Zusammenfassung von BGer-Urteil 2C_331/2024 vom 15. Juli 2025

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Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichts 2C_331/2024 vom 15. Juli 2025

Einleitung Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (2C_331/2024 vom 15. Juli 2025) betrifft die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten der äthiopischen Staatsangehörigen A._ und ihres minderjährigen Sohnes B._ gegen die Nichtverlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligungen im Kanton Zürich. Die Beschwerdeführenden machen einen Anspruch auf Verbleib in der Schweiz gestützt auf Art. 50 Abs. 1 lit. b des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG) geltend, den sogenannten nachehelichen Härtefall.

Sachverhalt Die Beschwerdeführerin A._ (geb. 1989), äthiopische Staatsangehörige, heiratete im Oktober 2018 in Addis Abeba einen eritreischen Staatsangehörigen, der damals in der Schweiz niedergelassen war und später eingebürgert wurde. Im Februar 2020 reiste sie gemeinsam mit ihrem Sohn B._ (geb. 2014) aus einer früheren Beziehung in die Schweiz ein und erhielt eine Aufenthaltsbewilligung, die zuletzt bis zum 21. Februar 2023 verlängert wurde. Im Juni 2022 wurde den Eheleuten durch Eheschutzurteil das Getrenntleben bewilligt, woraufhin sie seit Juli 2022 an getrennten Adressen leben. Die Beschwerdeführerin ist seither auf Sozialhilfe angewiesen.

Das Migrationsamt des Kantons Zürich widerrief daraufhin im Februar 2023 die Aufenthaltsbewilligungen der Mutter und des Sohnes und verfügte deren Wegweisung. Rekurs und Beschwerde wurden von der Sicherheitsdirektion bzw. dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich abgewiesen, wobei das Verwaltungsgericht die unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsvertretung für die kantonalen Verfahren gewährte.

Die Beschwerdeführenden gelangten mit Beschwerde an das Bundesgericht, mit dem Hauptantrag auf Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligungen. Ein im November 2024 vom Migrationsamt nachgereichtes Schreiben des Bezirksgerichts Zürich, wonach die Ehe der Beschwerdeführerin per 25. Oktober 2024 rechtskräftig geschieden sei, wurde vom Bundesgericht als "echtes Novum" nicht berücksichtigt (Art. 99 Abs. 1 BGG), da es nach dem angefochtenen Urteil eingetreten ist.

Verfahrensrechtliche Rügen der Beschwerdeführenden Die Beschwerdeführenden rügten eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) und eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung. Das Bundesgericht wies diese Rügen ab. Es stellte fest, dass die Vorinstanz sich mit der Frage der Familienbeziehungen in Äthiopien auseinandergesetzt hatte. Die blossen Behauptungen der Beschwerdeführerin, ihre Familie habe aufgrund der Hochzeit den Kontakt abgebrochen, wurden von der Vorinstanz als nicht glaubhaft eingestuft, was weder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darstellt noch eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung begründet. Ebenso wurde die Annahme der Vorinstanz, die Beschwerdeführerin könne nach gut vierjähriger Landesabwesenheit an frühere soziale Kontakte in Äthiopien wieder anknüpfen, als plausibel erachtet, da sie bereits vor ihrer Ausreise in die Schweiz als alleinerziehende Mutter gelebt, gearbeitet und Beziehungen gepflegt hatte.

Materielle Prüfung des Bundesgerichts

  1. Anwendbare Rechtsgrundlage: Die Beschwerdeführenden stützen ihren Aufenthaltsanspruch auf Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG (in der bis Ende 2024 gültigen Fassung, da das vorinstanzliche Urteil vor Inkrafttreten der neuen Fassung am 1. Januar 2025 erging). Es ist unbestritten, dass die Ehegemeinschaft weniger als drei Jahre bestand, weshalb Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG nicht anwendbar ist. Gemäss Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG kann ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach Auflösung der Ehe fortbestehen, wenn "wichtige persönliche Gründe" einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen (sogenannter nachehelicher Härtefall).

  2. Definition "Wichtige persönliche Gründe": Art. 50 Abs. 2 AIG präzisiert, dass wichtige persönliche Gründe namentlich vorliegen können, wenn die soziale Wiedereingliederung im Herkunftsland "stark gefährdet" erscheint. Die Rechtsprechung (z.B. BGE 140 II 129 E. 3.5; 138 II 229 E. 3.1) nennt hier geschiedene Frauen (mit Kindern), die in einem patriarchalischen Gesellschaftssystem Diskriminierungen oder Ächtungen erleiden könnten. Die Beurteilung erfordert eine umfassende Berücksichtigung sämtlicher Aspekte des Einzelfalls (BGE 138 II 229 E. 3.1; Art. 31 Abs. 1 VZAE), darunter die Integration der ausländischen Person, die Familienverhältnisse, die Dauer der Anwesenheit in der Schweiz, der Gesundheitszustand und die finanziellen Verhältnisse. Massgeblich ist, ob die Wiedereingliederung "stark gefährdet" ist, nicht ob ein Leben in der Schweiz einfacher wäre (BGE 139 II 393 E. 6). Ein persönlicher, nachehelicher Härtefall setzt eine erhebliche Intensität der Konsequenzen für das Privat- und Familienleben voraus (BGE 139 II 393 E. 6).

  3. Würdigung im vorliegenden Fall:

    • Betreffend A.__ (Mutter): Das Bundesgericht bestätigte die vorinstanzliche Einschätzung, wonach die Wiedereingliederung nicht hinreichend "stark gefährdet" sei. Die Beschwerdeführerin habe es versäumt, die von ihr behauptete Gefährdung objektiv nachvollziehbar zu konkretisieren und beweismässig zu unterlegen. Allgemeine Hinweise auf die schwierige Situation alleinstehender bzw. alleinerziehender Frauen in Äthiopien genügten nicht. Es wurde berücksichtigt, dass die Beschwerdeführerin 30 Jahre in Addis Abeba gelebt und vor ihrer Umsiedelung in die Schweiz bereits als alleinerziehende Mutter einer Erwerbstätigkeit nachgegangen war. Sie ist mit den Verhältnissen vor Ort vertraut und verfügt – gemäss den als plausibel erachteten Feststellungen der Vorinstanz – über soziale Beziehungen, an die sie wieder anknüpfen kann. Ihr Aufenthalt in der Schweiz betrug im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Entscheids lediglich gut vier Jahre.
    • Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privatlebens): Das Bundesgericht verneinte auch einen Anspruch gestützt auf Art. 8 EMRK. Obwohl die Beschwerdeführerin Integrationsbemühungen zeigte, war sie weiterhin teilweise auf Sozialhilfe angewiesen. Es wurden keine über die normale Integration hinausgehende intensive berufliche oder gesellschaftliche Verwurzelung festgestellt, die für einen rechtmässigen Aufenthalt von weniger als zehn Jahren erforderlich wäre, um einen Anspruch nach Art. 8 EMRK zu begründen (vgl. BGE 149 I 207 E. 5.3.2; 144 I 266 E. 3.4).
    • Betreffend B.__ (Sohn): Als minderjähriges Kind teilt der zum Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils neunjährige Beschwerdeführer grundsätzlich das ausländerrechtliche Schicksal seiner Mutter (BGE 143 I 21 E. 5.4). Da gemäss Vorinstanz keine nahe Beziehung zum getrennt lebenden Ehemann der Beschwerdeführerin besteht, kann er auch daraus keinen Anspruch nach Art. 8 EMRK ableiten. Obwohl er in der Schweiz die Schule besucht und sein soziales Umfeld hier hat, spricht er Amharisch und ist mit der Kultur Äthiopiens vertraut, da er dort die ersten sechs Lebensjahre verbracht und den Kindergarten besucht hat. Das Bundesgericht befand, dass es bei gesamthafter Betrachtung der relevanten Umstände zumutbar sei, wenn der Beschwerdeführer zusammen mit seiner Mutter nach Äthiopien ausreisen muss, auch wenn er sich nicht mehr im "anpassungsfähigen Alter im engeren Sinne" befindet (vgl. BGE 143 I 21 E. 5.4). Die Aufenthaltsbeendigung verletzt daher weder den Anspruch des Beschwerdeführers auf Achtung seines Privatlebens (Art. 8 EMRK) noch die Verpflichtung, das Wohl des Kindes vorrangig zu berücksichtigen (Art. 3 KRK; Art. 11 Abs. 1 BV).
    • Gesamtwürdigung Härtefall: Das Bundesgericht anerkannte, dass die Integration der Beschwerdeführenden in Äthiopien eine Herausforderung darstellt. Es befand jedoch, dass eine "stark gefährdete Wiedereingliederung" nicht hinreichend erstellt sei. Da sowohl Mutter als auch Sohn mit den Verhältnissen in Äthiopien vertraut sind und keine intensive Bindung zur Schweiz besteht, wurde ein wichtiger persönlicher Grund im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 AIG verneint.

Endgültiger Entscheid Die Beschwerde wurde abgewiesen, soweit darauf einzutreten war. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren wurde gutgeheissen.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte: Das Bundesgericht verneinte im vorliegenden Fall das Vorliegen eines nachehelichen Härtefalls (Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG) für eine äthiopische Mutter und ihren minderjährigen Sohn. Es befand, dass die Beschwerdeführerin keine hinreichend konkreten Beweise für eine "stark gefährdete soziale Wiedereingliederung" in Äthiopien vorgelegt habe, zumal sie dort bereits 30 Jahre gelebt und als alleinerziehende Mutter gearbeitet hatte und die Dauer des Aufenthalts in der Schweiz kurz war (~4 Jahre). Weder der Schutz des Privatlebens gemäss Art. 8 EMRK noch das Kindeswohl gemäss Art. 3 KRK und Art. 11 Abs. 1 BV vermochten einen Anspruch auf Verbleib in der Schweiz zu begründen, da keine intensive Verwurzelung in der Schweiz vorlag und der Sohn mit den Verhältnissen in Äthiopien vertraut ist. Verfahrensrechtliche Rügen wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs und willkürlicher Sachverhaltsfeststellung wurden abgewiesen.