Zusammenfassung von BGer-Urteil 7B_189/2025 vom 11. September 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts zusammen:

Detaillierte Zusammenfassung des Bundesgerichtsurteils 7B_189/2025 vom 11. September 2025

1. Einleitung und Gegenstand des Verfahrens

Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts, II. Strafrechtliche Abteilung, befasst sich mit einem Rekurs gegen die Ablehnung der bedingten Entlassung eines Häftlings (A.__) durch die kantonalen Behörden des Kantons Waadt. Der Beschwerdeführer beantragte die bedingte Entlassung sowie die Anordnung einer zweijährigen Probezeit mit Bewährungshilfe. Das Bundesgericht prüfte die Rechtmässigkeit der vorinstanzlichen Ablehnung im Lichte von Art. 86 Abs. 1 StGB.

2. Sachverhalt und Vorinstanzen

Der Beschwerdeführer, ein 1991 geborener chilenischer Staatsangehöriger, wurde am 25. Oktober 2023 vom Tribunal correctionnel de l'arrondissement de l'Est vaudois wegen einer Vielzahl von Delikten verurteilt, darunter namentlich Gefährdung des Lebens, qualifizierte und einfache Körperverletzung, qualifizierte und einfache Drohungen, Nötigung, Hausfriedensbruch, Beschimpfung, Tätlichkeiten, Missbrauch einer Fernmeldeanlage sowie Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz. Die bedingten Strafen aus früheren Urteilen von 2016 und 2019 wurden widerrufen, und es wurde eine Gesamtstrafe von 4 Jahren Freiheitsentzug (teilweise Zusatzstrafe) unter Anrechnung von 459 Tagen Untersuchungshaft verhängt. Zudem wurde eine Landesverweisung von 5 Jahren angeordnet und die Haft aus Sicherheitsgründen aufrechterhalten.

Die Verurteilung im Jahr 2023 basierte insbesondere auf wiederholten Aggressionen gegenüber seiner Ehefrau, mit der er zwei Kinder hatte (wovon eines 2022 verstarb), sowie der Bedrohung einer Freundin seiner Ehefrau mit einem Messer.

Seit dem 21. Dezember 2023 im Strafvollzug, wurde der Beschwerdeführer einer kriminologischen Beurteilung unterzogen (Bericht vom 25. März 2024). Diese ergab, gestützt auf verschiedene Bewertungsinstrumente (LS/CMI, ODARA, STATIQUE-99R, DStable-2007) und unter Berücksichtigung von Schutzfaktoren (SAPROF), ein hohes Risiko für allgemeine und gewalttätige Rückfälle. Dieses Risiko wurde mit den zahlreichen und langjährigen gerichtlichen Vorstrafen begründet, die eine polymorphe und verfestigte antisoziale Entwicklung zeigten. Auch das Vollzugsverhalten war auffällig, da der Beschwerdeführer bereits Disziplinarmassnahmen erhalten hatte. Obwohl der Beschwerdeführer durch den Tod seines Sohnes belastet war und Therapiebedarf angab, hatte er die therapeutische Behandlung nach Haftantritt nicht wieder aufgenommen. Die Kriminologen empfahlen eine intensive Betreuung, einschliesslich freiwilliger psychotherapeutischer Begleitung.

Die Direktion der Strafvollzugsanstalt (EPO) sprach sich am 30. August 2024 negativ gegen die bedingte Entlassung aus. Obwohl der Beschwerdeführer im Betrieb zufriedenstellende Leistungen zeigte, für Opferentschädigung sparte und Reintegrationsprojekte in Chile vorweisen konnte, wurde sein Verhalten im Vollzug durch acht Disziplinarsanktionen (Konsum von verbotenen Substanzen (THC), Missachtung von Vorschriften, Befehlsverweigerung, Betrug, Handel) getrübt. Zwei weitere Disziplinarsanktionen folgten im Oktober und November 2024. Das Amt für den Strafvollzug (OEP) und die Staatsanwaltschaft schlossen sich diesem negativen Vorentscheid an und hoben die Schwere der Delikte sowie das hohe Rückfallrisiko hervor.

Ein Bericht des psychiatrisch-psychologischen Dienstes (SMPP) vom 11. Dezember 2024 zeigte, dass der Beschwerdeführer zwar Interesse an einer psychologischen Betreuung bekundete, jedoch zwei vereinbarte Termine verstreichen liess und keine neuen vereinbaren wollte.

Der Strafvollzugsrichter (Juge d'application des peines) lehnte die bedingte Entlassung am 7. Januar 2025 ab, und die Chambre des recours pénale des Tribunal cantonal des Kantons Waadt wies den dagegen erhobenen Rekurs am 22. Januar 2025 ebenfalls ab.

3. Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts

3.1. Zulässigkeit des Rekurses Das Bundesgericht erklärte den Rekurs als zulässig, da er gegen eine letztinstanzliche kantonale Entscheidung über den Straf- und Massnahmenvollzug gerichtet und fristgerecht eingereicht wurde.

3.2. Rechtliche Grundlagen der bedingten Entlassung (Art. 86 Abs. 1 StGB) Gemäss Art. 86 Abs. 1 StGB wird ein Häftling bedingt entlassen, der zwei Drittel seiner Strafe, mindestens aber drei Monate Freiheitsentzug, verbüsst hat, sofern sein Verhalten im Vollzug nicht entgegensteht und nicht zu befürchten ist, dass er neue Verbrechen oder Vergehen begehen wird.

Das Bundesgericht betonte, dass die bedingte Entlassung die Regel ist und ihre Verweigerung die Ausnahme. Es wird nicht mehr verlangt, dass eine günstige Prognose gestellt werden kann, sondern es genügt, dass die Prognose nicht ungünstig ist (BGE 133 IV 201 E. 2.2). Die Prognose muss auf einer Gesamtbetrachtung basieren, die die Vorgeschichte des Verurteilten, seine Persönlichkeit, sein allgemeines Verhalten und sein Verhalten im Rahmen der Straftaten, den Grad seiner Läuterung sowie die voraussichtlichen Lebensumstände berücksichtigt (BGE 133 IV 201 E. 2.2 und 2.3).

Ein gewisses Restrisiko ist bei jeder Entlassung unvermeidlich (BGE 119 IV 5 E. 1b). Entscheidend ist die Abwägung zwischen der Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls und der Bedeutung des gefährdeten Rechtsgutes. Bei Delikten gegen Leben, körperliche oder sexuelle Integrität wird ein geringeres Rückfallrisiko toleriert als beispielsweise bei Betäubungsmitteldelikten (BGE 133 IV 201 E. 3.2; hier verweist das Gericht explizit auf die Bedeutung dieses Kriteriums).

Eine differenzierte Prognose vergleicht die Vor- und Nachteile des vollständigen Strafvollzugs mit denen der bedingten Entlassung (eventuell mit Bewährungshilfe oder Weisungen) hinsichtlich der Resozialisierung des Täters (BGE 124 IV 193 E. 4d/aa und 4d/bb). Der zuständigen Behörde steht bei der Prognoseerstellung ein weiter Ermessensspielraum zu; das Bundesgericht greift nur bei Ermessensüberschreitung oder -missbrauch ein, insbesondere wenn relevante Kriterien ignoriert oder ausschliesslich die Vorstrafen herangezogen wurden (BGE 133 IV 201 E. 2.3).

3.3. Begründung der Vorinstanz Die kantonale Instanz stellte fest, dass die erste Voraussetzung (zwei Drittel der Strafe verbüsst) erfüllt war. Die Frage, ob das Verhalten des Beschwerdeführers im Vollzug der bedingten Entlassung entgegenstehe, konnte offengelassen werden, da die Prognose bezüglich seines zukünftigen Verhaltens als ungünstig beurteilt wurde.

Die Vorinstanz stützte ihre ungünstige Prognose auf: * Die kriminologische Beurteilung vom 25. März 2024, die eine verfestigte, polymorphe Delinquenz mit einem hohen Risiko gewalttätiger Rückfälle aufzeigte. * Das Verhalten des Beschwerdeführers im Vollzug: Die zahlreichen Disziplinarmassnahmen (insbesondere wegen Drogenkonsums, Regelverstössen, Befehlsverweigerung, Betrug und Handel) deuteten auf eine Neigung zur Regelübertretung hin und trugen zu einer schlechten Prognose bei. * Die widersprüchliche Haltung des Beschwerdeführers bezüglich der psychotherapeutischen Betreuung: Obwohl er diese angeblich dringend wünschte, weigerte er sich, zwei geplante Termine wahrzunehmen. Eine psychologische oder psychiatrische Begleitung wurde als unerlässlich erachtet, um das Rückfallrisiko zu mindern. * Die Art der verletzten Rechtsgüter: Die Taten richteten sich gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit, was eine besonders vorsichtige Haltung und höchste Zurückhaltung bei der Risikobewertung erfordert. * Das Vorsorgeprinzip: Angesichts des hohen Risikos wurde es als unerlässlich erachtet, dass der Beschwerdeführer eine psychotherapeutische oder psychiatrische Behandlung vor der bedingten Entlassung aufnimmt. Das Risiko einer Rückfälligkeit wurde in Chile nicht als geringer eingeschätzt. * Die Problematik der Landesverweisung: Eine Bewährungshilfe oder andere Weisungen wären nach der bevorstehenden Landesverweisung in Chile nicht durchsetzbar, was diese Massnahmen gegenstandslos machen und das Rückfallrisiko zusätzlich erhöhen würde.

3.4. Bundesgerichtliche Würdigung der Beschwerdegründe Das Bundesgericht befand, die Argumentation der kantonalen Instanz sei nicht zu beanstanden und der Beschwerdeführer habe keine stichhaltigen Gegenargumente vorgebracht: * Der Beschwerdeführer bestritt die Qualifikation des Rückfallrisikos und die hohe Wertigkeit der gefährdeten Rechtsgüter nicht substantiiert. Seine Kritik an den kriminologischen Tests als "systematisch" wurde als unbegründet abgewiesen, da die Beurteilung personalisiert erfolgte. * Seine appellatorischen Ausführungen zu den Umständen der Gewalttaten (z.B. "schwierige Zeit", "wird sich nicht wiederholen") wurden als unbehelflich und unzulässig erachtet, zumal die kriminologische Einschätzung insbesondere auch ein Risiko für häusliche Gewalt und Sexualdelikte hervorhebt. * Der Beschwerdeführer ging nicht auf die Feststellung der Vorinstanz ein, dass er vereinbarte Psychologentermine nicht wahrgenommen und keine neuen gewünscht hatte, obwohl dies ein zentraler Punkt war, der seinen angeblichen Wunsch nach Therapie widerlegte. Seine pauschale Behauptung, er habe "nun die Betreuung wieder aufgenommen", weicht vom festgestellten Sachverhalt ab und wurde nicht als willkürlich dargelegt. * Der Einwand, er sei zuvor nie wegen häuslicher Gewalt verurteilt worden, wurde verworfen, da im Rahmen der Prognosebeurteilung die Gesamtheit der Delikte und Vorstrafen (polymorphe, verfestigte Delinquenz) zu berücksichtigen ist. * Seine appellatorische Kritik am Vollzugsverhalten (z.B. Cannabis-Konsum würde kein heteroaggressives Risiko bestätigen) wurde als unzulässig eingestuft. Das Gericht wies zudem darauf hin, dass die Disziplinarsanktionen auch andere Regelverstösse umfassten.

3.5. Fazit des Bundesgerichts Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die Vorinstanz weder relevante Elemente zu Unrecht ignoriert oder falsch gewürdigt noch irrelevante Umstände berücksichtigt hat. Sie hat die Vorgeschichte des Beschwerdeführers, die Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter, sein anhaltendes regelverletzendes Verhalten im Vollzug, die Einschätzung eines hohen Rückfallrisikos durch die kriminologische Beurteilung und insbesondere seine hartnäckige Weigerung, eine unerlässliche psychotherapeutische Behandlung aufzunehmen, korrekt berücksichtigt. Angesichts des konkreten Rückfallrisikos hat die Vorinstanz ihr Ermessen nicht missbraucht, indem sie eine ungünstige Prognose stellte und die bedingte Entlassung verweigerte.

4. Ergebnis Der Rekurs wurde abgewiesen, soweit er zulässig war. Der Antrag auf unentgeltliche Rechtspflege wurde mangels Erfolgsaussichten abgelehnt. Die Gerichtskosten wurden dem Beschwerdeführer auferlegt, wobei deren Höhe seiner finanziellen Situation angepasst wurde.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht bestätigte die Ablehnung der bedingten Entlassung für A.__. Die zentralen Gründe dafür waren:

  1. Hohes Rückfallrisiko: Die kriminologische Beurteilung ergab ein hohes Risiko für allgemeine und insbesondere gewalttätige Rückfälle, bedingt durch eine verfestigte, polymorphe Delinquenz und zahlreiche Vorstrafen.
  2. Schwere der Delikte: Die Verurteilung wegen Delikten gegen Leben und körperliche Integrität erforderte eine besonders vorsichtige Risikobewertung.
  3. Regelverletzendes Vollzugsverhalten: Zahlreiche Disziplinarmassnahmen im Vollzug (Drogenkonsum, Missachtung von Regeln, Betrug) deuteten auf mangelnden Respekt vor Vorschriften hin.
  4. Verweigerung notwendiger Therapie: Trotz der Empfehlung und seines angeblichen Wunsches weigerte sich der Beschwerdeführer, eine als unerlässlich angesehene psychotherapeutische Behandlung aufzunehmen.
  5. Unwirksamkeit von Bewährungshilfe: Die bevorstehende Landesverweisung hätte die Umsetzung von Bewährungshilfe oder Weisungen in Chile verunmöglicht, was das Rückfallrisiko zusätzlich erhöht hätte.

Die Vorinstanz hat ihr weites Ermessen bei der Prognoseerstellung nicht missbraucht.