Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:
Detaillierte Zusammenfassung des Urteils 7B_147/2025 des Schweizerischen Bundesgerichts vom 8. September 2025
1. Einführung und Streitgegenstand
Das Bundesgericht hatte über eine Beschwerde von A._ (nachfolgend Beschwerdeführerin) gegen ein Urteil der Strafrechtlichen Beschwerdekammer des Genfer Appellationshofs zu entscheiden. Die Beschwerdeführerin wandte sich gegen eine Einstellungsverfügung des Ministère public de la République et canton de Genève (nachfolgend Staatsanwaltschaft), welche eine gegen B._ (Radiologietechniker) und C._ (Radiologin) wegen fahrlässiger Körperverletzung (Art. 125 StGB) eröffnete Untersuchung eingestellt hatte, und die zudem die Eröffnung einer Untersuchung gegen D._ (Notärztin) wegen derselben Delikte sowie weiterer Straftaten (Art. 122, 127, 129, 304, 305 StGB) abgelehnt hatte. Der Kern der Beschwerde bezog sich auf die Frage, ob die Voraussetzungen für eine fahrlässige Körperverletzung im Zusammenhang mit einer Kontrastmittelgabe bei einer Computertomographie (CT) erfüllt waren und ob die Vorinstanz das Prinzip «in dubio pro duriore» sowie das Recht auf Beweisergänzung (medizinisch-rechtliches Gutachten) verletzt hatte.
2. Sachverhalt und Verfahrensablauf
- Ausgangslage: Am 22. Januar 2019 begab sich A._ wegen einer Harnwegsinfektion und Fieber in die Notaufnahme der Clinique E._. Die Notärztin D.__ ordnete zur Abklärung einer möglichen Pyelonephritis einen CT-Scan an.
- Allergiehinweis und Kontrastmittelgabe: Die Beschwerdeführerin gab gegenüber dem Radiologietechniker B._ und auf dem Fragebogen an, bei einem früheren CT-Scan im Jahr 2012 eine Allergie gegen Kontrastmittel entwickelt zu haben (Hautausschlag, Juckreiz, Knötchen mit günstiger Entwicklung nach Einnahme von Zyrtec). Gemäss Anweisung der Radiologin C._ wurde dennoch ein Kontrastmittel injiziert, jedoch ein anderes Präparat als 2012 und nach präventiver Gabe eines Antihistaminikums (Tavegyl).
- Allergische Reaktion: Nach der Injektion verspürte die Beschwerdeführerin Hitze und ein Taubheitsgefühl in den Lippen, später Atembeschwerden. Die Notärztin D.__ diagnostizierte eine allergische Reaktion vom Stadium III (Quincke-Ödem), verabreichte Adrenalin und andere Medikamente und liess die Patientin sechs Stunden auf der Überwachungsstation.
- Strafanzeige und Untersuchung: A._ erstattete Strafanzeige gegen C._, B._ und andere Beteiligte wegen schwerer Körperverletzung, Aussetzung und Gefährdung des Lebens. Später wurden B._ und C._ wegen fahrlässiger Körperverletzung präventiert. Die Beschwerdeführerin forderte zudem die Prävention von D._.
- Einstellungsverfügung: Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren mit Verfügung vom 24. Juni 2024 ein. Sie begründete dies damit, dass weder eine Körperverletzung noch eine Lebensgefährdung durch die Kontrastmittelgabe oder die Adrenalin-Injektion nachgewiesen werden konnte (stabile Vitalparameter, keine Hautreaktionen oder Atemnot). Es sei auch keine Fahrlässigkeit oder Verletzung der ärztlichen Kunst feststellbar (getroffene Vorsichtsmassnahmen, Einhaltung der Protokolle). Mangels Körperverletzung oder Lebensgefährdung sei auch kein medizinisch-rechtliches Gutachten erforderlich und die Notärztin nicht wegen der von A.__ genannten Delikte zu prävenieren.
- Kantonale Instanz: Die Strafrechtliche Beschwerdekammer des Genfer Appellationshofs wies die Beschwerde der A.__ am 7. Januar 2025 ab.
3. Rechtliche Würdigung durch das Bundesgericht
3.1. Massgebliche Rechtsgrundlagen und Prüfungsstandard
Das Bundesgericht prüfte die Rügen der Beschwerdeführerin, insbesondere die Verletzung von Art. 125 StGB und der Verfassungsprinzipien (Willkürverbot, Anspruch auf rechtliches Gehör, «in dubio pro duriore»).
- Einstellungsprinzip «in dubio pro duriore» (Erwägung 2.2): Gemäss diesem Prinzip darf eine Einstellung durch die Staatsanwaltschaft oder eine Beschwerdeinstanz nur erfolgen, wenn klar erscheint, dass die Fakten nicht strafbar sind oder die Voraussetzungen für die Strafverfolgung nicht erfüllt sind (BGE 143 IV 241 E. 2.2.1). Bei Zweifeln über den Sachverhalt oder die Rechtslage ist der materiell zuständige Richter zu entscheiden. Das Bundesgericht prüft die Ermessensausübung der Vorinstanzen in diesem Rahmen mit Zurückhaltung.
- Körperverletzung durch Fahrlässigkeit (Art. 125 StGB, Erwägung 3.2.1): Das Delikt setzt drei Elemente voraus: 1) eine dem Täter zurechenbare Fahrlässigkeit, 2) eine vom Opfer erlittene Körperverletzung und 3) einen natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen der Fahrlässigkeit und den Verletzungen.
- Fahrlässigkeit (Art. 12 Abs. 3 StGB, Erwägung 3.2.2): Fahrlässig handelt, wer aus schuldhafter Unvorsichtigkeit ein Verbrechen oder Vergehen begeht, ohne sich der Folgen seines Verhaltens bewusst zu sein oder diese nicht in Betracht zieht. Die Unvorsichtigkeit ist schuldhaft, wenn der Täter die Vorsichtsmassnahmen nicht beachtet hat, die durch die Umstände und seine persönlichen Verhältnisse geboten waren (Verletzung der Sorgfaltspflicht).
- Ärztliche Sorgfaltspflicht (Erwägung 3.2.3): Die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht eines Arztes hängen von den Umständen des Einzelfalls ab (Art der Intervention, Risiken, Beurteilungsspielraum, zur Verfügung stehende Mittel, Dringlichkeit). Ein Arzt verstösst erst dann gegen seine Sorgfaltspflicht, wenn Diagnose, Therapie oder ein anderes Vorgehen nach dem allgemeinen Stand des medizinischen Wissens nicht mehr vertretbar erscheint und somit den objektiven Anforderungen der ärztlichen Kunst nicht genügt (BGE 148 IV 39 E. 2.3.4). Die Frage, ob eine Sorgfaltspflicht verletzt wurde, ist eine Rechtsfrage; die Feststellung einer anerkannten Berufsregel, des Patientenzustandes und des Ablaufs des medizinischen Handelns sind Tatfragen, die vom Bundesgericht nur auf Willkür hin überprüft werden.
3.2. Anwendung auf den vorliegenden Fall – Begründung des Bundesgerichts
Das Bundesgericht bestätigte die Argumentation der kantonalen Instanz und wies die Beschwerde ab:
- Keine Sorgfaltspflichtverletzung (Erwägung 3.4):
- Notwendigkeit des Scans: Es war nicht feststellbar, dass der CT-Scan zur Abklärung des Infektionsherdes bei der Beschwerdeführerin unnötig war. Der Scan wurde aufgrund der aktuellen Symptome und der Anamnese (Cacchi-Ricci-Syndrom) angeordnet.
- Umgang mit Allergiehinweis: Es war unbestritten, dass die Gesundheitsfachpersonen über die frühere allergische Reaktion (Stadium I) informiert waren. Die getroffenen Massnahmen – präventive Gabe eines Antihistaminikums (Tavegyl) und die Verwendung eines anderen Kontrastmittels – entsprachen den medizinischen Protokollen für eine Reaktion vom Stadium I, wie sie auch vom Centre F.__ bestätigt wurden. Die Beschwerdeführerin hatte auch nicht dargelegt, dass die ihr gegebenen Informationen eine Allergie vom Stadium III hätten implizieren müssen.
- Rolle der Radiologin: Die Radiologin C.__ hatte dem Techniker klare Anweisungen gegeben. Ihre physische Anwesenheit während des Scans hätte die nachfolgenden Ereignisse nicht verhindert, da die stärkere allergische Reaktion der Beschwerdeführerin erst nach ihrer Verlegung in die Notaufnahme auftrat.
- Rolle der Notärztin: Die Notärztin D.__ hatte unverzüglich die notwendigen Massnahmen ergriffen (Überwachung und Adrenalin-Injektion), nachdem sie über die Beschwerden informiert wurde. Es wurde keine Verletzung der ärztlichen Kunst bei der Verabreichung des Adrenalins geltend gemacht.
- Keine Körperverletzung oder Lebensgefährdung (Erwägung 3.3 und 3.4):
- Die kantonalen Richter stützten sich auf objektive medizinische Daten (das «Médiboard»), welche zeigten, dass die Vitalparameter der Beschwerdeführerin während der gesamten Behandlung stabil blieben (keine Hypotonie, keine Bronchospasmen). Die nach der Adrenalin-Injektion festgestellten Erhöhungen von Herzfrequenz und Blutdruck konnten durch die Substanz selbst oder einen Angstzustand erklärt werden.
- Die von der Beschwerdeführerin geschilderten Symptome (Brennen) erreichten nicht die notwendige Intensität, um als Körperverletzung im Sinne des Gesetzes qualifiziert zu werden. Es lag keine objektive Lebensgefahr vor. Das subjektive Empfinden der Beschwerdeführerin wurde zwar ernst genommen (was zur präventiven Adrenalin-Gabe führte), aber die objektiven medizinischen Daten widersprachen einer schwerwiegenden Schädigung oder Lebensgefahr.
- Ablehnung der Expertise (Erwägung 3.5):
- Die Beschwerdeführerin rügte die Ablehnung ihrer Forderung nach einem medizinisch-rechtlichen Gutachten. Das Bundesgericht bestätigte die antizipierte Beweiswürdigung der Vorinstanzen. Angesichts der im Dossier vorhandenen objektiven Daten (Médiboard, Berichte des Centre F.__ zu den Protokollen) wurde angenommen, dass ein Gutachten keine neuen, entscheidenden Erkenntnisse liefern würde. Daher lag keine Verletzung des Rechts auf Beweisergänzung oder des rechtlichen Gehörs vor.
4. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte
Das Bundesgericht bestätigte die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft und das Urteil der kantonalen Beschwerdekammer. Es wurde festgestellt, dass keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine fahrlässige Körperverletzung durch die beteiligten Gesundheitsfachpersonen vorlagen. Weder konnte eine Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflicht im Umgang mit der bekannten Kontrastmittelallergie noch eine im strafrechtlichen Sinne relevante Körperverletzung oder Lebensgefährdung objektiv nachgewiesen werden. Die medizinischen Massnahmen entsprachen den geltenden Protokollen für die bekannte Allergie vom Stadium I, und die Vitalparameter der Patientin waren stabil. Die Ablehnung eines medizinisch-rechtlichen Gutachtens wurde als zulässige antizipierte Beweiswürdigung erachtet, da die vorhandenen Akten genügend objektive Anhaltspunkte zur Beurteilung boten. Das Prinzip «in dubio pro duriore» wurde angesichts der klaren Sachlage als nicht verletzt angesehen.