Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:
Bundesgericht, Urteil 7B_451/2025 vom 16. September 2025
1. Einleitung und Verfahrensgegenstand
Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts betrifft die Beschwerde in Strafsachen von A.__ (Beschwerdeführer) gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern vom 26. März 2025. Gegenstand ist die Verweigerung der bedingten Entlassung aus der Verwahrung sowie die Abweisung eines Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege im vorinstanzlichen Verfahren. Der Beschwerdeführer befindet sich seit einem Urteil des Appellationsgerichts Basel-Stadt vom 2. November 2020 (bestätigt durch Bundesgericht 6B_82/2021) wegen diverser Sexualdelikte in Verwahrung. Die nun angefochtene Entscheidung erging im Rahmen der zweiten jährlichen Überprüfung der Verwahrung.
2. Zulässigkeit der Beschwerde
Die Beschwerde in Strafsachen ist grundsätzlich zulässig gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide über die bedingte Entlassung aus der Verwahrung (Art. 78 Abs. 2 lit. b und Art. 80 BGG). Der Subeventualantrag des Beschwerdeführers auf Anordnung einer stationären Massnahme nach Art. 59 StGB wurde vom Bundesgericht jedoch als unzulässig beurteilt, da es sich um ein neues Begehren handelt, das nicht Gegenstand des kantonalen Verfahrens war (Art. 99 Abs. 2 BGG).
3. Rechtliche Grundlagen zur Verwahrung und bedingten Entlassung
Das Bundesgericht rekapituliert die massgebenden rechtlichen Bestimmungen und Prinzipien:
- Bedingte Entlassung (Art. 64a Abs. 1 StGB): Ein Täter wird aus der Verwahrung bedingt entlassen, sobald zu erwarten ist, dass er sich in der Freiheit bewährt. Diese Bewährungserwartung bezieht sich auf Straftaten im Sinne von Art. 64 Abs. 1 StGB, also schwere Gewalt- oder Sexualdelikte. Der Massstab für die Entlassungsprognose ist sehr streng; es muss eine hohe Wahrscheinlichkeit der Bewährung bestehen (BGE 142 IV 56 E. 2.4). Faktoren für die Prognose sind Vollzugslockerungen, Vollzugsverhalten, Verarbeitung der Straftaten und die zukünftige Lebenssituation.
- Periodische Prüfung (Art. 64b StGB): Die zuständige Behörde prüft auf Gesuch hin oder von Amtes wegen mindestens einmal jährlich, ob eine bedingte Entlassung möglich ist. Der Entscheid basiert auf einem Bericht der Anstaltsleitung, einer unabhängigen sachverständigen Begutachtung (Art. 56 Abs. 4 StGB, mit Fokus auf Gesundheitszustand und Gefährlichkeit), der Anhörung einer Kommission und des Täters.
- Würdigung von Gutachten: Gerichte würdigen Gutachten grundsätzlich frei (Art. 10 Abs. 2 StPO), dürfen aber in Fachfragen nicht ohne triftige Gründe davon abweichen. Ältere Gutachten sind zulässig, wenn sich die Verhältnisse seit ihrer Erstellung nicht erheblich verändert haben; massgebend ist die materielle Aktualität (BGE 134 IV 246 E. 4.3).
- Verhältnismässigkeit (Art. 36 Abs. 2 und 3 BV, Art. 56 Abs. 2 StGB): Die Verwahrung gilt als "ultima ratio". Die Dauer des Freiheitsentzugs erhöht die Anforderungen an die Verhältnismässigkeit. Der Freiheitsanspruch des Verwahrten muss gegen das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit abgewogen werden. Bei einem Grad der Gefährlichkeit, der eine Verwahrung rechtfertigen kann, stösst der Einfluss der Dauer an seine Grenzen (Urteil 7B_676/2024 E. 4.1.2).
- Prüfungsmasstab des Bundesgerichts: Die Beurteilung der Sachumstände (Legalprognose, therapeutischer Nutzen) sind Tatfragen und werden nur auf Willkür hin geprüft (Art. 106 Abs. 2 BGG). Der Entscheid über die adäquate Massnahme ist eine Rechtsfrage.
4. Verfahrensrechtliche Rügen des Beschwerdeführers und deren Beurteilung
Der Beschwerdeführer rügte diverse Verletzungen des Bundes- und Konventionsrechts:
- Feststellungsbegehren betreffend EMRK-Verletzungen: Die Vorinstanz trat auf Feststellungsbegehren (Folterverbot, Recht auf Freiheit und Sicherheit, wirksame Beschwerde, unentgeltliche Rechtspflege) mangels gesonderten Feststellungsinteresses nicht ein, da die Rügen bei der materiellen Prüfung der bedingten Entlassung berücksichtigt werden könnten. Das Bundesgericht schützt diese Haltung.
- Beschleunigungsgebot (Art. 5 Ziff. 4 EMRK): Die Rüge einer Verletzung des Beschleunigungsgebots (Verfahrensdauer von ca. 1 Jahr und 8 Monaten) wurde von der Vorinstanz als unbegründet abgewiesen. Die Dauer sei auf die Komplexität und den Umfang der Verfahrensschritte zurückzuführen, ohne dass vermeidbare Verzögerungen feststellbar gewesen seien. Das Bundesgericht teilt diese Einschätzung und befindet, dass die Rüge des Beschwerdeführers nicht dargetan sei.
- Rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV):
- Der Beschwerdeführer beanstandete die fehlende persönliche Anhörung vor den Bewährungs- und Vollzugsdiensten (BVD). Die Vorinstanz lehnte dies ab, da der Beschwerdeführer den mündlichen Termin selbst abgesagt und an Bedingungen geknüpft hatte, während die BVD unter zeitlichem Druck stand.
- Eine Gehörsverletzung bejahte die Vorinstanz jedoch hinsichtlich der unterbliebenen Mitteilung der schriftlichen Gehörsgewährung an den Rechtsbeistand des Beschwerdeführers. Diese Verletzung wurde aber aufgrund der vollen Überprüfungsbefugnis der Sicherheitsdirektion (SID) als geheilt betrachtet, da sich der Beschwerdeführer dort umfassend äussern konnte. Das Bundesgericht bestätigt die Heilung der Gehörsverletzung.
- Die Rüge, die Beurteilung der Aussichtslosigkeit des UGP-Gesuchs vor der SID sei auf den falschen Zeitpunkt abgestellt worden, wurde als unbegründet erachtet. Die SID habe die Aussichtslosigkeit zu Recht anhand einer sorgfältigen Prüfung der bedingten Entlassungsfrage beurteilt.
5. Materielle Prüfung der bedingten Entlassung aus der Verwahrung
Die Vorinstanz schützte die Verweigerung der bedingten Entlassung, was vom Bundesgericht bestätigt wird:
- Aktualität des Gutachtens: Entgegen dem Einwand des Beschwerdeführers hielt die Vorinstanz ein neues psychiatrisches Gutachten für nicht erforderlich. Das Gutachten vom 4. Mai 2020 sei weiterhin hinreichend aktuell, da sich die Verhältnisse nicht wesentlich verändert hätten. Das Bundesgericht bekräftigt diese Ansicht und verweist darauf, dass das Alter eines Gutachtens allein keine mangelnde Aktualität begründet. Es stellt zudem fest, dass der Beschwerdeführer seine Rüge, das Gutachten sei rechtswidrig zustande gekommen, nicht substanziiert habe.
- Diagnose und Legalprognose gemäss Gutachten und Vollzugsverlauf:
- Das Gutachten diagnostizierte eine schwere psychische Störung in Form einer homosexuellen Pädophilie und einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung mit dissozialen Zügen. Es wurden zwar Fortschritte in Bezug auf Einsichten in die Pädophilie beschrieben, jedoch weiterhin kognitive Verzerrungen und ein fehlendes Problembewusstsein für deliktisches Verhalten festgestellt. Die narzisstische Problematik erschwere die Selbstkritik und verhindere das Erkennen risikorelevanter Verhaltensweisen (Grooming). Therapiefortschritte seien seit 2006 keine relevanten festzustellen gewesen.
- Der Experte beurteilte die Legalprognose als ungünstig, mit einem hohen Risiko für erneute einschlägige Delikte (sexuelle Handlungen mit Kindern). Die Deliktmotivation sei hoch, die Erfolgsaussichten der weiteren Behandlung gering, da der Beschwerdeführer keine Bereitschaft zu rechtskonformem Verhalten zeige und zu Täuschungen und Manipulationen neige.
- Der Therapieverlauf bestätigte diese Einschätzung: Eine im Januar 2023 begonnene Therapie musste im Oktober desselben Jahres aufgrund des destruktiven Verhaltens des Beschwerdeführers abgebrochen werden. Er habe sich nicht mit delikts- und störungsrelevanten Themen auseinandergesetzt und sei nicht offen und transparent gewesen.
- Auch im Vollzugsverlauf wurden keine wesentlichen Änderungen hinsichtlich der Problembereiche (forderndes Verhalten, Kränkungserleben, narzisstische Anteile) festgestellt. Die mehrmaligen Vollzugseinrichtungswechsel waren auf sein untragbares Verhalten zurückzuführen.
- Vollzugslockerungen konnten mangels Mitarbeit und Problembewusstsein des Beschwerdeführers bisher nicht gewährt werden. Auch seine zukünftige Lebenssituation nach einer Entlassung sei unklar. Negativ wirke sich aus, dass er 2017 nach einer bedingten Entlassung aus einer Massnahme erneut straffällig geworden sei.
- Fazit zur Entlassungsprognose: Angesichts der schweren psychischen Störung, der gutachterlich attestierten hohen Rückfallgefahr, des Vollzugsverhaltens und der fehlenden Erfahrungen mit Lockerungen konnte keine günstige Prognose im Sinne von Art. 64a Abs. 1 StGB gestellt werden.
- Verhältnismässigkeit der Verwahrung: Die Aufrechterhaltung der Verwahrung wurde als verhältnismässig erachtet. Trotz des langen Freiheitsentzugs (über 18 Jahre) überwiegt das öffentliche Sicherheitsinteresse das Freiheitsinteresse des Beschwerdeführers, da ein hohes Risiko für schwere Delikte besteht und keine Bewährung in Freiheit zu erwarten ist. Die Vorinstanz berücksichtigte die Haftbedingungen und die Entwicklungsmöglichkeiten in der Justizvollzugsanstalt. Die fehlende Therapiebereitschaft und die geringe Beeinflussbarkeit des Beschwerdeführers begründen keine Unverhältnismässigkeit der Verwahrung.
6. Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege vor Vorinstanz
Das Obergericht hatte das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (UGP) abgewiesen, da die Beschwerde als aussichtslos beurteilt wurde. Das Bundesgericht bestätigt diese Einschätzung. Es verweist auf seine konstante Rechtsprechung, wonach Begehren als aussichtslos gelten, wenn die Gewinnchancen beträchtlich geringer sind als die Verlustrisiken. Angesichts der im Wesentlichen unveränderten medizinischen Akten und Vollzugsberichte in Bezug auf das Störungsbild, die Legalprognose und die Therapierbarkeit des Beschwerdeführers, bestand keine realistische Aussicht auf eine Entlassung. Die Rügen des Beschwerdeführers, die Vorinstanz hätte eine Ex-post-Beurteilung vorgenommen oder eine gesetzliche Grundlage für die Kostenauflage fehle, wurden als unbegründet abgewiesen.
7. Ergebnis
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wurde. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im bundesgerichtlichen Verfahren wird ebenfalls abgewiesen. Die Gerichtskosten werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
Das Bundesgericht bestätigt die Fortsetzung der Verwahrung von A.__, einem wegen Sexualdelikten verwahrten Täter, und die Ablehnung seiner bedingten Entlassung. Es stützt sich dabei auf ein weiterhin aktuelles Gutachten aus dem Jahr 2020, das eine schwere psychische Störung (Pädophilie und narzisstische Persönlichkeitsstörung) und eine ungünstige Legalprognose mit hohem Rückfallrisiko für schwere Sexualdelikte attestiert. Der Vollzugsverlauf zeigt mangelnde Therapiebereitschaft und destruktives Verhalten des Beschwerdeführers, wodurch relevante Therapiefortschritte ausbleiben. Das öffentliche Sicherheitsinteresse überwiegt angesichts der anhaltenden Gefährlichkeit den Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers, wodurch die Verwahrung trotz ihrer langen Dauer als verhältnismässig erachtet wird. Verfahrensrechtliche Rügen, insbesondere betreffend das Beschleunigungsgebot und das rechtliche Gehör (teilweise bejahte, aber geheilte Verletzung), wurden als unbegründet abgewiesen. Auch die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege im kantonalen Verfahren wurde wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde bestätigt.