Zusammenfassung von BGer-Urteil 7B_500/2024 vom 28. August 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts (7B_500/2024 vom 28. August 2025) detailliert für Sie zusammen:

Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (II. strafrechtliche Abteilung) vom 28. August 2025 (7B_500/2024)

1. Sachverhalt und Verfahrensgeschichte

Der Beschwerdeführer A._ hatte diverse Strafanzeigen gegen B._ und C._ eingereicht, in denen er ihnen vorwarf, durch Handlungen des Pfändungsbetrugs und weiterer Delikte die Vollstreckung eines Urteils des Bezirksgerichts Baden vereitelt zu haben. Die Kantonale Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau stellte das gegen B._ und C._ geführte Strafverfahren (ST.2017.32) am 30. August 2023 ein. Diese Einstellungsverfügung wurde am 31. August 2023 von der Oberstaatsanwaltschaft genehmigt. A._ erhob hiergegen Beschwerde bei der Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts des Kantons Aargau, welche die Beschwerde mit Entscheid vom 8. März 2024 abwies, soweit sie darauf eintrat. Gegen diesen Entscheid gelangte A.__ mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht, mit dem Antrag, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die Sache zur Fortführung des Strafverfahrens an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen, eventualiter zur Neubeurteilung an die Vorinstanz.

Die prozessuale Vorgeschichte ist entscheidend für das Urteil: * Am 3. August 2023 kündigte die Staatsanwaltschaft den Erlass einer Einstellungsverfügung an und setzte eine 30-tägige Frist für Beweisanträge oder Stellungnahmen. * Am 11. August 2023 beantragte der Beschwerdeführer die Zustellung der vollständigen Untersuchungsakten samt aktualisiertem Aktenverzeichnis und eine Neuanansetzung der Frist nach deren Zustellung, da er sonst die Rechtmässigkeit der Einstellung nicht überprüfen könne. * Mit Verfügung vom 14. August 2023 wies die Staatsanwaltschaft den Antrag auf erneute Zustellung der Akten ab, da diese dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bereits mehrfach (letztmals am 12. Januar 2023) zugestellt worden und seither unverändert seien. Sie sicherte dem Beschwerdeführer jedoch die Akteneinsicht vor Ort zu und verlängerte die ursprünglich angesetzte Frist um weitere zehn Tage, womit die Frist insgesamt 40 Tage betrug. * Am 17. August 2023 ersuchte der Beschwerdeführer die Staatsanwaltschaft erneut um die Zustellung eines aktuellen Aktenverzeichnisses und der vollständigen Akten sowie eine Neuanansetzung der Frist, da er mangels Aktenkenntnis keine Beweisanträge stellen könne. * Die Staatsanwaltschaft stellte das Strafverfahren am 30. August 2023 ein.

2. Rechtliche Begründung des Bundesgerichts

2.1. Beschwerdelegitimation (Art. 81 Abs. 1 BGG) Das Bundesgericht prüfte zunächst die Legitimation des Beschwerdeführers. Während ein rechtlich geschütztes Interesse für die Privatklägerschaft nur unter der zusätzlichen Voraussetzung besteht, dass sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG), wies das Bundesgericht die diesbezüglichen pauschalen Angaben des Beschwerdeführers als unzureichend zurück. Der Beschwerdeführer hatte es versäumt, seine Zivilforderungen im Einzelnen zu spezifizieren, zu beziffern und den Kausalzusammenhang mit den angeblichen Straftaten darzulegen. Dennoch hielt das Bundesgericht fest, dass die Privatklägerschaft stets berechtigt ist, eine Verletzung ihrer Parteirechte zu rügen, die formeller Natur ist und von der Prüfung der Sache getrennt werden kann (sogenannte "Star-Praxis", vgl. BGE 146 IV 76 E. 2; 141 IV 1 E. 1.1; 138 IV 78 E. 1.3). Im vorliegenden Fall wurde die Legitimation des Beschwerdeführers für formelle Rügen bejaht.

2.2. Verletzung des Akteneinsichtsrechts und der Aktenführungspflicht Der Beschwerdeführer rügte eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör, der behördlichen Aktenführungspflicht und seines Rechts auf Akteneinsicht nach Art. 107 Abs. 1 lit. a StPO. Er machte geltend, er habe die vollständigen Akten trotz wiederholter Gesuche nie zu Gesicht bekommen und wisse mangels Aktenverzeichnisses nicht, ob die ihm zugestellten Akten vollständig gewesen seien. Die Staatsanwaltschaft sei ausser Stande, ein gesetzeskonformes Aktenverzeichnis zu führen.

Das Bundesgericht wies diese Rüge zurück: * Akteneinsicht: Die Staatsanwaltschaft habe das Recht auf Akteneinsicht nicht verweigert. Mit Verfügung vom 14. August 2023 wurde lediglich von der Zustellung der Akten an den Rechtsbeistand abgesehen, dem Beschwerdeführer jedoch ausdrücklich eine Akteneinsicht vor Ort zugesichert. Der Beschwerdeführer habe nicht dargelegt, inwiefern diese Modalität Bundesrecht verletze. Die Regelung von Art. 102 Abs. 2 StPO, wonach Akten in der Regel an Rechtsbeistände zugestellt werden, sieht Ausnahmen vor, etwa bei sehr umfangreichen Akten (vgl. Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1162 Ziff. 2.2.8.9). * Aktenführungspflicht (Art. 100 Abs. 1 und 2 StPO): Zwar stellte die Vorinstanz (Obergericht) fest, dass die Aktenführung Mängel aufweise, insbesondere das Fehlen eines Aktenverzeichnisses. Sie kam aber zum Schluss, dass die Akten chronologisch geordnet und paginiert seien und die Untersuchungsergebnisse auch ohne Verzeichnis mit zumutbarem Aufwand auffindbar seien. Das Bundesgericht hielt fest, dass der Beschwerdeführer sich mit dieser detaillierten Begründung der Vorinstanz nicht auseinandergesetzt und insbesondere nicht dargelegt habe, inwiefern er seine Parteirechte aufgrund der Aktenführung nicht wirksam wahrnehmen konnte. Eine unzureichende Aktenführung käme gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung einer formellen Rechtsverweigerung gleich, wenn die Verteidigungsrechte nicht wirksam wahrgenommen werden können (vgl. Urteile 6B_376/2024 vom 5. Juni 2024 E. 3; 6B_1095/2019 vom 30. Oktober 2019 E. 3.3.2 f.). Da dies nicht hinreichend substanziiert wurde, trat das Bundesgericht auf diese Rüge nicht ein.

2.3. Behandlung der Eingabe vom 17. August 2023 als Wiedererwägungsgesuch Der Beschwerdeführer kritisierte, dass seine Eingabe vom 17. August 2023, in der er erneut die Zustellung von Akten und die Fristverlängerung verlangte, von der Vorinstanz als Wiedererwägungsgesuch und nicht als neuer Antrag behandelt wurde. Das Bundesgericht bestätigte die Einschätzung der Vorinstanz: Da die Anträge in der Eingabe vom 17. August 2023 eine Wiederholung der bereits mit Eingabe vom 11. August 2023 gestellten Anträge darstellten, war es nicht zu beanstanden, diese als Wiedererwägungsgesuch zu erachten. Die Staatsanwaltschaft war bei dieser Sachlage nicht gehalten, sich förmlich mit dem Wiedererwägungsgesuch zu befassen (vgl. BGE 146 I 185 E. 4.1; Urteil 7B_190/2025 vom 4. Juli 2025 E. 3.4.1).

2.4. Vorzeitige Einstellung des Verfahrens und Verletzung des rechtlichen Gehörs (Entscheidender Punkt) Der Beschwerdeführer rügte schliesslich, dass die Staatsanwaltschaft die Frist zur Stellung von Beweisanträgen eigenmächtig "verkürzt" habe, indem sie das Verfahren am 30. August 2023 einstellte, als die gesetzte Frist (ursprünglich 30 Tage, verlängert um 10 Tage, also insgesamt 40 Tage ab 3. August 2023) noch nicht abgelaufen war. Dadurch sei ihm die Möglichkeit zur Ausübung seiner Verfahrensrechte abgeschnitten worden.

Das Bundesgericht gab dem Beschwerdeführer in diesem Punkt Recht: * Das in Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 3 Abs. 2 lit. c und Art. 107 StPO verankerte rechtliche Gehör garantiert den Verfahrensbeteiligten ein Mitwirkungsrecht, insbesondere den Anspruch auf Äusserung zur Sache vor Erlass eines ihre Rechtsstellung beeinflussenden Entscheids (vgl. BGE 150 I 174 E. 4.1). * Die Staatsanwaltschaft hatte die ursprünglich 30-tägige Frist mit Verfügung vom 14. August 2023 um zehn Tage verlängert, so dass sie insgesamt 40 Tage betrug. * Als die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren am 30. August 2023 einstellte, war diese verlängerte Frist offensichtlich noch nicht abgelaufen. Die Staatsanwaltschaft hat demnach das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers verletzt. * Die Vorinstanz (Obergericht) hatte zu Unrecht angenommen, der Beschwerdeführer habe mit seiner Eingabe vom 17. August 2023 zum Ausdruck bringen wollen, "von ihm seien nur bei Einlenken der kantonalen Staatsanwaltschaft [hinsichtlich seines Antrags auf Akteneinsicht] Beweisanträge oder eine Stellungnahme zu erwarten". Der Beschwerdeführer hatte in dieser Eingabe jedoch nicht auf die Stellung von Beweisanträgen oder die Einreichung einer Stellungnahme verzichtet, sondern die Erfüllung seiner Anträge zur Akteneinsicht als Voraussetzung für seine Stellungnahme dargestellt. Die gegenteilige Auslegung der Vorinstanz verletzt Bundesrecht.

3. Entscheid des Bundesgerichts

Die Beschwerde wurde teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau vom 8. März 2024 wurde aufgehoben. Die Sache wurde direkt an die Kantonale Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau zurückgewiesen (Art. 107 Abs. 2 BGG), welche dem Beschwerdeführer erneut eine Frist zur Stellung von Beweisanträgen und für allfällige Stellungnahmen ansetzen muss. Zudem wurde die Sache zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Beschwerdeverfahrens an die Vorinstanz zurückgewiesen (Art. 67 und 68 Abs. 5 BGG). Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf eingetreten wurde.

Der Beschwerdeführer hatte aufgrund des teilweisen Obsiegens die Hälfte der Gerichtskosten (Fr. 1'500.--) zu tragen, und der Kanton Aargau wurde verpflichtet, ihm für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 1'500.-- zu bezahlen.

Kurzusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht hob den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau auf, da die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren vor Ablauf der dem Beschwerdeführer eingeräumten Frist für Beweisanträge und Stellungnahmen eingestellt und damit dessen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 107 StPO) verletzt hatte. Die Argumente des Beschwerdeführers bezüglich der Verweigerung vollständiger Akteneinsicht und Mängeln in der Aktenführung wurden vom Bundesgericht mangels hinreichender Substantiierung und aufgrund der Möglichkeit der Akteneinsicht vor Ort nicht geteilt. Die Sache wurde an die Staatsanwaltschaft zur erneuten Fristansetzung und an das Obergericht zur Neuregelung der Kosten zurückgewiesen. Der Kern des Urteils liegt in der klaren Bestätigung der Notwendigkeit, dem Beschwerdeführer die volle Frist zur Ausübung seiner Parteirechte zu gewähren und eine vorzeitige Verfahrenseinstellung ohne eindeutigen Verzicht zu unterlassen.