Zusammenfassung von BGer-Urteil 7B_240/2025 vom 3. September 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (7B_240/2025, 7B_241/2025 vom 3. September 2025) detailliert zusammen.

Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 7B_240/2025, 7B_241/2025 vom 3. September 2025

1. Einleitung Das Bundesgericht hatte über zwei Beschwerden in Strafsachen zu entscheiden, welche sich gegen ein Postulationsverbot eines Rechtsanwalts zur Verteidigung seiner Ehefrau im Rahmen eines Strafverfahrens richteten. Der Rechtsanwalt (A.A._) und seine Ehefrau (B.A._) fochten den Entscheid der Chambre pénale de recours des Kantons Genf vom 4. Februar 2025 an, mit dem ein durch die Staatsanwaltschaft verfügtes Postulationsverbot bestätigt wurde.

2. Sachverhalt Die Ehefrau B.A._ und ihr Ehemann A.A._, ein im kantonalen Register eingetragener Rechtsanwalt, besassen ein gemeinsames Bankkonto bei der D._ SA mit einem Guthaben von rund 510'000 Franken. Nachdem die Bank die Geschäftsbeziehung beendet hatte, wurde Rechtsanwalt C._ mandatiert, den Betrag in bar zu beziehen. Nach Erhalt des Geldes verschlechterte sich das Verhältnis zwischen Rechtsanwalt C._ und den Ehegatten aufgrund von Honorarstreitigkeiten und Uneinigkeit über die Rückzahlungsmodalitäten. Rechtsanwalt C._ bot an, den ihm nach Abzug von Kosten und Honoraren zustehenden Betrag von 505'000 Franken zu überweisen.

Im Mai 2021 forderte B.A._, der ihr Ehemann seine Forderungen abgetreten hatte, Rechtsanwalt C._ auf, den Betrag in sechs separaten Raten von jeweils ca. 85'000 Franken auf sechs von ihr eröffnete Bankkonten zu überweisen. Rechtsanwalt C._ lehnte dies ab. Am 23. Februar 2022 leitete B.A._ sechs separate ordentliche Betreibungen über je 84'963.25 Franken gegen Rechtsanwalt C._ ein. Auf Nachfrage des Betreibungsamtes bestätigte sie, dass es sich um sechs verschiedene Forderungen handle. Rechtsanwalt C._ erhob Rechtsvorschlag und rügte die "künstliche Zerstückelung" (saucissonnage artificiel) einer einzigen Forderung. Er bot an, fünf Betreibungen zu tilgen und den Restbetrag auf die sechste zu übertragen, was zur Erledigung der entsprechenden Betreibungen führte.

Am 19. Mai 2023 beantragte Rechtsanwalt C._ beim Betreibungsamt die Nichtigkeit der Betreibungen, da diese seiner Ansicht nach einzig dazu dienten, ihn zu zwingen, die anerkannte Schuld in sechs Teilbeträgen unterhalb der 100'000-Franken-Grenze für Barauszahlungen "ausserhalb der Geldwäschereikontrolle" (hors contrôle LBA) zu leisten. Das Betreibungsamt lehnte dies ab, da die Betreibungen bereits erledigt waren. Daraufhin reichte Rechtsanwalt C._ Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde über die Betreibungs- und Konkursämter ein.

Die Aufsichtsbehörde (Chambre de surveillance) übermittelte ihren Entscheid am 15. Februar 2024 der Staatsanwaltschaft Genf (gemäss Art. 33 Abs. 1 des Genfer Gesetzes zur Anwendung des Schweizerischen Strafgesetzbuches). Sie hielt fest, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass die Zustellung von sechs Zahlungsbefehlen an Rechtsanwalt C.__, um ihn zu zwingen, seine anerkannte Schuld nicht in einer einzigen Zahlung, sondern in Raten von weniger als 100'000 Franken zu begleichen, als versuchte oder vollendete Nötigung im Sinne von Art. 22 i.V.m. Art. 181 StGB qualifiziert werden könnte.

Am 25. Juli 2024 übermittelte die Staatsanwaltschaft das Verfahren zur Ergänzung der Ermittlungen an die Polizei. B.A._ wurde am 9. Dezember 2024 als beschuldigte Person einvernommen, verweigerte jedoch die Aussage mit Verweis auf mangelnden Aktenzugang und ihren Gesundheitszustand. Am 16. Dezember 2024 informierte A.A._ die Staatsanwaltschaft, dass er seine Ehefrau als Rechtsanwalt verteidigen werde und beantragte Aktenzugang, was mit der Begründung abgelehnt wurde, die Akten befänden sich bei der Polizei. Am 8. Januar 2025 erliess die Staatsanwaltschaft eine Verfügung, mit der sie A.A._ untersagte, als Verteidiger für seine Ehefrau B.A._ zu postulieren.

3. Prozessgeschichte Die Chambre pénale de recours des Kantons Genf wies die separaten Beschwerden der Ehegatten gegen das Postulationsverbot mit Urteil vom 4. Februar 2025 ab. Dagegen legten A.A._ und B.A._ am 14. März 2025 separate Beschwerden in Strafsachen beim Bundesgericht ein.

4. Erwägungen des Bundesgerichts

4.1. Zulässigkeit der Beschwerden Das Bundesgericht stellte fest, dass die Beschwerden als Beschwerden in Strafsachen gemäss Art. 78 ff. BGG grundsätzlich zulässig sind. Ein Postulationsverbot stellt einen Zwischenentscheid dar, der einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG verursacht, da er dem Beschwerdeführer endgültig die Wahl seines Anwalts entzieht. Sowohl die beschuldigte Ehefrau als auch der abgelehnte Anwalt sind zur Beschwerde legitimiert.

4.2. Rügen betreffend fehlerhafte Sachverhaltsfeststellung und Gehörsrecht Die Beschwerdeführer rügten eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) und eine formelle Rechtsverweigerung (Art. 29 Abs. 1 BV), da die kantonale Behörde angeblich nicht über ihre Einwände gegen "offenbar absichtlich fehlerhafte" Sachverhaltsdarstellungen in der staatsanwaltschaftlichen Verfügung vom 8. Januar 2025 entschieden habe. Das Bundesgericht wies diese Rügen zurück. Es hielt fest, dass die kantonale Vorinstanz die Rügen der Beschwerdeführer zur angeblich fehlerhaften Sachverhaltsfeststellung der Staatsanwaltschaft explizit behandelt habe. Die kantonale Instanz habe erklärt, dass sie über volle Kognition in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht verfüge und allfällige unvollständige oder unzutreffende Feststellungen der Staatsanwaltschaft in ihrem eigenen Sachverhalt korrigiert worden seien. Dies genüge den Anforderungen an die Begründungspflicht. Weitergehende Rügen der Beschwerdeführer, die sich ausschliesslich auf die Sachverhaltsfeststellungen der staatsanwaltschaftlichen Verfügung bezogen und nicht auf diejenigen des angefochtenen kantonalen Urteils, wurden als unzulässig erachtet, da das Bundesgericht an den Sachverhalt der letzten kantonalen Instanz gebunden ist (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, es werde eine willkürliche oder unvollständige Sachverhaltsfeststellung im Sinne von Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG in gehöriger Weise gerügt, was hier nicht der Fall war.

Die Beschwerdeführer rügten ferner eine Verletzung des Gehörsrechts und der Menschenwürde (Art. 3 Abs. 1 StPO), weil die Staatsanwaltschaft ihnen keine vorgängige Stellungnahme zum Postulationsverbot ermöglicht habe. Das Bundesgericht erinnerte an den Grundsatz der Heilung einer Gehörsrechtsverletzung im Rechtsmittelverfahren, wenn die geschädigte Partei vor einer Beschwerdeinstanz mit voller Kognition die Möglichkeit hat, sich zu äussern. Da die Beschwerdeführer dies vor der kantonalen Beschwerdeinstanz ausführlich tun konnten, sei die Verletzung des Gehörsrechts geheilt worden. Eine Rückweisung wäre eine unnötige Formalität gewesen. Auch die Rüge einer angeblichen Verletzung der Menschenwürde durch die Staatsanwaltschaft wurde als unbehelflich erachtet, da die vorgebrachten Sachverhalte (z.B. die Ablehnung eines Aktenzugangs durch die Polizei) nicht ausreichten, um eine derart schwerwiegende Verletzung zu begründen.

4.3. Rüge: Interessenkonflikt und Postulationsverbot

4.3.1. Massgebende Rechtsgrundlagen Das Bundesgericht legte die relevanten Rechtsgrundlagen dar: * Art. 127 Abs. 4 StPO verweist auf die Gesetzgebung über die Rechtsanwälte. * Art. 12 lit. c des Bundesgesetzes über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (BGFA) verpflichtet den Anwalt, Interessenkollisionen zwischen den Interessen seines Klienten und den Interessen von Personen, mit denen er beruflich oder privat in Beziehung steht, zu vermeiden. Dies ist eine Kardinalregel des Anwaltsberufs und steht im Zusammenhang mit der Sorgfaltspflicht (Art. 12 lit. a BGFA), der Unabhängigkeit (Art. 12 lit. b BGFA) und dem Berufsgeheimnis (Art. 13 BGFA). * Die Regel dient dem Schutz des Klienten und der ordnungsgemässen Durchführung des Verfahrens. Es muss eine konkrete Gefahr eines Interessenkonflikts bestehen, ein rein abstraktes Risiko genügt nicht. Die Realisierung des Konflikts ist jedoch nicht erforderlich. Sobald ein solcher Konflikt auftritt, muss der Anwalt das Mandat beenden. * Die Verfahrensleitung prüft die Postulationsfähigkeit eines Anwalts von Amtes wegen und jederzeit. Ein Postulationsverbot in einem konkreten Fall ist keine Disziplinarmassnahme, sondern eine Kontrolle der Postulationsbefugnis. * Interessenkonflikte entstehen beispielsweise bei der Doppelvertretung sich widerstreitender Parteien, der Verwendung von früher erworbenem vertraulichem Wissen oder bei der Verteidigung von Mitbeschuldigten, deren Aussagen im Verlauf des Verfahrens divergieren könnten. * Besondere Strenge gilt, wenn der Anwalt durch persönliche Interessen beeinflusst werden könnte, etwa durch finanzielle Beteiligungen oder eine zu grosse Nähe zum Klienten, wie im Fall der Vertretung des eigenen Ehegatten. In solchen Fällen besteht das Risiko, dass der Anwalt seine eigenen Interessen über die des Klienten stellt oder ihm die notwendige professionelle Distanz fehlt.

4.3.2. Begründung des Bundesgerichts Die Beschwerdeführer hatten die Motivation der kantonalen Instanz nicht ausreichend substantiiert angefochten, da sie sich darauf beschränkten, gegenteilige Behauptungen aufzustellen, ohne sich mit der detaillierten Argumentation der Vorinstanz auseinanderzusetzen.

In der Sache stützte das Bundesgericht die Argumentation der kantonalen Vorinstanz vollumfänglich: * Mögliche Beteiligung des Ehemanns: Obwohl der Ehemann A.A._ seine Forderungen gegen Rechtsanwalt C._ bereits vor der Einleitung der Betreibungen an seine Ehefrau abgetreten hatte, ist seine Beteiligung an den den strafrechtlichen Vorwürfen zugrunde liegenden Vorgängen nicht gänzlich auszuschliessen. * Rolle im Verfahren: Die Staatsanwaltschaft hat das Recht und die Pflicht, die Rolle von A.A._ bei der Abtretung der Forderungen und den nachfolgenden Schritten zu klären. Es ist plausibel, dass A.A._ später als Zeuge, Auskunftsperson oder gar als beschuldigte Person einvernommen werden könnte. * Aktenzugang und Einflussnahme: Würde A.A._ seine Ehefrau verteidigen, hätte er als ihr Anwalt Zugang zu den Strafakten, zu denen er als Zeuge oder Beschuldigter (Art. 101 StPO) möglicherweise keinen oder nur eingeschränkten Zugang hätte. Dies könnte ihm einen unzulässigen Vorteil verschaffen. * Interessenkollision und mangelnde Distanz: Bei einer möglichen Befragung von A.A._ als Zeuge oder Beschuldigter bestünde das konkrete Risiko, dass er seine eigenen Interessen gegenüber denen seiner Ehefrau priorisiert oder versucht, die Verantwortung auf sie abzuwälzen. Hinzu kommt die persönliche Nähe als Ehegatte, die es ihm erschweren könnte, die notwendige professionelle Distanz zu wahren und die Interessen seiner Frau objektiv und ausschliesslich zu vertreten. * Verhältnismässigkeit: Das Postulationsverbot ist verhältnismässig. Es beruht auf einem formellen Gesetz (Art. 12 BGFA), ist durch ein öffentliches Interesse (ordnungsgemässe Durchführung der Untersuchung) und das Interesse der Beschuldigten an einer von Interessenkonflikten freien Verteidigung gerechtfertigt und es gibt keine weniger einschneidende Massnahme, die denselben Zweck erreichen könnte. Eine Verletzung der Wirtschaftsfreiheit liegt nicht vor.

5. Fazit Das Bundesgericht bestätigte, dass ein konkretes Risiko eines Interessenkonflikts zwischen A.A._ und seiner Ehefrau B.A._ besteht, das ein Postulationsverbot gemäss Art. 12 lit. c BGFA rechtfertigt. Die Argumente der kantonalen Instanz zur möglichen Rolle des Ehemanns, dem Aktenzugang und der fehlenden professionellen Distanz aufgrund der Ehebeziehung wurden als zutreffend erachtet.

Die Beschwerden wurden, soweit sie überhaupt zulässig waren, abgewiesen. Die Gerichtskosten wurden den Beschwerdeführern solidarisch auferlegt.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  1. Hintergrund: Ein Ehepaar war in einen Streit mit einem Anwalt involviert, bei dem die Ehefrau sechs separate Betreibungen einleitete, um eine Forderung in kleineren Raten unterhalb der Geldwäschereigrenze einzutreiben. Dies führte zu einer Strafanzeige wegen Nötigung.
  2. Postulationsverbot: Der Ehemann, selbst Anwalt, wollte seine Ehefrau in diesem Strafverfahren verteidigen. Die Staatsanwaltschaft verhängte ein Postulationsverbot gegen ihn.
  3. Grundsatz des Interessenkonflikts: Gemäss Art. 12 lit. c BGFA muss ein Anwalt Interessenkonflikte vermeiden. Dies schützt den Klienten und die Integrität des Verfahrens. Eine konkrete Gefahr eines Konflikts reicht aus.
  4. Begründung des Bundesgerichts: Das Bundesgericht bestätigte das Postulationsverbot aus folgenden Gründen:
    • Mögliche Beteiligung des Ehemanns: Die Untersuchung ist noch in einem frühen Stadium, und die Rolle des Ehemanns bei der Abtretung der Forderungen und den nachfolgenden Schritten muss geklärt werden. Es besteht die konkrete Möglichkeit, dass er selbst als Zeuge oder sogar als Beschuldigter einvernommen wird.
    • Aktenzugang: Als Verteidiger hätte der Ehemann Zugang zu den Strafakten, was ihm einen unzulässigen Vorteil verschaffen könnte, sollte er später selbst involviert werden.
    • Fehlende Distanz: Die Ehebeziehung führt zu einer potenziellen Interessenkollision und mangelnder professioneller Distanz, da der Ehemann seine eigenen Interessen priorisieren oder die Verantwortung auf seine Ehefrau abwälzen könnte.
    • Verhältnismässigkeit: Das Verbot ist verhältnismässig und dient der Sicherstellung einer ordnungsgemässen Untersuchung und der Verteidigung der Ehefrau durch einen Anwalt ohne Interessenkonflikt.
  5. Entscheid: Die Beschwerden der Ehegatten wurden abgewiesen, das Postulationsverbot gegen den Ehemann wurde bestätigt.