Zusammenfassung von BGer-Urteil 1C_270/2024 vom 29. August 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts zusammen:

Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts (1C_270/2024 vom 29. August 2025)

1. Einleitung und Streitgegenstand Das Bundesgericht hatte über eine Beschwerde gegen einen Entscheid der Chambre administrative des Cour de justice des Kantons Genf zu befinden, der die Beschränkung der Aufbewahrungsdauer von Telefon- und Funkkommunikationsaufzeichnungen der kantonalen Polizei und Rettungsdienste auf drei Monate ablehnte. Beschwerdeführer waren vier Personen, darunter aktive Polizisten, die eine Verletzung ihres Rechts auf Schutz der Privatsphäre (Art. 13 BV, Art. 21 KV/GE, Art. 8 EMRK) geltend machten und eine Verkürzung der Aufbewahrungsfrist verlangten. Konkret ging es um Aufzeichnungen der Zentralen Einsatz-, Koordinations- und Alarmzentrale (CECAL) sowie des nationalen Polycom-Funknetzes.

2. Sachverhalt und Verfahrensablauf Die Beschwerdeführerin A._ ersuchte die Genfer Polizeikommandantin um Auskünfte über die Aufzeichnungen von CECAL-Anrufen und Polycom-Kommunikationen (Rechtsgrundlage, Aufbewahrungsdauer, Zugriffsgründe). Die CECAL ist für Notrufe (117, 112) zuständig, Polycom für die Funkkommunikation von Sicherheits- und Rettungsorganisationen. Nach erfolgloser Anfrage beim zuständigen Departement forderte A._ im März 2023, dass ihre Anfrage dem kantonalen Datenschutzbeauftragten zur Empfehlung bezüglich der Aufbewahrungsdauer vorgelegt werde. Dieser empfahl in der Folge eine Aufbewahrungsfrist von drei Monaten für Kommunikationen mit Polizei und Rettungsdiensten, ausser bei laufenden Strafverfahren, wo eine längere Dauer gerechtfertigt sei. Das Departement lehnte diese Empfehlung jedoch ab und weigerte sich, die Aufbewahrungsdauer auf drei Monate zu beschränken. Die daraufhin von den Beschwerdeführern erhobene Beschwerde vor der Cour de justice des Kantons Genf wurde abgewiesen.

3. Prozessuale Rügen der Beschwerdeführer und deren Abweisung Das Bundesgericht behandelte zunächst mehrere prozessuale Rügen der Beschwerdeführer, die alle abgewiesen wurden:

  • Ungenügende Sachverhaltsfeststellung (Art. 97 Abs. 1 BGG): Die Rüge, die Vorinstanz habe unzutreffend festgehalten, dass eine frühzeitige Datenlöschung nach zwölf Monaten die Polizeiarbeit beeinträchtige, wies das Bundesgericht als unbegründet zurück. Es handele sich nicht um eine unrichtige Sachverhaltsfeststellung, sondern um eine rechtliche Würdigung, die im Rahmen der materiellen Prüfung zu behandeln sei.
  • Verletzung des rechtlichen Gehörs und der Begründungspflicht (Art. 29 Abs. 2 BV): Die Beschwerdeführer rügten, die Vorinstanz habe die Aufbewahrungsdauer nur in Bezug auf Telefonanrufe (CECAL) und nicht auch auf Funkkommunikationen (Polycom) geprüft. Das Bundesgericht stellte fest, dass die Cour de justice explizit beide Kommunikationsarten im Blick hatte und die Begründung ausreichend war, um den Beschwerdeführern eine sachgerechte Anfechtung zu ermöglichen.
  • Formelle Rechtsverweigerung (Art. 29 Abs. 1 BV) und willkürliche Anwendung von Art. 69 Abs. 1 LPA/GE: Die Beschwerdeführer kritisierten, die Vorinstanz habe nicht geprüft, ob die aktuell angewendeten Aufbewahrungsfristen (36 Monate für CECAL, 12 Monate für Polycom) verhältnismässig seien. Das Bundesgericht hielt fest, dass die Anträge der Beschwerdeführer vor der Vorinstanz explizit darauf abzielten, die Aufbewahrungsdauer auf drei Monate zu beschränken. Gemäss Art. 69 Abs. 1 LPA/GE ist das Verwaltungsgericht an die Parteianträge gebunden und war daher nicht gehalten, über längere Aufbewahrungsdauern zu befinden. Eine formelle Rechtsverweigerung lag somit nicht vor.

4. Materielle Prüfung: Grundsatz der Verhältnismässigkeit

Der Kern der Beschwerde betraf die Verletzung des Rechts auf Schutz der Privatsphäre durch eine über drei Monate hinausgehende Aufbewahrung der Aufzeichnungen. Das Bundesgericht prüfte dies anhand des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit (Art. 36 BV), der die drei Teilaspekte der Eignung, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit (Verhältnismässigkeit im engeren Sinne) umfasst.

4.1. Massgebende Rechtsgrundlagen * Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre: Art. 13 Abs. 1 BV, Art. 21 Abs. 1 KV/GE und Art. 8 EMRK garantieren den Schutz der Privat-, Familien-, Wohn- und Korrespondenzfreiheit. * Grundsatz der Verhältnismässigkeit: Gemäss Art. 36 BV müssen Grundrechtseinschränkungen auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt sein und verhältnismässig zum angestrebten Ziel sein. * Kantonales Datenschutzrecht (LIPAD): Art. 35 LIPAD erlaubt öffentlichen Institutionen die Datenbearbeitung nur, soweit dies zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich ist. Art. 40 Abs. 1 LIPAD verlangt die Zerstörung oder Anonymisierung von Personendaten, wenn sie für die Aufgabenerfüllung nicht mehr benötigt werden, es sei denn, eine andere Gesetzesvorschrift schreibe die Aufbewahrung vor.

4.2. Anwendung auf den vorliegenden Fall Die Beschwerdeführer bestritten weder das öffentliche Interesse an der Massnahme noch die gesetzliche Grundlage; einzig die Verhältnismässigkeit der Aufbewahrungsdauer war strittig, wobei sich der Streit auf die Daten der Beamten bezog.

  • 4.2.1. Eignung der Massnahme (Aptitude) Die Beschwerdeführer argumentierten, die Aufbewahrung über drei Monate hinaus sei nicht geeignet, Straftaten zu verhindern. Das Bundesgericht wies dies zurück. Der Zweck der Aufzeichnung von Telefon- und Funkkommunikationen sei nicht die Prävention, sondern die Dokumentation polizeilicher Interventionen zu operativen Zwecken, die Sachverhaltsklärung und die Beweismittelsicherung in Strafverfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft. Dies diene der Sicherstellung von Beweisen und einer hohen Aufklärungsquote, was den Polizeiaufgaben gemäss Art. 1 Abs. 4 lit. a und b des Genfer Polizeigesetzes (LPol/GE) entspreche. Die Massnahme sei daher geeignet, die angestrebten öffentlichen Interessen zu erreichen.

  • 4.2.2. Erforderlichkeit der Massnahme (Nécessité) Das Bundesgericht betonte, dass die Effizienz der Strafverfolgung eng mit der Dauer der Aufbewahrung von Aufzeichnungen verbunden sei. Eine extrem kurze Aufbewahrungsdauer berge das Risiko, dass Aufzeichnungen gelöscht würden, bevor eine Straftat entdeckt oder eine Strafanzeige erstattet werde (unter Verweis auf ATF 133 I 77 E. 5.2). Die Vorinstanz habe überzeugend dargelegt, dass eine dreimonatige Frist insbesondere im Bereich der häuslichen Gewalt unzureichend sei. Obwohl nicht alle Anrufe bei häuslicher Gewalt über die CECAL erfolgten, sei es essenziell, die Fakten in einem Bereich, in dem die Beweisführung schwierig ist, so präzise wie möglich zu erfassen. Eine Aufzeichnung ermögliche eine genauere Feststellung der verwendeten Begriffe, des Tons, von Hintergrundgeräuschen und anderer relevanter auditiver Hinweise, was für Polizei und Justiz von grosser Bedeutung sei. Ein empirisches Ergebnis nach der Löschung von Daten, die älter als ein Jahr waren (per 31. Dezember 2021), habe zudem gezeigt, dass diese verkürzte Dauer die Polizeiarbeit tatsächlich behindert habe. Die Argumente der Beschwerdeführer, dass bei Antragsdelikten die dreimonatige Strafklagefrist ausreichend sei und bei Offizialdelikten entweder schnell ein Verfahren eröffnet werde oder andere Beweismittel vorhanden seien, überzeugten das Bundesgericht nicht. Sie konnten nicht darlegen, dass eine dreimonatige Frist das Risiko einer Beweismittelvernichtung bei späterer Entdeckung oder Anzeige ausreichend ausschliessen würde. Da das Genfer Gesetz keine spezifische Aufbewahrungsdauer festlege, sondern auf die Erfüllung gesetzlicher Aufgaben verweise, sei der Grundsatz der Erforderlichkeit als eingehalten zu betrachten.

  • 4.2.3. Zumutbarkeit der Massnahme (Proportionalité au sens étroit) Bei der Abwägung zwischen dem Recht auf Schutz der Privatsphäre und der Notwendigkeit einer effektiven Strafverfolgung berücksichtigte das Bundesgericht folgende Aspekte:

    • Geringe Intensität des Eingriffs: Die Beschwerdeführer sind Polizisten, die im Rahmen ihrer dienstlichen Funktion kommunizieren und vollständig über die Aufzeichnungen informiert sind. Die aufgezeichneten Daten sind sehr spezifisch und betreffen nicht ihre private Lebensführung (Gewohnheiten, Wohnorte, soziales Umfeld oder Meinungen).
    • Prozedurale Garantien: Die Beamten verfügen über Zugangsrechte zu ihren eigenen Personendaten gemäss Art. 44-49 LIPAD.
    • Vergleich mit Präjudizien: Der Eingriff in die Privatsphäre wurde als erheblich geringer eingestuft als bei der Aufbewahrung von Videoüberwachungsbildern aus dem öffentlichen Raum für Ermittlungszwecke (wo 100 Tage als verhältnismässig galten, siehe ATF 133 I 77 E. 5 und ATF 136 I 87 E. 8.4). Ebenso sei der Eingriff weniger signifikant als bei der Aufbewahrung von Telekommunikationsranddaten für sechs Monate, die ebenfalls als verhältnismässig erachtet wurde (siehe ATF 144 I 126 E. 8.3.9).
    • Kantonale Praxis: Obwohl der Kanton Waadt eine dreimonatige Aufbewahrungsfrist für 117-Anrufe vorsehe, hätten andere Kantone (Neuenburg, Luzern, Zug, Zürich) längere Fristen etabliert. Dies zeige, dass eine Dauer über drei Monate hinaus nicht per se unverhältnismässig sei.

5. Schlussfolgerung des Bundesgerichts Zusammenfassend kam das Bundesgericht zum Schluss, dass die über drei Monate hinausgehende Aufbewahrung der strittigen Aufzeichnungen (sowohl Telefon- als auch Funkkommunikationen) der Beamten den Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht verletzt. Die Beschwerde wurde somit im Rahmen ihrer Zulässigkeit abgewiesen.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  • Streitpunkt: Dauer der Aufbewahrung von Telefon- und Funkkommunikationsaufzeichnungen (CECAL/Polycom) durch die Genfer Polizei/Rettungsdienste. Beschwerdeführer forderten drei Monate.
  • Abgewiesene prozessuale Rügen: Das Bundesgericht verneinte ungenaue Sachverhaltsfeststellung, Verletzung der Begründungspflicht und formelle Rechtsverweigerung durch die Vorinstanz.
  • Materielle Prüfung (Verhältnismässigkeit):
    • Eignung: Die Aufbewahrung ist geeignet zur Dokumentation, Sachverhaltsklärung und Beweismittelsicherung in Strafverfahren.
    • Erforderlichkeit: Eine dreimonatige Frist ist insbesondere im Bereich häuslicher Gewalt und aufgrund empirischer Erkenntnisse unzureichend, da sonst das Risiko einer Beweismittelvernichtung bei späterer Deliktsentdeckung besteht (unter Verweis auf ATF 133 I 77).
    • Zumutbarkeit: Der Eingriff in die Privatsphäre der Beamten ist gering, da sie im Dienst handeln, informiert sind und die Daten nicht ihre private Lebensführung betreffen. Im Vergleich zu Videoüberwachung und Verkehrsdaten ist der Eingriff weniger intensiv (unter Verweis auf ATF 133 I 77 und ATF 144 I 126). Kantonale Unterschiede bei den Aufbewahrungsfristen rechtfertigen keine zwingende dreimonatige Begrenzung.
  • Endentscheid: Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab und bestätigte, dass die über drei Monate hinausgehende Aufbewahrung der Daten der Verhältnismässigkeit entspricht.