
  • Es betont, dass die spezielle Natur des Vertrauensverhältnisses, die Sorgfaltspflichten und explizite interne Weisungen zur Rechenschaftspflicht gegen eine Verwirkung sprechen.
  • Das lange Zuwarten des Klägers mit der Forderung nach Rechenschaftsablage nach dem Zerwürfnis im Jahr 2019 wurde nicht als rechtsmissbräuchlich beurteilt.
  • Das Bundesgericht qualifiziert die Abwicklung des Zahlungsverkehrs durch die Beklagte als rechtlich bindendes Auftragsverhältnis nach Art. 394 ff. OR, nicht als blosse Gefälligkeit.
  • Die Rechenschaftspflicht für den Grundstücksverkauf wird bestätigt, jedoch ohne die Angabe des datierten Zeitaufwands, da dieser für die Bemessung des Mäklerlohns nach Art. 417 OR gemäss Bundesgerichtspraxis nicht entscheidend ist.
  • Die Sache wird zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens an die Vorinstanz zurückgewiesen.