Zusammenfassung von BGer-Urteil 7B_973/2024 vom 16. September 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:

Detaillierte Zusammenfassung des Bundesgerichtsurteils 7B_973/2024 vom 16. September 2025

1. Einführung und Verfahrensgegenstand

Das vorliegende Urteil der II. strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts betrifft ein Entsiegelungsverfahren im Rahmen einer besonderen Steueruntersuchung der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV). Die Beschwerdeführer, darunter A.A._ und mehrere Gesellschaften (B._ Inc, C._ Inc, D._ AG, E._ AG, F._ SA, G._ AG), wehren sich gegen die teilweise Gutheissung eines Entsiegelungsgesuchs der ESTV durch die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts. Gegenstand ist die Durchsuchung von bei der Bank I._ edierten Bankunterlagen, die im Verdacht auf Steuerhinterziehung bzw. Anstiftung/Gehilfenschaft dazu relevant sein sollen.

2. Sachverhaltliche Ausgangslage

Die ESTV hatte im Juni 2021 eine besondere Steueruntersuchung gemäss Art. 190 ff. des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG) eröffnet. Diese richtete sich gegen die B._ Inc, A.A._ und dessen Bruder H.A._ wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung (Art. 175 f. DBG) bzw. Anstiftung und/oder Gehilfenschaft (Art. 177 i.V.m. Art. 181 DBG) für die Steuerperioden 2016-2020 sowie gegen A.A._ und H.A.__ wegen fortgesetzter Einkommenssteuerhinterziehung (Art. 175 DBG) bzw. Anstiftung/Gehilfenschaft (Art. 177 DBG) für die Steuerperioden 2012-2015.

Im November 2021 forderte die ESTV diverse Finanzinstitute, darunter die Bank I._, zur Edition von Unterlagen zu Konten auf, die A.A._ und die B._ Inc betrafen. Nach der Einreichung der Unterlagen durch die Bank I._ und deren Benachrichtigung der Bankkunden erhoben A.A._ und weitere Gesellschaften (B._ Inc, C._ Inc, D._ AG) Einsprache gegen die Durchsuchung der Dokumente. Die ESTV verneinte zunächst deren Siegelungsberechtigung, versiegelte die Unterlagen aber provisorisch.

Ein früheres Bundesgerichtsurteil (7B_98/2022 vom 28. September 2023) hob einen gegenteiligen Beschluss des Bundesstrafgerichts auf. Das Bundesgericht hielt darin fest, dass A.A.__ und die genannten Gesellschaften grundsätzlich zur Einsprache berechtigt seien und von Amtes wegen ein förmliches Entsiegelungsverfahren einzuleiten sei, an dem sie als Parteien zu beteiligen seien.

Aufgrund dieses Entscheids stellte die ESTV im November 2023 ein formelles Entsiegelungsgesuch an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts. Im Laufe dieses Verfahrens stellte sich heraus, dass weitere Gesellschaften (E._ AG, F._ SA, G.__ AG) von der Herausgabe der Unterlagen betroffen waren. Diese erhoben ebenfalls Einsprache und wurden als Parteien in das Entsiegelungsverfahren aufgenommen. Die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts hiess das Entsiegelungsgesuch der ESTV mit Beschluss vom 9. August 2024 teilweise gut, ordnete die Herausgabe bestimmter Unterlagen an die ESTV an und wies andere als nicht untersuchungsrelevant aus. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Beschwerde in Strafsachen.

3. Prozessuale Punkte (Eintreten)

Das Bundesgericht trat auf die Beschwerde der Beschwerdeführer 3-7 (C._ Inc, D._ AG, E._ AG, F._ SA, G._ AG) ein. Da diese Gesellschaften nicht direkt Partei des Verwaltungsstrafverfahrens gegen A.A._ und B.__ Inc sind, stellt der angefochtene Entscheid, soweit er sie betrifft, einen gemäss Art. 91 lit. b BGG anfechtbaren Teilentscheid dar.

Hingegen trat das Bundesgericht auf die Beschwerde der Beschwerdeführer 1 und 2 (A.A._ und B._ Inc) nicht ein. Für diese handelt es sich um einen Zwischenentscheid. Nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist die Beschwerde gegen einen Zwischenentscheid nur zulässig, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden rechtlichen Nachteil bewirken kann. Ein blosser faktischer Nachteil (z.B. Verlängerung des Verfahrens) oder die allgemeine Behauptung, die Abweisung diene dem "Schutze ihrer Geheimhaltungsinteressen", genügt hierfür nicht. Gemäss konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 143 IV 462 E. 1) ist ein solcher Nachteil nur dann gegeben, wenn schlüssig dargelegt wird, dass einer Entsiegelung geschützte Geheimhaltungsrechte entgegenstehen. Dies wurde von den Beschwerdeführern 1 und 2 nicht hinreichend aufgezeigt.

4. Rechtlicher Rahmen des Entsiegelungsverfahrens

Das Verfahren wegen schwerer Steuerwiderhandlungen richtet sich gemäss Art. 191 Abs. 1 DBG nach den Art. 19-50 des Verwaltungsstrafrechtsgesetzes (VStrR). Soweit das VStrR einzelne Fragen nicht abschliessend regelt, sind die Bestimmungen der Strafprozessordnung (StPO) grundsätzlich analog anwendbar (BGE 139 IV 246 E. 1.2). Insbesondere für die Durchsuchung von Papieren (Art. 50 VStrR) wird auf die Regeln und Praxis der Art. 246 ff. StPO zurückgegriffen.

Art. 50 Abs. 1 VStrR schreibt vor, dass "Papiere" (einschliesslich elektronischer Datenträger) mit grösster Schonung der Privatgeheimnisse zu durchsuchen sind und nur dann, wenn anzunehmen ist, dass sich "Schriften" darunter befinden, die für die Untersuchung von Bedeutung sind. Das Amtsgeheimnis sowie Berufsgeheimnisse (z.B. von Geistlichen, Rechtsanwälten, Ärzten) sind zu wahren (Art. 50 Abs. 2 VStrR). Erheben Inhaber von Aufzeichnungen Einsprache gegen die Durchsuchung, werden die Datenträger versiegelt und die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts entscheidet materiell über die Zulässigkeit der Durchsuchung (Art. 50 Abs. 3 i.V.m. Art. 25 Abs. 1 VStrR).

5. Materielle Begründung des Bundesgerichts

Die Beschwerdeführerinnen 3-7 machten verschiedene Rechtsverletzungen geltend, die das Bundesgericht der Reihe nach prüfte und als unbegründet abwies:

  • Rüge der "falschen Rechtsmittelbelehrung": Die Beschwerdeführerinnen beanstandeten, die Editionsverfügungen der ESTV vom 10. November 2021 hätten eine "offensichtlich falsche und irreführende" Rechtsmittelbelehrung enthalten, was die Unverwertbarkeit von Beweismitteln zur Folge habe (Art. 140 Abs. 1 StPO). Das Bundesgericht bestätigte die Vorinstanz, die keine Täuschung im Sinne dieser Bestimmung erkannt hatte. Die Rechtsmittelbelehrung sei an die Bank, nicht an die Beschwerdeführerinnen gerichtet gewesen. Diese seien anwaltlich vertreten gewesen und in der Lage gewesen, ihre Rechtsmittellegitimation zu erkennen, wie ihre tatsächlichen Handlungen (Einsprache) zeigten. Eine hinreichende Darlegung einer bewussten Täuschung erfolgte nicht.

  • Rüge der Verletzung des Beschleunigungsgebots (Art. 29 Abs. 1 BV): Die Beschwerdeführerinnen kritisierten, dass das Entsiegelungsgesuch erst 23 Monate nach der Einsprache und Siegelung der Papiere erfolgt sei. Das Bundesgericht wies diesen Einwand zurück. Es führte aus, dass die Verzögerung darauf zurückzuführen sei, dass im Vorfeld erst das Recht der Beschwerdeführerinnen, die Siegelung zu verlangen, durch das Bundesgericht geklärt werden musste (Urteil 7B_98/2022). Nach Zustellung dieses Urteils im Oktober 2023 habe die ESTV bereits im November 2023 das Entsiegelungsgesuch eingereicht, was als fristgerecht zu betrachten sei. Es wurde zudem klargestellt, dass die 20-tägige Frist für Entsiegelungsgesuche gemäss Art. 248 Abs. 3 StPO im Verwaltungsstrafverfahren nicht anwendbar ist (Urteile 1B_414/2013 und 1B_641/2012). Eine Verletzung des Beschleunigungsgebots liege daher nicht vor.

  • Rüge der Unverhältnismässigkeit und "Beweisausforschung": Die Beschwerdeführerinnen monierten, die vollständige Edition der Bankunterlagen sei unverhältnismässig und komme einer "eigentlichen Beweisausforschung" gleich. Das Bundesgericht schloss sich der Argumentation der Vorinstanz an. Gemäss den für das Bundesgericht verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen (Art. 105 Abs. 1 BGG) bestehen genügend Hinweise für einen hinreichenden Tatverdacht gegen A.A._ und die B._ Inc wegen Steuerhinterziehung bzw. Anstiftung/Gehilfenschaft. Dies gelte auch für die Rolle von H.A._ als faktischer Steuervertreter. Ein Teil der ursprünglich edierten Unterlagen sei von der Vorinstanz bereits als nicht untersuchungsrelevant ausgesondert worden. Die verbleibenden Unterlagen könnten jedoch Informationen zur Vermögenslage, Einkünften bzw. Gewinnen der Beschwerdeführer 1 und 2 enthalten und seien daher potenziell relevant. Insbesondere seien Unterlagen zur Geschäftsabwicklung, zur Rekonstruktion von Geldflüssen zwischen A.A._ und den von ihm oder ihm nahestehenden Personen beherrschten Gesellschaften sowie zur Ermittlung der Verantwortlichen von Bedeutung. In diesem Zusammenhang seien auch Konten der nicht beschuldigten Beschwerdeführerinnen 3-7, für die A.A.__ zeichnungsberechtigt sei, potenziell relevant. Die Beschwerdeführerinnen konnten nicht schlüssig darlegen, warum es an einer "elementaren Voraussetzung" für die Edition ihrer Bankunterlagen fehlen sollte. Ebenso wurde die Relevanz von Unterlagen, die vor dem mutmasslichen Deliktzeitraum (z.B. vor dem 1. Januar 2013 erstellte Kontoeröffnungsunterlagen oder Dokumente, die Auskunft über Inhaber, wirtschaftlich Berechtigte oder Bevollmächtigungen geben und auch die ab 2013 bestehenden Geschäftsbeziehungen betreffen) entstanden sind, für die Aufklärung der vorgeworfenen Taten bejaht.

  • Kostenverteilung: Die Rüge der Beschwerdeführerinnen gegen die Kostenverteilung wurde als nicht nachvollziehbar abgewiesen, da die Vorinstanz mit der Auferlegung der Gerichtsgebühr von CHF 2'000.-- und dem Verzicht auf Kostenauferlegung an die "schätzungsweise zu 2/3" obsiegende ESTV kein Bundesrecht verletzt habe.

6. Ergebnis

Die Beschwerde wurde abgewiesen, soweit darauf eingetreten wurde. Die Gerichtskosten von CHF 4'000.-- wurden den Beschwerdeführern solidarisch auferlegt.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht wies die Beschwerde gegen die teilweise Entsiegelung von Bankunterlagen im Rahmen einer Steueruntersuchung ab. Es trat nur auf die Beschwerde der nicht direkt beschuldigten Gesellschaften ein, da für die direkt Beschuldigten kein irreparabler Nachteil durch den Zwischenentscheid aufgezeigt wurde. Die Rügen der Beschwerdeführer, wonach die Rechtsmittelbelehrung irreführend war, das Beschleunigungsgebot verletzt wurde oder die Entsiegelung unverhältnismässig sei und eine Beweisausforschung darstelle, wurden abgewiesen. Das Gericht bestätigte, dass die ESTV nach Klärung der Einspracheberechtigung zeitgerecht gehandelt hatte und die als potenziell erheblich eingestuften Bankunterlagen (auch solche, die vor dem Deliktszeitraum entstanden sind oder Konten von Drittgesellschaften betreffen, bei denen der Beschuldigte zeichnungsberechtigt ist) für die Rekonstruktion relevanter Geldflüsse und die Aufklärung des hinreichenden Steuerhinterziehungsverdachts notwendig sind.